Protokoll der Sitzung vom 10.09.2014

Sie haben aufgrund der Haushaltssperre 30 geplante Infrastrukturmaßnahmen ausgesetzt. Wenn 30 Projekte mal eben auf Eis gelegt werden, wird das, zusätzlich zu den fehlenden Planungsingenieuren, wiederum dazu führen, dass Geld nicht ausgegeben wird.

(Minister Michael Groschek winkt ab.)

Das sind keine sinnvollen Kürzungsmaßnahmen. Aber in all den Listen sieht man jetzt andere Dinge, bei denen man sagen kann: Muss das alles sein? Müssen diese Kongresse stattfinden? Muss übrigens die Ministerpräsidentin, wenn sie ein Prakti

kum in einem Betrieb macht, 30.000 € dafür veranschlagen?

All diese Dinge müssen nicht sein. Sich diese Liste jetzt einmal anzuschauen und zu sagen: „Was ist Repräsentation des Landes, und was ist, mit lauter Kongressen, wo man sich selbst darstellt, wirklich politischer Schnickschnack? Das ist nicht erforderlich“, ist eine kluge Haushaltspolitik: nicht pauschal streichen, sondern klug eigene Schwerpunkte setzen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Jetzt kommen wir zum Länderfinanzausgleich. Dieser Länderfinanzausgleich ist 1995 – ich habe mir noch einmal schön das Originaldokument herausgesucht – auf Vorschlag von Nordrhein-Westfalen und Bayern in Kraft getreten.

(Zuruf von der CDU: Aha! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Diese Systematik, Herr Mostofizadeh, ist seit Jahren, nämlich seit 1993, zwischen den großen Ländern verabredet.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ist falsch!)

Natürlich ist das richtig. Johannes Rau hat das 1994 ausgehandelt und es, wie vieles, als großes Ergebnis für das Land Nordrhein-Westfalen beschrieben.

Wenn man sich den mal anschaut, sieht man daran, dass wir jahrelang Zahler waren, dass wir auch noch in der Regierungszeit von Jürgen Rüttgers Zahlerland waren, und dass das plötzlich 2010 mit sinkender Tendenz radikal einbricht.

Diese Frage, warum das so ist, müssen Sie sich stellen. Die hat aber gar nichts mit Ihrem aktuellen Haushalt zu tun. Wir können gern mitreden, wenn 2019 der Länderfinanzausgleich verändert wird. Da kann man zusammen kämpfen – auch gegen andere Länder. Aber Sie können doch nicht Ihre heutigen Probleme auf eine Systematik zurückführen, die seit 20 Jahren exakt gleich gilt,

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ist falsch!)

die komischerweise aber nur bei Ihnen schiefgeht.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos] – Widerspruch von Minis- terpräsidentin Hannelore Kraft)

Also: Wir sind dafür, das zu verändern. Der Solidarzuschlag Richtung Osten hat sich verändert.

(Zuruf: Er wurde 2005 nachgebessert!)

Er wurde 2005 nachgebessert. Da hat es Veränderungen gegeben. Aber die Kernsystematik läuft so seit 1994.

Jetzt ist die Frage: Hat dieses Schuldenmachen denn wenigstens dazu geführt, dass das Ziel der präventiven Finanzpolitik erreicht wurde?

Präventiv zu investieren, also früh zu investieren, damit später keine Schäden entstehen, ist nichts Neues. Als Familienministerin hat Frau von der Leyen mit uns ein Zehnpunkteprogramm zur präventiven Hilfe in Familien gemacht. Das Jugendamt geht früh in bedrohte Familien,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Mit Beamten!)

setzt dafür Personal ein, damit Kinder nachher nicht aus der Familie genommen werden. Da gibt es ein umfangreiches Programm in vielen Kommunen.

Aber das, was Sie „präventiv“ nennen, ist nicht präventiv. Wenn Sie Menschen mit mittleren und höheren Einkommen den Kindergartenbeitrag erlassen, ist das eine nette Wohltat, hat aber mit Prävention null Komma null zu tun.

(Beifall von der CDU, der FDP und Robert Stein [fraktionslos])

Das hat Ihnen in diesen Tagen noch einmal Herr Hilgers, der Präsident des Kinderschutzbundes, ins Gewissen geschrieben. Er hat gesagt: Es ist falsch, Kindergartenbeiträge für Besserverdienende zu erlassen; das hat mit Prävention und mit Kinderschutz nichts zu tun.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Stefan Zim- keit [SPD]: 15.000 € im Jahr!)

Deshalb sagen wir: Sie machen mehr Schulden. Aber wenn Statistiken mit Ergebnissen kommen, sind wir trotzdem Letzter. Wir sind wieder Letzter bei der U3-Statistik. Elf Länder, die keine mehr Schulden machen, stehen besser da als wir bei unter dreijährigen Kindern. Also hat Ihr Konzept mehr Schulden gemacht, aber trotzdem sind wir Letzter. Frau Löhrmann, wir haben in der Studie gelesen, dass achtjährige Kinder im Ruhrgebiet... Achtklässler im Ruhrgebiet bei Lernstandserhebungen extrem schlecht abschneiden.

(Zuruf von der SPD: Achtjährige oder Acht- klässler?)

Die Achtklässler schneiden in den anderen elf Bundesländern, in denen keinen Schulden gemacht werden, besser ab als in dem Bundesland, wo man Schulden macht.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Och! – Martin Bör- schel [SPD]: Wo gibt es denn achtjährige Achtklässler? Das müssen Sie mir erzählen! Wo gibt es die denn? – Weitere Zurufe)

Da müssen Sie fragen: Setzen wir denn mit unserer Bildungspolitik richtig an? Ist diese Prävention erreicht, wenn Sie in 18 Modellkommunen mit Frau Brigitte Mohn irgendetwas eröffnen? Oder gehört nicht zu einer klugen Bildungspolitik, Prävention so

zu machen, dass wir einmal von den Schlusslichtplätzen wegkommen? Das ist doch die Kernfrage.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [frakti- onslos])

Sie machen Schulden und haben trotzdem diese Erfolge nicht.

Eines sage ich Ihnen zu dem, was die BAföG-Mittel jetzt bringen werden. Wir haben im Bund in der Großen Koalition verabredet, dass 1 Milliarde € für Bildung – definiert als Schule und Hochschule – gegeben wird. Die sollen zusätzlich kommen, weil sie erst am 1. Januar 2015 eintreffen. Das ist kein Geld, was Sie jetzt mal eben im Haushalt verbraten können.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Draußen vor der Tür stehen Schulsozialarbeiter, die gern ein klares Signal hätten, dass sie am 1. Januar weiterarbeiten können. Da können Sie Herrn Vornholt zitieren – hin oder her –: Dieses Geld wurde gegeben, damit Sie mehr machen, als Sie ohnehin schon machen. Anders war das nicht verabredet.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [frakti- onslos])

Jetzt klagen die Kommunen und sagen: Bund, gib uns mehr Geld für die Schulsozialarbeit. – Jetzt gibt der Bund am 1. Januar mehr Geld, und Sie stecken das in den allgemeinen Haushalt. Das ist nicht in Ordnung. Das verletzt Verabredungen, die wir in Berlin getroffen haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich fordere Sie auf: Geben Sie ein klares Signal an die Schulsozialarbeiter, damit die Kommunen das in ihre Haushalte in den nächsten Wochen für 2015 einstellen können!

(Beifall von der CDU, den PIRATEN, Stefan Kämmerling [SPD] und Robert Stein [frakti- onslos])

Wir haben im letzten Jahr in den Haushaltsberatungen 140 Vorschläge gemacht. Die haben Sie alle abgelehnt. Wir werden auch in diesen Haushaltsberatungen wieder detailliert unsere Vorschläge machen, wie man den Haushalt verändern kann. Aber sie werden wieder abgeschmettert. Wir werden das trotzdem machen,

(Christian Lindner [FDP]: Die werden wieder abgelehnt!)

damit nicht jemand sagt: Ihr habt keine Änderungsvorschläge. – Nur die grundphilosophische Änderung Ihrer Politik, das Beschränken auf den Kern, kann man nicht in Kürzungsanträge hineinschreiben, sondern das muss man machen.

Da sage ich Ihnen: Sie haben zwei Sachen in den letzten Wochen gezeigt, nämlich dass Sie nicht nur die finanzpolitische Kompetenz verloren haben,

sondern dass Ihnen auch das Gespür für die Menschen abhandengekommen ist.

(Beifall von Rita Klöpper [CDU])

Wie konnten Sie denn auf die Idee kommen, dass, nachdem der Kompromiss bei den Beamten geschlossen war, die Minister und die Ministerpräsidentin ausgenommen seien und eine große Gehaltserhöhung bekommen hätten?

(Widerspruch von Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft und Ministerin Sylvia Löhrmann)