Wünschenswert wäre es sicherlich, wenn es absehbar gelänge, auch zu einer darüber hinausgehenden internationalen, idealerweise auch weltweiten Verständigung über zulässige Steuerpraktiken einerseits und Steuervermeidungsstrategien andererseits zu kommen, die im Sinne eines fairen Wettbewerbs in einer sozialen Marktwirtschaft nicht länger hinnehmbar sind. Auswüchse gibt es in der Tat, von denen auch zahlreiche bekannt werden bzw. in der Vergangenheit publik geworden sind. So etwas kann denen nicht recht sein, die sich so gründlich wie möglich an Steuergesetzgebung halten.
Für eine übergreifende internationale Verständigung ohne Schlupflöcher besteht derzeit leider noch keine Gelegenheit. Deshalb muss es umso mehr mindestens innerhalb der Europäischen Union gelingen, sich zumindest auf einheitlich akzeptierte Grundsätze zu verständigen. Es ist nicht in Ordnung – das sage ich ganz ausdrücklich –, wenn einige wenige international operierende Konzerne für sich Steuervermeidungsstrategien nutzen und damit für einen Steuerausfall sorgen, den der kleine selbstständige oder mittelständische Unternehmer bei uns um die Ecke mit einer immer höheren individuellen Steuerbelastung ausgleichen muss;
Wenn dort, wo es um richtige Volumina geht, einige wenige Große sich im Wesentlichen einer adäquaten Besteuerung entziehen, dann führt das natürlich für die Politik wieder zu der Notwendigkeit, Löcher im Haushalt zu stopfen. Dann haben wir steigende Steuersätze, die in der Breite die Bevölkerung oder andere Unternehmen entsprechend belasten, wenn sich ein Teil der Steuerpflichtigen eines leistungsgerechten Beitrags zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben entzieht.
Was wir jetzt als Beurteilungsgrundlage brauchen, sind Fakten über die sogenannten Tax Rulings. Diese auf die Bedürfnisse einzelner Unternehmen zugeschnittenen Steuerregelungen werden nicht nur in Luxemburg angewandt, wie es der Antrag nahelegt, sondern nach Expertenschätzungen zumindest in bis zu 22 von 28 EU-Mitgliedstaaten. Die haben eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Immer dann, wenn durch großzügig angewandte Individualgestaltungen Regelungen getroffen werden, die vom allgemeinen Gesetz abweichen, sind ein kritischer Blick und viel Aufmerksamkeit sicherlich angeraten. Deshalb lohnt sich die Debatte über den Komplex dieses Antragsgegenstands auch im Fachausschuss.
Wir brauchen und wollen eine umfassende Analyse dieser Steuermodelle, um dann mit konkreten Maßnahmen die ungewollten Auswüchse eines über
drehten Steuerwettbewerbs stoppen zu können. Wir haben bereits vor einigen Monaten im Haushalts- und Finanzausschuss über die Praxis von Lizenzboxen diskutiert und wie dort einige internationale Unternehmen Gewinne in großem Volumen nicht dort versteuern, wo sie anfallen, sondern mit bemerkenswerten Verrechnungsmodellen in Niedrigsteuergebiete verschieben. Deshalb lohnt es sich natürlich auch, die Debatte über die Lux-Leaks fortzusetzen.
Wichtig ist, dass in den Fragen steuerlicher Gestaltung öffentliche Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen. Auch da gibt es einiges an Aufarbeitungsbedarf. Wir machen das ja im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss WestLB. Wenn man sich anschaut, wie eine Landesbank hier unterwegs war mit Briefkastenfirmen in OffshoreDestinationen, was da alles für Geschäftsmodelle unterstützt worden sind, während auf der anderen Seite regelmäßig die Hand aufgehalten wird, um sich mit dem Geld des Steuerzahlers retten zu lassen, so muss man sagen:
Da haben sicherlich auch öffentliche Unternehmen nicht immer eine Vorbildfunktion übernommen. Auch daran müssen wir arbeiten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, ich konnte keine Wette nicht gewinnen, weil keiner gegen mich wetten wollte. Ich habe nämlich gewettet, dass Herr Witzel irgendwo wieder Portigon und die WestLB mit ins Spiel bringt.
Gleichzeitig erlebe ich hier aber eine große Übereinstimmung, und das freut mich ganz besonders. Das sage ich auch an die Adresse von Herrn Kern und die der Piraten. Wichtig war auch, dass Sie noch einmal benannt haben, wer jetzt zu dieser Welle beigetragen hat, dass es Journalisten waren, die die Daten nach draußen gebracht haben, und dass es Whistleblower waren, die dafür gesorgt haben, dass diese Daten auf den Markt kamen.
Insofern weiß ich jetzt auch einzuschätzen, wie Sie das noch vor einiger Zeit gesehen haben. Das ist auch ein Punkt, bei dem man merkt: Wir werden nicht an solche Praktiken herankommen, wenn wir nicht die Hinweise nutzen, die es dazu gibt. Da braucht man auch Hinweise aus der Szene.
Deswegen ist ganz klar: Es ist ein wichtiger Beitrag, was da mit den „Luxemburg Leaks“ jetzt auf dem Tisch liegt. Es ist so, dass man es auswerten muss, dass auch eine Auswertungsverpflichtung für unsere Steuerprüfung bzw. für die Betriebsprüfung besteht. Wir werden dann wieder sehen, dass es zwei Bereiche gibt. Das eine ist das Übertreten und Nichteinhalten von Gesetzen, und das andere sind Hinweise darauf – das wird der größere Teil sein –, was alles im Rahmen legaler Gestaltungen möglich ist.
Man muss es beim Namen nennen: Das ist eine Schweinerei. Es ist am Ende Betrug an der Allgemeinheit.
Es ist Betrug am ehrlichen Steuerzahler. Da gebe ich Herrn Witzel recht. Insofern führt das zu dieser breiten Koalition zusammen. Es ist eine Wettbewerbsverzerrung, weil die Unternehmen, die sich dieser Praktiken nicht bedienen können – das sind die kleineren und mittelständischen Unternehmen –, am Ende mit dem, was sie zahlen müssen, mit für die hinhalten müssen – genau wie alle anderen Steuerbürgerinnen und -bürger auch –, die sich in großem Stil mit Milliarden aus dem Staub machen.
Mittlerweile wissen wir: Länder merken, dass man damit ein schlechtes Image bekommt. Deswegen müssen wir vorsichtig sein. Dass sie sich jetzt mit auf die Bühne gesellen und sagen: „Wir stellen uns alle in die Öffentlichkeit und sagen, dass sich das ändern muss und dass wir jetzt gemeinsam gegen diese Praktiken zu Felde ziehen werden“, ist die eine Sache. Das braucht man, weil man heute nicht mehr nach dem Muster verfahren kann: Wir haben immer gedacht, das gehört zum guten Ton. – Vielmehr verdirbt man sich sein Image. Das Plakative ist klar.
Die Frage ist nur: Was passiert, wenn sie hinten wieder von der Bühne runtergegangen sind? Wie geht es dann weiter? Dann merkt man –und zwar nicht nur im Ausland, sondern auch bei der Durchsetzung und Umsetzung von Gesetzen hier bei uns –, wie wieder Kräfte wirksam werden, damit eine Hintertür offen bleibt. Wir merken, dass wir nicht so wirksam vorgehen können, wie es eigentlich notwendig wäre.
Deswegen brauchen wir auf allen Ebenen einen gemeinsamen Auftritt. Das eine ist die europäische Ebene. Dabei unterstützen wir den Bundesfinanzminister. Das andere ist die deutsche Ebene. Erlauben Sie mir deshalb ein kurzes Zitat aus dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin, weil die
„Wir erwarten den Abschluss der Arbeiten zur OECD-BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)Initiative im Jahre 2015, einem Vorhaben, um internationaler Steuervermeidung entgegenzuwirken, welches wir aktiv unterstützen.“
„Soweit sich unsere Ziele im Rahmen der OECD-BEPS-Initiative in diesem Zeitraum nicht realisieren lassen, werden wir nationale Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt u. a. eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Briefkastenfirmen, die keine hinreichend aktive Geschäftstätigkeit nachweisen können …“
Das wird für den Herbst des Jahres 2015 ein Stück Lackmustest sein. Ich werde mit daran arbeiten, dass das nicht nur in diesem Text steht, sondern dass wir Ernst machen. Dann werden wir sehen, wer alles mitzieht und welche Möglichkeiten dann wahrgenommen werden, um noch ein bisschen Verzögerung zu erreichen. Dann schauen wir weiter. Jetzt gehen wir damit in die Ausschussberatung. Ich finde, das ist ein guter Schritt. – Danke.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/7409 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Europa und Eine Welt; die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung von allen Fraktionen angenommen worden.
Die Landtagspräsidentin wird die nächste Sitzung einberufen für Mittwoch, den 17. Dezember 2014, 10 Uhr.
Nach diesen drei anstrengenden Plenartagen wünsche ich Ihnen einen schönen Nachmittag und ein schönes Wochenende.