Ich darf hinweisen auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/7505 zum Einzelplan 05.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Kaiser das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen fallen zusammen mit der Halbzeitbilanz der rot-grünen Landesregierung. Während Frau Ministerin Löhrmann mit der Aneinanderreihung vieler Zahlen Aktivitäten und Handeln belegen will, wird eines jedoch immer deutlicher: Bildungspolitik ist mehr als ein Zahlenpuzzle. Denn was bisher in der Bildungspolitik fehlt, ist eines: klare Zielvorgaben und vor allem klar definierte Standards.
Nach dem Schulkonsens ergeht sich die nordrheinwestfälische Schulpolitik in der Regelung von vielen Details und zeichnet sich eher durch Reaktion als durch Aktion aus.
Nehmen wir das Beispiel Inklusion: Das Ziel muss doch – da sind wir vielleicht gar nicht so auseinander – der Umbau unseres Schulsystems zu einem inklusiven Schulsystem sein, damit – das ist das Wichtige – es allen Kindern auf Dauer besser und zumindest kurzfristig nicht schlechter geht.
Inklusion macht doch nur Sinn, wenn es den Kindern nutzt, wenn es den Kindern insgesamt besser geht. Es geht darum, Bildungsqualität für alle zu garantieren. Das ist das Ziel. Davon sind wir weit entfernt.
Die CDU-Landtagsfraktion hat gestern Abend ein Fachgespräch zum Thema „Inklusion“ unter der Überschrift „erste Bilanz“ veranstaltet – mit riesiger Resonanz, mit engagierten Eltern, Lehrern und Schulverwaltungsexperten, parteiunabhängig. –
Frau Löhrmann – ich sage es mal sauerländisch –, Ihnen hätten eigentlich die Ohren klingeln müssen; denn das Urteil über die Landesregierung in der Frage der Inklusion war vernichtend, weil Sie bei der Umsetzung kapitale Fehler machen.
Ein Beispiel: Die zu späte Einigung mit den Kommunen über die Kosten im Hinblick auf die Konnexität hatte genau das zur Folge, was Ihnen die Opposition vorhergesagt hat. Es blieb keine Zeit für eine ordentliche Vorbereitung. Viele Fragen waren und sind weiterhin ungeklärt. Das ist der eigentliche Punkt dabei. Sie einigen sich last minute, verkaufen das als geniale politische Großtat, erzielen durch diese Kurzfristigkeit aber keine nachhaltigen Effekte. Das ist ein zentraler Vorwurf.
Durch Ihr stetes Bestreiten der Konnexität bei der Inklusionsfrage haben Sie den Start stark behindert. Statt Aufbruchstimmung sind die Ängste vor Belastung, vor dem Nichtfertigwerden mit der Situation immer zahlreicher geworden. Auch das wurde gestern bestätigt. Es wird nicht die Chance gesehen, sondern eher die Belastung, und das geht zulasten der rot-grünen Landesregierung.
Wir haben Ihnen immer wieder gesagt, es geht um Gelingensbedingungen. Eine der wesentlichen Gelingensbedingungen war immer eine gute Vorbereitung.
Weiter gilt: Es gibt faktisch keine Wahlfreiheit. Wir haben das immer so formuliert. Es gibt nämlich bis heute keine neutrale und gute Beratung, sodass die Alternative einer Förderschule manchmal gar nicht dargestellt wird. In der Schulwirklichkeit stehen wir vor der Situation, dass all die Förderschulen ums Überleben kämpfen. Der Schwerpunkt der Diskussion bei Eltern, Lehrern und bei Schulverwaltungen
hat sich auf organisatorische Überlegungen verlagert. Eigentlich müsste in einem solch engagierten Reformprozess die erste Überlegung sein: Wie kann man jedem Kind gerecht werden, das auf diesem Weg geht? – Das jedoch findet nicht statt.
Die häufig wiederholte Formel, die Landesregierung schließe keine Förderschulen, klingt für die Betroffenen zynisch, weil die Schulträger durch die Gültigkeit der Mindestgrößenverordnung gezwungen sind zu handeln. Wir haben eben Schließungen aufgrund des veränderten Rechts auf Landesebene. Das ist das, was die Stimmungslage im Bereich Inklusion schwierig macht. Ich habe eher die Sorge – ich würde es sehr bedauern, wenn es so käme –, dass Inklusion vor einem Rollback steht, statt dass es diesbezüglich eine Aufbruchstimmung gibt. Da wird also eine Chance vertan, was sehr bedauerlich ist.
Nicht nur ich habe Zweifel, ob ein Kind mit Handicaps aus bildungsungewohnter Familie richtig ist an einem Gymnasium, das schlecht oder gar nicht auf diese Situation vorbereitet ist. Ich glaube eher, dass das Gegenteil eintreten wird.
Deshalb verwundert auch nicht, dass die GEW – die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist ja bekanntermaßen nicht der Thinktank der ChristlichDemokratischen Union in Nordrhein-Westfalen, sondern sie ist politisch doch eher bei der Landesregierung anzusiedeln – davon spricht, dass die Halbzeitbilanz schlecht ist, dass sie enttäuschend ist, dass NRW mehr in Bildung investieren muss. Die Vorsitzende, Frau Schäfer, sagte: Wir sind mit den aktuellen Ergebnissen insgesamt nicht zufrieden.
Ein Punkt wird herausgegriffen, den wir als CDU genauso sehen: Die Abhängigkeit des Bildungserfolgs der Kinder und Jugendlichen vom Elternhaus sei weiterhin unakzeptabel stark. Einfach gesagt: Immer noch hängt der Bildungserfolg zu sehr vom Geldbeutel der Eltern ab. Genau da liegt doch das Problem. Die Formel „kein Kind zurücklassen“ ist vor dem Hintergrund dieser realen Regierungspolitik eine Leerformel.
Insgesamt gilt: Rot-Grün lässt manches Kind und manches Kind mehr im Stich. Das ist die Bilanz Ihrer zweieinhalb Jahre Regierungszeit seit den Neuwahlen.
Seitens der CDU ist die strategische Zielsetzung: Aufstieg durch Bildung. Der Aufstieg durch Bildung, gerade für Leute aus nichtakademischen Haushalten, kann nur durch Qualität und durch Leistung erfolgen.
Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass diese Leistung möglich ist. Da hat die GEW völlig recht: Das gelingt nicht. Man sieht, dass das nicht da ist. Das wird auch nicht allein durch den Schulkonsens erreicht, sondern durch eine entsprechende Umsetzung.
Nehmen wir die Schulsozialarbeiter. Das ist die gleiche Nummer wie im Bereich der Inklusion, der Konnexität. Die Schulsozialarbeiter sind auch wieder last minute gerettet worden. Große Schlagzeile, große Einigung, großer Erfolg, großes Selbstlob.
Aber was heißt das praktisch? Praktisch ist doch dadurch, dass Sie monatelang in der Frage stur geblieben sind, keine Lösung angedeutet haben, keine Offenheit gezeigt haben, sondern nur Berlin beschimpft haben, Folgendes passiert: Die besten Sozialarbeiter haben sich inzwischen andere Jobs gesucht.
Die sind nicht mehr da. Wenn Sie für Bildungsungewohnte mehr Chancen schaffen wollen, dann brauchen Sie aber Kontinuität bei den Sozialarbeitern und Zuverlässigkeit bei den Ansprechpartnern. Genau das wird nicht stattfinden. Ihre Lösung wird zu mehr Fluktuation und zu weniger Kontinuität und damit auch zu weniger Qualität in der Frage führen.
Denn eines ist ganz klar: Das ist ein Durchstiegsjob für Berufseinsteiger, weil Sie nur für drei Jahre eine Garantie geben. Wir hatten einen Vorschlag gemacht. Da die BAföG-Mittel beim Land bleiben, weil der Bund die BAföG-Förderung komplett übernimmt, haben wir gesagt, dadurch ergibt sich ein Budget von 100 Millionen €, um die Sozialarbeiter auf Landesebene langfristig und dauerhaft zu beschäftigen. Auf diesen Vorschlag sind Sie nicht eingegangen. Aber der hätte für mehr Qualität in der Frage gesorgt.
Diese Maßnahme, Frau Löhrmann, hätte auch dafür gesorgt, dass mehr Qualität und bessere Aufstiegschancen für Leute aus schwierigeren Elternhäusern geschaffen worden wären. Genau das Gegenteil machen Sie. Deshalb gilt, dass Sie da nicht entsprechend weiterkommen.
Wenn wir uns ferner anschauen, wie man mit weniger gut Betuchten umgeht, so hat die Studie von Frau Bellenberg, die auch die Studie für die GEW gemacht hat, zum Unterrichtsausfall folgendes Ergebnis erbracht, das, glaube ich, unstrittig ist: Unterrichtsausfall hindert vor allem die Kinder am Schulerfolg, die aus bildungsungewohnten Familien kommen; denn die Mittelschicht organisiert notfalls Nachhilfe. Deshalb ist der Fokus auf den Unter
Wir haben immer wieder Zahlen angefordert, nicht weil wir als Opposition Spaß an irgendwelchen Statistiken haben, sondern weil wir verlässliche Informationen brauchen, um eine Gegenstrategie aufbauen und sagen zu können: Wie können wir garantieren, dass Unterricht stattfindet? Deshalb muss erst einmal über die Ursachen geredet werden, darüber, warum Unterricht ausfällt. Dazu hat es die Studie gegeben. Dazu hat es das Fachgespräch gegeben, aber es hat null Handeln der Landesregierung gegeben.
Dies ist ein weiterer Fall, der zeigt, dass Sie durch Detailregelungen und durch Nichthandeln dafür sorgen, dass das eigentliche Ziel, mehr Aufstieg durch Bildung, in NordrheinWestfalen so schlecht umgesetzt wird. Wir lehnen deshalb den Haushalt ab. Der Überweisung des Antrags der Piraten stimmen wir zu. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaiser, das war jetzt wirklich keine brillante Leistung, die Sie gerade abgeliefert haben.
Es war keine brillante Leistung. – Und auch wenn Sie uns glauben machen wollen, Herr Kaiser, dass es den Kindern in Nordrhein-Westfalen schlecht geht und wir eine miserable Bildungspolitik betreiben, kann ich Ihnen nur versichern: Das stimmt nicht!