Protokoll der Sitzung vom 01.10.2014

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Sieveke. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Taschendiebstahl ist ein schwerwiegendes und leider häufiges Delikt, welches in der Polizeiarbeit einen besonderen Schwerpunkt darstellt, und zwar bei der Repression und der Überwachung, vor allem aber bei der Aufklärung. Auch hier gilt: Nicht erst Opfer werden!

Wir haben es auf diesem Feld leider oftmals mit hochqualifizierten Profis zu tun. Wer nicht nur Zeitung liest, sondern auch die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2013, wird auf Seite 49 – ich darf zitieren – lesen:

„Die KPB NRW haben die Empfehlungen in der Anfang 2011 veröffentlichten Konzeption zur ‚Bekämpfung von Taschendiebstahlbanden in NRW‘ für den örtlichen Bereich fortentwickelt und mit Nachdruck umgesetzt.“

Diese Konzeption wurde übrigens in Zusammenarbeit mit dem LKA entwickelt. Wir haben also nicht erst auf Ihren Antrag warten müssen.

Natürlich gibt es – hauptsächlich in den Innenstädten – Präsenzstreifen, Zivilstreifen, Kontrollen auffälliger Personen, Beratung, Aufklärung und auch die von Ihnen ansonsten so wertgeschätzte Öffentlichkeitskampagne.

Natürlich werden die Veränderungen in der Tatbegehung wahrgenommen. Antänzer sind Teil der Entwicklung im Bereich des Trick- und Taschendiebstahls. Es zeigt sich, dass Kriminalität dynamisch ist, sich wandelt, dass sich Umstände der Tatbegehung ändern – oder dass eben auf Dinge zurückgegriffen wird; der Antänzertrick beispielsweise war im Berlin der 20er-Jahre sehr häufig und sehr „beliebt“.

Auch hierauf sind die Polizistinnen und Polizisten in den Wach- und Wechseldiensten sowie in den Kriminalkommissariaten eingestellt. Denn sie nehmen das als Erstes wahr, sind gleichsam Seismografen der Änderungen. Wir haben den Befragungstrick, den Wegfragetrick, wir haben die sensiblen Orte und die sensiblen Zeiten. Denken Sie an Weihnachten und die Vorweihnachtszeit, den Ein- oder Ausstieg im ÖPNV, an die Begleitumstände bei Hütchenspielen usw. Das heißt, Antanzen ist nur eine der Begehungsarten.

Hier gilt für die Polizei ebenfalls: beobachten, aufklären, analysieren, Strategien entwerfen, Einsatzplanungen vornehmen, Überwachung, Repression und Aufklärung. Das ist polizeilicher Standard vor Ort. Ich frage mich deshalb immer wieder, warum Sie die gute Arbeit der Polizei vor Ort infrage stellen, diskreditieren und meinen, die müssten erst auf Anweisungen von oben warten. Die arbeiten schon dran!

Bemerkenswert erscheint mir Ihre Vorstellung von Kriminalitätsbekämpfung: Zeitung lesen!? – Wobei ich sagen muss: Die Presse hat vor einem Jahr wesentlich mehr als jetzt darüber berichtet, nur nicht ganz so spektakulär. Oder Ihr Antrag hat so lange gedauert bzw. Sie haben damals nicht so viel Zeitung gelesen. Ich weiß es nicht. Dann meinen Sie, das Ministerium muss darauf aufmerksam gemacht werden, dann wird ein Generalplan entworfen, die Anweisungen gehen nach unten, und dann hat man Erfolg.

Ich kann Ihnen sagen: Zum Glück ist das anders! Zum Glück haben wir gute Kreispolizeibehörden, die Veränderungen unmittelbar wahrnehmen und mit dem Ministerium zusammen schnellstmöglich Strategien entwickeln und zügig umsetzen, und das bereits seit mehreren Jahren.

Es gibt zwei Dinge in Ihrem Antrag, von denen mich das Erste verwundert, das Zweite ärgert.

Das Erste ist: Ihr Antrag ist fast komplett aus Zeitungen abgeschrieben.

(Beifall von der SPD)

Wer „FAZ“ und „Kölnische Rundschau“ liest, der findet dort fast wortgleich die Sätze, die Sie in Ihrem Antrag geschrieben und hier übrigens gerade auch vorgetragen haben. Mit Ihren Anträgen – das muss ich Ihnen doch sagen – haben Sie sich schon mal mehr Mühe gegeben.

Was mich ärgert, ist, dass Sie unterschwellig wieder ein Bild von Nordrhein-Westfalen als sogenannte Wohlfühlzone und Reiseziel für Straftäter zeichnen und das mit einer relativ schaurigen Dramatik versehen.

Dazu kann ich Ihnen sagen: Antanzen ist ein bundesweites Phänomen – übrigens auch der Presse entnehmbar, wenn man nicht nur NRW-Presse liest, sondern auch mal in die Presse von Bayern, Sachsen, Hessen, Bremen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern. Natürlich sind es die Großstädte und die Volksfeste, also anonyme Masse und Geselligkeit, die zu dieser Begehungstat geradezu einladen. In NRW haben wir bekanntlich davon einige.

Ich sagte es eben schon: Das ist auch ein Ausdruck der geringen Wertschätzung gegenüber der guten Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten. Und – wie immer; auch das darf ich Ihnen sagen – Sie berücksichtigen die Fallzahlen im Bereich des Taschendiebstahls nicht. Denn die sind rückläufig.

Lassen Sie mich zu den von Ihnen geforderten Punkten kommen:

Erstens: Anweisung der Statistik. Das wäre eine Erweiterung entgegen der bundesweit vereinbarten Erfassung, wo eher weniger als mehr Tatbestände angeführt werden sollen.

Zweitens: Personen mit Präventionsmaßnahmen sensibilisieren. Ja, das läuft bereits.

Drittens: verstärkte Zivilstreifen. Auch das läuft in Verantwortung der Kreispolizeibehörden, übrigens häufig auch in Zusammenarbeit mit den Einsatzhundertschaften.

Wir lehnen Ihren Antrag ab. Der Überweisung stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall von der SPD und Manuela Grochowi- ak-Schmieding [GRÜNE])

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Schäffer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Frage ist Taschendiebstahl für die Betroffenen ärgerlich, kostet unter Umständen viel Geld und erfordert – je nachdem, was gestohlen wurde – viele Behördengänge. Was bei Taschendiebstählen noch viel schlimmer ist, das ist, glaube ich, der Verlust von persönlichen Gegenständen, von Fotos oder Videoaufnahmen aus dem Urlaub auf dem Smartphone, vom Terminkalender mit persönlichen Notizen usw. usf.

Eines muss man aber auch sagen: Antanzen ist beim Taschendiebstahl nicht die einzige Tatbegehungsform. Sie sprechen ja in Ihrem eigenen Antrag davon, dass es auch noch den Podolskitrick gibt,

der offensichtlich nicht unter das Antanzen fällt. Oder doch? Frage: Wie wollen Sie das in der Polizeilichen Kriminalstatistik eigentlich eingrenzen? Wollen Sie jetzt für jede Tatbegehungsform beim Taschendiebstahl eine eigene Statistik führen? Das frage ich mich.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Zumal: Die Polizeiliche Kriminalstatistik – das ist gerade schon gesagt worden – ist ja zu Recht eine bundeseinheitliche Statistik, um Vergleichbarkeit zu haben und sehen zu können, welche Entwicklungen es in welchen Ländern gibt. Insofern stellt sich natürlich die berechtigte Frage: Macht es viel Sinn, dass man hier in NRW einen eigenen Schlüssel aufführt, den andere Bundesländer nicht haben?

Entschuldigen Sie, Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Yüksel zulassen?

Aber gerne.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Den „Podolskitrick“ hätten wir gerne einmal gewusst. Den kennen wir hier alle gar nicht.

Ich würde vorschlagen, Herr Yüksel, dass Sie das hier nachher für uns alle vormachen. Das wäre doch ein Deal. Aber vielleicht möchte auch der Innenminister. Wir schauen gleich mal.

(Heiterkeit)

Sie steigern die Erwartungshaltung des Plenums ins Unermessliche.

(Heiterkeit)

Richtig.

(Zuruf)

Tut mir leid, da muss ich Sie leider enttäuschen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Ich möchte aber noch etwas zum Thema „Prävention“ sagen: Es ist hier deutlich geworden ist, Herr Sieveke, dass Sie fast ausschließlich von Köln gesprochen haben. Das heißt, wir reden über ein Phänomen, das sehr regional begrenzt vorkommt. Deshalb ist die Frage, wieviel Sinn es macht, vom Innenministerium gesteuert eine landesweite Präventionskampagne durchzuführen, doch erheblich, wenn wir bezüglich dieses Phänomens eigentlich nur über wenige Städte in Nordrhein-Westfalen sprechen.

Außerdem läuft momentan eine Kampagnenwoche der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Diese Kampagnenwoche – wer es noch nicht erfahren hat – heißt: „Augen auf und Tasche zu! – Langfinger sind immer unterwegs“. Ich habe gestern noch mit einer Polizeipräsidentin gesprochen und auch über dieses Thema geredet. Schauen Sie sich das vielleicht noch einmal an. Da läuft einiges.

Bei Ihrem dritten Forderungspunkt geht es um verstärkte Zivilstreifen. Auch dazu muss man sagen: Das ist eigentlich reine Sache der Kreispolizeibehörden. Ich finde es nicht sehr sinnvoll, wenn das Innenministerium die einzelnen Streifen in die jeweiligen Orte losschickt, sondern es muss natürlich vor Ort entschieden werden, wo es Sinn macht. Dass das PP Köln bereits am Thema dran ist und auch fortlaufend evaluiert, geht auch aus der Antwort auf die Anfrage von Theo Kruse hervor.

Insofern gibt es von uns keine Zustimmung für den Antrag. Wir werden natürlich der Überweisung zustimmen. Ich würde Sie bitten, bei diesem Antrag vielleicht ausnahmsweise auf die Durchführung einer Anhörung im Ausschuss zu verzichten. Ich glaube, es gibt viele andere Themen im Bereich der Polizeiarbeit und der Kriminalitätsbekämpfung, die wichtiger sind als das Thema „Antanzen“. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollege Lürbke das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Podolskitrick werde auch ich jetzt nicht vorführen. Das würde mir als Westfale auch schwerfallen, da sollten wir vielleicht einen Kölner fragen.

(Jochen Ott [SPD]: Siehste! Hab ich doch gedacht!)

Tatsächlich hat sich das Phänomen des sogenannten Antanzens in jüngerer Zeit gerade in den Ausgehvierteln rheinischer Metropolen zu einem Problem entwickelt. Auch wenn konkrete Fallzahlen nicht bekannt sind, ist die Masche der Trickdiebe doch seit einiger Zeit auch durch zahlreiche Medienberichte gut dokumentiert.

Die Gefahren des Trickdiebstahls sind nicht von der Hand zu weisen. Wie leicht selbst erfahrene oder gar von Personenschützern umgebene Menschen Opfer dieser Masche werden, musste Anfang der Woche sogar der Innenminister selbst erfahren, als er auf einen vom WDR beauftragten Antänzer hereinfiel.