Das Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen definiert den Bildungsgang des Gymnasiums ausdrücklich als eine „vertiefte allgemeine Bildung“, die die Schülerinnen und Schüler – ich zitiere hierzu § 16 Abs. 1 des Schulgesetzes –
„entsprechend ihren Leistungen und Neigungen durch Schwerpunktbildung befähigt, nach Maßgabe der Abschlüsse in der Sekundarstufe II ihren Bildungsweg an einer Hochschule, aber auch in berufsqualifizierenden Bildungsgängen fortzusetzen.“
Aufgabe des Gymnasiums ist es also in erster Linie, Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Leistungen auf ein Hochschulstudium vorzubereiten. Entsprechend spricht die Verordnung über den Bildungsgang und die Abiturprüfung in der gymnasialen Oberstufe, die APO-GOSt, von einem „wissenschaftspropädeutischen Unterricht“.
Es ist also originäre Aufgabe der Gymnasien, Leistung zu fordern und zu fördern. Sie befähigen in besonderer Weise Jugendliche durch den gymnasialen Bildungsweg, ihre Chance an den Hochschulen auf ein gelingendes Studium wahrzunehmen.
Einem Land, das einerseits in seiner Fortentwicklung auf die besten und kreativsten Köpfe angewiesen ist, und das andererseits seine Hochschulressourcen auch nicht durch überproportional hohe Abbrecherquoten vergeuden darf, muss die Ermittlung der intelligenten, talentierten und leistungsstarken Studierfähigen zur nachhaltigen Stärkung des Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen eine der dringlichsten Aufgaben sein.
Zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Anforderungen muss das Gymnasium in besonderer Weise befähigt werden. Diese Aufgabe haben Sie jetzt als Regierung bei der Umsetzung von G8 und bei der Schaffung von Akzeptanz für G8 mit höchster Priorität umzusetzen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kaiser. Bleiben Sie bitte gleich hier, weil Frau Kollegin Pieper von den Piraten sich zu einer Kurzintervention gemeldet hat.
Vielen Dank. – Herr Kaiser, Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, dass alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen hinter G8 stehen. Die LandesschülerInnenvertretung NRW hat sich für einen neunjährigen Bildungsgang ausgesprochen. 72 % aller Eltern sind laut Umfrage für G9. Die Jugendverbände haben für eine längere Lernzeit plädiert. Ich hätte jetzt gerne Folgendes gewusst, Herr Kaiser: Was sind denn für Sie „gesellschaftlich relevante Gruppen“?
Frau Pieper, die Gruppen, die sich hier eindeutig geäußert haben, waren natürlich die Lehrervertretungen, die Gewerkschaften und die
Ich habe vielleicht unkritisch vergessen, dass die LandesschülerInnenvertretung NRW eine eigene Position vertritt, bin aber der Meinung, dass jeder Schüler – unabhängig von seiner Landesvertretung – eine dezidierte Meinung zu seinem Schulsystem hat. Das sind ja diejenigen, die in allererster Linie darüber reden können und in allererster Linie betroffen sind.
Ich habe sie nicht explizit genannt. Allerdings muss es ohnehin – da stimme ich Frau Löhrmann ausdrücklich zu – das Interesse aller Fraktionen hier im Parlament sein, dafür zu sorgen, dass im Interesse dieser Schüler gehandelt wird. Das ist unsere Aufgabe. Daher bin ich sicherlich mit Ihnen d’accord, dass wir sie auf jeden Fall ausreichend berücksichtigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Durch die Einsetzung des runden Tisches und der daraus resultierenden Arbeitsgruppen wurden Impulse gesetzt und Vorstellungen zur Weiterentwicklung des G8 formuliert. Nach fünf Monaten haben die Arbeitsgruppen ein Ergebnis vorgelegt, mit dem nun zehn Handlungsempfehlungen auf dem Tisch liegen.
Diese Empfehlungen sind – ich sage das noch einmal ausdrücklich auch in Richtung von Frau Pieper – dialogorientiert entwickelt worden. Es ist aber nicht so, dass alle ihnen zugestimmt haben. Die Mehrheit hat diesen Empfehlungen zugestimmt. Es ist in einem demokratischen Staat nun einmal so, dass am Ende auch die Mehrheit entscheidet.
Viele haben der Beibehaltung von G8 dann am runden Tisch zugestimmt. Das waren auch ganz wichtige Akteure – unter anderem die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW, die für die Eltern der Gymnasiasten in Nordrhein-Westfalen steht und spricht.
Die Mitglieder der SPD-Fraktion haben sich in den letzten Wochen, Monaten und eigentlich Jahren in vielen Gesprächen und Veranstaltungen vor Ort auch ein Meinungsbild vor Ort gemacht. Wir sind bewusst nach draußen gegangen und haben gefragt: Was möchtet ihr denn eigentlich? – Von vielen Schulen ist uns zurückgemeldet worden: Wir möchten nicht zu G9 zurück; wir möchten bei G8 bleiben.
Das hat nicht zuletzt die Ursache, dass mit der Einführung von G8 hohe Anforderungen an die Gymnasien gestellt worden sind, die sie dann umzusetzen versucht haben. Sie möchten jetzt nicht schon wieder in eine neue strukturelle Veränderung eintreten, nachdem sie gerade angefangen haben, ihre jeweilige Schule den G8-Voraussetzungen anzupassen.
Meine Damen und Herren, Herr Kaiser hat gerade in die Zukunft geblickt. Er lässt seine Argumente aber erst zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem wir die Regierung übernommen haben. Deswegen möchte ich noch einen Blick in die Vergangenheit werfen, um deutlich zu machen, womit wir hier eigentlich gestartet sind.
In Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 2004 durch die rot-grüne Landesregierung eine Reform der gymnasialen Schulzeit geplant. Das damalige Modell ging von zehn plus zwei Jahren aus, sah also keine Kürzung der Mittelstufe vor.
Nach dem Regierungswechsel wurde 2006 dann das schwarz-gelbe Modell der Schulzeitverkürzung eingeführt, das sich übrigens auch in Hessen und in Bayern wiederfindet und in Niedersachsen ebenfalls eingeführt worden ist. Die Niedersachsen haben aber bedauerlicherweise noch einen entscheidenden Fehler gemacht: Sie wollten es nämlich auch auf die Gesamtschule übertragen. Dieses Modell ist in den östlichen Bundesländern nie angewandt worden. Die Ostländer haben gesagt: Wir bleiben bei zehn Jahren Sekundarstufe I und bauen darauf eine zweijährige Oberstufe auf.
Das schwarz-gelbe Modell ist dann in einem Hauruckverfahren in Nordrhein-Westfalen umgesetzt worden. Im März 2006 gab es den Kabinettsbeschluss. Der Parlamentsbeschluss erfolgte im Juni 2006. Am 1. August 2006 trat das Gesetz dann in Kraft. Daran möchte ich nur einmal erinnern. Damals war es also ganz anders als heute, wo wir uns darüber unterhalten, ob wir bei der Frage nach einer Anhörung möglicherweise noch eine Woche oder zwei Wochen dazugeben. Damals ist das Ganze mit brachialer Gewalt umgesetzt worden. Über die Schulen und über die Eltern ist dann das neue System des G8 hereingebrochen.
Meine Damen und Herren, an dieser überhasteten Einführung und dem damit verbundenen Fehlen der organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen in Nordrhein-Westfalen hat das G8 gekrankt, gekrankt, gekrankt.
Ich erinnere auch an die Debatten, die wir hier im Landtag geführt haben, in denen wir – auch als Opposition, dazu ist die Opposition da – die Fehler
An einem Punkt krankt G8 heute noch: Es gibt am Gymnasium nach wie vor keinen vernünftigen mittleren Abschluss.
Das Problem können wir zurzeit auch nicht beheben. Deshalb werden wir uns anschauen müssen, ob es mit den Zielen von G8 möglich ist, eine ausreichende Entlastung der Schüler und Schülerinnen zu erreichen und gleichzeitig Schülerbiografien ohne Brüche weiter auf den Weg zu bringen.
Mit dem von Schwarz-Gelb eingeführten G8 ist in den Schulen zugleich viel Verunsicherung und sehr viel Unmut entstanden. Das müssen wir jetzt bei der Nachbesserung der gymnasialen Schulzeit im Auge behalten. Wir dürfen das System nicht erneut überfordern; denn zum Gelingen einer guten Schule gehören zunächst einmal motivierte Lehrer und Lehrerinnen. Wenn wir sie jetzt wieder überfordern, dann würden wir genau das tun, was Schwarz-Gelb gemacht hat: Wir würden die Lehrerinnen und Lehrer gegen uns stellen. Damit hätten wir keine Chance, eine gute Schulentwicklung in Nordrhein-Westfalen weiter auf den Weg zu bringen.
Deshalb, meine Damen und Herren, begrüßen wir ausdrücklich den Dialogprozess, der im Rahmen von G8 jetzt dazu geführt hat, zu sagen: Nein, wir wollen keinen Systemwechsel, wir wollen bei G8 bleiben.
Herr Laschet, ich kann es einfach nicht verstehen. Sie haben gestern in der Debatte noch einmal sehr deutlich gemacht, welchen Politikstil die CDU verfolgt. „Machen Sie einfach“, haben Sie gesagt. – Nein, so einfach geht das nicht.
Das war Ihr Stil. Sie haben einfach gemacht. Mit der Art und Weise, wie Sie G8 eingeführt haben, haben Sie die Schulen im Hauruckverfahren konfrontiert.
Wir vergewissern uns, Herr Laschet, dass das, was wir tun, von der Mehrheit der Menschen mitgetragen wird.