Protokoll der Sitzung vom 01.10.2014

Aber dann muss man auch mal die Kostenfrage stellen. Laut den Experten macht im Hinblick auf Kosten und Zeitaufwand die Auswahl nach DIN 33430 wirtschaftlich nämlich nur dann Sinn, wenn viele gleichartige Stellen zur gleichen Zeit zu besetzen sind. In dem uns geschilderten Beispiel ging es um 180 Stellen des Bundeszentralamts für Steuer.

Meiner Meinung nach ist das ein Spannungsfeld, über das man sprechen muss. Einerseits gilt es bei der Stellenbesetzung finanzielle Grenzen einzuhalten, andererseits muss die Landesregierung über

diskriminierungsfreie Wege bei der Stellenbesetzung nachdenken. Ist ein Ausufern nach Kosten und Zeitaufwand gegen Diskriminierung gerechtfertigt? Ist es im Rahmen der Willkommenskultur sogar erforderlich, diesen Aufwand zu betreiben?

Ihre Aussage, dass die Auswahlprozesse dadurch nicht teurer würden und mit den personellen Ressourcen der Landeseinrichtung zu stemmen wären, kann ich nicht nachvollziehen. In diesem Zusammenhang auch noch – Punkt 5 – Einspareffekte prüfen lassen zu wollen, passt nicht zusammen.

Ich sagte es bereits am Anfang: Das Anliegen des Antrags, die kulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes, begrüßen wir. Bei der Qualifizierung bezüglich eignungsdiagnostischer Entscheidungen, aber auch in Fragen der interkulturellen Kompetenzen und im Umgang mit kultureller Vielfalt muss noch eine Menge getan werden. Wir alle setzen uns doch hier für Integration ein. Gerade die berufliche Integration muss noch stärker in den Fokus gerückt werden.

Wir Piraten sprechen uns gegen jedwede Diskriminierung aus.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben können. Dazu gehört für uns allerdings auch die Anwendung des anonymisierten Bewerbungsverfahrens. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich mir den Antrag der CDU so durchgelesen habe, ist mir im Zusammenhang mit den Textbausteinen eines aufgefallen: Die CDU redet hier von der Flucht in die innere Kündigung, von der Optimierung der Personalgewinnung, vom attraktiven Arbeitgeber NordrheinWestfalen. – Ich habe mich da ein bisschen an das Datum 19. September 2007 erinnert gefühlt. Vielleicht erinnern sich noch einige: Der 19. September 2007 war der Tag, an dem CDU und FDP dafür gestimmt haben, die Rechte der Personalvertretung im öffentlichen Dienst – ich will es mal vorsichtig ausdrücken – auf ein Minimalmaß zurechtzurücken.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Wer auf der einen Seite die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in NordrheinWestfalen – diese Menschen, die da arbeiten – lediglich auf einen Kostenfaktor mit zwei Ohren reduziert, der sollte im Nachhinein nicht darüber reden,

dass wir hier eine andere Form der Personalgewinnung anwenden sollten. Das war ein fatales Signal nach außen, was die Attraktivität des Arbeitgebers Nordrhein-Westfalen angeht; und es ist gut so, dass wir das geheilt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weiterhin berücksichtigt dieser Antrag überhaupt nicht die Erfolge, die wir bereits erzielt haben. Einen Erfolg will ich Ihnen nennen aus dem Bereich der Polizei: Bereits 14 % der 1.500 Kommissaranwärter und -anwärterinnen aus dem letzten Einstellungsjahrgang haben einen Migrationshintergrund.

Mir ist wichtig, noch einmal deutlich zu sagen: Wir brauchen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mit Migrationshintergrund, wie ich finde, aus zwei Gründen: Erstens können sie mit ihrer sprachlichen und der kulturellen Kompetenz in bestimmten Situationen sehr viel angemessener und informierter reagieren als andere. Zweitens sind sie auch ein Vorbild dafür, dass man Erfolg hat, wenn man in dieser Gesellschaft etwas leistet und sich bildet – völlig egal, wo man herkommt.

Deshalb sind wir ein Stück weit stolz, diesen Schritt schon gegangen zu sein und inzwischen 14 % der Kommissaranwärter und -anwärterinnen aus dem Bereich der Menschen mit Migrationshintergrund unseres Landes motiviert zu haben.

Wir haben die Initiative „Mehr Migrantinnen und Migranten in den Öffentlichen Dienst“, die alle Ressorts umfasst. Dabei geht es insbesondere um die Förderung der interkulturellen Kompetenz.

Ein Schwerpunkt vieler Fortbildungsangebote in der Akademie Mont-Cenis ist bei der Qualifizierung der Führungskräfte, sich für dieses Thema stärker als in der Vergangenheit zu öffnen.

Ich glaube, dass wir inzwischen deutliche Signale gesetzt haben, dass wir eine Landesverwaltung wollen, die die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt. Wir sagen Ja zur Unterschiedlichkeit, Ja zur Toleranz. Es ist ein wichtiger Beitrag, diese Menschen auch in die Reihen des öffentlichen Dienstes aufzunehmen, weil das ein wichtiges Zeichen an unsere Gesellschaft ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6855 an den Integrationsausschuss – federführend –, den Haushalts- und Finanzausschuss sowie den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in

öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dieser Überweisungsempfehlung zustimmen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

13 Neues Kriminalitätsphänomen erfassen und

konsequent gegen so genannte „Antänzer“ vorgehen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/6857

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Sieveke das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Sorge, ich tanze jetzt nicht.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD] – Zuruf von der SPD)

Leider – für den einen oder anderen! Meine Frau würde sich jetzt sicherlich auch freuen.

Aber wir sprechen heute über ein sehr ernstes Thema. In den letzten Monaten mehren sich nämlich die Berichte über sogenannte Antänzer, die an U-Bahnstationen oder auf Partymeilen angetrunkene Passanten bestehlen. Um die Vorgehensweise dieser Trickdiebe zu erläutern, darf ich aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 6. September dieses Jahres zitieren, die diesem Thema eine ganze Seite gewidmet hat:

„Sonntags früh, um 4 Uhr morgens, steht nach einer langen Nacht ein junger Mann an einer UBahnstation Rudolfplatz in Köln. Wahrscheinlich kommt er aus einem der vielen Clubs an den Kölner Ringen, die Musik schwingt ebenso nach wie der Alkohol. Dann gesellt sich ein Mann zu ihm, legt ihm den Arm um die Schulter, kommt ihm ganz nah, stellt sein Bein zwischen die Beine des Mannes, zieht hier ein wenig, drückt dort, lacht …“

Und fordert sein Opfer zum Mittanzen auf!

„Der Arm liegt immer noch auf der Schulter, und während der junge Mann noch zwischen Ablehnung und Mitmachen schwankt, ist der andere Arm des Tänzers schon längst weitergewandert, zur vorderen Hosentasche, zum Smartphone. In Sekunden ist das Smartphone draußen, wird sofort weitergegeben an den Begleiter des Tänzers. Der junge Mann merkt nichts.“

Meine Damen und Herren, solche Delikte sind leider keine Einzelfälle. Nach Informationen der „Kölni

schen Rundschau“ vom 11. August 2014 vergeht inzwischen kaum ein Wochenende, an dem Partygänger in Köln nicht von „Antänzern“ bestohlen werden. Für ihre Beutezüge würden diese Trickdiebe, die laut Polizei überwiegend nordafrikanischer Herkunft sind, extra nach Köln anreisen, in von Hintermännern angemieteten Räumen wohnen und von dort aus auf Tour gehen. Die Fallzahlen sollen seit dem Jahr 2011 allein in Köln bereits in die Hunderte gehen.

In dem von mir zitierten Fall am Kölner Rudolfplatz ist das Opfer übrigens noch verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Viele „Antänzer“ sind bei ihren Diebestouren leider weniger zimperlich und gehen zunehmend gewaltbereit vor.

So soll ein 68-jähriger Mann Mitte Juni 2014 am Kölner Ebertplatz von zwei „Antänzern“ nicht nur bestohlen, sondern auch brutal zusammengeschlagen worden sein, nachdem er sich den Annäherungsversuchen der Täter widersetzte. Im August 2014 soll sich ein „Antänzer“ bei seiner Festnahme derart heftig zur Wehr gesetzt haben, dass ein Kölner Polizist mit einer sturzbedingten Knieverletzung ins Krankenhaus musste. Sein Kollege trug einen ausgerenkten Halswirbel davon.

Ein Fahnder berichtete in diesem Zusammenhang, dass die „Antänzer“ in Köln schon mehrfach Messer, abgeschlagene Bierflaschen und Gläser sowie Gürtel samt scharfkantigen Gürtelschnallen als Waffen eingesetzt hätten. Manchmal hätten die Bestohlenen schlicht Glück gehabt, dass sie nicht tödlich verletzt wurden – so der Polizist. Das Gewaltpotenzial der Diebe sei sehr hoch, so die „FAZ“ ebenfalls am 6. September 2014.

Meine Damen und Herren, die rot-grüne Landesregierung hatte dieses Problem lange Zeit überhaupt nicht auf dem Schirm.

Nachdem die CDU-Fraktion bereits in der Sommerpause eine Kleine Anfrage zu dem Thema gestellt hatte, teilte Innenminister Jäger in seiner Antwort in Drucksache 16/6384 lapidar mit, dass ihm keine Erkenntnisse darüber vorliegen, in wie vielen Fällen Personen in Nordrhein-Westfalen Opfer von sogenannten Antänzern geworden seien, wie viele Personen von den Antänzern bislang verletzt worden seien und welcher Nationalität die Antänzer jeweils angehörten.

Stattdessen hat der Minister darauf hingewiesen, dass die Polizeibehörden bereits Handlungsempfehlungen zum Thema „Taschendiebstahl“ erhalten hätten und dass besorgte Bürger sich auf der Internetseite des LKA Präventionstipps abholen könnten.

In der vergangenen Woche verkündete der Minister dann, dass man den Antänzern künftig mit einem Programm begegnen werde, bei dem sich arabisch sprechende Sozialarbeiter um kriminelle Jugendliche kümmern würden.

Herr Minister Jäger, Ihr verspäteter Präventionseifer in allen Ehren – aber wenn das alles ist, was Ihnen zu diesem Thema einfällt, dann gute Nacht! Sie glauben doch selbst nicht, dass sich professionelle Diebesbanden mit solchen Alibi-Aktionen wieder aus Nordrhein-Westfalen vertreiben lassen.

Die CDU-Fraktion wirbt mit dem vorliegenden Antrag dafür, das neue Kriminalitätsphänomen des „Antanzens“ zunächst einmal empirisch zu erfassen. Bereits daran scheint es ja erheblich zu hapern; denn die Landesregierung war in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage nicht in der Lage, das Ausmaß des Problems auch nur ansatzweise zu beziffern.

Neben der sicherlich notwendigen Prävention wollen wir zudem erreichen, dass die Polizei durch verstärkte Zivilstreifen auch repressiv gegen diese Kriminellen vorgeht. Allein mit einigen wenigen sehr gut arbeitenden Sozialarbeitern werden Sie das Kriminalitätsproblem auf dem Kölner Ring und woanders nämlich nicht lösen können.

Ich freue mich darauf, unseren Antrag vertieft im Innenausschuss zu beraten, und bitte daher um Zustimmung zur Überweisung. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)