Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

… 9. mit Medien verantwortungsbewusst und sicher umzugehen.“

Die Verantwortung, hierfür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, liegt beim Land. Um bei der technischen Ausstattung von Schulen aus dem Mittelalter – so sagt es der Verband Bildung und Erziehung – herauszukommen, ist es doch aber gar nicht notwendig, dass man die Finanzierung der Schulträgeraufgaben auf den Kopf stellt und das Land alles übernimmt. Denn wenn der politische Wille vorhanden wäre, stünde der Entwicklung nichts im Weg, wenn das Land auf die Schulträger nur zugehen würde.

Was lese ich dazu in der heutigen Erklärung? Leider gar nichts. Nach der Vorstellung der Studie ist auch das – supergeil.

Kollege Klaus Kaiser – ich sehe ihn gerade nicht, aber Ehre, wem Ehre gebührt – hat in der Anhörung zur Bildungsinnovation 2020 die durchaus berechtigte Frage gestellt: Was sollte für die Landespolitik in diesem Zusammenhang oberste Priorität haben? Die kommunalen Spitzenverbände haben geantwortet und gesagt: das Auflegen einer Strategie und ein Vorgehen mit allen Beteiligten. – Den Startschuss dafür hatten wir uns nach der Vorstellung der Studie irgendwie erhofft. Aber was kommt von Ihnen? Nichts. Auch das: supergeil.

Die Koordination der Entwicklung einer solchen Strategie und die Umsetzung einer solchen Strategie wären Aufgaben eines von uns geforderten Internetministeriums, übrigens genauso – Kollege Bolte hat es gerade angesprochen – wie die beständige Förderung und Entwicklung einer offenen Infrastruktur aus Open-Source-Software, aus offenen Standards, Dateiformaten und Inhalten unter freier Lizenz.

Sie reden immer der Chancengleichheit, der Bildungsgerechtigkeit das Wort. Aber die ICILS-Studie hat genau gezeigt, dass die Bildungsministerin hier eklatant verschläft. Von wegen „Kein Kind zurücklassen“!

Sie leben so sehr in der Vergangenheit, dass Sie die Gegenwart für die Zukunft halten. Wer hier eine Regierungserklärung abgeben könnte, die sich nicht anhört wie aus Zeiten, in denen wir noch per Akustikkoppler ins Netz gegangen sind, der würde auch verstehen, wenn ich sage: Oh, eine Regierungserklärung, die ist aber weich. – Sehr, sehr geil. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Kollege Marsching, vielen Dank. Sie haben es gerade für richtig gehalten, sechsmal das Wort „geil“ oder „supergeil“ zu verwenden. Ich halte das für sehr

grenzwertig, im Rahmen einer Parlamentsdebatte vor dem Hohen Haus so zu argumentieren.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP – Michele Marsching [PIRATEN]: Ich bin nicht der Einzige!)

Ich habe die herzliche Bitte, das in Zukunft einzustellen. – Für die Fraktion der Piraten spricht Kollege Schwerd.

(Unruhe)

Das Wort hat der Kollege Schwerd.

(Anhaltende Unruhe)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ruhe für den Kollegen Schwerd.

Herr Präsident, herzlichen Dank dafür. – Frau Ministerpräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Ganz ehrlich: Ich komme nicht wirklich über den Werbeslogan mit diesem „Mega“, was wir da hören. So leid es mir tut, auch ich muss Friedrich Liechtenstein zitieren, der sinngemäß sagte: „Sehr, sehr geil“. Es ist „großartig“, was Sie hier abliefern. Teilweise. Hut ab!

Frau Ministerpräsidentin, Sie sollten Ihre Werbeagentur wechseln. Nur für den Fall, dass man es Ihnen nicht gesagt hat: Etwa um die Jahrtausendwende herum haben die Prozessoren mit dem Pentium III die Gigahertzgrenze überschritten. Und einen Speicher in Megabytegröße findet man vielleicht noch in Haushaltsgeräten. Bei IT-Technik ist man um den Faktor 1.000.000 weiter. Vielleicht sollten Sie von der Agentur Ihr Geld zurückfordern.

Ihre Regierungserklärung erinnert mich an das Spiel „Duke Nukem Forever“. Das ist dadurch bekannt geworden, dass es jahrelang, man muss eher „jahrzehntelang“ sagen, angekündigt worden ist und mehrfach den Vaporware-Award gewonnen hat. Damit bezeichnet man Software, die nur aus Ankündigungen besteht.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Zweck ist klar: heiße Luft verbreiten, um die Konkurrenz abzuschrecken. Und: Features nicht implementieren müssen, sondern ankündigen reicht aus.

Ich habe auch an einen Fallobstkorb gedacht, als ich die Regierungserklärung gehört habe. Das war in etwa so: Wir gehen durch das Land und sammeln ein, was uns an Digitalem vor die Füße gefallen ist – ganz egal, ob die Landesregierung irgendetwas damit zu tun hat, ganz egal, ob die politischen Rahmenbedingungen damit etwas zu tun haben. Bei manchen Dingen muss man sogar sagen: Die haben sich trotz der politischen Rahmenbedingungen entwickelt.

(Beifall von den PIRATEN)

Beispiel Freifunk: Ja, wir haben mittlerweile sogar 1.700 Freifunkknoten in NRW, aber sicherlich nicht, weil die politischen Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen so toll sind. Das Gegenteil ist der Fall. Das haben Leute gemacht trotz der Tatsache, dass sie sich auf rechtlich dünnem Eis bewegen. Und dafür hat die Landesregierung überhaupt nichts getan.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir haben heute viele bunte Buzzwords gehört, viele Ankündigungen, was alles wichtig ist und was man alles tun sollte. Aber um Goethe zu zitieren:

„Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“

(Beifall von den PIRATEN)

Der Wandel zur Informationsgesellschaft umfasst sämtliche Lebensbereiche: die Welt der Wirtschaft – zweifellos –, aber auch die Welt der Arbeit, des Lernens, der sozialen und gesellschaftlichen Interaktion, des Staatswesens und der Verwaltung. Selbst die demokratische Willensbildung wird durch diesen Wandel fundamental beeinflusst. Dieser umfassende Umwälzungsprozess wirft bislang ungeklärte Fragen in den unterschiedlichsten Bereichen auf – angefangen bei der Koordinierung eines flächendeckenden Ausbaus einer zeitgemäßen Breitbandinfrastruktur in unserem Land über Fragen der verbesserten Start-up-Förderung, die Anpassung des Urheberrechts an die neuen Bedingungen innerhalb Kultur und Bildung bis hin zu rechtlichen Grundsatzfragen im Bereich der Netzneutralität wie eines zeitgemäßen Datenschutzes.

Herrn Wüst muss ich leider sagen: Nein, an der Netzneutralität führt nichts vorbei. Wir haben darüber auch nicht intern diskutiert. Es ist nach wie vor so, dass Netzneutralität fundamental ist im Internet. Wir müssen eher mit einigen Mythen aufräumen, die sich um die Netzneutralität ranken, wie zum Beispiel, dass selbstfahrende Autos irgendeine Bevorzugung im Internet haben müssen. Wenn ein selbstfahrendes Auto ohne eine ausreichende Internetverbindung im Verkehr nicht sicher navigieren können würde, dann würde das Lebensgefahr bedeuten, wenn sich ein Fahrzeug im Tunnel befindet. Das kann nicht sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Gerade bezüglich des allerletzten Punktes, den ich ansprach, Datenschutz und Privatsphäre, haben wir es durch das Phänomen der globalen Überwachung mit einem bereits weit fortgeschrittenen Prozess der Verletzung elementarer Bürgerrechte zu tun. Hinzu kommt die Wirtschaftsspionage. Herr Minister Duin hat dies angesprochen und auf die seiner Ansicht nach ungelösten Probleme in der Cloud hingewiesen. Dabei hat er aber verschwiegen bzw. verges

sen, dass wir auch noch ein ungelöstes Problem der Wirtschaftsspionage staatlich organisierter Art haben.

All dies verlangt ein abgestimmtes, koordiniertes Handeln. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, wird es Zeit, dass die Ressourcen und auch die widerstrebenden Kompetenzen unterschiedlicher Politikbereiche endlich synchronisiert und gebündelt werden.

Bei der Regierungsbildung 2013 im Bund war die Einsicht dazu schon fast gereift. Wie wir wissen, war man sehr nahe dran, ein Internetministerium dort einzurichten. Es wurde dann allerdings nur ein Datenautobahnministerium. Im letzten Moment wurde die Chance vertan, die dringend notwendigen Synergieeffekte im Bereich der digitalen Agenda zu schaffen. Diesen fundamentalen Fehler darf die Landesregierung nicht wiederholen!

(Beifall von den PIRATEN)

Übrigens, Herr Minister Duin, Sie sprachen eben einen Twitter-Account an: JanMie. Dahinter steckt Jan Miebach, der Pressesprecher der grünen Fraktion im Landtag NRW.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das muss man nicht wissen als Koalitionspartner! – Weitere Zurufe)

Soweit zum Thema „Medienkritik“. Wenn Sie das als Stimme aus dem Netz ankündigen, dann sollte bedacht werden, dass die nicht so ganz unabhängig ist. Also: Medienkritik 6, setzen!

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Schmeltzer sprach die angeblich so lange Initiativenliste der rot-grünen Koalition an. Ich muss sagen: Die Liste der Vorschläge, die die Piratenfraktion hier gebracht hat und die Sie einfach so ohne Sinn und Verstand abgelehnt haben, ist sehr viel länger.

(Beifall von den PIRATEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Qualität vor Quantität!)

Da frage ich mich: Wer soll denn hier die digitale Agenda unseres Landes führen? Herr Bolte hat eben angesprochen, es sei ein Problem, dass wir da einen Ladenhüter präsentieren würden. Tatsächlich handele es sich um eine Querschnittsfunktion. – Das mag so sein. Wie es aber mit Querschnittsfunktionen so ist: Man hat es mit der Diffusion von Verantwortung zu tun. Eigentlich ist niemand für das Thema verantwortlich. Wie wir wissen, steht bei Herrn Schmeltzer sowieso alles unter einem Finanzierungsvorbehalt. Dann ist es sehr einfach, diese Aufgaben als wichtig zu definieren, aber nicht umzusetzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wen wollen wir denn jetzt zum Chef der digitalen Agenda unseres Landes machen? Den Justizminis

ter, der auf der Suche nach rechtsfreien Räumen im Internet war? Den Wirtschaftsminister, der sich angesichts staatlich organisierter Wirtschaftsspionage für nicht zuständig erklärt hat? Den Innenminister, der alle Internetnutzer erst einmal unter Generalverdacht stellen will? Die Medienministerin, die eine Suchmaschinensteuer im Internet durchgewunken hat? Den Bauminister, der auf einem Zukunftskongress Internet-Start-Ups in „gut“ und „böse“ sortiert hat? Oder die Ministerpräsidentin, die bislang alle Anträge, dieses Thema zur Chefsache zu machen, hat ablehnen lassen?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ich leh- ne keine Anträge ab, das macht das Parla- ment!)

Deshalb fordern wir Sie in unserem Antrag auf, der von Ihnen verkündeten Einsicht in die Bedeutung des digitalen Wandels nunmehr endlich auch Taten folgen zu lassen. Konzentrieren Sie die Aufgabe an einer Stelle und holen Sie die dafür notwendige Kompetenz an Bord.

Herr Bombis, es geht dabei um Konzentration, Koordination und Kompetenz. Im Landtag sollten wir selbstverständlich einen der Bedeutung angemessenen Spiegelausschuss einführen.

Frau Kraft, damit Sie die Kraft für die notwendigen Änderungen finden, habe ich Ihnen ein kleines Geschenk mitgebracht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)