Protokoll der Sitzung vom 01.10.2014

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Das stimmt!)

und nicht solide wirtschaftet.

(Zurufe von der CDU)

Sie können Ihre Frage auch selbst beantworten. Dann sollten Sie mir die aber nicht stellen.

(Beifall von der SPD)

Sie haben dann den Schluss gezogen: Weil er das macht und so hilflos ist, läuft er zum Bund hin und fordert dann mehr Geld.

Lieber Kollege, daraus kann ich nur den Schluss ziehen – da mögen Sie mich dann als böswilligen Interpreten sehen, und das gestehe ich Ihnen auch gerne zu –,

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Ja, gerne!)

dass Sie der Auffassung sind, dass es nicht zulässig ist, dass der Finanzminister Dr. Walter-Borjans die Position Nordrhein-Westfalens – ich muss natürlich dazu sagen: insbesondere die Ministerpräsidentin tut das in erfrischender Weise – in dieser Auseinandersetzung klarstellt und sehr deutlich macht, dass Nordrhein-Westfalen sehr wohl Anspruch in allen Bereichen, die mir bekannt sind, auf mehr Geld, mehr Beteiligung, mehr Mittel hat, insbesondere für die Infrastruktur Nordrhein-Westfalens.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist der Hintergrund meiner These, Herr Kollege.

Ich möchte die Gelegenheit kurz nutzen – das hat Herr Kollege Zimkeit aus meiner Sicht auch zutreffend getan –, hier zwei oder drei Punkte deutlich zu machen.

Erstens. Der Antrag ist schlicht überflüssig, weil sich die Verfassungskommission mit dem Sachverhalt beschäftigt. Insofern hätte Dr. Optendrenk auch die Rede kurz machen können und darauf verweisen können, dass sich dieser Landtag mit den entsprechenden Gremien damit auseinandersetzt. Das hat die FDP offenbar nicht zur Kenntnis genommen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das ist ein Spezialproblem von Herrn Witzel.

Zweitens. Einige Punkte sind schlicht abenteuerlich, die Schäuble und Scholz da vortragen. Zum Beispiel den Stabilitätsrat quasi zur Oberaufsicht für die Länder auszubauen, ist schlicht verfassungswidrig.

Drittens. Die Integration des Soli-Aufkommens in den normalen Einkommensteuertarif, um gleichzeitig ganz viele Wünsche des Bundesfinanzministers davon zu bezahlen, also kalte Progression, Ausgleich für die Eingliederungshilfe, die der Koalitionsvertrag uns schon zugeschrieben hat: Dazu hat die FDP komischerweise heute gar nichts gesagt. Damit hat sich Herr Kollege Abruszat schon zwei Plenarsitzungen befasst, dass das endlich hier nach Nordrhein-Westfalen kommen muss. Davon höre ich nichts, nur wieder von einer vermeintlichen gelben Karte für die Landesregierung. Da, wo Sie sich für das Land einsetzen könnten, Herr Kollege Witzel, drücken Sie sich. Da, wo wir etwas für das Land tun können, sind Sie auch wieder nicht mit von der Partie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, letztlich ist dieser Antrag so überflüssig wie nur irgendwas. Die FDP passt sich sozusagen auch in diesem Parlament den Umfragewerten an. Insofern gehen wir davon aus, dass der genauso wegplätschert wie viele andere Ihrer Initiativen. Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie die Kolleginnen und Kollegen in der Verfassungskommission nicht anständig arbeiten lassen. Inhaltlich ist das völlig überflüssig gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf: So ist es!)

Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier im Saal! Ich greife – vielleicht etwas überraschend – einmal direkt die letzten Worte des Herrn Kollegen Mostofizadeh auf. Ja, in der Tat, warum wird das nicht in der Verfassungskommission diskutiert, wenn dann am Ende die gerade mit einem umfangreichen Gutachtenauftrag angestoßene Debatte geführt werden kann, wenn das Gutachten vorliegt?

Ganz ehrlich, lieber Ralf Witzel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich verstehe das nicht so ganz. Ich verstehe allerdings den Ansatz, den ich durchaus grundsätzlich begrüße, immer wieder darüber zu diskutieren, wie es denn mit der Ausgaben- und der Einnahmensituation im Lande NordrheinWestfalen aussieht, ob und inwieweit die verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse hierauf einwirkt oder nicht.

Und auch: Ja, wir müssen natürlich die Entwicklung der Landeshaushalte bis hin zum Jahre 2020 immer wieder auch vor dem Hintergrund dieses mit Verfassungsrang ausgestatteten Diktats beobachten. Möglicherweise muss man dann auch mal über Sanktionen nachdenken. Wir tun das allerdings nicht. Wir fordern – das ist die Position unserer Partei im Landesverband NRW – eine möglicherweise Neubetrachtung in gesellschaftlicher, ökonomischer, sozialer und eigentlich jeder Hinsicht.

Darüber hinaus: Bezüglich der Ausnahme, die hier in Art. 115 beschrieben ist, dass 0,35 % Sicherheitsreserve auf null gesetzt werden soll, bin ich insofern der gleichen Auffassung wie der Kollege Witzel, als es selbstverständlich verfassungsrechtlich unzulässig wäre, den Stabilitätsrat hier zu implementieren quasi als Schuldenbremspolizei und dafür den Ländern irgendeinen Brosamen hinzuwerfen.

Allerdings verstehe ich die Ziffer 4 des Antrags so, dass die 0,35 % aus Art. 115 komplett gestrichen werden, womit also auch die Möglichkeit verbaut wäre, beispielsweise im Rahmen der Implementierung einer entsprechenden Regelung in die Landesverfassung hier Möglichkeiten des Landes vor dem Hintergrund der Verfassung zu eröffnen.

Wenn wir also auf der einen Seite fordern, dass im Bund die Möglichkeiten zugeschüttet werden, brauchen wir auf der anderen Seite im Land nicht mehr in der Verfassungskommission darüber zu diskutieren, wie wir die Möglichkeiten nach dem Grundgesetz zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen ausschöpfen.

Dann kommen wir zu der Frage „Ausgabenproblematik“. Das ist in der Tat gekoppelt mit allen Fragen im Zusammenhang mit der Schuldenbremse. Möglicherweise haben wir ein Ausgabenproblem. Wir haben aber auch ein Einnahmenproblem.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Moment. Wir haben insofern ein Einnahmeproblem, als vonseiten der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen deutlich markiert und in Aussicht gestellt worden ist, dass sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalens auf der Bundesebene massiv dafür einsetzen will, bestimmte Steuergestaltungsmöglichkeiten abzuschaffen und

Steuerschlupflöcher zu schließen mit der Folge, dass im Bund Beträge von prognostiziert bis zu insgesamt jährlich ca. 160 Milliarden € in den Steuertopf fließen, der dann entsprechende Effekte auch für NRW entfalten würde.

Hier sollten wir – das muss ich ganz ehrlich sagen – auch vor dem Hintergrund des Petitums der Schuldenbremse nachhaltig und immer wieder nachfragen, wie die Landesregierung am Ball bleibt, um die Einnahmeverbesserung herzustellen, die hier in Aussicht gestellt worden ist.

In diesem Zusammenhang ist natürlich der Haushalt zu betrachten. Wir sind ja gerade in einer Plenarwoche, die zwischen den einzelnen Haushaltsberatungen liegt. Die Berichterstattergespräche laufen gerade. Nach den Berichterstattergesprächen wird man den Haushalt 2015 abschließend analysieren. Dabei kommen wir möglicherweise zu Ergebnissen, die wir heute noch gar nicht ohne Weiteres vorwegnehmen können – vielleicht auch im Hinblick darauf, dass es enorme Ansätze gibt, um beispielsweise die globale Minderausgabe zu kompensieren, oder aber darauf, dass möglicherweise auch das Ergebnis sein kann, dass der Haushalt total aufgebläht ist, um irgendwelche Wahlkampfüberraschungen

2016/2017 zu präsentieren. Alles das wissen wir noch nicht.

Ich fasse zusammen: Der Antrag findet bei den Begründungsansätzen auch von der Ausgangslage her sicherlich unsere Zustimmung. Allerdings findet er – das sage ich auch mit Blick auf die jetzt wohl folgende Einzelabstimmung der Punkte – in allen einzelnen Punkten leider Gottes keine Zustimmung bei uns; denn die Diskussion, die geführt werden muss, sollten wir nicht an dieser Stelle führen – nicht hier im Plenum und nicht in dieser Zusammensetzung –, sondern ganz vorgelagert in der Verfassungskommission, also dort, wo sie unseres Erachtens hingehört. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Schulz. – Nun spricht Herr Stein, fraktionslos.

Wertes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Antrag wird gefordert, dass das – Zitat – „geltende Neuverschuldungsgebot … erhalten“ bleibt. Das kann man durchaus so sehen. Allerdings muss man den Vorschlag einer Arbeitsgruppe des Bundesfinanzministeriums auch nicht gleich verteufeln.

Natürlich darf das Signal am Ende nicht sein, dass die seriösen Sparbemühungen des Landes eingestellt werden, was sie aber de facto sind; denn sonst hätte man seitens der Landesregierung nicht zum Notnagel „globale Haushaltssperre“ greifen müssen.

Sie präsentieren uns hier eine Politik aus der Mottenkiste der Einfallslosigkeit: Forderungen nach Steuererhöhung einerseits und Transferleistung vom Bund andererseits.

Um neben notwendigem Sparen einen weiteren Aspekt zu beleuchten: Staatseinnahmen lassen sich perspektivisch auch erhöhen, ohne an der Steuer- oder Transferschraube zu drehen. Dazu müssen Sie aber auf die Menschen in NRW zugehen und ein Gründerklima schaffen – da kann ich Sie jetzt direkt ansprechen, Herr Duin –, anstatt ständig den Bund anzubetteln.

Potenzial liegt hier nämlich zweifelsohne in der Digitalisierung der Wirtschaft in NRW. Grundvoraussetzung dafür ist ein funktionierendes und landesweit zugängiges Breitbandnetz. Das haben wir schon öfter diskutiert. Laut einer ifo-studie kann eine Steigerung der Breitbandnutzerrate um 10 Prozentpunkte das jährliche Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum um bis zu 1,5 Prozentpunkte erhöhen.

Hier unternimmt NRW einfach zu wenig. 30 % sind immer noch vom Breitband abgeschnitten.

Herr Duin, immerhin entwickeln Sie nun eine eigene digitale Wirtschaftspolitik für NRW. Sie haben mit Prof. Dr. Kollmann sogar einen Beauftragten für die Digitale Wirtschaft NRW ernannt.

(Heike Gebhard [SPD]: Disneyland!)

Ich fürchte nur, dass die Ernennung eines Beauftragten alleine oder die Worte, die Sie im heute erschienenen Interview der „RP“ gewählt haben, nicht ausreichend sind. Glaubwürdiger wären Ihre Worte, wenn NRW im Wirtschaftswachstum eben nicht mit 1,0 % hinter dem Bundesdurchschnitt von 1,7 % hinterherhinken würde. Wir dürfen doch kein Ballast für diese Republik sein. Wir müssen doch Vorreiter sein. Das muss doch der Anspruch dieses Landes sein. Wir müssen doch auch wirklich die Steuerkraft stärken.

Deswegen ziehe ich einmal einen Vergleich im Bereich der digitalen Start-ups heran; denn wir stecken mitten im nächsten Strukturwandel. Ich weiß gar nicht, ob das jedem hier klar ist.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Erklären Sie das einmal!)

2013 gab es in Berlin 600 Neugründungen im Bereich digitaler Start-ups – und in NRW 30. Ich weiß, dass die Zahlen jetzt besser geworden sind. Allerdings bleiben wir, gerade auch im Verhältnis zu der Einwohnerzahl, weit hinter Berlin zurück.

Im Gespräch mit dem Handelsverband Deutschland konnte ich letzte Woche in Berlin erfahren, dass Berlin dauerhaft mit 100.000 neuen Jobs alleine in dieser Branche rechnet. Das steigert Steueraufkommen, bringt Menschen in Lohn und Brot und ist ein Gewinn für das Land, ohne dass man permanent irgendwelche Forderungen nach Steuererhöhungen erheben muss. Da muss man einfach einmal anders ansetzen.

Deswegen fordere ich auch deutlich, dass NRW gute Konzepte für die digitale Wirtschaft erarbeitet oder diejenigen, die Sie im Startup-Wegweiser NRW beschrieben haben, seriös umsetzt. Lassen Sie mich als Beispiel nur Microsoft in Berlin nennen. Dort hat man mit dem Accelerator-Programm wirklich etwas Innovatives gemacht. Es gibt eine digitale Schnittstelle direkt zum Branchenführer. Tengelmann praktiziert übrigens im E-Commerce-Bereich Ähnliches. Solche Inkubatoren sollten auch hier in NRW gefördert werden.

Ich komme zum Ende. Aus der heutigen haushälterischen Sackgasse kommen wir natürlich durch Sparen heraus. Da ist die Landesregierung bisher unseriös. Das wissen wir. Andererseits müssen wir aber auch den Gründergeist stärken und ein neues Klima schaffen. Wir müssen die Innovationskraft der Start-ups stärken, aber auch die der bestehenden Industrie ausbauen.