Protokoll der Sitzung vom 05.07.2012

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Sie haben unter Ihrer Verantwortung haushaltspolitisch keinerlei Vorsorge getroffen: weder für die Investitionsförderung im U3-Ausbau

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wann war der Regierungswechsel noch mal?)

noch für den verfassungsrechtlich gebotenen Belastungsausgleich der Kommunen. Das ist auch im Hinblick auf die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes eine ziemlich gewichtige Feststellung; denn wir von Rot-Grün, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, finanzieren jetzt seitens des Landes 1,8 Milliarden € für den U3-Ausbau, die Sie nicht einmal eingeplant hatten.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ihre Politik für Kinder war eine Vogel-Strauß-Politik. Sie haben sich auf die Verausgabung der Bundesmittel konzentriert; das war’s. Sie haben die Mittel des Bundes nicht durchgeleitet; Sie haben das Ganze noch nicht einmal gut administriert. Damit haben Sie uns ein Chaos hinterlassen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Das, meine Damen und Herren, beseitigen wir Zug um Zug. Wir stellen den Kommunen als auch den Trägern jetzt bis 2018 1,8 Milliarden € zur Verfügung.

Wir haben die dem Gesetzentwurf zugrundeliegende Kostenfolgeabschätzung intensiv mit den kommunalen Spitzenverbänden beraten und mit ihrer Beteiligung erarbeitet. Wir haben in der Sache hart, sehr hart, aber immer fair miteinander gerungen. Und mit den kommunalen Spitzenverbänden besteht jetzt Einvernehmen darüber, dass das Gesetz so und auf der Grundlage der gemeinsam erörterten Kostenfolgeabschätzung auf den Weg gebracht werden kann.

Der U3-Ausbau ist in der Tat ein sehr dynamischer Prozess. Wegen dieser Dynamik und der Unwägbarkeiten bei den Kostenprognosen sieht der Gesetzentwurf unter anderem vor, schon im nächsten Jahr und auch die Jahre darauf die wesentlichen Parameter der Berechnung noch einmal zu überprüfen. Auch das ist ein Verhandlungsergebnis, das deutlich macht, dass wir, das Land und die kommunale Familie, gegenseitig unsere Verantwortung in dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Frage respektieren.

Ich bin ganz sicher: Mit diesem Gesetzentwurf steigern wir noch mal Tempo und Dynamik unserer Aufholjagd. Denn in der Tat: Die kommunale Familie war durch die schwarz-gelbe Landespolitik arg verunsichert. Sobald dieses Gesetz verabschiedet ist, werden die Kommunen rund 107 Millionen € im Jahr 2012 erhalten; im Jahr 2013 sind es nach derzeitigem Stand 163 Millionen €; in den Folgejahren werden die Ausgleichszahlungen weiter ansteigen.

Es gibt also einen jährlichen Aufwuchs bis zum Jahr 2018.

Lassen Sie mich am Ende eines ganz deutlich betonen – das ist allerdings an die Adresse der Städte und Gemeinden gerichtet –: Ich erwarte natürlich, dass diese Mittel, die das Land den Kommunen jetzt zur Verfügung stellt, eins zu eins auch für die Betreuung der unterdreijährigen Kinder bereitgestellt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Schäfer. – Für die SPD spricht dann der Kollege Jörg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte es mir an dieser Stelle leicht machen und die alte „schwach-gelbe Versuchsregierung“ beschimpfen, dass sie es fünf Jahre lang nicht hingekriegt hat, mit den Kommunen zu sprechen, ich könnte sagen, welche Fehler Sie alle gemacht haben. Ständig Weihnachten auch hier! Außerdem wäre das nicht fair, denn wir haben jetzt bald Ferien und würden Sie dann mit einem schlechten Gewissen in die Ferien entlassen. Deshalb erspare ich mir das.

(Unruhe von der CDU)

Umso froher bin ich allerdings, dass die neue rotgrüne Landesregierung hier richtig gehandelt hat, in zum Teil sehr zähen Verhandlungen ein hervorragendes Ergebnis erzielt hat und wieder die nötige Augenhöhe mit den Kommunen erreicht hat. Dafür, finde ich, sollte man der Landesregierung einen Applaus zollen. Das haben Sie wirklich gut gemacht, Frau Ministerin Schäfer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- nisterin Ute Schäfer: Danke schön!)

Das hört man auch allerorts bei den Kommunen.

Wir haben jetzt zusätzlich rund 1,8 Milliarden €. – Lieber Kollege Hafke, dabei geht es wirklich nur um das Zusammenspiel unter den Kommunen und um das sogenannte Konnexitätsprinzip. Deshalb: Wenn du gleich reden musst, guck dir dein Typoskript noch mal an. Aufgrund deiner Zwischenfrage glaube ich, dass da etwas Falsches drinstehen könnte. Aber das nur am Rande.

Ich wünsche mir, dass wir diese 1,8 Milliarden €, die wir jetzt zusätzlich als Impuls an die Kommunen weitergeben können, so schnell wie möglich parlamentarisch umsetzen. Das heißt konkret: Wir haben gleich die Konstituierung des Ausschusses. Ich schlage vor, dass wir die Zeit gleich schon nutzen, um gemeinsam zu überlegen, wie wir das Gesetzgebungsverfahren so beschleunigen können, dass die Kommunen so schnell wie möglich an das Geld

kommen und damit so schnell wie möglich anständige Kinderbetreuung gewährleisten bzw. anständige U3-Plätze schaffen können. Denn daran muss uns allen gelegen sein, egal, ob Schwarz, Rot, Seeräuber oder Grün. Alle zusammen müssen wir gucken, dass wir das umsetzen. Ich glaube, wenn wir uns im Ausschuss einig sind, können wir das beschleunigen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Jörg. – Für die CDU darf ich dann Herrn Tenhumberg bitten, zu uns zu sprechen.

(Zuruf von Günter Garbrecht [SPD])

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können es besser, klar!

(Beifall von der CDU)

Nach der Rede der Ministerin knüpfe ich an die alte Tradition aus der zweijährigen Regierungszeit an: Wegschauen, Schuld haben immer andere, bestenfalls noch die Vorgängerregierung, an eigene Verantwortung ist gar nicht zu denken!

Herr Jörg, nach der Rede der Ministerin können Sie das alles vergessen. Mit dem Durchpeitschen des Gesetzes ist es jetzt vorbei. Die Ministerin hat das schön kaputt gemacht. Das hätten wir machen können, aber mit einer solchen Geschichtsfälschung ist das nicht mehr zuzumuten. Dies insbesondere auch deshalb, weil sie gesagt hat, das sei alles wunderbar mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Ich bin gespannt darauf. Ich kündige schon einmal an, dass wir eine Anhörung beantragen werden. Dann wollen wir einmal hören, was die Spitzenverbände dazu sagen, wie Sie das verhandelt haben.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Seit Einführung des Kinder-und Jugendhilfegesetzes im Jahre 1991 ist die örtliche Kinder- und Jugendhilfe Aufgabe der Landkreise und größeren Städte mit ihren Jugendämtern. Diese ortsnahe Struktur hat sich bei der Betreuung sehr bewährt.

Aufgrund der Föderalismusreform ist die bundesgesetzliche Zuständigkeitsregelung zur Trägerschaft der Kinder- und Jugendhilfe aufgehoben worden. Damit für Nordrhein-Westfalen kein rechtsfreier Raum entsteht, wurde eine landesgesetzliche Norm geschaffen, die die bisherige Bundesregelung eins zu eins in Landesrecht überführt hat.

Die erforderlich gewordene Gesetzesänderung im Jahre 2008 beruhte auf einem allgemeinen politischen Konsens. Neben der damaligen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen hat insbe

sondere die SPD-Fraktion zugestimmt. Die Grünen haben sich enthalten. Im zuständigen Ausschuss wurde der Gesetzentwurf sogar einstimmig angenommen.

Die kritische Stellungnahme des Städtetages, der einen fehlenden Belastungsausgleich durch das Land beklagte, war damals bereits bekannt und Gegenstand der Ausschussberatungen. Ich empfehle, die Ausschussprotokolle einmal zu lesen.

Der heutige Staatssekretär Schäfer hatte dem Ausschuss ausführlich erklärt, warum er die neuen gesetzlichen Regelungen für richtig und notwendig hält, und einen weiteren Änderungsbedarf nicht gesehen. Der damalige Gesetzentwurf wurde als rein technische Änderung an einem bestehenden Gesetz betrachtet. Mit dem damaligen Entwurf sollte in erster Linie der Betreuungsausbau für Kinder unter drei Jahren geregelt werden. Er war die Grundlage für das, was der Bund auch in Nordrhein-Westfalen an Geldern bereitstellte, um Investitionen für den Umbau in Kindertagesstätten durchzuführen.

Der Verfassungsgerichtshof in Nordrhein-Westfalen hat aber am 10. Oktober 2010 diese rein formale Gesetzesänderung als konnexitätsrelevante Veränderung beurteilt mit der Folge, dass der Landesgesetzgeber diese Frage jetzt auch materiell klären muss. Folgerichtig haben wir nun den Entwurf der Landesregierung vorliegen.

Ob der Gesetzentwurf dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes gerecht wird, wollen wir gern im Fachausschuss diskutieren. Wir stimmen daher der Überweisung an den Fachausschuss zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Tenhumberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Asch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Kommunen und für die Kinder und Familien in NordrheinWestfalen, weil wir ihnen 1,8 Milliarden € Landesmittel zur Verfügung stellen, damit sie den dringend notwendigen U3-Ausbau kommunal schultern können.

Ich glaube, wir alle wissen, dass die Kommunen dieses Geld dringend brauchen. Wir sind froh, dass wir jetzt endlich an dem Punkt angelangt sind, an dem wir – Frau Ministerin Schäfer hat das eben gesagt – schon sehr viel früher hätten stehen können. Lieber Bernhard Tenhumberg, wir wollen hier keine Geschichtsklitterung vornehmen, auch wenn versucht wird, mit dem Zitieren aus Ausschussprotokollen ein anderes Bild zu erzeugen. Tatsache ist – das kann auch

die CDU-Fraktion nicht wegdiskutieren und wegreden –, dass 23 Kommunen in Nordrhein-Westfalen gegen die damalige CDU/FDP-Landesregierung geklagt haben. Sie haben geklagt, weil ihnen das Geld, das ihnen nach dem Konnexitätsausgleichsgesetz zugestanden hätte, von CDU und FDP nicht gewährt worden ist. Diese Klage hat das Verfassungsgericht positiv beschieden. Das heißt, es hat gesagt, die Kommunen haben recht, die Landesregierung von CDU und FDP hätte diese Mittel an die Kommunen durchleiten müssen.

Wenn die Kommunen damals schon dieses Geld gehabt hätten, dann würden wir, glaube ich, bei dem Ausbaustand für die U3-Versorgung an einer anderen Stelle stehen, als das heute der Fall ist. Das musste erst mühsam eingeklagt werden. Ich bin sehr dankbar – und möchte das hier auch noch einmal sagen –, dass Ministerin Schäfer und ihr Stab dies mit den Kommunen in einer guten und einvernehmlichen Art und Weise verhandelt haben.

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt einen wesentlichen Unterschied zu der Situation, die wir im Jahre 2008 vorgefunden haben. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass wir in der Tat unsere Verantwortung als Land wahrnehmen, dass wir die Kommunen bei ihren Anstrengungen unterstützen, den Rechtsanspruch für die U3-Kinder sicherzustellen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern: In Ihrer Regierungszeit ist das vollkommen verschlafen worden. Sie sind 2008, als es darum ging, die Krippenplatzmittel vom Bund zu administrieren, ein halbes Jahr zu spät in die Schuhe gekommen. Sie haben keinen Cent an Landesmitteln dazugetan. Sie haben letztendlich, indem Sie nicht das sofort umgesetzt haben, was notwendig war, zum Beispiel den Konnexitätsanspruch zu erfüllen, die Kommunen zurückgeworfen.

Ich empfehle allen von den Oppositionsfraktionen, sich einmal den Bildungsbericht zu dem Punkt Ausbauentwicklung bei den Betreuungsplätzen für Unterdreijährige anzuschauen. Während andere Bundesländer, die mit uns 2008 auf der gleichen Ebene lagen, durchgestartet sind, zum Beispiel Niedersachsen, und uns überholt haben, ist NordrheinWestfalen genau in dieser Phase auf den letzten Platz in der Bedarfsdeckung zurückgerutscht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist Ihre Realität. Das holen wir jetzt nach. Wir haben damit für die Familien, die Kinder und die Kommunen etwas Gutes getan.

Frau Asch, würden Sie eine Zwischenfrage aus der CDU-Fraktion zulassen?

Sehr gerne. Bitte, Walter Kern.