im Bund für das Betreuungsgeld, in NordrheinWestfalen dagegen, in Nordrhein-Westfalen gegen die Gebührenfreiheit, in Bayern dafür.
Wir brauchen jedenfalls aus Nordrhein-Westfalen heraus ein starkes Signal gegen das Betreuungsgeld. Ich glaube, das kann der Landtag hier und heute setzen. – Herzlichen Dank.
Ich lasse abstimmen zunächst über den Antrag Drucksache 16/121 – Neudruck. Die antragstellenden Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags. Ich darf fragen, wer diesem Antrag zustimmen möchte. – Wer ist gegen diesen Antrag? –
Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.
Wir kommen damit zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/169. Ich darf auch hier fragen, wer diesem Antrag zustimmen möchte. – Wer ist gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Teilen der Piratenfraktion gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung eines Teils der Piratenfraktion abgelehnt.
Ich darf den Hinweis geben, dass sich die Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt haben, diese Debatte in einer Runde zu führen. Das ändert natürlich nichts an der zur Verfügung stehenden jeweils auf die Fraktionen entfallende Redezeit.
Ich eröffne die Beratung und darf für die antragstellende SPD-Fraktion Herrn Kollegen Hübner das Wort erteilen. Bitte schön.
Danke schön, Herr Landtagspräsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt des heute zu beratenden Antrags
der Fraktionen von SPD und Grünen zur umsatzsteuerlichen Einordnung öffentlicher Leistungen sind zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofes vom November bzw. Dezember des vergangenen Jahres. In den Urteilen wurde festgestellt, dass die bisherige geltende Auslegung der Abgrenzungskriterien des Umsatzsteuergesetzes für die Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechtes nicht EU-rechtskonform sei.
Damit hat der Bundesfinanzhof faktisch zugleich einen völlig neuen Rahmen für die umsatzsteuerliche Behandlung von Dienstleistungen durch die öffentliche Hand geschaffen. Vereinfacht gesagt: Die Entscheidungen führen gegenüber der bisherigen Verwaltungspraxis zu einer massiven Ausweitung der kommunalen Steuerpflichten. Dies betrifft viele Bereiche von öffentlichen Leistungen und insbesondere die sogenannten Beistandsleistungen von Kommunen untereinander. Trotz der Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs können derartige Leistungen erheblich teurer werden.
Meine Damen und Herren, diese vielleicht sehr technischen Ausführungen haben und können ganz konkrete Auswirkungen haben, zumindest auf die interkommunale Leistungserbringung.
Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel geben. Auf Abfrage des Deutschen Städtetages zur Abschätzung der Auswirkungen der steuerlichen Zusatzbelastung im Rahmen der interkommunalen Leistungserbringung beschreibt die Stadt Remscheid ein Gesamtleistungsvolumen von 3,2 Millionen €. Die sind zum Beispiel Backoffice-Dienstleistungen im Rahmen der Zusammenarbeit im bergischen Städtedreieck, im Bereich der EDV und im Bereich der gemeinsamen Telefonzentrale.
Die Stadt Remscheid rechnet damit, dass auf das Gesamtleistungsvolumen von den genannten 3,2 Millionen € eine Summe von zusätzlich dann rund 600.000 € aufgebracht werden müsste. Dabei sind die Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs bereits in die Summe eingepreist. Es entsteht damit eine faktische Mehrbelastung des Haushaltes der ohnehin hochbelasteten Stadt Remscheid.
Meine Damen und Herren, das ist absolut kontraproduktiv. Dies würde auch dem zentralen Ziel der Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspaktes der Stadt Remscheid zuwiderlaufen.
Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode auf Antrag der FDP eine längere Debatte zum Thema der Chancen der interkommunalen Zusammenarbeit gehabt. Wir waren uns hier im Hohen Haus grundsätzlich einig, dass die interkommunale Zusammenarbeit auch ein Baustein – auch ein Baustein – zur finanziellen Gesundung der Städte sein kann.
In der Debatte hatte ich auch auf die umfangreiche Vereinbarung zur interkommunalen Zusammenarbeit der Städte im Kreis Recklinghausen hingewie
sen. Die Städte im Kreis Recklinghausen haben sich darauf verständigt, im Einzelnen in folgenden Bereichen stärker zusammenzuarbeiten: Personalservice, Bibliotheken, Brandschutz, Rettungsdienst, Vermessung, Ausländerbehörde, Tiefbau, Grundsicherung im Alter, einheitliche Steuersätze, Erziehungsberatung und Bekämpfung der
Insgesamt – so lautete die damalige Schätzung – lassen sich durch diese Zusammenarbeit in den Einzelpunkten etwa 6 bis 7 Millionen € einsparen. Damit werden der Kreis Recklinghausen und die Städte zwar nicht gerettet – immerhin haben die Städte dort 2,3 Milliarden € Verbindlichkeiten –; 6 bis 7 Millionen € wären aber immerhin etwas.
Alle Punkte werden derzeit noch sorgsam abgewogen. Die Umsatzsteuerproblematik würde aber in mehreren Fällen dazu führen, dass die interkommunale Zusammenarbeit im Verhältnis zur Eigenleistungserbringung insgesamt unwirtschaftlich würde. Daher wäre dies kontraproduktiv für die interkommunale Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, das kann nicht so gewollt sein. In der vergangenen Legislaturperiode ist das Land Nordrhein-Westfalen bis an den Rand der finanziellen Leistungsfähigkeit gegangen, um den Städten in unserem Land zu helfen. Alleine im Rahmen des Stärkungspakt-Gesetzes werden in den nächsten zehn Jahren – wir haben schon damit begonnen – 5,85 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Hier erwarten wir auch ein Eigenengagement der Städte; das ist völlig klar. Die interkommunale Zusammenarbeit wird da als ein Instrument gesehen. Wenn man diese interkommunale Zusammenarbeit dann nicht fördert, sondern sie im Gegenteil mit höheren Belastungen belegt, ist das absolut kontraproduktiv.
Vor diesem Hintergrund bitten wir die Landesregierung, sich im Interesse unserer Städte gegenüber dem Bundestag, der Bundesregierung und dem Bundesrat für eine Lösung der aufgeworfenen Fragestellung einzusetzen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Hübner. – Für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Mostofizadeh.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsatzsteuerpflicht für kommunale Leistungen, die Dritten angeboten werden, wird von uns gar nicht grundsätzlich infrage gestellt. Es geht aber nicht, dass interkommunale Zusammenarbeit – die wir wohl alle nicht nur für richtig, sondern auch für zwingend notwendig halten; das hat der Kollege Hübner auch
dargestellt – letztlich unmöglich gemacht wird, weil sie durch eine Besteuerung, wie sie jetzt – der Kollege Hübner hat es bereits angesprochen – der Bundesfinanzhof einfordert, unwirtschaftlich wird.
Wir haben uns als Koalitionsfraktionen vorgenommen, diesen Bereich deutlich auszuweiten. Wir wollen mehr interkommunale Zusammenarbeit ermöglichen. Wir wollen Synergien dadurch erreichen, dass man in größeren Einheiten, aber auch flexibel miteinander zusammenarbeiten kann. Der Kollege Hübner hat schon auf die Problematik hingewiesen. Ich will einmal sehr plastisch darstellen, wie albern Fallkonstellationen, auf die der Bundesfinanzhof sich bezieht, zum Teil sein können.
Konkret wurde über einen Fall entschieden, in dem eine Stadt eine Sporthalle betreibt, in der sie vor allem ihren Schulsport abhält. An ausgewählten Tagen, wahrscheinlich am Wochenende, überlässt sie sie für einzelne Veranstaltungen Dritten, auch – das ist der entscheidende Punkt – einer anderen Stadt, damit diese Halle überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Wir wissen alle, dass keine Sporthalle am Ende des Tages überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann; es wird immer ein Zuschuss der jeweiligen Gebietskörperschaft notwendig sein. In diesem konkreten Fall hat der Bundesfinanzhof tatsächlich entschieden: Genau dieser Ausschnitt der Überlassung einer Sporthalle an Dritte ist umsatzsteuerpflichtig; denn diese Leistung hätte auch von einem Dritten angeboten werden können.
Tatsächlich würde aber niemand auf die Idee kommen, für drei Stunden in der Woche eine Halle zu bauen, um sie dann auf dem Markt anzubieten. Trotzdem hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass hier, unabhängig von der lokalen Marktlage, Umsatzsteuerpflicht besteht.
Ich kann noch andere Beispiele nennen wie die Zusammenarbeit von Gesundheitsämtern oder die gemeinsame Erarbeitung von chemischen Dienstleistungen. Gerade bei kleinen Kommunen mit wenigen tausend Einwohnerinnen und Einwohnern könnte man auf die Idee kommen, dass die eine Kommune sagt: Wir haben hier zwei Fachleute. Warum sollen die Kommunen, die im Umkreis liegen, dasselbe ebenfalls anbieten? Lasst uns das doch zusammen machen. Dann haben wir auch einen höheren Standard. Wenn wir die Leistungen gemeinsam erbringen, können wir sie überhaupt erst auf ein Niveau heben, das den gesetzlichen Standards dieser Aufgabe entspricht.
In diesem Fall würde wieder die Umsatzsteuerpflicht greifen, weil eine Kommune der anderen eine Leistung anbietet. Das kann niemand wollen – auch nicht der Bundesgesetzgeber –, weil man dann auf die Idee käme, diese Leistung einzeln anzubieten, und zwar teuer anzubieten. Hier kommen wir auch sehr schnell in hoheitliche Bereiche hinein. Trotzdem würde die Umsatzsteuerpflicht greifen. Insofern
Letztlich kann es – das ist noch ein Appell in Richtung Finanzministerium – überhaupt nicht in unserem Interesse sein, dass wir Leistungen, die wir in den Kommunen anbieten, mit der Pflicht zur Erhebung von Umsatzsteuer belegen, von der der Löwenanteil dann in Richtung Bund wandert.
An dieser Stelle lege ich – da bin ich ganz ehrlich – auch ein Stück Egoismus an den Tag. Wenn es hier eine Umverteilung in Richtung Bund gibt, müsste man sich andersherum einmal über die Umsatzsteuerverteilung insgesamt unterhalten.
Ich füge noch eine dritte Absurdität hinzu. Wenn beispielsweise Essen und Gelsenkirchen miteinander eine Leistung nutzen, die konkret in Gelsenkirchen angeboten wird, sodass die Essener Umsatzsteuer zahlen müssen, wenn sie sich diese Leistung in Gelsenkirchen abholen, könnten wir als Landesregierung ja auf die Idee kommen, genau in diesem Fall Essen und Gelsenkirchen als gemeinsame Gebietskörperschaft zu betrachten. Dann würde die Umsatzsteuerpflicht wieder entfallen. – Auch an diesem Beispiel wird wohl deutlich, wie absurd der Umgang mit dem Umsatzsteuerrecht im Moment ist.
Das liegt zugegebenermaßen auch daran, dass die Europäische Union erhebliche Probleme hat – nicht nur in diesem Fall, aber auch in diesem Fall –, das deutsche System zu verstehen. Ich erinnere nur an die Einrechnung der Sozialversicherungen der Kommunen beim Fiskalpakt oder bei sonstigen Steuergeschichten.
Es geht uns keineswegs darum, hier zu tricksen und die Kommunen unlauter besserzustellen, sondern darum, das, was öffentlich erbracht werden muss, möglichst effektiv, möglichst effizient und möglichst transparent zu erbringen. Dem steht eine Umsatzsteuerpflicht auf Leistungen entgegen; denn letztlich werden es die Bürgerinnen und Bürger bezahlen müssen, und zwar nicht nur durch Mehrkosten, sondern auch durch Ineffizienz. Deswegen ist dieser Antrag so wichtig.
Und er ist auch deswegen so wichtig, weil er letztendlich die Weichen stellt, wie es in Europa in dieser Frage weitergeht. Wenn sich Deutschland und das größte Bundesland in dieser Frage nicht klar aufstellen, dann wird es interkommunale Zusammenarbeit nur noch in Ausnahmefällen geben, dann werden Leistungen teurer, ineffizienter. Darüber hinaus werden wir den guten Weg, den wir in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen haben, abbrechen. Und die Leistungen werden für die Menschen in diesem Land letztendlich schlechter werden. Das kann niemand wollen. Auch die Europäische Union kann dies nicht wollen.
Unsere Landesregierung sollte sich intensiv darum bemühen – das tut sie schon; uns liegen Protokolle vor, dass auf Innenministerkonferenzen entsprechende Beschlüsse gefasst worden sind, und zwar mit Zutun von Nordrhein-Westfalen –, dass diese Art von Umsatzsteuerpflicht rechtssicher ausgeschlossen wird und dass der Zustand der Nichtaussetzung in einen generellen Zustand von Gesetzespflicht in Deutschland übergeht. – Vielen Dank.