Protokoll der Sitzung vom 02.07.2014

Häufig wird von Migrantinnen und Migranten Identifikation eingefordert, werden eigentümliche Begriffe wie „Integrationsbereitschaft“ und „Integrationswillen“ verwandt. Gibt es eine deutlichere Form von Identifikation und des Integrationswillens, als hier, wohnortnah, allen Diskriminierungserfahrungen zum Trotz seine letzte Ruhestätte zu finden? – Die Botschaft lautet: Wir sind hier zu Hause, das ist unsere Heimat.

Zugleich zeigt unsere Entschließung, dass wir selbstverständlich den Wunsch mancher Familien,

sich auch zukünftig im Ausland bestatten lassen zu wollen, respektieren und die entsprechenden notwendigen Verfahren unbürokratischer gestalten wollen. Darauf sind die Vorredner schon mehrfach eingegangen.

Ja, Herr Post, mich befremdet das Vorgehen der CDU, das sich in das hier seit Jahren gezeigte Bild nahtlos einfügt und von sehr kritischen Fragen im Zusammenhang mit muslimischen Friedhöfen bestimmt ist.

Sie koppeln die Übertragung daran, dass die Religionsgemeinschaften oder religiösen Vereine als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne des Körperschaftsstatus anerkannt sein müssen. Eine Öffnung des Bestattungsgesetzes für andere als die genannten öffentlich-rechtlichen Vereine und Verbände ist aber in der Regel nicht organisationskulturell zur Erlangung der Körperschaft für muslimische Vereine geeignet. Im Klartext: Ihr Änderungsvorschlag kommt praktisch bis auf Weiteres nicht nur einem Verzögerungsgesetz, sondern einem Verhinderungsgesetz für muslimische Friedhöfe in Nordrhein-Westfalen gleich.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Was wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Monat Ramadan dazu sagen?

Infolge der Verabschiedung des Bestattungsgesetzes werden wir in Wuppertal hoffentlich demnächst das kleine Wunder der Vereinigung dreier Weltreligionen nach dem Tod erfahren dürfen. Drei Friedhöfe – ein christlicher, ein jüdischer, ein muslimischer – werden unmittelbar aneinandergrenzen. Der eine wird des anderen direkter Nachbar sein. Ja, da darf man stolz und glücklich sein. Die Betreibergesellschaft will den Friedhof auf einem ehemaligen Grundstück des evangelischen Kirchenkreises errichten.

Diesem gewollten Wunder ist 2002 in Wuppertal bereits ein anderes vorausgegangen: die Beheimatung der neuen Bergischen Synagoge auf dem Grundstück der reformierten Gemarker Kirche – buchstäblich Wand an Wand und bundesweit einmalig.

Keine Rede, kein Text kann stärker sein als diese beiden Bilder der Wirklichkeit. Sie zeigen, dass die religiöse Vielfalt im Land Nordrhein-Westfalen eine Heimat gefunden hat und unwiderrufliche Realität geworden ist. Erweisen wir uns dieser Realität als würdig! Stimmen wir für dieses vernünftige neue Gesetz! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz wird auch ein Bereich geregelt, der uns Grünen besonders wichtig ist. Dabei geht es um die Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit.

Wir wissen: In Indien arbeiten 12 Millionen Kinder, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. Hunderttausende schuften in Steinbrüchen unter gesundheitlich katastrophalen Bedingungen. Sie müssen 45 kg schwere Presslufthämmer festhalten, mit gefährlichen Sprengstoffen hantieren und ungeschützt riesige Granitblöcke aus dem Stein sprengen.

Diese Kinder arbeiten dort, damit in Deutschland billig Grabsteine verkauft werden können. Zwei Drittel aller Grabsteine in Deutschland kommen nämlich aus Indien. Deutschland bezieht insgesamt knapp 50.000 t Naturstein pro Jahr von dort.

In diesen Steinbrüchen schuften die Kinder in der Regel zwölf Stunden täglich. Sie arbeiten ohne Mundschutz und leiden in der Folge oft unter chronischen Lungenerkrankungen. Die Konsequenz ist, dass die Lebenserwartung der Betroffenen häufig nur zwischen 35 und 38 Lebensjahren liegt. Der Teufelskreis der Armut schließt sich auch, weil die Kinder, die in diesen Steinbrüchen arbeiten, natürlich nicht oder nicht regelmäßig zur Schule gehen können.

Das wollen wir nicht länger zulassen. Deshalb handeln wir hier in Nordrhein-Westfalen und schaffen in diesem Bestattungsgesetz eine gesetzliche Regelung dafür.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, darüber freue ich mich sehr. Heute regeln wir gesetzlich, dass Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit zukünftig nicht mehr auf den Gräbern in Nordrhein-Westfalen stehen. Wir regeln, dass bei uns nur Grabsteine aufgestellt werden dürfen, die nicht aus Kinderarbeit stammen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum fairen Handel.

Wir wissen aber auch, dass das erst der Beginn eines weiten Weges ist. Die gesamte Steinindustrie, die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie, auf die wir in den letzten Wochen durch Medienberichte aufmerksam gemacht wurden, die Gewinnung von Rohstoffen für unsere Handys, die Bergbaubetriebe, aus denen ein Großteil unserer Steinkohle kommt, und vieles mehr müssen wir anpacken, damit unser Wohlstand und Überfluss in Deutschland und den anderen Industrieländern nicht mit der Gesundheit und dem Leben von Menschen in den armen Ländern bezahlt wird.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Damit kommen wir in NRW weiter unserer Verantwortung dafür nach, dass die von uns genutzten Produkte nicht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensbedingungen der Menschen in den armen Ländern gehen.

Die Redezeit.

Einen Schritt in diese Richtung tun wir heute mit dem Bestattungsgesetz. Darüber freuen wir uns sehr. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Daher schließe ich jetzt die Debatte zu Tagesordnungspunkt 6 und komme zur Abstimmung. Wir haben insgesamt drei Abstimmungen durchzuführen.

Erstens stimmen wir über den Gesetzentwurf Drucksache 16/2723 ab. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 16/6138, den Gesetzentwurf mit den von ihm bereits in der Ausschusssitzung beschlossenen Änderungen anzunehmen. Deshalb stimmen wir an dieser Stelle ausnahmsweise über die Beschlussempfehlung ab, die diesen geänderten Gesetzentwurf enthält. Wer der Beschlussempfehlung Drucksache 16/6138 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer enthält sich? – Das sind die FDP und die Piraten. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/6138 angenommen und letztlich auch der Gesetzentwurf Drucksache 16/2723 mit den bereits beschlossenen Änderungen in zweiter Lesung verabschiedet.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6222 ab. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6222 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden.

Drittens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/6225 ab. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU und die Piraten. Stimmenthaltungen? – Bei der FDP. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/6225 von SPD und Bündnis 90/Die

Grünen mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen. – Nun sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 6.

Ich rufe auf:

7 Rohstoffgewinnung ist sinnvoller als der

„Salzpipelinebau“ zur Nordsee

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6135

Wenn sich der Geräuschpegel, der beim Verlassen des Plenarsaals entsteht, wieder etwas gelegt hat, hat Herr Kollege Fehring für die antragstellende Fraktion der CDU das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für diejenigen unter Ihnen, die schon länger dabei sind, ist das Thema „Weserversalzung“ nichts Neues. Trotzdem ist das Problem bisher nicht gelöst.

Die Aktualität unseres Antrags wird überdeutlich, wenn Sie in den vergangenen Tagen die Presse verfolgt haben: Die Weser-Anrainerkonferenz hat mal wieder mit Nachdruck gefordert, in den Bereichen weiterzukommen.

Interessant ist, dass man inzwischen das Problem Fernleitung nicht mehr so betrachtet, so behandelt, wie wir es bisher getan haben. Ich erinnere daran: Auch hier im Hause haben wir in der Vergangenheit immer einstimmig dazu gestanden und gefordert, dass das Problem der Weserversalzung, der Kalirückstände mittels einer Pipeline in die Nordsee gelöst werden sollte.

Wir haben hier ohnehin dauerhaft das Problem, dass mehrere Bundesländer betroffen sind: wir als Nordrhein-Westfalen mit unseren Weseranteilen bei mir im Kreis Höxter, in Minden-Lübbecke und etwas in Lippe. Die anderen im Land interessiert das Problem leider nur wenig. Von daher ist sicherlich auch manches erklärlich.

Trotzdem frage ich die Landesregierung, wie sie ihren Einfluss deutlicher geltend machen will, damit die besagten Landesteile vor den Kaliabwässern geschützt werden. Wir haben es schon aus meiner Sicht viel zu lange diskutiert. Es müssen endlich Entscheidungen getroffen werden.

(Beifall von der CDU)

Ich erkenne auch durchaus die Maßnahmen der Kaliindustrie an. Die Firma Kali + Salz hat in den vergangenen Jahren ca. 350/360 Millionen € in die Hand genommen. Und sie ist dabei, innerhalb ihrer Produktion Maßnahmen zur Reduzierung der Abwässer einzusetzen – mit einigem Erfolg, wie man einfach konstatieren muss. Die Abwassermenge be

trägt insgesamt 14 Millionen m3. Sie schafft es bis zum Jahre 2015 – das hängt auch mit der EUWasserrahmenrichtlinie zusammen –, sie auf die Hälfte zu reduzieren.

Diese Menge, diese 7 Millionen m3, die dann noch übrig sind, müssen allerdings entsorgt werden. Unserer Ansicht nach sollte das nicht weiterhin über die Weser beziehungsweise Werra gemacht werden; der Gesetzgeber steht dahinter, und auch die Menschen möchten es nicht mehr.

Dazu kommt – das erschwert sicherlich die Situation für Kali + Salz –, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie die Erfüllung klarer Vorgaben verlangt. Bis Ende 2015 muss der zweite Bewirtschaftungsplan vorgelegt werden, der spätestens im Frühjahr 2016 in Brüssel vorliegen muss. Wenn das alles nicht geschieht, ist mit einer Vertragsverletzungsstrafe zu rechnen. Insofern ist auch die Bundesregierung mit im Boot.

Zurück zur Fernleitung: Wie wollen wir verfahren? Unsere Bürger wünschen es nicht, wie man erfährt, wenn man sich in den beteiligten Kreisen umhört. Aus Niedersachsen gibt es klare Signale: Auch dort möchte man es nicht. Ich erinnere: In der Vergangenheit hat sich bei Schwarz-Gelb die FDP gesperrt. Jetzt – so müssen wir feststellen – sperrt sich auch die SPD in Niedersachsen. Der Ministerpräsident hat entsprechende Äußerungen getan. Er möchte keine Pipeline.

Also bleibt uns doch nur, weiter an einer anderen Lösung zu zu forschen. Wenn man den Rohstoffgedanken, der sicherlich uns allen im Hause wichtig ist, noch dazu nimmt, dann macht es doch auch Sinn, darüber nachzudenken, wie wir den Rohstoff, den wir jetzt als Abfall über die Weser in die Nordsee entsorgen, vernünftig nutzen können.

Es gibt Vorschläge – der eine oder andere wird sie kennen –, allerdings liegen sie relativ weit auseinander. Die Firma Kali + Salz behauptet, eine Anlage zum Eindampfen der riesigen Mengen und dann Verwertung der Reststoffe koste 1,6 Milliarden €, eine riesige Investition. Es gibt einen Vorschlag eines namhaften Büros aus Thüringen, das sich seit vielen Jahrzehnten mit diesem Thema beschäftigt. Dieses Büro will das für 530 Millionen € schaffen – ein ziemlicher Unterschied, sprich: das Dreifache, wenn man so will.

Nur: Es muss weitergehen. Wenn wir sie weiter diskutieren lassen, schaffen wir das Problem nicht vom Tisch. Ich weiß, das Nordrhein-Westfalen am runden Tisch bisher auch der Pipeline zugestimmt hat. Aber wir kommen auf dem Weg nicht weiter. Deshalb meine Bitte an die Landesregierung, dass wir andere Überlegungen anstellen, und zwar in Richtung Rohstoffrückgewinnung, dass wir diese Vorschläge unterstützen, die durch Büros gemacht werden,

(Beifall von der CDU)

damit wir in der Sache weiterkommen und möglichst gemeinsam – …