Herzlichen Dank, lieber Marcel Hafke, dass Sie mir die Möglichkeit einräumen, eine Zwischenfrage zu stellen. Wenn ich rich
tig informiert bin, kommen Sie aus der Stadt Wuppertal. Wuppertal ist ja eine Stadt, die mit vielen sozialen Problemen belastet ist. Die Stadt Wuppertal bekommt jetzt durch den zweiten KiBiz-Revisionsschritt rund 1,4 Millionen € mehr. Empfinden Sie das als große Belastung?
Herr Jörg, das große Problem ist, dass während der Regierungszeit der SPD in den 80er- und 90er-Jahren
die kommunale Landschaft finanziell ausgeblutet wurde, sodass eine Stadt wie Wuppertal im Moment in so einer Haushaltsschieflage ist, dass sie keine Investitionen im U3-Bereich vornehmen kann. Das ist die derzeitige Lage.
Der erste Anspruch, Herr Jörg, den gerade Sie immer wieder nennen, ist die finanzielle Entlastung vor Ort. Sie nehmen jetzt eine Verfügungspauschale von 55 Millionen € und 45 Millionen € für die plusKITAs. Das hört sich wunderbar an. Ganz toll! Aber was heißt das denn konkret, wenn Sie 55 Millionen € mit der Gießkanne ausschütten? Wir haben 9.300 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen.
Das bedeutet durchschnittlich 500 € monatlich pro Kita. Davon kann eine Kita noch nicht einmal eine 450-€-Kraft einstellen. Was ist das denn für eine Entlastung? Das kompensiert noch nicht einmal die gestiegenen Personalkosten der letzten Jahre. Das heißt, mit diesem Anspruch sind Sie schon einmal gescheitert.
Zweitens. Sie haben gesagt, Sie wollten die Erzieherinnen entlasten. Sie geben – das gestehe ich ein – etwas mehr Geld in die Kitas. Auf der anderen Seite packen Sie aber den Erzieherinnen in den Kitas neue Aufgaben auf den Schoß, nämlich die Dokumentationspflichten. Ich habe es bereits bei der Einbringung gesagt: Demnächst haben wir eine Dokumentation wie im Altenheim.
Neue Aufgaben, mehr Bürokratie und zusätzliche Aufgaben wie die Sprachförderung werden den Erzieherinnen auferlegt.
Das wird im Ergebnis zu einem Praxisschock führen. Das haben Ihnen, Frau Altenkamp, die Erzieherinnen in der Anhörung auch mit auf den Weg gegeben. Auch in diesem Punkt sind Sie also gescheitert.
Herr Kollege, wieder gibt es den Wunsch, Sie befragen zu dürfen, diesmal vonseiten der Frau Kollegin Asch. Lassen Sie die Frage zu?
Erstens. Ist Ihnen bekannt, dass die Bildungsdokumentation von Ihnen selbst, nämlich der FDP- und der CDU-Fraktion, im KiBiz verankert wurde und dass sich der damalige Landesminister Armin Laschet immer damit gerühmt hat, dass jetzt zum ersten Mal diese Dokumentation vorgenommen werden muss?
Zweitens. Wenn Ihnen das alles zu wenig ist, was wir machen, dann frage ich Sie: Was ist Ihr konkreter Vorschlag? Was schlagen Sie vor, außer das zu kritisieren und herumzumäkeln? Wie viel Geld wollen Sie als FDP-Fraktion denn in die Hand nehmen, um die Kitas besser aufzustellen?
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Bei der Einführung des Kinderbildungsgesetzes, bei dem Systemwechsel, war doch nicht alles richtig. Das hat doch niemand hier gesagt.
Und seit vier Jahren sage ich Ihnen auch, dass die Bürokratie in den Kitas abgebaut werden muss. Sie jedoch machen genau das Gegenteil, indem Sie neue Aufgaben und neue Bürokratien in die Kitas bringen.
Jede zusätzliche Pauschale ist mit Bürokratie belegt. Statt einfach die Kindpauschalen zu erhöhen – das war unser Vorschlag – und mit einem Lohnindex zu versehen, damit es tatsächlich eine Verbesserung gibt, führen Sie zusätzliche Pauschalen ein, und die Erzieherinnen müssen das zusätzlich mit
Frau Asch, Sie reden und reden und reden seit Jahren. Seit vier Jahren haben Sie die Chance, das zu verändern. Ich fände es richtig, wenn Sie das, was Sie hier sagen, auch einmal ernst nähmen und das in den Gesetzgebungsprozess mit einfließen lassen würden.
Das nächste Thema ist die alltagsintegrierte Sprachförderung. Das hört sich auch wunderbar an. Aber was soll das heißen? In Zukunft werden die Erzieherinnen das nebenbei und zusätzlich machen müssen, also auch noch obendrauf.
So sieht die Realität leider aus. Sie rühmen sich damit, Frau Altenkamp, dass Delfin-4-Verfahren abzuschaffen. Aber behaupten Sie nichts Falsches! Sie schaffen das Delfin-4-Verfahren nicht für alle Kinder in Nordrhein-Westfalen ab. Für 10 % der Kinder bleibt das Delfin-4-Verfahren bestehen. Wenn das Delfin-4-Verfahren doch so schlimm ist, dann frage ich Sie: Sind Ihnen diese 10 % der Kinder in diesem Land eigentlich nichts wert? Machen Sie für diese Kinder in Nordrhein-Westfalen keine Politik?
Das ist die Realität: Sie greifen sich einige heraus, und die anderen lassen Sie im Regen stehen. Das hat nichts mit der Politik „Kein Kind zurückzulassen“ zu tun, sondern das ist genau das Gegenteil.
Frau Altenkamp, ich führe das gerne weiter aus. Sie unterscheiden nicht nur zwischen Kitakindern und Nicht-Kitakindern, sondern Sie unterscheiden auch noch zwischen Kindern, die im städtischen Raum leben, und Kindern, die im ländlichen Raum leben, und zwar bezüglich der Mittelverteilung für die Sprachförderung. Der Kollege Tenhumberg hat dies bereits angesprochen. Sie kürzen die Mittel für die Sprachförderung von 27,5 Millionen € auf 25 Millionen €. Aufgrund dieser Verteilung, die Sie jetzt auf den Weg bringen, werden von 186 Jugendämtern – hören Sie gut zu – 112 Jugendämter schlechter gestellt. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Jugendämter im ländlichen Raum.
Da die Frau Ministerin und auch Sie das nie wahrhaben wollen – auch in der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche haben Sie das nicht wahrhaben wollen –, haben wir uns einmal die Mühe gemacht und das aufgelistet. Ich möchte Ihnen einmal
die Beispiele nur zum Thema „Sprachförderung“ mit auf den Weg geben: der Kreis Soest minus 90.000 €, Kreis Warendorf minus 59.000 € – das sind 64 % weniger –, der Kreis Kleve 35.000 € weniger – das sind 70 % weniger –, Kreis Herford 41.000 € weniger, Märkischer Kreis 36.000 € weniger, die Stadt Remscheid 34.000 € weniger – das sind 68 % weniger –.
Sie verteilen das Geld nicht nach Bedarf, sondern nach Statistiken. Das ist der Fehler. Ihre Grundhaltung, Ungleiches ungleich zu fördern, führt dazu, dass manche Kinder auf der Strecke bleiben. Sind Ihnen diese Kinder eigentlich nichts wert? Ist es nicht vernünftiger, nach Bedarf zu fördern? Das wäre doch der richtige Ansatz.
Sie lassen damit die Kinder, die einen Sprachförderbedarf haben, im Regen stehen. Das hat nichts mit einer vernünftigen Politik für Kinder und Jugendliche und schon gar nichts mit einer vernünftigen Sozialpolitik zu tun. Auch an diesem Anspruch sind Sie gescheitert.
Ein vierter Punkt, den ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte, ist Folgender: Auch bezüglich der Tagespflege finden wir im Gesetz keine relevanten Verbesserungen. Ganz im Gegenteil! Wir werden demnächst die Situation haben, dass die Tagespflege in manchen Bereichen zum Aussterben verdammt ist, weil Sie das Zuzahlungsverbot einführen, ohne den Kommunen dafür das Geld mit auf den Weg zu geben.