arbeitslosen in NRW verbessern – Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt muss Vorrang vor öffentlich geförderter Beschäftigung haben
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Alda das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe letzte noch verbliebene Zuschauer! Herr Minister, diesen Antrag haben wir schon vor einem Jahr vorbereitet und ihn abwartend in der Schublade liegen lassen – mal schauen, was passiert. Das Ergebnis ist: Rot-Grün hat in Nordrhein-Westfalen nur eine soziale Fassade aufgestellt. Die Situation der Menschen auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich immer mehr, insbesondere die Perspektivlosigkeit. Die Umverteilungsrhetorik bringt den Bürgerinnen und Bürgern in der Langzeitarbeitslosigkeit allerdings keinerlei Chance, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und am Wohlstand teilzuhaben.
Nordrhein-Westfalen gelingt es nicht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Jeder dritte Langzeitarbeitslose lebt in NRW. Das sind 300.000 Personen, die eine hohe Last für die öffentlichen Kassen bedeuten. Um das einmal in Zahlen zu fassen: Im Haushalt 2014 waren es 1,3 Milliarden €. Im Haushalt 2015 sind schon 1,4 Milliarden € dafür veranschlagt, also 100 Millionen € mehr. Weniger Geld vom Bund bzw. von der Agentur für Arbeit könnte zu sinkenden Arbeitslosenbeiträgen führen.
Die NRW-Regionaldirektion der Agentur für Arbeit bestätigt dem bevölkerungsreichsten Bundesland eine hohe, verfestigte strukturelle Arbeitslosigkeit.
Maßnahmen für einen sozialen Arbeitsmarkt sind teuer. Dadurch wurden bisher nur 1.100 Stellen geschaffen.
Herr Minister Schneider, Sie rufen da bereits nach mehr Geld. Ihre Feststellung, dass 100.000 Stellen fehlen, ist richtig. Weitere Milliarden des Bundes einzufordern, ist allerdings der falsche Weg. Die Landesregierung muss sich darauf konzentrieren, Langzeitarbeitslose tatsächlich in den ersten Ar
beitsmarkt zu vermitteln. NRW braucht keinen riesigen und teuren Sektor öffentlich geförderter Arbeit.
Laut einer von der FDP veranlassten ForsaUmfrage meinen 61 % der Bevölkerung, dass die NRW-Landesregierung auf diesem Wege tatsächlich zu wenig tut.
An dieser Stelle darf ich mit Erlaubnis des Präsidenten auch beispielhaft für Hagen, Herr Minister, Ihre verlängerte Werkbank in Hagen, Jochen Marquardt vom DGB, zitieren:
„So bleiben die zahlenmäßigen Rückgänge im Promillebereich und die Situation für die Langzeitarbeitslosen verfestigt sich weiterhin.“
Bei der Landesregierung müssten aufgrund der Sirenen der Gewerkschaften zumindest alle Alarmsignale angehen.
Ein Skandal ist es darüber hinaus, dass in Westdeutschland nur in Nordrhein-Westfalen keinerlei Rückgänge zu verzeichnen sind.
Herr Minister, was halten Sie davon, das zu tun, statt immer neue Programme vorzustellen, die nichts anderes sind als sehr, sehr alter Wein in immer neuen Schläuchen? Damit meine ich nicht die Großindustrie. Sie wird Ihnen in Nordrhein
Wir haben hier aber glücklicherweise den Mittelstand. Sprechen Sie doch einmal mit den vielen Unternehmen darüber, warum diese keine Menschen aus den Problemgruppen einstellen. Sprechen Sie mit den kleinen und mittleren Unternehmen – aber bitte nicht an der Buffet- oder Cocktailfront; damit meine ich die IHK-Empfänge und die Verbände. Sprechen Sie tatsächlich mit den Unternehmern, um einmal deren Sorgen zu hören.
Die Belastungen der Unternehmen haben deutlich zugenommen: ausgesetzte Senkung des Rentenversicherungsbeitrags; sehr hohe Gewerbesteuer; die Wirtschaft wird von Bürokratie und Abgaben erdrückt und hat keine Ressourcen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Dies wird noch zunehmen – das sage ich Ihnen voraus – durch Mindestlohn, Rente mit 63 und deren ganze Folgen.
Fragen Sie einmal einen Betroffenen, wie es ist, wenn man nur noch für drei Monate Aufträge hat und nicht weiß, wie es danach weitergeht. Fragen Sie einmal nach extremen Kostensteigerungen bei der Energie, die auch hier in Nordrhein-Westfalen zuschlagen, Banken, die trotz niedriger Zinsen, die sie selbst zahlen, die kleinen Unternehmer wegen eventuell fehlender Sicherheiten drangsalieren und Liquiditätsverlust durch vorgezogenen Sozialbeitrag.
Herr Minister, deshalb bitte ich Sie: Gehen Sie an diejenigen heran, die die Last tragen. Wir von der FDP fordern hier ein Umdenken hin zum ersten Arbeitsmarkt, und zwar über die kleinen und mittel
ständischen Unternehmen. Das ist die zentrale Forderung unseres Antrags. Im Punkt 3 ist sie auch ganz klar definiert.
Wir freuen uns – auch aufgrund der bisherigen Zusammenarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen – auf die intensive Diskussion im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Jansen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Alda, als ich den Titel des Antrags gelesen habe, war ich eigentlich positiv überrascht und habe gedacht: Wie schön, dass Sie sich auch mal mit Langzeitarbeitslosen beschäftigen. Da kommt ja fast ein bisschen eine sozialliberale Klangfarbe zum Tragen.
Darüber habe ich mich gefreut. Und da ich ein höflicher Mensch bin, nenne ich erst mal die Dinge, bei denen ich Ihnen vorbehaltlos zustimmen kann.
Zustimmen kann ich Ihnen auf jeden Fall darin, dass wir zu wenig Geld für Maßnahmen haben, die Langzeitarbeitslosigkeit zu beenden. Auch die öffentlich geförderte Beschäftigung ist nur ein kleiner Tropfen auf den sehr heißen Stein Langzeitarbeitslosigkeit. Darin stimme ich Ihnen zu.
Berechtigterweise muss man sagen, dass die Abschmelzung des Eingliederungstitels noch erheblich zu der Schieflage beigetragen hat, die durch die schwarz-gelbe Regierung zu verantworten ist.
Da wir das heute schon oft genug gehört haben – Schwarzer Peter hin oder her –, will ich gar nicht so lange darauf eingehen. Der Vollständigkeit halber wollte ich es aber gerne nennen. Wir hoffen nun auf die Bundesebene, dass das Bundesprogramm unserer Arbeitsministerin ein Stück zur Verbesserung der Situation beitragen kann.
Leider war es das schon mit den positiven Dingen; jetzt komme ich zu den negativen Punkten, lieber Herr Kollege. Wenn man den Antrag liest, dann muss man schon sagen, dass da eine – wie soll ich es nennen? – Betonhaltung Ihrer Partei zum Ausdruck kommt. Dort heißt es – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –: „Nur eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt wird daran mittel- und langfristig etwas ändern.“ Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Das geht leider an der Realität vorbei.
Ich habe vor einigen Wochen mal eine „TatKraft“Woche gemacht und war in zwei Sozialunternehmen. Das eine war eine Wäscherei, die ein Projekt zum Thema „öffentlich geförderte Beschäftigung“ hatte, das andere war ein Sozialkaufhaus. In beiden Unternehmen habe ich Menschen kennengelernt, zu denen ich ganz klar sagen muss: Sie sind für eine Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt nicht geeignet. Das ist einfach so.
Ich habe dort eine Ende 40-jährige Arzthelferin kennengelernt, die ihre Ausbildung gemacht hat, als es noch keine Computer gab. Ihr Arzt hat die Praxis dann leider geschlossen, sie fand keinen Anschluss und ist seit ungefähr 15 Jahren arbeitslos.
Ich habe im Sozialkaufhaus einen Mann getroffen, der einen ganz klar vorstrukturierten Tagesablauf hatte und völlig irritiert war, als die Sozialarbeiterin gesagt hat: Wir gehen mal nach oben in den Raum und sprechen mit Frau Jansen, wie es Ihnen hier geht, was Sie so machen, wie Sie das empfinden. Dieser Mensch war aufgrund der kleinen Intervention, der kleinen Interaktion völlig durcheinander, schaute sich irritiert um und wusste gar nicht mehr genau: „Wie geht denn der Tag für mich weiter?“, bis die Sozialarbeiterin gesagt hat: Ganz ruhig, du kannst gleich wieder an deine Arbeit gehen.
Ich glaube nicht, dass Sie Menschen wie diese in den ersten Arbeitsmarkt entlassen können. Deswegen muss ich sagen, dass Ihr Antrag in dem Fall völlig an einer praktikablen Lösung für die Langzeitarbeitslosen vorbeigeht.
Vielleicht muss man auch erwähnen, dass die alte Forderung nach dem Wegfall der Vorverlegung des Fälligkeitstermins, die Sie noch draufpacken, ihr Übriges dazutut, sodass man nicht so ganz ernst nehmen kann, was Sie uns hier als Antrag vorlegen.
Deswegen sage ich Ihnen: Die SPD-Fraktion wird sich ganz sicher nicht verweigern, Konzepte für einen sozialen Arbeitsmarkt zu erarbeiten. Aber das, was Sie vorgelegt haben, entspricht nicht der Wirklichkeit und kann auch nicht dazu beitragen, die Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft durch Arbeit zu erreichen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Westfalenpost“ titelte Anfang August: „Arbeitslose: NRW führt Statistik an.“
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man sagen: Endlich hat mal jemand eine Statistik gefunden, in der Nordrhein-Westfalen vorne liegt. Aber, meine Damen und Herren, hinter dieser Überschrift stecken Zahlen und Daten zum Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen und vor allem Menschen, denen es nicht gelingt, in Arbeit zu kommen.
In Nordrhein-Westfalen werden im Jahresdurchschnitt über 770.000 Arbeitslose erwartet. Das sind mehr als 2013. Damit steht Nordrhein-Westfalen als einziges Flächenland in Deutschland am Jahresende wohl mit steigenden statt sinkenden Arbeitslosenzahlen da. Von diesen 770.000 sind mehr als 300.000 Langzeitarbeitslose; Kollege Alda hat eben darauf hingewiesen. Jeder dritte Langzeitarbeitslose, den es bundesweit gibt, lebt in NordrheinWestfalen.
Minister Schneider, was ist Ihre Antwort auf diese Entwicklung? – Sie holen das abgegriffene Drehbuch hervor und rufen mal wieder nach der Bundesregierung, die dieses Problem lösen müsse,