Protokoll der Sitzung vom 05.12.2014

(Unruhe)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit. – Wir stimmen zweitens über die Überweisung des Antrags der Fraktion der FDP Drucksache 16/7400 ab. Der Ältestenrat empfiehlt, auch diesen Antrag an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer auch dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung von allen Fraktionen einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

7 Bedarfsgerechte Finanzierung des SPNV si

cherstellen – Benachteiligung NordrheinWestfalens bei Verteilung der Regionalisierungsmittel beseitigen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der FDP und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6129 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr Drucksache 16/6782

Der Antrag aller fünf im Landtag vertretenen Fraktionen Drucksache 16/6129 – Neudruck – wurde gemäß § 82 Abs. 2 Ziffer b) unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion dem Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast am Ende einer langen Plenarwoche kommen wir nun zu einem äußerst wichtigen Thema für alle Menschen in unserem Land, die mit der Bahn unterwegs sind. Ich möchte mich dennoch auf drei Anmerkungen beschränken.

Erste Anmerkung: Alle im Landtag vertretenen Fraktionen sind sich einig, dass Nordrhein-Westfalen bei der Verteilung der Regionalisierungsmittel benachteiligt ist. Wir brauchen mehr Geld, welches zudem stärker dynamisiert werden muss, wenn wir nicht Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr abbauen wollen. Das ist gut.

Zweite Anmerkung: Unser Verkehrsminister Mike Groschek hat alle 16 Bundesländer im Bundesrat hinter einem Antrag versammelt, der besagt, dass Nordrhein-Westfalen bei der Verteilung der Regionalisierungsmittel benachteiligt ist. Es braucht mehr Geld, welches zudem stärker dynamisiert werden muss, wenn das Land nicht Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr abbauen soll. Das ist auch gut. Ich bin fast geneigt, zu sagen: sogar besser, in jedem Fall aber wichtiger. Deshalb gebührt ihm und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses an dieser Stelle unser aller Dank.

(Beifall von der SPD)

Dritte Anmerkung: Jetzt wäre es super, wenn sich Bundestag und Bundesregierung unserer Auffassung und der der 16 Bundesländer anschließen würden. Ich glaube, daran müssen wir noch ein bisschen arbeiten. Aber die Zeichen stehen gut. Wir Sozialdemokraten sind gleich mit unserem ganzen Arbeitskreis nach Berlin gefahren und haben Überzeugungsarbeit geleistet. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel.

Wir brauchen eine bedarfsgerechte Finanzierung des SPNV durch den Bund entsprechend dem gutachterlich ermittelten Bedarf. Der hierzu gefundene Kieler Schlüssel ist eine gute Grundlage. Vor allem aber hat die Revision der Regionalisierungsmittel unabhängig von der derzeitigen Diskussion um die grundsätzliche Regelung und Entflechtung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu erfolgen.

Meine abschließende Bitte ist deshalb: Helfen Sie mit. Sprechen Sie mit Ihren Bundestagsabgeordneten, wenn Sie noch welche haben.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist doch gar nicht die Sache!)

Sprechen Sie mit den Bundesministern, sofern Sie welche treffen. Die Pendlerinnen und Pendler unseres Landes werden es Ihnen danken. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Rehbaum.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Goethe hat einmal gesagt: „Wer Gründe anhört, kommt in Gefahr, nachzugeben.“ – Genau das haben Sie getan, Herr Minister Groschek. Sie haben sich die Gründe Ihrer Verkehrsministerkollegen angehört, warum diese mehr Regionalisierungsmittel brauchen, und Sie haben sofort nachgegeben – lange vor den Verhandlungen. Schon drei Monate vor der entscheidenden Verhandlung am 2. Oktober 2014 haben Sie sich mit einer nur schrittweisen Angleichung des Verteilerschlüssels und einer endgülti

gen Anwendung ab 2030 einverstanden erklärt. Ihre Begründung für dieses Einknicken war – ich zitiere –: „Denn auch wir wollen nicht, dass woanders kurzfristig Züge abbestellt werden müssen.“ Ihnen, Herr Minister Groschek, waren die Interessen der anderen Länder wichtiger als NordrheinWestfalen.

(Reiner Breuer [SPD]: Was soll das denn? – Jochen Ott [SPD]: Was ist das denn? So ein Quatsch! Das glauben Sie doch selber nicht!)

Ihnen war die Solidarität mit den roten und grünen Verkehrsministern wichtiger als Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Von den Dankesbriefen Ihrer Kollegen für das Einknicken können wir in Nordrhein-Westfalen keine Züge bestellen. Bald müssen die Verbünde in Nordrhein-Westfalen Züge abbestellen. Nordrhein

Westfalen wird schon seit 18 Jahren benachteiligt. Grund: Verhandlungsfehler von Johannes Rau im Jahre 1993. – NRW stehen 21,24 % zu. Wir bekommen nur 15,76 %, das heißt 400 Millionen € im Jahr zu wenig.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott zulassen?

Nein, danke.

(Reiner Breuer [SPD]: Das kann ich mir vor- stellen! – Jochen Ott [SPD]: Ja, klar, wenn man so einen Mist erzählt!)

Das fehlende Geld aber ist bitter nötig für Fahrleistungen und für Sicherheit im Nahverkehr. In den Bereichen haben wir im Bundesvergleich einen sehr schlechten Platz. Hätten Sie herausgeholt, was uns zusteht, dann würde ab dem 1. Januar 2015 ein wahrer Geldsegen nach Nordrhein-Westfalen kommen. Hätten Sie herausgeholt, was uns zusteht, dann hätte uns der Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestags nur peripher tangiert. Dieser Beschluss wurde im Übrigen auch mit den Stimmen der SPD herbeigeführt.

Herr Minister Groschek, seit Jahren empören Sie sich darüber, dass der Bund das Land NRW benachteilige. Bis zu Ihrem Einknicken im Juli 2014 hatten Sie großspurig angekündigt, sich für den Teil einzusetzen, der NRW zusteht. Große Erwartung – große Enttäuschung! Dann gab es noch nicht einmal die Mittel, die uns zustehen, sondern nur 18,9 %, und auch die erst ab 2030. Sie, Herr Minister Groschek, haben uns das Ergebnis mit einem Riesenbohei als Verhandlungserfolg präsentiert, und zwar als 9,4-Milliarden-Plus für NordrheinWestfalen bis 2030.

Aus den Vorträgen des Ministers Groschek konnte man den Eindruck bekommen, das Verhandelte sei bombenfest. Vor zwei Wochen aber erfuhren wir: Aus den Ankündigungen des Ministers wird nichts. Der angebliche Erfolg erwies sich als Luftbuchung. Ab dem 1. Januar 2015 werden wir sogar noch weniger bekommen als bisher.

Blickt man zurück auf die Verhandlungen am 2. Oktober 2014, kann man leider nur sagen: außer Spesen nichts gewesen. Dabei hatten wir vorab den gemeinsamen Antrag unterzeichnet.

Denn der Schulterschluss im Bund muss sein. Durch den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Landtags hatte Minister Groschek die denkbar größte Rückendeckung, die man sich nur vorstellen kann. Leider hat er sie nicht genutzt.

Henry Kissinger hat einmal gesagt:

„Damit es Fortschritte bei Verhandlungen gibt, ist ein Umfeld erforderlich, in dem ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte herrscht.“

Das herrscht aber in der Verkehrsministerkonferenz schon lange nicht mehr. Diese wird von Rot-Grün dominiert. 13 Verkehrsminister werden von RotGrün ernannt, auch die parteilosen. Heute kam noch ein wahres Prachtexemplar dazu, eine Kommunistin.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist Schemmers Rolle! Wie alt sind Sie denn? Das gibt es doch gar nicht!)

Seit heute ist dank SPD Frau Birgit Keller Infrastrukturministerin von Thüringen, eine langjährige SEDParteifunktionärin. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch SPD, nur weiter so!

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, würden Sie einen Moment hierbleiben. Herr Abgeordneter Rehbaum, es liegt eine Kurzintervention des Herrn Abgeordneten Ott vor. – Herr Abgeordneter Ott, bitte schön.

Abgesehen von der Tatsache, dass ich mich schon frage, wie man in Ihrem Alter mit einem solchen Vokabular wie am Ende Ihrer Rede herumschmeißen und so undifferenziert über die Regierungsbildung in Thüringen sprechen kann, will ich auf drei Dinge hinweisen.

Erstens. Es ist objektiv durch alle Experten belegt, dass Nordrhein-Westfalen definitiv zu wenig Mittel bekommt.

Zweitens. Es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung gewesen, dafür zu sorgen, dass sich die Bundesländer auf einen neuen Schlüssel verständigt haben, alle Bundesländer – 16 zu null.

Drittens. Es ist ausgewiesene Tatsache, dass alle Verkehrspolitiker in Berlin die Sache teilen.

Dann stellen Sie sich hierhin und versuchen, unseren Verkehrsminister auch noch vorzuführen, anstatt sich einmal klarzumachen, dass es jetzt an der Zeit wäre, sich nicht mehr in parteipolitischem Gezänk zu ergehen, sondern gemeinsam in Berlin zu kämpfen. Sie machen genau den Fehler wie Ihre Vorgänger in den letzten 30 Jahren, wie auch meine Vorgänger. Wir dürfen als junge NRW-Politiker ein solches Zeug hier doch nicht mehr erzählen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Letzter Punkt: Ist Ihnen bewusst, dass sowohl die Regierung Rüttgers als auch die Regierung Steinbrück die Chance gehabt hätten, eine Revision der Regionalisierungsmittel zu ermöglichen?

(Christof Rasche [FDP]: Wie denn?)

Aber sowohl Rüttgers 2006 als auch Steinbrück 2003/2004 haben das nicht genutzt, weil wir in NRW immer geglaubt haben: Wir sind so stark, wir bekommen das schon allein hin. Wir retten ganz Deutschland, und wir bekommen das bei uns noch hin.