Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

Sie wissen, die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt ab dem Jahr 2020 direkt und unmittelbar auch in Nordrhein-Westfalen. Damit steht fest, dass die Landesregierung spätestens für das Jahr 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen muss. Dafür brauchen wir keine neue Regelung in der Landeshaushaltsordnung.

Eine einfachgesetzliche Regelung zu einer Finanzplanung kann zudem keine Rechtsverbindlichkeit für den Haushaltsgesetzgeber herbeiführen, also für Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete. Vielmehr wird die Finanzplanung durch den jährlich aufzustellenden Haushaltsplan überholt. An eine Finanzplanung vorangegangener Jahre sind Sie als der Haushaltsgesetzgeber aufgrund des in der Landesverfassung verankerten Jährlich

keitsprinzips allenfalls politisch, nicht jedoch rechtlich gebunden.

Darüber hinaus kann eine Regelung zur Finanzplanung auch keine tatsächliche Verbindlichkeit erzeugen. Allein das derzeitige Aufstellungsverfahren des Haushalts 2015 mit nunmehr zwei Ergänzungsvorlagen macht deutlich, dass aktuelle Ereignisse wie zum Beispiel die Entwicklung der Steuereinnahmen oder die Änderung von Bundesgesetzen den Haushaltsgesetzgeber zu einer Korrektur von Plandaten zwingen können.

Gleichwohl halten wir an dem Abbaupfad der aktuellen Finanzplanung fest. Die Landesregierung nimmt die Schuldenbremse sehr ernst. Unser Ziel ist die Konsolidierung des Landeshaushaltes. Und wir werden die gesteckten Konsolidierungsziele erreichen. Jahr für Jahr werden wir die Neuverschuldung weiter zurückführen. Am Ende werden wir im Jahre 2020 die Schuldenbremse einhalten, auch ohne den Antrag, den wir heute zu beraten haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 16/7363, den Gesetzentwurf Drucksache 16/4824 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf selbst. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/4824 mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU-, der FDP-Fraktion und der Fraktion der Piraten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

8 Entwicklungspotentiale des Messestandorts

Nordrhein-Westfalen nutzen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/7397

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion der Frau Kollegin Müller-Witt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchen von Ihnen mögen Messen als ein Marketinginstrument des vergangenen 20. Jahrhunderts erscheinen, das in Zeiten der

permanenten Erreichbarkeit und der Drahtloskommunikation ein Auslaufmodell ist. Aber auch und gerade in Zeiten von Internet sind Messen und damit auch die Messestandorte nach wie vor ein unverzichtbares Marketinginstrument.

Der unmittelbare Kundenkontakt, Gesicht zu Gesicht, der Austausch innerhalb einer Branche und nicht zuletzt die Imagepflege im Allgemeinen, sind nach wie vor unverzichtbar. In NRW, dem bedeutsamsten Messestandort, haben sich vier Standorte für national und international bedeutsame Messen etabliert: Düsseldorf, Köln, Dortmund und Essen – neben einer Reihe von weiteren kleineren Messegesellschaften. Nur einer der vier großen, nämlich Düsseldorf, ist laut „RP“ der vergangenen Woche nicht auf Subventionen angewiesen. In ganz Deutschland sind es nur zwei Messestandorte, die ohne Subventionen auskommen.

Dass Messen auch zukünftig von Bedeutung sein werden, zeigt das Beispiel Düsseldorf. Messen sind nicht nur eine internationale Leistungsschau; sie beanspruchen auch zu Recht, ein Leistungsnachweis der heimischen Wirtschaft zu sein. Der jeweilige Themenschwerpunkt ist auch immer eine Demonstration der Bedeutung des jeweiligen Marktes.

Für deutsche Unternehmen gehören Messen zu den wichtigsten Instrumenten in der Business-toBusiness-Kommunikation. Insgesamt geben Aussteller und Besucher für ihr Messeengagement in Deutschland pro Jahr 12 Milliarden € aus. Damit werden gesamtwirtschaftliche Effekte in Höhe von 23,5 Milliarden erzielt. Außerdem erzielen wir Beschäftigungseffekte in Höhe von 226.000 Arbeitsplätzen laut ifo-Institut. Das sind zum Beispiel Beschäftigungen im Hotel- und Gaststättengewerbe, in der Tourismusindustrie, aber auch im Handwerk insgesamt. Mittelstand und Handwerk sind die großen Profiteure der Messen.

Neben der Leuchtturmfunktion für die heimische Industrie sind also vor allem die gesamtwirtschaftlichen Effekte von Messen nicht zu unterschätzen. Das heißt, die mit den Messen verbundenen Multiplikatoreffekte sind neben den unmittelbar branchenspezifischen Effekten ausschlaggebend für ihre Zukunftsberechtigung. Deshalb sollte man auch noch im Zeitalter des Internets den Messestandorten in Nordrhein-Westfalen eine verstärkte Aufmerksamkeit widmen.

Um die bedeutenden Messestandorte NordrheinWestfalens überlebensfähig und zukunftsfest zu machen, bedarf es allerdings neuer Konzepte – nicht in Konkurrenz untereinander, sondern durch die Identifikation eines unverwechselbaren Profils eines jeden Standortes. Diese Profilierung sollte gleichzeitig auch den Strukturwandel aufnehmen und die wirtschaftliche Neuausrichtung unterstützen, zum Beispiel entlang der Ruhrschiene. Der Erhalt und die gezielte Profilierung der Standorte Essen und Dortmund könnten dazu führen, dass diese zu

Schaufenstern des neuen Ruhrgebiets werden. Letztendlich wäre auch zu prüfen, welche Synergieeffekte darüber hinaus durch Kooperationen erzielt werden könnten. Ziel muss es sein, die einzelnen Standorte zu stärken und zu tragfähigen Geschäftsmodellen zu entwickeln.

Der Messestandort NRW ist als Marke zu ertüchtigen und zukunftsfest zu etablieren. Ich sehe mit Interesse der Beratung im Ausschuss entgegen.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Witt. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist, wenn man es im Bundesvergleich betrachtet, ein außerordentlich starker Messestandort. Wir haben herausragende Messen von internationaler Bedeutung. Das ist die Koelnmesse, die gemessen an ihrer Ausstellungsfläche die weltweit fünftgrößte Messe ist. Düsseldorf schafft diese Platzierung, wenn man den Umsatz der Messegesellschaft zugrunde legt.

Darüber hinaus haben wir weitere Messestandorte, die zur Profilierung des Standortes NordrheinWestfalen beitragen. Auch die im Verhältnis kleineren Standorte Essen und Dortmund haben insofern bundesweite Bedeutung. Diese Struktur steht im Gegensatz zu der anderer Bundesländer, in denen es eher eine Konzentration auf einen großen Standort gibt und gegebenenfalls mehrere regionale Kleinmessen. Genau hier liegt die besondere Herausforderung bei der Entwicklung dieser Standorte.

Der Messemarkt ist naturgemäß begrenzt. Das bedeutet, dass Wachstum daher nur zulasten der anderen Wettbewerber gehen kann und aller Erfahrung nach nicht zwingend die Nachfrage erhöht. Statt destruktiver Verdrängungskämpfe untereinander, sofern es sie gäbe, wäre es aus unserer Sicht notwendig, eine untereinander abgestimmte Strategie der Messen in Nordrhein-Westfalen miteinander zu vereinbaren. Das ist der einzig sinnvolle Weg und kann dabei helfen, vorhandene Potenziale in besonderer Weise zu fördern.

Dabei muss geklärt werden, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Standorte, die Entwicklungspotenziale liegen, wo es realistische Wachstumsmöglichkeiten, wo es gegebenenfalls auch Einschränkungen gibt und wo Potenziale zur engeren Zusammenarbeit auch zwischen Messegesellschaften gegebenenfalls vorhanden sind.

Wir wollen keinen Prozess, bei dem von oben herab vorgegeben wird, wie sich die Gesellschaften zu positionieren hätten. Das ist übrigens auch angesichts dessen, dass das Land nur an einem Teil der

Messen beteiligt ist und die Messestandorte ansonsten kommunale Messestandorte sind, gar nicht möglich. Wir wollen mit den Messegesellschaften im Land gemeinsam Konzepte für eine Entwicklungsplanung erarbeiten mit dem Ziel, den Messestandort Nordrhein-Westfalen insgesamt zu stärken.

Am Ende könnte idealerweise ein von allen Beteiligten getragenes Landesmessekonzept stehen, das dann dazu dient, auch Potenziale an den einzelnen Standorten noch einmal zu heben.

Mit diesem Vorgehen würde Nordrhein-Westfalen nicht nur konstruktiv und sachlich angemessen auf die zum Teil schwierige Messesituation bundesweit und auch landesweit reagieren, sondern auch einen vorbildlichen Prozess zur Stärkung des gesamten Messestandortes beginnen, der in dieser Form bundesweit einmalig wäre.

Insofern freue ich mich genauso wie Frau Kollegin Müller-Witt auf die Debatte im Ausschuss und auf das gemeinsame weitere Vorgehen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kufen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Müller-Witt, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu. Auch ich bin ein Messefan. Mir gefällt die Vorstellung, dass sich jemand in São Paulo von seiner Familie verabschiedet und zum Flughafen fährt, weil er zu „Schweißen und Schneiden“ nach Essen fliegen will. Herr Mostofizadeh, vielleicht wohnt er dann auf der Margarethenhöhe in einem schönen Hotel. Nach der Messe isst er abends auf der Rüttenscheider Straße noch eine Pizza, kauft am Limbecker Platz für die Familie etwas ein und erzählt am Ende in Brasilien von der Stadt Essen und dem Ruhrgebiet. Diese Vorstellung gefällt mir. Messen sind eben auch Schaufenster unserer Region.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genauso gefällt es mir, wenn Sie im Antrag schreiben: Wir wollen über gemeinsame Möglichkeiten der Messebetreiber sprechen, Chancen, Entwicklungspotenziale und Risiken aufzeigen sowie

Standorte bewerten.

Allerdings frage ich mich, meine Damen und Herren von Rot und Grün: Wem wollen Sie mit diesem Antrag eigentlich aufs Pferd helfen?

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dortmund und Essen, Frau Schneckenburger? Dem Wirtschaftsminister? Ich weiß nicht, wo Ihr Ansatz bei diesem Antrag ist.

Sollte aber ein Antrag nötig sein, um vom Wirtschaftsminister eine solche Initiative einzufordern, dann ist es nicht gut um den Wirtschaftsminister bestellt.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Aua!)

Ja, Herr Kollege Eiskirch. Fakt ist doch, dass alle vier Messegesellschaften in Nordrhein-Westfalen in einem ständigen Austausch stehen. Fakt ist auch, dass sie gleichzeitig immer im Wettbewerb miteinander sind. Fakt ist ferner: Es geht nicht darum, was wir für die Messen wollen, sondern in erster Linie darum, was die Aussteller und die Ausstellerorganisationen wollen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und Thomas Nückel [FDP])

Das ist vielleicht viel entscheidender als das, was der Wirtschaftsminister an Forderungen postuliert.

Wir haben vier große Messen, darunter Düsseldorf und Köln mit Landesbeteiligung. Frau Schneckenburger, Sie sind in Ihrem Beitrag fast nur auf Dortmund und Essen eingegangen. Sie haben schon am 17. März 2014 erklärt, dass sie aus Ihrer Sicht fusionieren sollten. Das hat Ihnen ja große Freude insbesondere bei den Sozialdemokraten in Dortmund eingebracht. Am 18. März 2014 haben Sie es dann noch vertieft und davon gesprochen, dass die Messen in Essen und Dortmund sich gegenseitig das Wasser abgraben. Man könnte auch sagen, dass sie im Wettbewerb stehen. Das ist ja nicht nur ein Abgraben von Wasser, sondern auch Ansporn und Leistung.

Wenn es in Ihrem Antrag nur darum geht, für Essen und Dortmund etwas zu tun, muss man sich meines Erachtens genau anschauen, wo die Profile der einzelnen Messen liegen.

Fakt ist: Es gibt schon immer eine Diskussion über mehr Gemeinsamkeiten aller vier Messen. Herr Wirtschaftsminister, diese Diskussion über mehr Gemeinsamkeiten aller vier Messen in NordrheinWestfalen ist mindestens genauso alt wie die Messen selbst.

Wir stellen auch fest, dass ein solcher Dialog in Baden-Württemberg zwischen Stuttgart, Friedrichshafen und Karlsruhe gerade wieder eingestellt wurde, weil man festgestellt hat: Mit planwirtschaftlichen Instrumenten lässt sich aus einer Staatskanzlei oder einem Wirtschaftsministerium heraus gar kein Messegeschäft betreiben.