Im Gegenteil! Ein Beispiel dafür findet sich im Bereich des Wohnens. Die Umsteuerung in der Behindertenhilfe begann vor gut elf Jahren mit dem Projekt „Selbständiges Wohnen behinderter Menschen – Individuelle Hilfen aus einer Hand“. Zuvor wurde dafür gesorgt, dass die beiden Landschaftsverbände als die überörtlichen Träger der Sozialhilfe seit 2003 befristet auch für die wohnbezogene Eingliederungshilfe und somit für die fachliche und finanzielle Gesamtsteuerung im Bereich der ambulanten wie auch stationären Hilfen zuständig sind.
Seither hat sich die Zahl der Menschen mit Behinderung, die in ihrer eigenen Wohnung leben und dort bedarfsgerecht unterstützt werden, mehr als verfünffacht. Das ist ein Erfolg.
Ende des Jahres 2012 waren es nach unseren Erkenntnissen rund 50.000. Das ist ein sehr erfreuliches Signal für die Inklusion.
Die Befristung der Zuständigkeit der Landschaftsverbände abzuschaffen, wäre ein vielversprechender Schritt gewesen. Dass er der Landesregierung leider bis heute nicht gelungen ist, kritisieren wir. Die Regelung wurde erneut verlängert, und zwar bis Mitte 2015. Vielleicht sollten wir uns einmal über die unbefristete Zuständigkeit unterhalten.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass größere persönliche Freiräume bei vielen dazu führen, dass sie selbstständiger und unabhängiger werden, weil Fähigkeiten wiedererlangt oder neu gelernt werden. Davon zeugen viele Erfahrungsberichte aus der Praxis.
Dennoch, meine Damen und Herren, gibt es keinen Zwang zum ambulanten Wohnen. Obwohl Sondereinrichtungen nicht dem Ideal einer inklusiven Gesellschaft entsprechen, ist gerade für viele ältere Bewohnerinnen und Bewohner das Wohnheim zu ihrem Zuhause geworden. Ich gehe wieder zu dem Thema „Expertenwissen“ zurück: Warum soll jemand nicht dort wohnen, wenn er das möchte?
Das ist jedoch keineswegs ein Grund, in den Einrichtungen der Behindertenhilfe alles beim Alten zu lassen und nichts weiterzuentwickeln.
Vor diesem Hintergrund haben CDU und FDP während ihrer Regierungszeit mit dem Wohn- und Teilhabegesetz den Teilhabegedanken und das größere Selbstbestimmungsrecht der Bewohnerinnen und
Dieser Ansatz wird im Rahmen der Gesetzesnovelle des GEPA nach unserer Ansicht nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere Wohngemeinschaften sehen sich durch die Regelung in ihrem Bestand gefährdet und kritisieren auch die höheren Anforderungen für die Dokumentation und für Begehungen durch Aufsichtsbehörden und Organisationen der ambulanten Pflege. – Manchmal weiß man nicht, was man mehr machen soll: Dokumentation, Zertifikation oder sonst etwas oder doch eher mehr Pflege.
Deutlich erschwert ist die Kommunikation bei gehörlosen Menschen. Die Landesregierung hatte daher bei der Universität Köln ein Gutachten in Auftrag gegeben – wir haben im Ausschuss darüber gesprochen –, um mehr über die Lage von gehörlosen und schwerhörigen Menschen in Erfahrung zu bringen. Dieses Gutachten liegt nun vor. Seine Empfehlungen sollten nun zügig umgesetzt werden.
Dies betrifft insbesondere das Problem der Kostenerstattung für Gebärdendolmetscher für gehörlose Eltern hörender Kinder bei Gesprächen mit Kitas und Schulen. Diese Klärung liegt nicht nur der CDU am Herzen, sondern auch uns. Ich erinnere daran, dass Frau Maaßen und ich das Thema damals in den Ausschuss eingebracht haben, weil sich die Petitionen zu diesem Thema häuften.
Einen hohen Stellenwert besitzt die Frage, inwiefern es künftig gelingen kann, einer größeren Zahl von Menschen trotz einer wie auch immer gearteten Beeinträchtigung eine Ausbildung und einen Zugang zum Arbeitsplatz zu ermöglichen. Auch die Landesregierung setzt sich hierfür in besonderer Weise ein, wie man dem Vortrag entnehmen konnte.
Hinweisen möchte ich auf das Bundesprogramm „Initiative Inklusion“, das die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit einer Schwerstbehinderung erleichtern soll und im Zuge des „Nationalen Aktionsplans Inklusion“ aufgelegt wird.
Im Aktionsplan wird ausdrücklich betont, dass es nur im engen Schulterschluss aller Beteiligten und Akteure gelingen kann, dieser großen Aufgabe gerecht zu werden. Dazu zählt traditionell auch eine besondere Konsensorientierung der Fraktionen in diesem Parlament zu diesem Thema – egal, wer die Regierung stellt. Es gibt erfreulicherweise viele inhaltliche Gemeinsamkeiten.
Dieser Konsens bedeutet natürlich nicht, dass neue oder andere Ideen oder auch unterschiedliche Bewertungen grundsätzlich unter den Tisch fallen sollen, um die Harmonie nicht zu gefährden. Denn der Inklusionsgedanke beruht gerade darauf, der Vielfalt in einer Gesellschaft mit Wertschätzung zu begegnen. Allerdings ist es angesichts der Sensibilität des Politikfeldes empfehlenswert, auf fachpolitische Ei
Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht als nächste Rednerin Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist normal, verschieden zu sein. In der Tat, es ist normal, verschieden zu sein, ob dick, ob dünn, lange Haare, kurze Haare, der eine ist ein Mathegenie, der andere sprachbegabt, der nächste verfügt über eher handwerkliches Geschick. All das ist überhaupt kein Thema in unserer Gesellschaft.
Dazu gehört natürlich auch, die Wahl für unsere Kinder zu treffen, in welche Kita sie gehen. Wir suchen die bestmögliche Schule aus. Wir schauen ganz genau hin: Wo wollen wir wohnen? Wo werden wir arbeiten? Was möchten wir arbeiten? Auch wie wir unsere Freizeit gestalten, ist selbstredend ganz individuell auf uns persönlich zugeschnitten.
Diese verschiedenen Talente, Veranlagungen und Wünsche werden insgesamt toleriert und akzeptiert. All das ist selbstverständlich – allerdings nicht immer.
Die Bereitschaft, dies zu akzeptieren und zu tolerieren, lässt insgesamt nach, wenn Menschen von tradierten, mitunter reichlich konservativen Normen abweichen. Dann sprechen wir von sozialer Armut, von kulturellem oder religiösem Hintergrund, und wir sprechen auch von Behinderung. Das sind Gründe, dass Menschen in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt sind.
Menschen mit Behinderung, das ist heute unser großes Thema. Einst versteckt, verhöhnt, in Irrenanstalten weggesperrt, bei den Nationalsozialisten zwangssterilisiert oder ermordet, hat man sich seit den 1950er-Jahren darauf besonnen, Menschlichkeit ins Spiel zu bringen, und damit begonnen, die Betroffenen nach dem Fürsorgeprinzip zu versorgen.
Wir haben das Kapitel „Schutzraum“ – so will ich es mal nennen – aufgeschlagen. Besondere Räume zur Förderung von Menschen mit Behinderung wurden geschaffen – von der Wiege bis zur Bahre. Man könnte auch sagen: Leben unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
lichen Förderung in heilpädagogischen Kitas untergebracht. Die schulische Bildung hat in besonderen, in Deutschland ganz speziell nach einzelner Behinderungsart ausgerichteten Förderschulen stattgefunden. Anschließend ging es zur Arbeit in die WfbM, in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
Menschen, die nicht in ihrer Familie bleiben konnten, wohnten in stationären Einrichtungen. Diejenigen, die innerhalb der Familie leben konnten, mussten tagtäglich lange und weite Anfahrtswege zu den Fördereinrichtungen in Kauf nehmen.
Es gab keine Wahlfreiheit bei eigentlich alltäglichen Dingen. Ich erinnere noch einmal daran: Was für uns alle so selbstverständlich ist – dass wir tagtäglich für uns selbst entscheiden können –, das ist diesen Menschen im Grunde genommen vorenthalten worden.
Natürlich hat sich dann auch Widerstand bei den Betroffenen geregt. Bereits 1977 wurde in Bremen die erste Krüppelgruppe von Horst Frehe und Franz Christoph gegründet. Diese Protestbewegung hatte zum Ziel, auch Menschen mit Unterstützungsbedarf ein selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Leben zu ermöglichen.
1981 – im Internationalen Jahr der Behinderten, das von großen Protesten begleitet wurde – erreichte diese Protestbewegung ihren Höhepunkt. Die politische Position war übrigens nicht die Forderung nach Integration; vielmehr sollte die nichtbehinderte Öffentlichkeit mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert werden.
Entmündigung, Isolation und die Verhinderung von Integration in die Gesellschaft durch immer neue Gettobildung wurden angeprangert. Das muss man sich einmal reinziehen: So haben es viele Betroffene empfunden, was ihnen da zugemutet wurde.
Im Grunde hat man auch auf die Unfähigkeit der Gesellschaft hingewiesen, auf den sozialen Umgang miteinander, der natürlich – das hat Frau Doppmeier allerdings richtig ausgeführt – auch dadurch begründet ist, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gar nicht mehr zusammenkommen. Wir sind ja getrennt worden.
Ich möchte noch Folgendes ergänzen: Die 80erJahre waren die Zeit, als erste alternative Wohneinrichtungen mit Assistenz zu Hause gegründet wurden sowie Beratungseinrichtungen und Vernetzungen der Betroffenen, wie zum Beispiel MOBILE in Dortmund, das heute als Kompetenzzentrum für selbstbestimmtes Leben vom Land gefördert wird.
In dieser Zeit ist also sehr viel durch Selbsthilfe und aus Eigenbetroffenheit heraus entstanden. Wahrscheinlich hat auch das mitgeholfen, dass 1994 unser Grundgesetz in Art. 3 dahin gehend ergänzt wurde: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
2003 wurde dann hier im Land das Behindertengleichstellungsgesetz formuliert, das zunächst den Charakter einer Zielvereinbarung und weniger einen fordernden Charakter hatte. 2009 wurde mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention
durch Deutschland das Recht auf Inklusion, das Recht auf uneingeschränkte Teilhabe an allem, was die Gesellschaft zu bieten hat, festgeschrieben und auch in Deutschland als Recht angenommen.
2010 wurde die Umsetzung der Forderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention in NordrheinWestfalen im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehalten. 2011 folgte der Antrag hier im Parlament mit der Aufforderung an die Landesregierung, entsprechende Schritte einzuleiten. Als Folge daraus kennen wir nun den Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“, dessen Umsetzungsstand uns Herr Minister Schneider gerade vorgestellt hat.
Bewusstsein schaffen und Sensibilisierung für den Inklusionsgedanken – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Es ist richtig: Wir müssen dieses Bewusstsein und den Inklusionsgedanken allgemein in die Bevölkerung, in Verwaltungen, in Planungsbüros, in alle Institutionen, die unser Gemeinwesen in irgendeiner Form gestalten, um- und aufbauen, hineintragen.
Insofern ist es auch richtig, hier entsprechende Werbekampagnen vonseiten des Landes zu fahren. Wir müssen die Betroffenen beteiligen, und das tun wir auch. Ein Zeichen dafür ist, dass das Beratungsangebot aus den beiden Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben landesweit ausgebaut werden soll.
Genau an der Stelle sind die Betroffenen im Boot, denn hier beraten Betroffene Betroffene und können den Menschen dort helfen, wo mitunter die Stellen, die eine Leistung erbringen sollen, versagen.
Die Gesetze müssen im Sinne der UN-BRK angepasst werden. Mit Ihrem Entschließungsantrag haben Sie von der CDU gefordert – salopp gesagt –, mal ein bisschen auf die Tube zu drücken. Der Antrag hätte zur Folge, dass eine Zeitschiene eingehalten werden müsste, offenbar unabhängig von qualitativer Reife im laufenden Prozess. Das werden wir natürlich ablehnen; das ist uns zu billig, das ist uns zu wenig. Uns kommt es da mehr auf Qualität an.
Die Beschreibung von Aktionsfeldern und Maßnahmen ist ein umfassendes Feld dieses Aktionsplans. In der Tat: Wir haben nicht bei null angefangen; das können wir mit Fug und Recht behaupten. Die Integration und Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung ist ein Prozess, der bereits seit 30 Jahren im Gange ist.
die ambulanten Wohnangebote. Ich hatte es eingangs bereits gesagt: Ursprünglich sind Menschen, die nicht zu Hause leben konnten, in stationäre Einrichtungen gekommen. Wir haben jetzt seit etwa zehn Jahren den entsprechenden Prozess beschleunigt, sodass ambulante Wohnangebote oder kleine Wohngruppen gegründet und gefördert werden konnten und können. Wir haben mit den Landschaftsverbänden NRW ganz wichtige Partner im Boot, die bei der Umsetzung sehr gute Arbeit leisten.
Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man den Menschen solche Dinge nicht mit der Brechstange von oben befehlen kann, nach dem Motto: Jetzt macht mal. – Vielmehr muss man Anreize setzen, damit auf allen Seiten der Wunsch und der Wille gegeben sind, bestimmte Maßnahmen tatsächlich anzugehen.
Die Integrationsfirmen sind ein ebenso gutes Beispiel. Während in den 50er-, 60er-, 70er- und oft auch noch in den 80er-Jahren das Arbeitsgebiet für Menschen mit Beeinträchtigung hauptsächlich in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung – in der WfbM – lag, gibt es jetzt immer mehr Integrationsfirmen, wo diese Menschen Beschäftigung finden. Auch im ersten Arbeitsmarkt bieten sich ihnen immer mehr Möglichkeiten, ein Arbeits- und Erwerbsleben aufzunehmen und so auch für die eigene Alterssicherung vorzusorgen.