Daniel Schwerd
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne und am Stream! Lernfähigkeit ist eine Angelegenheit der inneren Haltung und nicht notwendigerweise des Alters, heißt es. Das gilt dann wohl auch für die Antragsteller; das freut mich sehr.
In der Vergangenheit war nämlich für Sie stets mehr Wettbewerb, mehr Konkurrenz das Allheilmittel. „Privat vor Staat“ lautete das Credo des schrankenlosen Wettbewerbs. Doch mit mehr Wettbewerb alleine kann man in der Förderung einer Start-upKultur nicht weit kommen. Wir begrüßen, dass Sie das in Ihrem Antrag grundsätzlich einsehen. Tatsächlich ist gar von einer Kannibalisierung zwischen den einzelnen konkurrierenden Standorten um eine florierende Start-up-Szene in NRW die Rede. Außerhalb NRWs kann das sowieso niemand verstehen.
Wie richtig diese Feststellung ist, hat uns die Anhörung im Wirtschaftsausschuss zur Gründerkultur in der vergangenen Woche eindrücklich gezeigt. So sehr wir dieser neuen Prämisse zustimmen, so richtig ist es auch, zu erkennen, dass der digitale Wandel zu einer Vielzahl von alles umwälzenden, auch „disruptiv“ genannten Geschäftsmodellen führen wird.
Doch so erschreckend gestrig ist weiterhin Ihr wirtschaftspolitisches Instrumentarium. Ob die Regierung nun gerade schwarz-gelb-, schwarz-rot- oder rot-grün-farbig ist, spielt dabei keine Rolle.
In der Subventionierung der Steinkohle geben Sie Jahr für Jahr weiterhin dreistellige Millionenbeträge aus; 2016 sind es 165 Millionen €. Und der Herr Wirtschaftsminister will es uns als seinen Erfolg verkaufen, wenn er für die Förderung der digitalen Wirtschaft zusätzlich noch 5 Millionen € übrig hat. So wollen Sie also den digitalen Wandel gestalten? Das kann nicht Ihr Ernst sein!
Genau der gleiche Denkansatz aus der digitalen Steinzeit zieht sich durch das gesamte Handeln einstiger und gegenwärtiger Regierungskoalitionen. So diskutieren wir immer wieder aufs Neue darüber,
Gewerbegebiete mit Glasfaserkabeln zu versehen. Sehr schön! Nur, der neue Start-up-Gründer wird dort nicht zu finden sein oder – wie es einer der Sachverständigen so schön formuliert hat – dort „nicht tot über dem Zaun hängen wollen“; so hörten wir das in der Anhörung in der letzten Woche.
Dass sich digitale Gründungen heutzutage ganz woanders vollziehen, und dass wir deswegen in NRW ein flächendeckendes Glasfasernetz bis in jedes einzelne Gebäude benötigen – diese Erkenntnis wird offenbar noch einige Zeit brauchen. Aber dann wird es möglicherweise schon zu spät sein. Derweil stecken Sie die knappen Fördermittel in die Technologie der 90er-Jahre, in Kupferkabel.
Zappenduster wird es hingegen, wenn man sich die netzpolitischen Rahmenbedingungen in unserem Land anschaut: Störerhaftung, Netzneutralität, WebSperren, Leistungsschutzrecht. – Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen! Sie legen uns hier einen solchen Antrag vor, während Ihre Parteifreunde in Berlin und Brüssel dabei sind,
die Netzneutralität abzuschaffen oder betagte Medienvertriebsmodelle per Gesetz zu subventionieren.
Stimmt.
Erklären Sie so was mal einem Start-up-Gründer. Der wird es vorziehen, sich den Flüchtlingsströmen von Gründern aus Deutschland in die USA anzuschließen, statt hier in NRW seine Chance zu suchen.
Um es zusammenzufassen: Wir brauchen nicht ein Umdenken hier und da. Wir brauchen einen komplett neuen Denkansatz, was sowohl die Chancen als auch die Risiken des digitalen Wirbelsturms – wie Sie das nennen – angeht. Nicht nur, dass Sie denjenigen nichts anbieten können, die in dieser digitalen Revolution ihre neue Existenzgrundlage suchen, Sie haben auch denjenigen nichts anzubieten, die in den beginnenden Prozessen ihre Existenzgrundlage verlieren werden. Sollten Sie so fortfahren wie bisher, werden das jedenfalls eher mehr als weniger Menschen sein. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und im Stream! So gut es mit dem Landesmediengesetz funktioniert hat, so sehr ist es jetzt mit dem WDR-Gesetz in die Hose gegangen. Transparenz, Staatsferne, Partizipation – weit gefehlt. Ein Gesetz ändern zu wollen, und dabei all die Chancen, die sich jetzt geboten haben, liegen zu lassen – das ist schon eine reife Leistung.
Lassen Sie mich ein paar Beispiele anbringen. Zwar soll es in Zukunft verpflichtend sein, die Entscheidungen des Rundfunkrats im Internet zu veröffentlichen, aber wenn es nach Ihnen geht, hat dieser viel weniger Befugnisse als zuvor. Nach Ihren Plänen soll in Zukunft nicht mehr der Rundfunkrat für Jahresabschlüsse und den Geschäftsbericht zuständig sein, sondern der Verwaltungsrat. De facto erhält damit der Verwaltungsrat die totale Kontrolle über Finanzen und Personalangelegenheiten des WDR. Dieser Verwaltungsrat tagt natürlich nicht öffentlich.
Der Rundfunkrat hingegen wird personell aufgebläht. Man senkt also die Staatsquote dadurch, dass man nicht weniger Politiker entsendet, sondern einfach viel mehr sonstige Mitglieder hinzufügt. Das ist grotesk. Warum aber ein Gremium auf nunmehr 58 Mitglieder vergrößern, das dann weniger oft zusammentreten soll und dem man auch noch einen Teil seiner ohnehin geringen Kompetenzen abnimmt?
Zudem erlauben Sie dem Landtag, sieben zusätzliche Mitglieder frei zu bestimmen. Wohin das führt, konnten wir bei der Medienkommission schon beobachten: Die Plätze werden als verlängerte Parlamentsbank betrachtet, als Verhandlungsmasse zwischen den Parteien, und sie werden mit den Mitgliedern opportuner Gruppen besetzt. So stellen Sie den politischen Einfluss im Rat durch die Hintertür wieder her.
Qualifikation ist nach wie vor kein personelles Auswahlkriterium. Auch die Zusammensetzung der 36 Verbände, die der Gesetzentwurf vorsieht, um Repräsentanten zu entsenden, wird den Anforderungen nicht gerecht. Es fehlt beispielsweise an Vertretern aus Gruppen, die den digitalen Wandel in unserer Medienwelt vorantreiben. Wo sind denn die Netzbürger repräsentiert? Wo sind denn die Bürgerrechte im digitalen Raum repräsentiert? Wo sind muslimische Verbände repräsentiert?
Im Übrigen fehlt mir auch ein Ausschuss zu dem Thema „Digitalisierung im Rundfunkrat“. Von der Beschränkung auf die klassischen audiovisuellen Medien müssen wir uns bekanntlich lösen.
Nicht zuletzt finde ich die Vergütung für die Mitglieder des Rundfunkrats verhältnismäßig hoch. Man könnte sich auch hierbei an der Medienkommission orientieren: Die tagt auch nicht seltener, ist kleiner, und es wird hier mit Sicherheit genauso qualifizierte Arbeit geleistet wie im Rundfunkrat.
Gewundert habe ich mich über die Regelung, dass der Rundfunkrat selbst zwei Personen hinzuwählen können soll, die ihm aber vorher nicht angehört haben dürfen. Hat man etwa Angst vor Qualifikation und Erfahrung? Traut man dem Rat die Entscheidung selbst nicht zu?
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu dem Thema „Partizipation“ sagen. Wünschenswert wären die Stärkung des Programmausschusses und die zusätzliche Einführung eines Publikumsrates – das wäre wegweisend gewesen –, der neben dem Rundfunkrat einen Teil der Programmaufsicht hätte übernehmen können, und der eine direkte Verbindung zwischen dem Sender einerseits und dem Publikum andererseits darstellen könnte. Diese Chancen wurden verpasst.
Auch zu einer Reduzierung der Werbezeiten, wie beim NDR, konnte man sich nicht durchringen. Obwohl Werbeeinnahmen nur einen verschwindend geringen Anteil der Einnahmeseite ausmachen, will man darauf wohl nicht verzichten. Möchte man dem Intendanten Spielgeld für fragwürdige Großhonorare à la Gottschalk erhalten?
Letztlich bleibt festzuhalten, dass dieser Gesetzentwurf keine Verbesserung darstellt – im Gegenteil. Es wurden nicht nur alle notwendigen Reformen außer Acht gelassen, sondern der Entwurf stellt sogar einen Rückschritt dar. Dementsprechend kann unser Fazit heute nur vernichtend ausfallen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vielfach in der Kritik. Selbst die Legitimationsfrage wird gestellt. Wir sind uns in diesem Hause alle einig, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen. Aber dann muss auch ein Höchstmaß an Transparenz, Ausgabendisziplin, Staatsferne und Partizipation herrschen. Sonst sind seine Akzeptanz und damit auch seine Existenz gefährdet.
Frau Dr. Schwall-Düren, an dieser Stelle auch von mir noch ein paar Worte an Sie: Ich möchte Ihnen auch im Namen unserer Fraktion ganz herzlich danken. Losgelöst von allen inhaltlichen Differenzen fand ich die Arbeit mit Ihnen immer außerordentlich angenehm. Der Umgang war immer sehr fair. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken, und ich wünsche Ihnen alles Gute, viel Glück und Erfolg. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Wenn man den Vorrednern in dieser Debatte zuhört, könnte man fast der Meinung sein, dass alle Fraktionen in die gleiche Richtung wollen: der eine vielleicht ein bisschen mehr, der andere etwas weniger, aber das wird schon, oder?
Doch dieser Eindruck täuscht. Hier prallen eigentlich zwei völlig unterschiedliche Auffassungen aufeinander. Die Landesregierung glaubt nämlich, die digitale Revolution sei ein Trendthema; mit ein bisschen Projektförderung hier und ein bisschen Projektförderung da könne man das Ganze abfrühstücken.
Wir dagegen sind davon überzeugt, dass die Umwälzungen sehr viel tiefgreifender sind. Der Sprung in die Gigabitgesellschaft steht uns bevor. Das wird sämtliche Lebensbereiche betreffen. Diese Veränderung bietet weitaus mehr Chancen als Risiken, wenn man sie denn aktiv gestaltet, wenn man denn den politischen Willen zur Gestaltung hätte. Die einschläfernde Realpolitik bringt uns derzeit reale Nachteile. Zehn Jahre bleierne Regentschaft von Frau Merkel sind zehn verschenkte digitale Jahre für Deutschland.
Und in NRW? Rot-Grün versucht reichlich spät, auf den Digitalisierungszug aufzuspringen – bislang ohne großen Erfolg. Das kann man an den Reaktionen auf die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin vom Januar sehen. Dabei ist ihre Politik keineswegs alternativlos. Seit Jahren kämpfen wir für eine digitale Agenda, die nicht nur ein PR-Konzert sein darf, sondern den Mut und den Willen zur Gestaltung in sich tragen muss.
Wenn man den vorliegenden Antrag anschaut, ist es schön zu sehen, dass jedenfalls die FDP einige Punkte aus unserer Programmatik übernommen hat. Von Anfang an bemühen wir uns um bessere digitale Bildung in NRW. Unsere Kinder brauchen digitale Kernkompetenzen, denn sie sollen die digitale Welt gestalten und nicht bloß konsumieren. Das gilt auch für alle anderen Menschen in diesem Land.
Der Digitalausschuss in Ihrem Antrag klingt sehr nach dem Internetministerium und dem Ausschuss für Digitale Gesellschaft, Vernetzung, Datenschutz und Breitbandausbau, welche wir bereits Anfang dieses Jahres gefordert haben. Diesen Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, haben Sie übrigens im Januar abgelehnt. Offenbar haben Sie aber zwischenzeitlich etwas dazugelernt.
Derweil beobachten wir das unproduktive Kompetenzgerangel in der Landesregierung – zum Beispiel beim Thema Breitbandausbau – zwischen den Ministern Duin, Remmel und Groschek. Da will der Bauminister plötzlich keine Leerrohre mehr haben, weil wir ja jetzt überall WLAN bekommen. Wie soll das Internet, bitte schön, zum WLAN kommen? Dieser digitale Analphabetismus in der Regierung muss ein Ende haben.
Natürlich brauchen wir mehr Tempo im Internet. Aber wo, liebe Kollegen der FDP, ist denn Ihre Kritik am Vectoring-Monopol der Telekom, das bei der Bundesnetzagentur beantragt worden ist? Ist bei Ihnen freier Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt jetzt nicht mehr erwünscht? Liegt es vielleicht daran, dass Sie jetzt Magenta in Ihren Parteifarben haben?
Ist es denn wirklich zukunftssichernd, wenn wir die Fördermittel, die uns in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen, in eine Brückentechnologie stecken, die absehbar schon in ein paar Jahren wieder überholt sein wird?
In einem Punkt stimmen wir allerdings vollkommen mit Ihnen überein: Als Partei der Menschen- und Bürgerrechte haben wir uns schon immer gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. NRW
muss sich gegen die anlasslose Totalüberwachung mit allen Mitteln wehren.
Doch was eindeutig in Ihrem Antrag fehlt, ist ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität. Wie wollen Sie denn eine Gründerkultur fördern, wenn die jungen digitalen Unternehmen im Netz diskriminiert werden? Das macht doch keinen Sinn.
Sie sehen, der Antrag ist aus unserer Sicht stark verbesserungswürdig. Ich freue mich auf die Debatten im Ausschuss. Der Überweisung stimmen wir natürlich zu. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Vor knapp drei Jahren ist das hinter verschlossenen Türen ausgehandelte ACTA-Abkommen am zivilen Widerstand in ganz Europa gescheitert. Mit an vorderster Front damals: wir Piraten. Das war ein schöner Erfolg. Aber ACTA war gestern. TTIP, Ceta und TiSA sind heute. Viele der Regeln, die schon in ACTA drohten, sind heute wieder Vertragsbestandteile und Schlimmeres.
TTIP ist weiterhin hart umkämpft. Große internationale Konzerne, die zugehörigen Lobbygruppen sowie die daran hängenden Wurmfortsätze von Parteien versprechen uns bedeutende Arbeitsplatzgewinne. Kritiker warnen vor der Aushöhlung von demokratischen Entscheidungsfindungen sowie Daten-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzstandards. Und das sind nicht alles Wutbürger. Oder, Herr Brockes, zählen Sie die katholische Kirche auch zu den Wutbürgern?
Wirtschaftswissenschaftler rechnen mit einem sehr geringen Wirtschaftswachstum und wenigen neuen Arbeitsplätzen. Es gibt sogar Studien, die von einem Verlust von Arbeitsplätzen ausgehen. Aber in jedem Fall wird das Wachstum mit Kosten für die Allgemeinheit erkauft.
Auf die Gefahren von TTIP für Demokratie und Rechtsstaat haben wir im Landtag schon mehrmals hingewiesen. Diese Freihandelsabkommen begren
zen den gesetzgeberischen Spielraum der demokratisch legitimierten Gremien. Herr Töns nannte das eben so schön „Selbstenteierung“. Ich finde das Wort sehr schön. Aber es wäre natürlich prima, Sie würden zu Herrn Gabriel gehen und ihm das auch erklären.
Aus landespolitischer Sicht kann man TTIP ebenfalls nur ablehnen. Denn schon heute müssen wir davon ausgehen, dass TTIP schwerwiegende Folgen für die nordrhein-westfälische Bevölkerung haben wird. Regionale Unternehmen und Kommunen sind betroffen. Nur zwei Beispiele dazu: Egal, wie man die jetzt nennen mag, mit TTIP sollen immer noch die Investorstaatsklagen eingeführt werden. Es wird ein Einfallstor für milliardenschwere Schadensersatzklagen gegen konzernunliebsame Regelungen auf Bundes- und Landesebene geschaffen.
Es gibt krasse Beispiele solcher Klagen, beispielsweise gegen den Nichtraucherschutz in Uruguay von Philip Morris oder gegen den Mindestlohn in Ägypten von Veolia. So etwas werden wir in Deutschland jetzt auch erleben oder vielmehr nicht erleben, denn solche Prozesse laufen unter Geheimhaltung. Selbst auf kommunaler Ebene werden wir solche Probleme betreffend kommunale Unternehmen erleben.
Wenn US-amerikanische Datenkraken wie Facebook und Google keinerlei europäischen Einschränkungen bei Datentransfers unterliegen, ist das de facto eine Absenkung der hiesigen Datenschutzstandards.
Gleichzeitig tut die Bundesregierung in Brüssel alles, die EU-Datenschutzreform zu verwässern und hinauszuzögern.
TTIP wird den steinzeitlichen und innovationsfeindlichen Status quo des europäischen Urheberrechts manifestieren, obwohl hier größte Reformbemühungen auf EU-Ebene vonnöten wären, die bereits teilweise begonnen haben. Das ist nur ein Effekt des sogenannten Lock-in-Prinzips des Freihandelsabkommens. Jedwede Verbesserung von Standards, zum Beispiel von Verbraucherschutz-, Datenschutz- und Umweltstandards, wird nicht mehr möglich sein, wenn sie Wirtschaftsinteressen berührt. Eine Erhöhung eines Schutzniveaus kann es in Zukunft nicht mehr geben.
Herr Dr. Bergmann, Sie sagten gerade, dass wir den Umfang und den Inhalt der Vereinbarungen im Einzelnen noch gar nicht kennen. Nichtsdestotrotz wird im vorliegenden CDU-Antrag gefordert, man solle dem TTIP-Abkommen uneingeschränkt pauschal die Unterstützung erklären, man solle ihm ge
wissermaßen schon jetzt zustimmen, die Katze im Sack kaufen. – So geht das nicht!
Sie versuchen im Antrag, einige der Befürchtungen gegen TTIP zu entkräften – mit eben jener Pauschalität und Unsachlichkeit, die Sie selber den TTIP-Kritikern vorwerfen. Als Beweis für die angeblich positiven Effekte von TTIP ziehen Sie als Studien getarnte Kaffeesatzleserei und Befindlichkeitsumfragen von Unternehmen heran. Das ist lächerlich! Kein Wunder, dass Ihnen das niemand mehr abnimmt.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Freihandel ist grundsätzlich eine gute Sache. Der Abbau von Handelsschranken, die Schaffung eines gemeinsamen Handelsraums sind Wege, um Grenzen zu überwinden und Menschen zusammenzuführen. Aber das muss auch der Kern eines Freihandelsabkommens sein: dem Menschen zu dienen und nicht den Interessen internationaler Konzerne.
Bilaterale Handelsabkommen bauen zudem Grenzen nach innen ab, verstärken jedoch diese nach außen. Solange die Dritte Welt ausgeschlossen ist, wird sich dadurch die Ungleichheit auf der Erde weiter erhöhen.
Solche Abkommen müssen also auch eine Entwicklungslandkomponente haben.
Wir fordern weiterhin ein Ende der Verhandlungen unter den jetzigen Bedingungen. Ein kritisches Begleiten der Freihandelsabkommen ist nicht möglich.
Unsere Haltung werden wir auch so in die Beratungen im Ausschuss einbringen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Ich musste schon ein klein wenig schmunzeln, als ich den Antrag las. Hat die Unterwanderung der CDU durch Piraten erste Erfolge?
Erleben wir, wie christdemokratische Digitalpolitik auf Piratenkurs schwenkt? Wir haben ja nichts dagegen, wenn sich gute Ideen verbreiten. Sie wissen doch: copy, remix, share.
Vielleicht hätten Sie dem Antrag noch den Titel „Netze in Bürgerhand“ geben sollen. Dann wäre er noch besser. – Spaß beiseite. Wir bekommen ja mit, mit welchen Ideen die CDU sonst noch auf dem Feld der Netzpolitik herumgeistert: Aufweichung von
Datenschutzstandards, Einführung des Zweiklasseninternets, Vorratsdatenspeicherung, Vertu
schung von Überwachung usw., usw. Eine Verwechslungsgefahr in Bezug auf unsere Parteien ist also zum Glück nicht gegeben.
Nun aber zum Inhalt des Antrags. Wir wissen, dass der Breitbandausbau nicht vom Bund vorangetrieben wird. Aber auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen redet mehr, als sie wirklich tut. Nein, der Breitbandausbau geht von den Kommunen aus. Oft genug sind es die Bürger, die sich zusammenschließen, damit ihr Ortsteil endlich eine moderne Breitbandversorgung bekommt. Manchmal packen sie sogar tatkräftig mit an. Herr Kollege Schick erwähnte Hamminkeln, wo die Bauern ihre Ärmel hochkrempelten und mit dem Pflug das Glasfaserkabel selbst verlegt haben.
Natürlich ist es unrealistisch, dass sich der Breitbandausbau in jedem Landkreis so abspielen wird. Das muss aber auch nicht so sein. Oft genug reicht es, wenn sich die Bürger in ihren Kommunen und Kreisen für ein schnelles Internet einsetzen und ihre Mitbürger überzeugen, auf das schnelle Internet zu wechseln; denn nur wenn viele Bürger zusagen, lassen sich Ausbauprojekte finanziell solide planen.
Daher schließen wir uns gerne Forderungen nach einer stärkeren Förderung von bürgerschaftlichem Engagement an. Wir fordern ja seit Langem das Gleiche. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied. Wir tun das, weil Netze in Bürgerhand die Kontrolle über das Internet möglichst breit verteilen. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD, nach bürgerschaftlichem Engagement rufen, ist das nichts anderes als das Eingeständnis einer völlig verfehlten Infrastrukturpolitik in Bund und Land.
Sie tragen die Verantwortung für Schlaglöcher, kaputte Brücken und Tempo 30 auch auf den digitalen Autobahnen. Nun wollen ausgerechnet Sie, dass die Bürger jahrelange Verfehlungen Ihrer Politik auslöffeln. Das ist schon dreist. Sorgen Sie lieber dafür, dass der Staat endlich seiner eigenen Aufgabe nachkommt und eine ordentliche digitale Daseinsvorsorge für alle betreibt!
Nun zum zweiten Punkt des Antrags. Aus der Mottenkiste des Berliner Koalitionsvertrages haben Sie die Idee des Bürgerbreitbandfonds ausgegraben. Die Zinsen sind auf einem Rekordtief. Wenn das Land oder Kommunen ausreichend Bürgschaften vergeben würden, ließe sich genug Geld mobilisieren, ohne auf komplizierte Fondsmodelle zurückgreifen zu müssen.
Auch wenn jeder Fonds, wenn man ihn mit dem Wort „Bürger“ kombiniert, besonders modern und volksnah klingt: Glauben Sie mir, ich freue mich über jedes zusätzliche Glasfaserprojekt hier im
Land. Aber das halte ich für eine Nebelkerze. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Mit dem heutigen Antrag lädt uns die Fraktion der FDP dazu ein, eine überfraktionelle Arbeitsgruppe zum Thema „Zukunft des Handwerks“ einzusetzen. Wir nehmen diese Einladung sehr gerne an.
Der sprichwörtliche goldene Boden des Handwerks ist nicht selbstverständlich. Gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Attraktivität, die früher selbstverständlich waren, müssen heute wieder erarbeitet werden. Der goldene Boden des Handwerks muss mit Mikrochips gepflastert werden.
In dem Antrag wurden schon zahlreiche Problemfelder und Chancen aufgezählt, denen sich das Handwerk gegenübersieht. Es geht um die Sicherung des qualifizierten Nachwuchses, das Bildungssystem und die Energiewende. Weiter geht es um die Digitalisierung, die auch die Berufsfelder im Handwerk stark verändern wird. Wir müssen uns darauf einstellen, dass alte Qualifikationen entwertet und neue nachgefragt werden.
Wir hatten zu dem Punkt „Digitalisierung im Handwerk“ bereits im März einen Entschließungsantrag gestellt und freuen uns, dass die FDP dieses wichtige Thema zu einer der Kernfragen dieser Kommission machen möchte.
Auch auf die Handwerkskammern selbst kommt Änderungsbedarf zu. Wenn sich der Antrag so lesen sollte, als ob das Kammerwesen keine Veränderungen vornehmen müsste, wäre das unserer Meinung nach voreilig. Gleiches sehen wir in Bezug auf den Meisterzwang: Man sollte nicht die Ergebnisse vorwegnehmen. Jedenfalls sollte die Enquete in dieser Hinsicht ergebnisoffen sein.
Wir stimmen der Einsetzung der Enquete gerne zu. Bis der Abschlussbericht der Kommission vorliegt, dürfen wir allerdings nicht in Stillstand verfallen und sollten reformfreudige Handwerkskammern in ihrem Anliegen unterstützen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit, in der die Informationsrevolution ungebremst weitergehen wird. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung,
war Kaiser Wilhelm der Zweite überzeugt. Genauso hält heutzutage die CDU an Überzeugungen fest, die längst überholt sind und mit denen man keinen Blumentopf mehr gewinnen kann. Deutlich wird das, wenn man den vorliegenden Antrag zur Stärkung der heimischen Industrie liest. Herr Armin Laschet reist öffentlichkeitswirksam nach Kalifornien ins Silicon Valley und bringt außer einigen schönen Pres
sefotos keine weiteren Erkenntnisse nach Hause. Denn sonst hätten wir in diesem Antrag deutlich mehr gefunden als das Loblied der klassischen Industrieproduktion, die in NRW schon seit Jahrzehnten schwindet, oder die Verteufelung des Klimaschutzplans oder stets zu hoher Steuern.
Stattdessen würden Sie den Wandel zur datenbasierten Informations- und Wissensgesellschaft der Zukunft thematisieren. In diesen Bereichen findet das Wachstum statt. Es ist klar, dass dazu Breitbandausbau notwendig ist. Dazu hätte es freilich der vielen Pressetermine in den USA nicht bedurft.
Ist das die einzige Erkenntnis aus dem Silicon Valley? Die USA sind mit einer im Vergleich schwachen Industriebasis inzwischen recht gut aus der Krise gekommen. Industrieproduktion ist eben nicht alles. Man sollte den dringend notwendigen Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen durch eine falsche Akzentsetzung der wirtschaftspolitischen Vorgaben nicht auch noch abwerten.
Die Industrie in NRW hat das Vorkrisenniveau immer noch nicht erreicht. Umsatz und Beschäftigung liegen immer noch hinter 2008 zurück. Im letzten Jahr ist der Industrieumsatz sogar um 0,7 % geschrumpft. Darin einen Wachstumstreiber für die Zukunft zu sehen, ist also aufs falsche Pferd gesetzt. Neue Arbeitsplätze und nachhaltige Wertschöpfung werden nämlich in ganz anderen Bereichen geschaffen.
In der globalisierten, arbeitsteilig organisierten Welt kann es doch nicht ernsthaft darum gehen, dass unsere Güter allein über die Preise konkurrenzfähig werden, wie es Ihr Antrag suggeriert. Das war in Deutschland in den letzten 60 Jahren auch nicht so. Unseren Platz in der Weltwirtschaft haben wir nicht trotz, sondern wegen der hohen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards gefunden.
Wir treffen einen Nerv durch Innovation, durch Nachhaltigkeit und durch Produktivität. Wir müssen führend sein in der Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Ein Stichwort ist „Industrie 4.0“ – sowie möglichst viel Bildung kostenlos für alle. In Billigproduktion und niedrigen Standards liegt unsere Zukunft nicht.
Wenn die CDU also beispielsweise die heimische Textilbranche wiederbeleben will, dann möge sie den Leuten bitte auch erklären, dass sie dazu das Lohngefüge im ganzen Land absenken muss, um auf dem Weltmarkt mitzuspielen. Wollen wir jetzt aus Wettbewerbsgründen Lohndumping betreiben, um mit Pakistan und Bangladesch zu konkurrieren? Das ist geradezu lächerlich.
Lächerlich ist es auch, die Abschaffung der Sozialtickets oder des Verbandsklagerechts für Tierschutz
organisationen zu verlangen. Wenn das Ihre Vision von Industriepolitik der Zukunft sein soll, dann sage ich: Gute Nacht! Willkommen im 19. Jahrhundert!
Dabei ist und bleibt es Aufgabe der Landesregierung, für eine exzellente Infrastruktur und gute Bildungschancen in Nordrhein-Westfalen zu sorgen. In der Tat – da stimmen wir mit der CDU überein – steht es in diesen Fragen gegenwärtig nicht zum Besten.
Eines möchte ich hier auch noch erwähnen. So, wie die Freihandelsabkommen derzeit diskutiert werden, wären Land und Kommunen durch Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe bedroht. Das würde uns unter dem Strich kaum nützen; genauso wenig wie derartige Anträge aus der wirtschaftspolitischen Mottenkiste. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream!
In Österreich ist ein Provisorium etwas Endgültiges auf Widerruf, sagt ein altes K.-u.-k.-Sprichwort. Ein solches endgültiges Provisorium zu diskutieren, dazu bietet der vorliegende Antrag der CDU Gelegenheit. – Um es vorwegzunehmen: Es gibt genug Gründe, das Provisorium eines Steuernachlasses auf Handwerksleistungen zu widerrufen.
Ich möchte kurz daran erinnern, warum es überhaupt zu der Einführung kam. Im Zuge der deutlichen Konjunkturabschwächung infolge der Banken- und Finanzkrise wurde von der Bundesregierung Ende 2008 das Konjunkturpaket I verabschiedet. Eine Maßnahme davon bezog sich auf die steuerliche Förderung von Handwerksleistungen für private Haushalte.
Die Bundesregierung knüpfte damit an das sogenannte Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung von 2006 an, das Steuerermäßigungen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen einführte und in § 35a des Einkommensteuergesetzes verankerte. Gleichberechtigte Ziele damals waren die Stärkung von Handwerk und Mittelstand sowie die Bekämpfung von Schwarzarbeit.
Diese Ziele, insbesondere die Bekämpfung von Schwarzarbeit, sollten gemäß dem damaligen Gesetzentwurf vom 13. November 2008 nach zwei Jahren im Rahmen einer unabhängigen Evaluierung überprüft werden. Eine Evaluierung von Maßnahmen – die Prüfung, ob diese die vorgesehenen Ziele überhaupt erfüllen – fordern wir Piraten hier regelmäßig. Wenn es nach uns ginge, würden wir gleich eine ganz neue Evaluierungskultur einführen.
Das Bundesfinanzministerium hat also eine Überprüfung dieses Gesetzes durchführen lassen. Beauftragt wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Kooperation mit Experten der Universität Freiburg. Das Ergebnis liegt seit 2013 vor. Mit klaren Worten und Fakten weist die Studie nach, dass die Subvention weder die Schwarzarbeit spürbar eindämmt, noch die Geschäftslage der Handwerksbetriebe im nennenswerten Umfang verbessert.
Dafür gebe es auf der anderen Seite gewaltige Mitnahmeeffekte. Die Experten empfehlen deswegen eine Abschaffung oder wenigstens eine Beschneidung der Subventionen, die den Staat nicht weniger als 1,5 Milliarden € pro Jahr kosten.
Dass dieses Ergebnis naturgemäß Lobbyverbänden missfällt und sich die Betroffenen gewiss ein anderes Ergebnis gewünscht hätten, ist klar. Gleichwohl sind wir Piraten der Ansicht, dass mit einem solch transparenten Verfahren ein klares, wissenschaftliches Urteil und eine eindeutige Handlungsempfehlung vorliegen.
Ein weiterer Grund, diese überflüssige Subvention abzuschaffen, liegt in der heutigen Konjunkturlage,
die erfahrungsgemäß auch die Schwarzarbeit beeinflusst. Es ist zu vermuten, dass die inzwischen reduzierte Arbeitslosigkeit und die starke Ausweitung der Arbeitszeiten weniger Raum für Schwarzarbeit lassen. Die Akzeptanz von neuen prekären Minijob-Formaten zeigt ohnehin, dass die Menschen die Schwarzarbeit oft nur aus wirtschaftlicher Not gewählt haben. Also sollten wir eher da etwas tun.
Schwarzarbeit bekämpft man immer noch am besten, indem man die Steuerlast auf den Faktor Arbeit reduziert und dann im Gegenzug die Steuern auf die anderen Einkommensarten zumindest auf dasselbe Niveau anhebt.
An diesen Abwägungen ändert übrigens auch nichts, dass die Lobbyvertreter ihrerseits ein Gegengutachten vorgelegt haben. Das ist ihre Aufgabe und nicht sonderlich überraschend. Uns überrascht auch nicht, dass die Kollegen der CDU diesen Lobbyvertretern mehr Gehör schenken als den von ihrem eigenen Finanzminister beauftragten Gutachtern. Aber dies ist ein weites Feld, und das brauchen wir hier nicht weiter zu beackern. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in 15 oder 20 Jahren Ihre Kinder oder Ihre Enkel zu Ihnen kommen und Sie fragen, was Sie damals getan haben, als die totalitäre Überwachung auf der Welt eingerichtet worden ist, was wollen Sie denen dann erzählen? Wollen Sie denen sagen: „Ich war nicht zuständig“?
Wie deutsch ist das denn?
Es ist eine Farce, wie auf diesen Geheimdienstskandal reagiert wird. Selbst die Bundeskanzlerin und der Vizekanzler reihen sich ein in die lange Reihe derjenigen, die Aufklärung fordern. Dabei sind sie der Kopf der Regierung. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war der Verfassungsschutz noch Teil der Exekutive. Herr Gabriel und Frau Merkel haben Aufklärung nicht zu fordern, sondern sie haben sie zu liefern.
Derweil wird der NSA-Untersuchungsausschuss nach Kräften durch die sehr große Koalition behindert. Da gibt es vollständig geschwärzte Akten. Snowden will man immer noch nicht als Zeugen anhören. Zugegeben wird nur das, was sowieso bekannt ist. Und das ist schon schlimm genug. Was mag sich noch alles in den geschwärzten Teilen der Akten verbergen?
Hier im Landtag sieht das ganz genauso bescheiden aus. Wer von Ihnen hat denn unserem Antrag „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie Prism und Tempora schützen!“ zugestimmt?
Der Kollege Stotko ist glücklicherweise noch da. Er sagte, seiner Meinung nach gehört das alles auf die Bundesebene, und NRW habe damit ja nichts zu tun. Es sei auch nichts bewiesen. Das ist hanebüchener Unsinn.
Das ist Vogel-Strauß-Praxis.
Sehen Sie denn irgendwo eine ausreichende Aufklärung auf Bundesebene? Das Kölner Unternehmen DE-CIX hat Strafanzeige erhoben. Hat das überhaupt nichts mit NRW zu tun?
Ach so.
Herr Minister Jäger, Sie versprachen, dass der NRW-Verfassungsschutz NRW-Unternehmen helfen will. Darf ich also davon ausgehen, dass Sie die Selektorenliste vom BND anfordern und daraufhin durchsuchen werden, inwieweit NRW-Unternehmen betroffen sind?
Die Innen- und Sicherheitspolitik – selbsternanntes Kompetenzfeld christ- und sozialdemokratischer Hardliner – ist gescheitert. Den Vertrauensverlust in unsere staatlichen Institutionen haben Ihre Parteifreunde verursacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD.
Das Thema „Wirtschaftsspionage“ wurde von Ihnen in den vergangenen beiden Jahren völlig ignoriert. Als bekannt wurde, dass zwei Kommunikationsunternehmen in der Nähe von Köln vom britischen Nachrichtendienst abgehört wurden – wo blieb denn da Ihr Aufschrei? Wir waren bei einem der betroffenen Unternehmen vor Ort und haben danach diverse Anträge gestellt. Die haben Sie samt und sonders hier im Hause abgelehnt.
Übrigens: Es wurde damals auch bekannt, dass der englische Nachrichtendienst gezielt Arbeitnehmer dieser Firmen ausspioniert, um damit in die Firmennetzwerke einzudringen. Es sind also Menschen in Nordrhein-Westfalen ganz persönlich betroffen. Fühlen Sie sich dafür gar nicht verantwortlich?
Wir können es uns nicht länger leisten, an den Symptomen herumzudoktern. Es ist absurd: Zwar beteuern die westlichen Geheimdienste, ihre jeweils eigenen Bürger nicht abzuhören, gehen dann aber Kooperationen mit ausländischen Geheimdiensten ein, um just an diese Daten zu gelangen. Damit verhalten sie sich im wahren Sinne des Wortes asozial.
Deutsche Nachrichtendienste machen bei diesem Tauschgeschäft fleißig mit. Dass der BND von sich aus Wirtschaftsspionage für den NSA betreibt, ist entweder politisch so gewollt oder an Inkompetenz nicht zu überbieten. Das ist entweder kriminell oder kriminell unfähig.
Wir müssen uns fragen, inwieweit zum Beispiel Kanzleramtsminister der Jahre 2008 bis 2013 – Herr Dr. Frank-Walter Steinmeier, Dr. Thomas de Maizière, Ronald Pofalla oder Peter Altmaier – in die Sache verwickelt sind. Das Gleiche gilt für die Geheimdienstkoordinatoren Klaus-Dieter Fritsche und Günter Heiß, den Geheimdienstkoordinator und späteren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau oder auch die anderen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning und Gerhard Schindler.
Wenn diese Personen verantwortlich oder mitverantwortlich für diese Spionage sind, dann gehören sie meines Erachtens ins Gefängnis.
Ich bin sofort fertig.
Geheimdienste sind Fremdkörper in unserer Demokratie. Das Eigenleben des BND muss ein Ende haben. Wenn es nicht anders geht, müssen Geheimdienste aufgelöst und ihre Aufgaben von neuen, demokratisch kontrollierbaren Einrichtungen übernommen werden.
Letzter Satz: Zudem muss durch internationale Abkommen sichergestellt werden, dass das Konglomerat westlicher Nachrich
tendienste abgerüstet wird und nicht weiter Menschenrechte verletzt. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen! Herr Bolte, ich musste bei den Simpsons statt an Marge eher an Ralph Wiggum denken, wie er im Kreis läuft und „Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente“ sagt.
Herr Stein, den ganzen Sermon mit Wachstum, Landesentwicklungsplan, TVgG etc. pp. benötigt man doch gar nicht. Es gibt wahrlich genug sub
stantiierte und substantiierbare Kritik, die man an der Digitalisierungsstrategie dieser Regierung anbringen könnte.
Unsere Bürger und Unternehmen benötigen mehr Dampf auf den Internetleitungen. Trotz aller anderslautender Rhetorik müssen wir feststellen: Die Landesregierung legt die Hände in den Schoß und will keine eigenen Impulse für die unterversorgten Gebiete liefern. Also müssen wir jetzt alle gespannt auf die Funkfrequenzversteigerung des Bundes warten und hoffen, dass dort eine veritable Summe zusammenkommt. Ein Teil davon geht nach Nordrhein-Westfalen und könnte dann für den Breitbandausbau verwendet werden.
Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, ist zumindest jetzt der richtige Zeitpunkt, um über die Verwendung der zu erwartenden Mittel zu diskutieren. Insoweit begrüßen wir den Antrag der CDU zu diesem Zeitpunkt. Manche Forderungen tragen wir mit. Aber es gibt auch einige Punkte, die wir anders sehen. Deshalb haben wir einen eigenen Entschließungsantrag vorgelegt.
Eines ist klar: Der Aufbau einer jeden Infrastruktur – egal, ob Wasser, Strom oder Kommunikation – kostet zunächst einmal viel Geld. Auf die vielen Benutzerjahre gerechnet ist es allerdings gut investiertes Geld. Gerade diese langfristige Perspektive ist von Bedeutung.
Deswegen setzten wir Piraten uns für den Aufbau einer zukunftsfesten Infrastruktur ein. Das kann nur Glasfaser bis in jedes Haus sein. Deswegen fordern wir von der Landesregierung einen Fahrplan „Glasfaserausbau“. Wer jetzt gut plant, spart durch Synergien mittelfristig viel Geld und kann sich über eine wettbewerbsfähige und langlebige Infrastruktur freuen. Alle anderen Lösungen sind nur kurzfristigen Interessen geschuldet und sollten nicht unterstützt werden.
Weiterhin sind wir Piraten der Auffassung, dass öffentlich geförderte Netze auch in Bürgerhand gehören. Der Förderung von Bürgernetzen und kommunalen Betreibermodellen ist deshalb besondere Priorität einzuräumen.
Meistens sind es genau jene Akteure, die in unterversorgten Gebieten ein zukunftsfestes Breitbandnetz aufbauen wollen und einen längeren Zeithorizont als drei Jahre haben. Das gilt es zu unterstützen.
Zudem sollte man über eine nachfrageorientiere Förderung nachdenken. Denkbar ist eine steuerliche Absetzbarkeit von Glasfaserausrüstungen bei Hauseigentümern. Das wäre ein innovatives Förderinstrument, das neue Dynamik in den Breitbandmarkt bringen kann. So etwas brauchen wir dringend.
Wir stimmen der CDU zu, dass Kommunen im Nothaushalt besondere Unterstützung bedürfen, um den Eigenanteil aufbringen zu können. Die regierungstragenden Fraktionen haben dafür im vergangenen Jahr gewisse Erleichterungen durchgesetzt. Da müssen wir dranbleiben. Eine digitale Spaltung in arme und reiche Kommunen darf es nicht geben.
Nicht zuletzt sollten alle Neubauten heute schon so konzipiert sein, dass alle Leitungen für FTTB, also Glasfaser bis in das Gebäude hinein, vorhanden sind. Es wäre ein geradezu absurder Schildbürgerstreich, Neubauten schon nach ein paar Jahren wieder für teures Geld umzurüsten, weil man zu Baubeginn noch auf alte Kupferdrahte gesetzt hat.
Oder so. – Diese Punkte würden unser Bundesland einen großen Schritt voranbringen. Ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchertribüne und an den Bildschirmen! Herr Schmeltzer, Sie sagten gerade, man solle nicht an jeden Politikzweig „4.0“ hängen. Aber im Grunde genommen muss man genau das machen. Denn der Wandel zur Informationsgesellschaft und die Digitalisierung berühren jeden Politikzweig auf die eine oder andere Weise.
Herr Bombis, ich habe auch ein Zitat mitgebracht – nicht Matthäus, sondern Oscar Wilde: „Die Zukunft gehört denen, die die Möglichkeiten erkennen, bevor sie offensichtlich werden.“
Das ist eine Einsicht, die man auf viele Lebenslagen so anwenden kann, nicht zuletzt auf das Handwerk.
Erfolgreiche Unternehmen in diesem Bereich sind nämlich heutzutage sehr viel technikaffiner und technikbasierter als zu den Zeiten, in denen sie einst in die Handwerksrolle eingetragen wurden.
Dies wird in Zukunft immer wichtiger. Die Bedeutung der klassischen Industrieproduktion nimmt immer weiter ab. Es wäre mehr als kurzsichtig, sich allein von Möglichkeiten und Chancen der Industrie 4.0 blenden zu lassen und dabei das Handwerk zu vergessen. Dies gilt umso mehr, als auch das Handwerk selbst beim Thema des digitalen Strukturwandels offenbar immer noch einigen Informationsbedarf sieht.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat im Juni 2014 in einer Umfrage festgestellt, dass knapp die Hälfte der befragten Handwerksunternehmen noch immer nicht einschätzen kann, ob für sie die Zukunft in der digitalen Welt mehr Chancen oder mehr Nachteile bereithält. Deswegen haben wir heute diesen Entschließungsantrag vorgelegt. Wir folgen damit dem Positionspapier der Handwerkskammer Köln mit dem Titel „Handwerkswirtschaft 4.0“ vom Februar dieses Jahres. Darin heißt es:
„Statt der Fixierung auf ‚Industrie 4.0‘ muss die gesamte mittelständische Wirtschaft erreicht werden.“
Das kann man nur unterstreichen. Das Handwerk muss aus dem toten Winkel von Hannelore Krafts NRW-4.0-Strategie kommen. Nutzen Sie die Gelegenheit, die wir Ihnen mit diesem Entschließungsantrag bieten. Erweitern Sie den Blickwinkel auf das Handwerk. Es hat mit seinen vielen innovativen Unternehmen nicht verdient, beim Einsatz neuer Technologien als ewiggestrig angesehen zu werden.
Eine Agenda „Handwerk 4.0“, die wir in unserem Entschließungsantrag fordern, mit konkreten Maßnahmen zur Unterstützung der Digitalisierung kleiner und mittelständischer Unternehmen wäre ein wichtiger Beitrag zu Ihrem Anliegen, das Ihrem Antrag offenbar zugrunde liegt. Dass mit einer derartigen Agenda auch Neugründungen im Handwerk gefördert werden würden, versteht sich doch eigentlich von selbst. Handwerk hat goldenen Boden, insbesondere wenn man ihn mit Prozessoren pflastert. Ich bin ganz zuversichtlich, dass Sie das auch so sehen werden.
Noch ein paar Worte an die geschätzte Kollegin Schneckenburger: Auch die Piratenfraktion möchte Ihnen für Ihre Arbeit und die Zusammenarbeit ganz herzlich danken und Ihnen alles Gute und viel Erfolg in Ihrer neuen Aufgabe wünschen. Man sieht sich immer zweimal. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen! Wenn ich mir das Pingpong zwischen Rot-Grün einerseits und CDU-FDP andererseits angucke, ist das schon sehr traurig.
Ich glaube, Ihnen gehört beiden mal eingeschenkt.
„Die nächsten zehn Jahre werden darüber entscheiden, ob wir weiter ein führendes Industrieland sind oder ob wir den Wandel … nicht schaffen.“
Der Satz stammt nicht von mir, sondern von unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bemerkenswert ist das deshalb, weil eben jene Neulandkanzlerin eine Hauptverantwortung für die digitale Misere in den letzten zehn Jahren in Deutschland trägt.
Viele glauben, dass die erste Halbzeit der Digitalisierung angesichts der Übermacht US-amerikanischer Internetgiganten bereits verloren ist. Unser EU-Internetkommissar Günther Oettinger – das ist der, der uns Netzpolitiker neulich als Taliban diffamierte – gibt das „Spiel in der IT-Branche“, so nennt er das, gleich ganz auf. Na, das macht ja Hoffnung.
Das Vorzeigeprojekt der deutschen Wirtschaft, das unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ gehandelt wird, läuft nur schleppend an. Eigentlich war es das Ziel, im sogenannten Internet der Dinge deutsche Datenstandards zu etablieren und damit den Grundstein für einen weltweiten Erfolg zu legen. Das hat bis heute nicht geklappt. Nun soll ein neuer Anlauf erfolgen.
Inzwischen ist eine Konkurrenzveranstaltung in den USA gestartet, das Industrial Internet Consortium, dem übrigens auch einige namhafte deutsche Unternehmen angehören. Es besteht also die reale Gefahr, dass wir wieder einmal zu spät sind. Wenigstens sollten wir uns bemühen, da mitzumachen.
Ob der digitale Wandel in Summe einen wirtschaftlichen Mehrwert für unsere Gesellschaft bringt, steht also noch in den Sternen. Dabei sei betont, dass für uns Piraten beim digitalen Umbruch der wirtschaftliche Aspekt längst nicht der einzige oder wichtigste ist. Dennoch fragen wir uns, warum Bundes- und Landesregierung immer noch den digitalen Wandel torpedieren.
Wir Piraten zeigen, wie der digitale Wandel gelingen könnte. Wir brauchen grünes Licht für offene WLANs. Stattdessen kommt ein katastrophaler Gesetzentwurf zur Störerhaftung aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Außerhalb Deutschlands versteht kein Mensch, was an offenen WLANs so gefährlich sein soll. Das ist der Todesstoß, angeführt vom SPD-geführten Wirtschaftsministerium, für den Freifunk.
Das sind zwei Schritte zurück auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Symbolisch ist für das Internetland Deutschland Folgendes: Auf der CeBIT kauft man den WLAN-Zugang für 5 € die Stunde.
Wir fordern ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität. Stattdessen spekuliert man wild über zahlreiche Ausnahmen. Ohne Sinn und Verstand wird über Operationen im Organbereich, über Kollisionswarnungen per Internet spekuliert. Auch in unserem gemeinsamen Beschluss zur Netzneutralität hier im Landtag hat sich die Landes-SPD nicht von diesem Unsinn abbringen lassen und auf wolkigen Ausnahmen bestanden. Wohin das führt, können wir jetzt sehen: Eine Netzneutralität mit solchen Ausnahmen ist wie „ein bisschen schwanger“.
Wir brauchen ein deutliches Nein zur Vorratsdatenspeicherung und damit ein Nein zu einer anlasslosen Massenüberwachung und zu gigantischen Datenhalden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel und unser Innenminister Jäger wollen sie aber doch einführen, ohne dass es den geringsten Beleg für deren Wirksamkeit gibt. Heimlich hofft man vielleicht mal wieder auf das Verfassungsgericht und die von ihm gezogenen bürgerrechtlichen Grenzen.
Innerhalb der SPD traut sich niemand, sich hinzustellen und zu sagen: Wir wollen keine Vorratsdatenspeicherung. Basta! – Das ist ein trauriger Eiertanz.
Wie wir alle wissen, brauchen wir eine moderne Dateninfrastruktur. Wir fordern ein Glasfasernetz bis in die Haushalte und Unternehmen, und keine Brückentechnologien auf Kupferbasis, die morgen schon wieder veraltet sind. Auch hier wird laviert, auch hier fehlt ein klares Bekenntnis unserer Regierung. Glasfaser muss bis in jedes Haus!
Wir brauchen eine vertrauenswürdige Datenkommunikation. Während die Geheimdienste in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung den NSAUntersuchungsausschuss im Bundestag sabotieren, lehnen die regierungstragenden Fraktionen hier im Landtag all unsere Anträge ab, nordrhein
westfälische Unternehmen gegen Wirtschaftsspionage endlich effektiv zu schützen. Das ist doch eine Farce! Stattdessen sollte das Land es besser machen können und zum Beispiel quelloffene Verschlüsselungssoftware fördern.
Eine besondere traurige Rolle spielt unsere Landesregierung beim Thema „Leistungsschutzrecht“. Wir diskutieren hier im Parlament über die Förderung von digitalen Gründungen, während aufgrund dieses Lobby-Spezialgesetzes zugunsten einer speziellen, einzelnen alten Branche bereits elf InternetStart-ups zugemacht haben. Was meinen Sie, wo diese Unternehmer jetzt hingehen? Was meinen Sie, wo das nächste Internet-Megaunternehmen entstehen wird? – Ganz sicher nicht hier!
Die Landesregierung hätte es in der Hand gehabt, dieses Gesetz im Bundesrat aufzuhalten. In der Großen Koalition hätte man anschließend dieses Gesetz neu verhandeln und verhindern können, dass es so schädlich, wie es jetzt ist, in Kraft tritt.
Wir sehen jetzt die Folgen: Ein Schuss in den Ofen, eine Stärkung der Marktmacht des Monopolisten, rechtliche Unsicherheit für alle anderen! Danke für nichts!
Und wir brauchen konsequente Datenschutzstandards im Bereich „Big Data“, nicht zuletzt in der Industrie 4.0. Wenn immer mehr sensible Daten miteinander verknüpft werden, ist die Schreckensvision des gläsernen Bürgers nicht mehr fern. Die Zivilgesellschaft muss sich aktiv gegen Datenkraken und Massenüberwachung zur Wehr setzen. Maximaler Schutz der Privatsphäre muss zum Standard erhoben werden. Die politischen Rahmenbedingungen dafür sind längst überfällig.
Schaut man sich das Kompetenzgerangel verschiedener Ministerien bei digitalen Themen an, dann
muss man zu dem Schluss kommen, dass ein Internetministerium dringend nötig ist; denn dann kommen die Menschen in der digitalen Transformation nicht unter die Räder einzelner Interessengruppen. Damit könnte Frau Kraft ein Zeichen dafür setzen, dass der digitale Wandel in NordrheinWestfalen endlich ernst genommen wird.
Nach diesen Worten können Sie sicher verstehen, warum ich den Beschlussteil des vorliegenden Antrages der CDU reichlich dünn finde. Aber gut – Best-Practice-Beispiele der digitalen Ökonomie zu veröffentlichen, kann nicht schaden. Und die Idee eines virtuellen Innovationszentrums für den Mittelstand klingt in meinen Ohren ein wenig schwammig. In den Beratungen des federführenden Wirtschaftsausschusses können Sie mir den Vorteil eines solchen Konstruktes sicher noch besser erklären.
Jedenfalls: Wir haben in diesem Bereich mit eigenen Anträgen nachgelegt, unter anderem auch heute in dieser Tagesordnung. Der Ausschussüberweisung stimmen wir selbstverständlich zu. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolleginnen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und vor den Bildschirmen. Wissen Sie, vorher die CSD-Veranstaltungen, die jedes Jahr in vielen Städten NRWs abgehalten werden, ihren Namen haben? CSD steht für Christopher Street Day. Die Christopher Street in Manhattan, New York, war im Jahre 1969 Schauplatz der sogenannten Stonewall-Unruhen. Dort kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen queeren Menschen und Polizeibeamten. Anlass war eine Razzia im Szenelokal „Stonewall Inn“ in der Christopher Street.
Diese emanzipatorische Auseinandersetzung ist mittlerweile 46 Jahre her. In der Zwischenzeit, fast ein halbes Jahrhundert später, sind wir weitergekommen. Wir sehen Homosexualität, Transsexualität, Transidentität, Intergender, Bisexualität und andere queere Identitäten als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft an.
Diese Errungenschaften sind aber in den letzten Jahren mit aufkeimenden Tendenzen von Homo- und Queerphobie konfrontiert. Daher war es völlig richtig, diesen Bereich in den 16 Lebensbereichen der Bundesländer, die dann jeweils ihre Vertretungen in den ZDF-Fernsehrat entsenden, in den Eckpunkten der geplanten Neuregelung wiederzufinden. Doch seit der Vorlage des Entwurfs des neuen ZDF-Staatsvertrages bestehen begründete Zweifel, ob die ursprünglich angedachte Repräsentation dieser angesprochenen Gruppen tatsächlich umgesetzt wird.
Fragwürdig ist eine solche Vorgehensweise allein schon deshalb, weil die Sendungen des ZDF laut § 5 des ZDF-Staatsvertrages auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken sollen. Im Jahre 2015 fällt darunter nicht nur eine diskriminierungsfreie Berichterstattung, sondern ebenfalls eine Beteiligung im ZDF-Fernsehrat.
Die 16 Lebensbereiche sind jeweils einem der 16 Bundesländer zugeordnet. Offenbar hat sich leider kein Bundesland gemeldet, das sich für diesen Bereich zuständig fühlt.
Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Menschen, die sich auf dem Feld Menschenrechte, Bürgerrechte und auch digitale Bürgerrechte engagieren. Diese Lebensbereiche sind ein wichtiger Teil unserer vielfältigen bunten Lebensgemeinschaft. Der Wandel hin zu einer digitalen Welt muss sich auch im ZDFFernsehrat wiederfinden.
Wir haben also einerseits eine Vorlage für die Neufassung des ZDF-Staatsvertrages vorliegen, welcher diese drei Lebensbereiche nicht berücksichtigt, andererseits wurde gestern im Kieler Landtag ein
sehr ähnlicher und gemeinsamer Antrag von den Regierungsfraktionen und den Piraten in direkter Abstimmung angenommen. Auch in anderen Landesparlamenten gibt es derzeit ähnliche Initiativen, dieses Manko im ZDF-Staatsvertrag zu beheben.
Der Antrag aus Kiel formulierte sehr deutlich, wie man die Sitzverteilung regeln könnte. Als Vorschlag wurde unterbreitet, dass die beiden Kirchen, die momentan jeweils zwei Menschen entsenden, zukünftig jeweils eine Stimme haben. Die bisherige Regelung ist überproportional und soll dem gesellschaftlichen Wandel angepasst werden. Unsere Gesellschaft verändert sich und damit auch die Vertretung der Kirchen.
Darüber hinaus ist im schleswig-holsteinischen Antrag die Idee enthalten, dass der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. künftig auf eine eigene Vertretung verzichten könnte. Im Hinblick auf sinkende Absatzzahlen im Print und die steigende Etablierung der – man könnte schon fast sagen: ehemaligen – Printverlage im Digitalgeschäft ist auch die Relevanz von reinem Print im ZDFFernsehrat infrage zu stellen.
Durch diese Umstrukturierung würden unseres Erachtens nach mindestens zwei, womöglich sogar drei Sitze frei, die wir mit Vertretern der Bereiche Queer, Menschenrechte und Bürgerrechte im digitalen Raum besetzen könnten. Die Idee ist charmant und nicht an die Zuweisung an ein zuständiges Bundesland gekoppelt. Ich möchte noch einmal ganz deutlich betonen: Das war in Kiel gar kein Problem; Konsens.
Daher frage ich mich, wie wir auch in NRW genau diesen Punkt erreichen können. Unsere Zielsetzung ist es, den Vorschlag aus Kiel hier zu diskutieren. Daher haben wir unseren ursprünglichen Antrag auf direkte Abstimmung zurückgezogen und wollen den Antrag nun an den zuständigen Ausschuss überweisen. Wir wollen alle Fraktionen dazu einladen, mit uns darüber zu reden, wie wir die Repräsentation der Gesellschaft im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts im ZDF-Fernsehrat so abbilden, dass eine zeitgemäße, vielfältige, demokratische und lebendige Gesellschaft dargestellt wird. Es eilt. Der Änderungsstaatsvertrag ist schon in der Beratung. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und an den Bildschirmen! Egal, was man sagt oder schreibt, Big Brother sieht alles und hört alles mit. Das wissen wir spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens.
Es gibt keinen Schutz, heißt es. Doch ist das wirklich so? Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat eine Softwarelösung gefördert, mit der man Daten, die man in eine beliebige Cloud hochlädt, sicher verschlüsseln kann. Sie heißt PanBox, ist quelloffen und für alle verfügbar. Dabei wurde konsequent auf Privacy by Design gesetzt. Das heißt, dass die Sicherheit der Privatsphäre bereits durch starke Kryptografie eingebaut ist. Für den Nutzer einfach zu bedienen, aber trotzdem sicher.
Das ist der Beweis: Es geht. Wir sind nicht hilflos im Netz. Wir können uns gegen Datenschnüffelei und Spionage wehren. Und: Die Politik kann uns dabei effektiv unterstützen. Wäre bei jeder Standard-ITAnwendung, bei jeder Kommunikationsform der Schutz der Privatsphäre schon eingebaut, digitale Wirtschaftsspionage und Datenschnüffelei wären in vielen Fällen kaum noch durchführbar.
Wir brauchen Methoden und Werkzeuge, unsere Daten sicher zu verschlüsseln, verschlüsselt zu kommunizieren und vertraulich abzulegen. Diese müssen einfach zu benutzen, auf jedem Rechner standardmäßig installiert sein und schon durch die Konzeption den größtmöglichen Schutz bieten.
Die einzige Frage ist nur: Warum gibt es das nicht schon längst? Darauf muss ich leider eine ernüchternde Antwort geben. Das gibt es nicht längst, weil man es nicht möchte, da es mächtige Interessen gibt, die genau so etwas verhindern, da Überwachungsfanatiker genau solche Bemühungen absichtlich torpedieren.
Sicherheitsstandards werden verhindert und unterlaufen – auf legalen wie illegalen Wegen. Einige Beispiele habe ich im vorliegenden Antrag gegeben. Der Einbruch bei Gemalto, bei dem Millionen von Sicherheitsschlüsseln geraubt wurden, oder die systematische Sabotage der Verschlüsselung von ITTelefonie, Lücken in der Authentifizierung von Mobilfunk, bezahlte Hintertüren in Kryptografie beim Hersteller RSA, Hunderte gehorteter Sicherheitslücken und Angriffswerkzeuge für IT-Technik und elektronischer Kommunikation, von Hardware,
Software und Methoden. Uns bedrohen außer Rand und Band geratene Geheimdienste, aber auch jede Art von Kriminellen, Erpressern, Datenkraken, Mafia und Terroristen, die genau solche Lücken ausnutzen.
Einzige Schlussfolgerung: Das digitale Arsenal von Angriffswerkzeugen von Geheimdiensten gehört abgerüstet.
Die Politik kann und muss die systematische Sabotage von Privatsphäre und Sicherheit in ITSystemen beenden. Das Sammeln von Sicherheitslücken, das Untergraben von Sicherheitsstandards muss verboten werden. Verschlüsselungsverbote, Forderungen nach Hintertüren und Zweitschlüsseln konterkarieren diese Bemühungen. Darauf gibt es nur eine Antwort: Derartigen Bestrebungen muss sofort ein Riegel vorgeschoben werden.
Lückenlose Verschlüsselung von Sender zu Empfänger ist der einzig wirksame Weg, vertrauliche Kommunikation zu gewährleisten. Die weltweit wichtigste Software zur verschlüsselten E-MailKommunikation dieser Art ist GNU PG – GNU Privacy Guard –, basierend auf PGP, ein Verschlüsselungsverfahren, welches mit öffentlichen und privaten Schlüsselpaaren arbeitet. Wir haben hier darüber bereits debattiert. In diesem Plenum wurde auf unsere Initiative hin ein gemeinsamer Beschluss gefasst, das Wissen über genau diese Lösung zu verbreiten. Der Landtag bietet sie auf Initiative der Piraten für die Landtags-IT.
Wussten Sie, dass diese Software von einem einzigen Entwickler aus Deutschland stammt und gewartet wird?
Der Mann kommt aus Erkrath, ganz in der Nähe. Ausgerechnet diesem Menschen drohte dieses Jahr, das Geld für seinen Lebensunterhalt auszugehen. Durch eine Crowdfunding-Kampagne konnte das abgewendet werden.
Wie geringschätzig kann man überhaupt sein angesichts der immensen Bedeutung dieser Software für unsere Kommunikation? Sollten wir diesen Mann nicht bezahlen? Sollten wir nicht noch viel mehr Entwickler bezahlen und daran setzen, mehr solcher Software noch besser und noch einfacher benutzbar zu machen? Darin steckt doch auch ein Wirtschaftsfaktor für unser Land. Dienstleistungen und Produkte rund um Sicherheit könnten ein Standortfaktor für NRW sein. Das bietet Arbeitsplätze.
Heute liegt unser Antrag hierzu vor. Darin enthalten sind ganz konkrete Beschlüsse und Maßnahmen, die die Politik dieses Bundeslandes hier sofort einleiten kann. Reden Sie sich nicht heraus! Stimmen Sie diesen Beschlüssen zu! Fordern Sie mit uns diese Maßnahmen ein! – Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank. – Herr Lürbke, Sie sprachen davon, dass wir hier die Welt nicht retten können. Das ist wohl richtig. Aber wir könnten damit beginnen, die Möglichkeiten für uns und für unsere Bürger einzuführen. Das steht auch explizit so in dem Antrag. Insofern kann ich das nicht ganz verstehen.
Zweitens. Das Grundrecht auf Verschlüsselung ist sehr wohl etwas anderes als ein Grundrecht auf Integrität der Kommunikation. Denn – das wird Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben sein – in der letzten Zeit gibt es sehr starke Tendenzen dahin gehend, dass diskutiert wird, ob man Verschlüsselungen nicht verbieten bzw. verpflichtend Hintertüren einbauen solle. Genau dem gilt es einen Riegel vorzuschieben.
Zum Dritten würde ich gerne Ihre Anregung aufgreifen; ich habe jetzt mehrfach gehört, wir hätten den
Antrag doch überweisen sollen. Ich lade die anderen Fachabgeordneten sehr gerne ein, einen gemeinsamen Antrag zur Einreichung in die Ausschüsse zu formulieren. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und hinter den Bildschirmen! So ganz einig sind wir uns offenbar doch noch nicht, soweit ich das sehe.
Wir Piraten können dem Antrag ohnehin nicht hundertprozentig folgen. „Wasch mir den Pelz, aber