Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte ehrlich gesagt schon Sorge, dass ich in dieser Plenarwoche gar nicht mehr dazu komme, über die Konsolidierungserfolge dieser Landesregierung
Aber dann kam zum Glück der Antrag auf eine Aktuelle Stunde. Wie aktuell die ist, lasse ich mal dahingestellt. Die Stellungnahme des RWI, die Sie zitieren, ist vom 6. März, und die Stellungnahme des Instituts der deutschen Wirtschaft ist vom 22. Mai. Nun gut: Das ist erst am 2. Juni in der „Rheinischen Post“ gewesen. Aber, lieber Herr Witzel, jemand, dessen Mitarbeiter noch bis vor zwei Jahren genau solche Berichte beim RWI verfasst hat, auf die Sie sich jetzt beziehen, der wird doch wahrscheinlich nicht erst durch die „Rheinische Post“ erfahren, was das RWI öffentlich gesagt hat, sondern der ist schon
vorher informiert. Also hätte man darüber durchaus früher debattieren können. Wir können das aber gerne jedes Mal machen, weil das jedes Mal Anlass ist, Ihnen ein paar Dinge zu erläutern.
Jetzt habe ich also die Gelegenheit, erstens noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese Regierung die Neuverschuldung über fünf Jahre in einer Weise gesenkt hat, wie das vorher nie der Fall war.
Der zweite Punkt: Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hat ihre Regierungszeit damit begonnen, dass sie die Neuverschuldung auf den zweithöchsten je erreichten Wert in diesem Land hochgepusht hat,
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von Dr. Marcus Optendrenk [CDU] und Ralf Witzel [FDP])
um dann auf Kosten von Kommunen, Eltern und Studierenden Konsolidierungserfolge nachzuweisen. Bis 2008 – da hört Ihre Zeitrechnung auf. Denn 2009 und 2010 hatten Sie – mit einer Finanzplanung bis 2013 – ein Niveau ohne jede Perspektive, die Schuldenbremse einzuhalten, ein Niveau, hinter dem wir 2015 um mehr als 70 % zurückbleiben.
Der Nachhaltigkeitsbericht 2010, auf den Sie sich ja gerne und oft beziehen, hat damals noch ausgesagt, dass diese Regierung bis zum Ausgleich des Haushalts 2020 eine Lücke von 11 Milliarden € hat. Der neue Nachhaltigkeitsbericht sieht diese Lücke auf 0,8 Milliarden € geschrumpft. Das bedeutet immer noch eine Menge Arbeit, es liegen aber auch noch fünf Jahre vor uns. Und man muss sich mal den Erfolg angucken, der in dieser Zeit möglich geworden ist.
Moment mal! Erst mal zählen Sie alle Jahre zusammen, dann müssen Sie ein Viertel direkt den Kommunen geben. Das tun wir nämlich im Gegensatz zu Ihnen.
Ich habe es schon gesagt: Mit dem Haushalt 2015 werden wir eine Neuverschuldung vorlegen, die um 70 % unter dem bleibt, was Sie selbst für 2013 noch erwartet haben.
Sie haben in einer der letzten Plenardebatten gesagt, die anderen Länder hätten um 20 Milliarden € entschuldet, Nordrhein-Westfalen dagegen nehme Schulden auf. Leider falsch – denn in den 20 Milliarden €, die diese Länder entschuldet haben, sind 6,5 Milliarden € von Nordrhein-Westfalen. Die Sonderhaushalte sind da nämlich mit drin. Das belegt einen weiteren Erfolg: dass die Erste Abwicklungsanstalt und unsere Sonderhaushalte, in denen es Kredite gibt, enorm daran arbeiten, genau diese
Unserer Finanzplanung liegt für 2017 ein Zinsniveau von 3,75 % zugrunde. Das war ein Punkt, auf den die Institute hingewiesen haben, nämlich bitte schön auch daran zu denken, dass die Zinsen steigen könnten. Im Haushalt 2014 waren es noch 2,5 %. Das tatsächliche Zinsniveau beträgt 1,5 %.
Zinsen sind ein Risiko. Dass die Zinsen so niedrig sind und es noch einige Zeit bleiben werden, das ist nicht nur eine Entscheidung von Zentralbanken, sondern das ist auch eine Entscheidung des Marktes, weil jedes Jahr 150 bis 180 Milliarden € Geldvermögen in wenigen Händen dazukommen, während die Staaten und Länder die Kreditaufnahme enorm absenken. Das heißt: Wir haben zwar ein riesiges Angebot, aber die Nachfrage sinkt. Deswegen sinkt auch der Preis für Geld.
In unserem Haushalt sorgen wir für die Beamtenpensionen vor. Dafür haben wir mittlerweile weit über 5 Milliarden € zurückgelegt. Ab übernächstem Jahr besteht die gesamte Kreditaufnahme des Landes aus einem Betrag, der kleiner ist als das, was wir für die Beamtenversorgung zurücklegen. Das können wir – wie andere Länder – auch anders machen. Aber wir sorgen vor, weil unsere Planung nachhaltig ist.
Wir haben die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Länder, obwohl die Folgelasten unseres Strukturwandels von uns selbst getragen werden und wir mit 1,5 bis 2 Milliarden € die Folgen des Strukturwandels anderer mittragen – das sind die, die Sie als Musterknaben für Haushaltskonsolidierung vorführen. Trotz allem liegt Nordrhein-Westfalen nicht – wie Sie immer wieder glauben machen wollen – an der Spitze der Verschuldung, sondern im Mittelfeld aller Länder.
Übrigens hat das Institut der deutschen Wirtschaft, das heute schon mehrfach zitiert worden ist, bis auf die warnenden Punkte, die Sie gerne ansprechen können und über die ich gerne mit Michael Hüther diskutiere, festgestellt: „Niedersachsen, NordrheinWestfalen und Hamburg sind auf einem guten Weg.“ Das Institut sieht das Ziel einer Null sogar vor 2020.
Das will ich gar nicht, und zwar deswegen, weil ich sage: Wir haben nicht nur die Schuldenbremse einzuhalten, sondern wir haben als Land auch unsere Hausaufgaben zu machen. Man kann doch die Schulden nicht als einzige Größe sehen, egal was es kostet und wenn wir dadurch im Mittelalter landen.
Das Dilemma des Instituts der deutschen Wirtschaft – davor stehen auch die Medien, davor steht auch die Opposition – besteht darin, dass es sagt: „Liebe Leute, denkt daran: Ihr müsst sparen!“, aber
auch sagt: Wir brauchen 40 Milliarden € mehr zum Erhalt der Fernstraßen in Deutschland. Wir brauchen 40 Milliarden € mehr für einen guten mittleren Ausbau der Breitbandnetze. Wir brauchen 40 Milliarden € mehr zum Ausbau der Stromnetze für die Energiewende.
Es ist wunderbar, was alles an konkreten, teuren Forderungen erhoben wird. Da stehen – das sieht man in den Medien und auch in anderen Bereichen – zehn Artikel, die einen konkreten, teuren Mangel beschreiben, und daneben ein Artikel, in dem es heißt: Aber die sparen zu wenig. – Das ist das Problem. Damit muss sich eine Landesregierung beschäftigen; und das tut diese Landesregierung.
Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Ich diskutiere gerne mit Wirtschaftsinstituten und Professoren. Auf die Frage, wen ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde, habe ich mal geantwortet: Michael Hüther und Gustav Horn. Denn das sind zwei Wirtschaftsfachleute, von denen der eine sich klar zugunsten der deutschen Wirtschaft positioniert, während der andere eine gewerkschaftliche Orientierung hat. Die sagen auch, wo sie stehen. Die sagen auch, was sie denken. Dann kann man darüber auch streiten.
Ich muss ehrlich sagen: Ich mache mir deutlich größere Sorgen in Bezug auf das Institut, das vorgibt, neutral in der Mitte zu stehen, das aber vor Wahlen interessanterweise mit ganz anderen Äußerungen daherkommt, um damit ein Stück weit in Politik einzugreifen. Das ist bedenklicher als das, was die anderen machen.
Deswegen: Hinweise nehmen wir ernst. Es ist immer alles risikobehaftet. Wir werden Zinsentwicklungen betrachten müssen. Wir werden die Konjunktur betrachten müssen. Wir werden Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen, dass die Konjunktur läuft. Wir müssen aber auch den Dreiklang hinbekommen, die Schulden nicht nur zulasten der Leistungsfähigkeit dieses Staates abzubauen. Das erwarten die Menschen und die Wirtschaft von uns. Wir müssen diese beiden Enden zusammenkriegen. Daran arbeiten wir. Und dabei haben wir verdammt gute Erfolge erzielt von 2010 bis zu dem Haushalt, den wir jetzt beraten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Finanzminister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Finanzminister hat die Redezeit um 1:23 Minuten überzogen. Es ist im Rahmen der Aktuellen Stunde immer etwas schwierig, das zu handhaben. Gleichwohl werden wir den Fraktionen jetzt natürlich auch sehr großzügig mehr Redezeit zugestehen. Die kann Herr Kollege Schmitz, der jetzt für die CDU-Fraktion das Wort hat, in Anspruch nehmen.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Hier ist nicht die Stelle, um zu diskutieren, wer mit wem auf eine einsame Insel fährt. Herr Finanzminister, Sie haben Zahlen aus der schwarz-gelben Regierungszeit bemüht. Da möchte ich am Anfang doch ein paar Punkte geraderücken.
Sie haben die Nettoneuverschuldung angesprochen. Dazu möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben, dass sie 2005 bei 6,6 Milliarden € lag und 2008 bei 1,1 Milliarden €. Das ist eine Verringerung von 5,5 Milliarden € in drei Jahren.
Im Vergleich dazu möchte ich Ihnen die Zahlen nennen, wie sie unter Rot-Grün waren. 2010 lag die Nettoneuverschuldung bei 4,9 Milliarden € und 2014 bei 2,4 Milliarden €.
Deswegen: Messen Sie sich an Ihren eigenen Zahlen, ehe Sie mit dem Finger auf andere zeigen. Das wäre ein guter Anfang. Dann könnten wir über Finanzpolitik reden.
Aber, Herr Finanzminister, wir erleben das immer wieder: Sie unterhalten uns regelmäßig – eben auch wieder – mit herrlichen Geschichten über theoretische Minderausgaben und hypothetische Mehreinnahmen. Bei derart fantasievollen Erzählungen könnte man fast die Ernsthaftigkeit dieser Thematik vergessen.
Herr Finanzminister, Sie schmücken sich mit vermeintlichen Errungenschaften. Seit 2010 – das habe ich gerade dargestellt – blicken Sie dabei verklärt in die Vergangenheit, statt endlich konkret zu benennen, wie Sie die Schuldenbremse 2020 denn letztendlich einhalten wollen.
Sie sprachen in dieser Woche gegenüber der „Rheinischen Post“ von Ihren Konsolidierungsleistungen. Aber die Realität – das möchte ich Ihnen an dieser Stelle mal sagen – ist doch eine ganz andere.
Seit 2010 verfügen Sie über 24 Milliarden € Mehreinnahmen und müssen 6 Milliarden € weniger für Zinsen ausgeben. Trotzdem ist dieser Haushalt nach wie vor nicht ansatzweise ausgeglichen.
Bei Kritik aus der Wirtschaft und von Finanzexperten bemühen Sie reflexartig das überstrapazierte Totschlagargument, nämlich den Strukturwandel, den wir gehabt haben. Herr Minister, Sie sollten mit Blick auf Ihren Haushalt endlich damit anfangen, Strukturen im Haushalt von Nordrhein-Westfalen zu
verändern. Das ist Ihre Aufgabe. Was aber passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen? Es passiert nichts!
Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ich glaube, Sie haben wahnsinnige Angst vor diesen großen Schritten und versuchen noch nicht mal, kleine Schritte zu gehen. Ich will Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Beispiel nennen.
Im vorletzten Plenum lehnte diese Landesregierung mit den sie tragenden Fraktionen unseren Antrag auf Durchführung von Demografiechecks ab. Herr Mostofizadeh hat eben aus der Enquetekommission berichtet. Wenn Sie diese Berichte gelesen hätten, dann hätten Sie diesem Antrag zustimmen müssen.
Die für die Landesregierung sprechende Ministerin Steffens schaffte dabei, wie ich finde, schon ein kurioses Kunststück. Sie erklärte einerseits, dass sie unseren Antrag ablehnt. Andererseits zählte sie umfangreiche Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel auf.
Frau Ministerin Steffens nannte uns auch das Problem, das, wie ich finde, in der heutigen Debatte eine viel größere Rolle spielen sollte. Sie stellte nämlich fest, dass sich die Auswirkungen des demografischen Wandels bereits heute bemerkbar machen würden. Schon heute, Herr Finanzminister! Mir scheint, dass Frau Steffens Ihnen da einiges an Expertenwissen voraus hat. Denn anders lässt sich kaum erklären, dass das, was Sie im restlichen Kabinett eint, vor allem die Vorliebe ist, Probleme und ihre Lösungen in die Zukunft zu verschieben und aktuell nicht zu handeln.