Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die sechste Plenarsitzung des neugewählten Landtages, zu der ich Sie alle ganz herzlich begrüße.
Mein Gruß gilt wie immer auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich drei Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Ich habe die überaus angenehme Pflicht, in Ihrem Namen heute zwei Geburtstagskindern zu gratulieren. Ihren Geburtstag feiern heute im Kreis ihrer Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion der SPD die Herren und Kollegen Jürgen Berghahn und Bernhard von Grünberg. Beiden herzlichen
Der voraussichtliche Verlauf der heutigen Plenarsitzung lässt vermuten, dass Sie noch gut zu Ihrer abendlichen privaten Feier anreisen können.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir schon bei der Tagesordnung und kommen zu Tagesordnungspunkt
Ich bitte diejenigen, die dringende Gespräche zu führen haben, das draußen zu tun, weil das dem Geräuschpegel im Raum sehr zuträglich wäre. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ging alles sehr schnell: Der alte Landtag hat sich aufgelöst. Es gibt einen neuen Landtag, es gibt eine neue Regierung.
In der heutigen ersten inhaltlichen Sitzung rufen wir wieder einen Gesetzentwurf auf, der in der letzten Legislaturperiode kurz vor der Verabschiedung gestanden hat.
Für uns gilt: Versprochen ist versprochen. Und wir halten, was wir versprechen. Der Klimaschutz und das Klimaschutzgesetz sind eine Leitlinie auch dieser neuen Landesregierung.
Dabei ist klar, der globale Klimawandel wartet nicht auf unsere Beschlussfassung, sondern schreitet ungebremst voran. Die Folgen sind international, national, aber auch regional spürbar.
Wir wissen, Nordrhein-Westfalen ist das Energie- und Industrieland Nummer eins in Deutschland und in der Konzentration auch in Europa. Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung für ein neues Energiezeitalter und für den Klimaschutz. Wir wollen die Energiewende schaffen und das auch mit den Anstrengungen verbinden, die notwendig sind, um den Klimaschutz hinzubekommen. Wir wollen vielleicht sogar noch etwas mehr, nämlich eine Vorreiterrolle übernehmen, weil wir uns davon auch die eine oder andere ökonomische Chance versprechen.
Klimaschutz made in Nordrhein-Westfalen – das ist eine Marke, mit der wir uns national und international positionieren können und wo wir in Form einer ökologischen und ökonomischen gesellschaftlichen Leitentscheidung unsere Kräfte bündeln sollten.
Es ist klar, wir in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik werden mit unseren Anstrengungen das Weltklima nicht retten. Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wenn die europäischen, wenn die nationalen und wenn unsere eigenen Ziele realisiert werden sollen auf der Strecke 2020 bis 2050, dann wird das nicht gehen, ohne dass wir es hier bei uns schaffen. Wo denn sonst, wenn nicht hier, ist unsere Botschaft. Es ist eine Marke: ökologisch zwingend, ökonomisch geboten, Ökologie und Ökonomie in einer Hand – darin liegen für unseren Standort gute Chancen.
Um es an Zahlen deutlich zu machen: Auf Nordrhein-Westfalen entfallen gut 30 % des nationalen CO2-Ausstoßes, wir produzieren 33 % des Stroms, und wir emittieren aktuell gut 300 Millionen t CO2.
Um das Ziel 2050 zu erreichen, was nicht wir hier uns gesetzt haben, sondern das national aufgestellt worden ist und europäisch gilt, müssen wir auf 70 Millionen t herunterkommen – eine gewaltige Anstrengung, eine Jahrhundertherausforderung. Und deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir das zu einer politischen Leitentscheidung machen.
Um es dann noch einmal auf jeden Einzelnen herunterzubrechen: Zurzeit stoßen wir in der Bundesrepublik Deutschland pro Kopf 10 t im Jahr aus, in Nordrhein-Westfalen sind es 16 t. Die Zielgröße 2050 ist dann irgendwo zwischen 3,5 t und 4 t. Auch das ist – von der Dimension her – eine gewaltige Herausforderung für die nächsten 40 Jahre.
Die neue Landesregierung hat deshalb keine Zeit verloren. Wir bringen den Gesetzentwurf zum Klimaschutzgesetz nun erneut in den Landtag ein. Das ist ein guter, ein solider Gesetzentwurf. Er ist vielfach diskutiert worden mit allen gesellschaftlichen Akteuren und in der Beratung auch gereift.
Gegenüber dem Entwurf aus dem Oktober 2011 haben wir einige kleinere Modifikationen vorgenommen, die insbesondere aus der Sachverständigenanhörung des Landtages, aber auch aus anderen Diskussionen entsprungen sind.
Der Entwurf hat das Ziel, 2020 25 % CO2 zu minimieren in Nordrhein-Westfalen, 2050 dann im nationalen Rahmen minus 80 % gegenüber 1990. Das sind in der Tat ambitionierte Ziele, die in den einzelnen Bereichen Energieeinsparung, Ressourcen- und Energieeffizienz, aber vor allem Ausbau der Erneuerbaren umgesetzt werden müssen.
Wir brauchen in den nächsten Jahren massive Investitionen, gerade in diesen drei Bereichen, um auch im nationalen Wettbewerb die Position Nordrhein-Westfalens nicht zu verlieren. Wir sollten uns nicht in zehn Jahren umschauen, und um uns herum ist die schöne neue Welt des Klimaschutzes und der Energiewende entstanden. Schleswig-Holstein: aktuell mit einer Zielsetzung, 300 % Erneuerbare zu produzieren, also dreimal so viel, wie für den eigenen Verbrauch benötigt wird. Bayern – nicht unbedingt wie Nordrhein-Westfalen regiert –: mit der Zielsetzung, 2020 50 % Erneuerbare zu produzieren.
In diesem Konzert müssen wir uns wiederfinden, müssen unsere eigenen Anstrengungen bündeln. Und deshalb ist es richtig, mit einem eigenen Gesetz hier auch die Zielmarken für NordrheinWestfalen zu setzen.
Das Ganze wird aber nur gelingen – und das ist der Unterschied zu vielen anderen Prozessen –, wenn es eine gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsanstrengung wird, wenn alle mitmachen. Wirtschaft, Industrie, Kirchen, Gewerkschaften, Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, kleine und mittlere Unternehmen: Alle müssen mitmachen. So hat es jedenfalls auch die Ethikkommission der Bundesregierung formuliert. Das Ganze – Energiewende und Klimaschutz – kann nur gelingen, wenn es ein Gemeinschaftswerk, eine Gemeinschaftsanstrengung wird.
Deshalb kann man eine solche Jahrhundertaufgabe, eine solche Herausforderung nicht im Hinterzimmer bewältigen. Das ist die eigentliche Botschaft des Klimaschutzgesetzes. Wir setzen Ziele, wir beschreiben bestimmte Mechanismen, wir verständigen uns auf ein Monitoring. Aber die Ausfüllung, die Maßnahmen, die Konsequenzen, die beraten wir mit den gesellschaftlichen Akteuren, um sie dann
Dieser Prozess ist angelaufen; die Akteure sind beteiligt. Ich hoffe, dass auch viel Unterstützung aus den Reihen der Abgeordneten und des Landtags kommen wird, um diesen Prozess zu einer erfolgreichen Geschichte für Nordrhein-Westfalen zu machen.
Dialog, Partizipation und Transparenz schaffen Akzeptanz, und das ist auch notwendig. Wir wollen es anders machen als die Bundesregierung, die mit ihrem Energiekonzept im Hinterzimmer mit den vier großen Energieversorgern die Zielsetzungen ausgehandelt hat. Wir wollen in den offenen Dialog mit allen Beteiligten, und das ist Kern des Klimaschutzgesetzes und der Anstrengungen, die jetzt vor uns liegen.
Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle noch einmal besonders herausstellen, weil wir da eine besondere Anstrengung in Nordrhein-Westfalen vor uns haben. Ich habe eben schon betont, dass wir von einem sehr hohen Niveau kommen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass wir hier sehr viele energieintensive Unternehmen haben, wobei – auch das sei gesagt – die Wirtschaft und die Industrie ihren Beitrag seit 1990 schon übererfüllt haben. 40 % CO2-Minimierung gegenüber 1990 in der Produktion ist eine beachtliche Leistung. Kein anderer Bereich – weder die Mobilität noch der private Haushalt oder die Energieerzeugung – hat das bis heute hinbekommen. Insofern könnten und sollten die Wirtschaft und die Industrie hier auch etwas selbstbewusster auftreten.
Aber die anderen Bereiche müssen nachholen, und vor allem in der Energieproduktion müssen wir uns in Nordrhein-Westfalen anstrengen, und zwar gerade vor dem Hintergrund eines Standortes, der auf energieintensive Produktion angewiesen ist. Wir wollen die Wertschöpfungskette zusammenhalten. Wir brauchen die Grundstoffproduktion, wir brauchen gute und bessere Materialien, wir brauchen die chemische Industrie, wir brauchen Stahl und Aluminium, und wir brauchen auch den Maschinenbau. Das macht unseren Standort aus.
Deshalb ist es eine besondere Gestaltungsaufgabe, Energiewende und Klimaschutz zu versöhnen im Hinblick auf die Notwendigkeit, sehr viel Energie in der Primärproduktion zu haben. Das ist die Gestaltungsaufgabe für diesen Standort.
Da stehen wir in der Bundesrepublik Deutschland mit wenigen anderen alleine. Deshalb müssen wir uns auf den Weg machen. Da liegt aber auch die große Chance für unsere Zukunft, für unsere Arbeitsplätze sowie für unsere ländlichen und Ballungsraumstrukturen in Nordrhein-Westfalen.
Deshalb biete ich auch heute allen noch einmal an, sich intensiv an diesem Prozess zu beteiligen, den Gesetzentwurf zügig zu beraten und dann auch die Konkretisierungen vorzunehmen. Wir wollen Nord
rhein-Westfalen zum Klimaschutzland Nummer eins machen. Dafür brauchen wir jede Unterstützung. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir beraten heute – mal wieder, muss man ja sagen – in erster Lesung das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen.
Dieser Entwurf hat dem letzten Landtag in fast gleicher Form – der Minister hat es gerade ausgeführt – schon zur Debatte vorgelegen, und wir hatten dazu im Februar dieses Jahres eine lange, sehr aufschlussreiche und sehr intensive Anhörung. Verschiedene Anregungen der Experten sind in den neuen Entwurf eingeflossen. Die Anhörung hat aber zugleich deutlich gemacht, wie wichtig Klimaschutzpolitik ist und wie drängend der Klimawandel hier bei uns ist. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben deshalb in ihrem Koalitionsvertrag unmissverständlich deutlich gemacht, dass Klimaschutz eine der größten Herausforderungen der Zukunft ist, der wir uns auch hier in Nordrhein-Westfalen konzentriert und aktiv stellen müssen.
Die globale Erwärmung hat Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche der Menschen. Der Klimawandel verursacht langfristige und zum großen Teil irreversible Schäden. Er bedroht die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit weltweit. Wir dürfen nicht vergessen, dass er damit auch die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen gefährdet.
Wir sehen zum Beispiel an den Vorkommnissen wie dem damaligen Orkan Kyrill oder dem Starkregen 2008 in Dortmund, dass sich das Klima in Nordrhein-Westfalen gewandelt hat. Die langjährigen Wetteraufzeichnungen zeigen, dass in unserem Bundesland die Temperatur innerhalb der letzten 100 Jahre im Mittel um etwa 1,5 Grad angestiegen ist. Heute gibt es deshalb deutlich weniger Frosttage und mehr warme Sommertage. Ich würde mir die allerdings auch in den nächsten sechs Wochen wünschen.
Neben der Erwärmung der Lufttemperatur lässt sich der Klimawandel vor allem an den Niederschlägen ablesen. Um rund 15 % haben diese in NordrheinWestfalen seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts im Durchschnitt zugenommen.
Obwohl wir hier in Mitteleuropa im Vergleich zu anderen Regionen der Welt noch die geringsten Risiken tragen, hinterlässt der Klimawandel auch in Nordrhein-Westfalen spürbare Spuren. Mit seiner
hohen Bevölkerungsdichte, einer teuren Infrastruktur und einer ausgeprägten Land- und Forstwirtschaft ist Nordrhein-Westfalen verletzlich gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.
Dies hat zwangsläufig finanzielle Konsequenzen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung würden auf Deutschland Kosten durch Klimaschäden allein bis zum Jahre 2050 in Höhe von rund 800 Milliarden € zukommen. Das würde für Nordrhein-Westfalen eine Mehrbelastung von sage und schreibe 70 Milliarden € bedeuten.