Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Der bisherige „Runde Tisch Breitband“ ist ergebnislos, und wir bringen, ebenso wie die Piraten, Woche für Woche Anträge in diesen Landtag ein, wie bei Breitband mehr geschehen kann, mit sehr konkre

ten Vorschlägen. Sie haben irgendwann einmal mit einer Koalition der Einladung begonnen. Wenn Sie das ernst nehmen würden … Ich weiß nicht, ob das heute noch gilt, oder ob das nur in der Zeit, als Sie von der Linken geduldet wurden, galt. Aber wenn das noch heute gilt, würde ich mir die einmal anschauen. Da haben Fachleute konkrete Ideen entwickelt, wie wir vorankommen können. Sie lehnen das in diesem Landtag alles ab. Es ist die alte Arroganz der Macht, die Sie wieder gepackt hat. Nicht mehr zuhören, sondern alles ablehnen!

(Beifall von der CDU und der FDP – Verein- zelt Beifall von den PIRATEN – Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir warten auf den ersten Vorschlag!)

Den bekommen Sie jetzt sofort, Herr Körfges. Sie können Vorschläge haben. Ich habe Ihnen ja gerade gesagt: Wenn Sie nur einmal die Anträge lesen und sie bearbeiten würden, hätten Sie Vorschläge in Hülle und Fülle. Daran könnten Sie einmal richtig arbeiten, Herr Körfges. Es wäre für Sie doch mal eine originelle Idee, an Anträgen zu arbeiten.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Ein ganz neues Verständnis eines Abgeordneten: Anträge lesen und überlegen „Kriegen wir das hin?“

(Heiterkeit von der CDU)

Sie machen Vorschläge, wie das E-Government …

(Marc Herter [SPD]: Jetzt sind wir auf Ihrem Niveau angekommen!)

Sie können da auch noch lernen, Herr Herter. Auch Sie können von Anträgen lernen, Sie ganz besonders.

Ich mache Ihnen einmal einen Vorschlag. Sie machen hier eine große Rede, wie E-Government in Zukunft Bürokratie abbauen könnte. Dann sagen Sie: Die Vorschriften, die es gibt, sind jetzt online zugänglich.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Bürokratieabbau würde bedeuten, Vorschriften nicht online zugänglich zu machen, sondern Vorschriften abzuschaffen. Das wäre doch einmal eine originelle Idee.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Das wäre doch der smarteste Vorschlag. Zu „smart Bürokratieabbau“ kommt jetzt der Vorschlag: Sofort Tariftreue- und Vergabegesetz abschaffen!

(Zuruf von der SPD)

Schon haben Sie einen Schub in diesem Land.

(Beifall von der CDU)

Smarter Vorschlag!

(Zurufe von der SPD)

Dafür brauchen Sie keine digitalen Quartierlotsen. Das können Sie hier im Landtag beschließen.

(Christian Lindner [FDP]: Mindestlohndoku- mentationsverfahren!)

Das Nächste ist: Wie bekommen wir diesen gefesselten Riesen Nordrhein-Westfalen entfesselt? Ob Mittelstand oder Start-up-Unternehmen – der digitale Wandel erfordert Kapital in den Unternehmen. Die Firmen brauchen mehr von dem, was sie erwirtschaften, um es zu reinvestieren. Denn das, was Sie an Digitalisierung zu Recht beschrieben haben, erfordert einen großen Investitionsbedarf in den nächsten Wochen und Monaten.

Was Sie aber machen, ist, diejenigen, die da wirtschaften, noch einmal zusätzlich zu belasten: Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer, Wasserentnahmeentgelt, immer neue Steuerformen zu erfinden und die Kommunen, die in Haushaltsnöten sind, noch einmal zu nötigen, als Erstes die Steuern zu erhöhen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das ist genau das, was diesen Start-up-Unternehmen, die dann etwas erwirtschaften, fehlt. Wir brauchen Mittel, die Investitionen in Digitalisierung voranbringen. Deshalb hängt die neue digitale Welt ganz eng mit der alten analogen Welt zusammen.

Nun haben Sie über die analoge Infrastruktur, über die Baustellen und die Leverkusener Brücke, die Bundeswasserstraßen und die Bundesautobahnen gesprochen. In der Tat wird das wichtig. Denn was nützen kommunizierende Autos und Lastwagen, wenn dann alle gemeinsam im Stau stehen? Es muss den Sinn haben, dass Infrastrukturdefizite da, wo sie sind, abgebaut werden. Sie haben gesagt: Da muss der Bund mehr tun,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!)

und es sei ein bayerischer Verkehrsminister, der verhindert, dass dort mehr getan wird.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie immer!)

Sie wissen ganz genau, dass Sie abgeschlossene Planfeststellungverfahren brauchen. Alle Planfeststellungsverfahren, die hier bei Bundesstraßen abgeschlossen werden, bekommen auch Bundesgeld. Das wissen Sie ganz genau. Bis vor Kurzem haben Sie Bundesgeld zurücküberwiesen. Deshalb: Smart hin, smart her – machen Sie Ihre Hausaufgaben und stellen Sie eine Infrastruktur analog her, damit diese Autobahnen gemacht werden!

(Beifall von der CDU)

Damit es „smart Traffic“ gibt, braucht man mindestens Traffic, also Verkehr, der sich in diesem Land bewegt.

Jetzt sage ich nur eines – darüber sind so leicht weggegangen –: Das ist eine große Debatte, die geführt wird, kontrovers in allen Parteien, auch in

unserer. „Wir sind für Netzneutralität“, haben Sie gesagt.

Ich finde, wir müssen eine ernsthafte Debatte darüber führen, ob es Felder gibt, bei denen man priorisieren muss. Wenn Sie selbstfahrende Lkws haben, die ganz eng hintereinander fahren – Sie haben über das Sicherheitsrisiko gesprochen, das Sie in Davos erörtert haben –, wenn wir den Verkehr ganz eng, ganz schnell zusammenführen, brauchen Sie dafür eine Priorisierung. Wenn Sie bei medizinischen Leistungen Top-Medizin anbieten wollen, brauchen Sie eine Priorisierung. Dann muss das, was da übertragen werden soll, schneller sein als meine Mail an irgendwen.

Diese Debatte ist nicht abgeschlossen, hätte aber auch hierhin gehört. Das gilt auch für die digitale Wirtschaft. Wenn wir hier Spitze sein wollen, brauchen Sie Priorisierung. Nicht jede App, die jeder zu jeder Sekunde abruft, hat die gleiche Priorität wie ein Notfall in einem Krankenhaus oder ein schnelles Fahrzeug auf der Autobahn. Diese Debatten müssen wir führen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir brauchen auch Regeln im Internet. Wir wollten das freie Internet; das war einmal eine große Piratenidee, die auch richtig war. Wir brauchen aber auch in diesem Internet Regeln.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Da gibt es schon Regeln!)

Das ist ja gut, da sind wir uns ja einig. Wir brauchen nur die Debatte darüber und keine leichtfertigen Schlagworte, was da alles stattfindet.

Sie haben gesagt: Sie wollen Nordrhein-Westfalen zum Start-up-Land Nummer eins machen. Da könnten wir uns – Sie, wir in der Opposition, Bayern vielleicht gleich mit – beim Bund dafür starkmachen, die notwendigen Fördermechanismen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir brauchen Investitionszuschüsse zu Wagniskapital, wir brauchen steuerwirksame Sofortabschreibungsmöglichkeiten bis hin zur Steuerfreistellung von Gewinnen bei Beteiligungsveräußerungen, gerade in diesem Teil der Wirtschaft. Und wenn wir das zusammen angehen, kann man dazu vielleicht in Berlin auch einiges erreichen.

(Beifall von der CDU)

Ich habe kürzlich von Prof. Pinkwart, unserem früheren Wissenschaftsminister, gehört, dass er das Thema „Reverse Mentoring“ in die Debatte eingebracht hat. Das wäre auch eine Idee für die Landesverwaltung. Das heißt, junge Arbeitnehmer, die oft viel affiner zu diesen neuen Medien sind und ganz anders in diese Thematik hineingewachsen sind, machen mithilfe moderner Informationstechnologien Schulungen in Betrieben für ältere Arbeitnehmer. Also das, was man üblicherweise lernt, dass der Erfahrenere der Ältere ist, der den Jüngeren anlernt,

könnte man umdrehen. In der öffentlichen Verwaltung könnten Sie damit beginnen, dass solche Pilotprojekte auch in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Das Gleiche gilt für die digitale Weiterbildung, die ebenfalls ein Thema sein sollte.

Dann haben Sie über – ich fand, es war ein zu starkes Wort – das Menschenrecht auf Unerreichbarkeit gesprochen. Menschenrechte sind ganz wesentliche Rechte. Man kann sagen: Wir brauchen Zustände, wo man auch einmal unerreichbar ist. Das sei jedem zugestanden. Aber ein Menschenrecht auf Unerreichbarkeit zu fordern, in einer Zeit, in der Uber und ähnliche Unternehmen jetzt plötzlich aus dem Boden sprießen und in immer neuen Berufsformen entlang unserer Regeln, die wir haben, plötzlich neue Arbeitsplätze entstehen, ist es meines Erachtens eine Frage, über die Sie noch einmal nachdenken sollten, ob das wirklich die richtige Tonlage ist, um dieser Digitalisierung gerecht zu werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Menschen haben nämlich existenzielle Ängste. 34 % haben in einer Umfrage gesagt, Sie haben Angst, menschlich überflüssig zu werden in einer solchen Gesellschaft. Es gibt eine Studie von Benedikt Frey und Michael Osborne, zwei Wissenschaftler der Universität Oxford, die untersucht haben, dass 47 % der Arbeitsplätze, die wir heute kennen, potenziell wegfallen können. Sie haben genau die Berufe identifiziert, die es betrifft. Es sind 700 Berufe, die auf ihre Ersetzbarkeit durch automatisierte und digitale Prozesse hin analysiert wurden. Das war nicht der Physiotherapeut, nicht der Arzt, auch nicht der Psychologe, aber das waren Kassierer, Rechtsanwaltsgehilfen, Banker, Makler, Bibliothekare, Call-Center-Mitarbeiter und viele mehr – eine lange, lange Liste von Menschen, die sich voll Sorge fragen: Was wird denn aus meinem Arbeitsplatz in dieser digitalisierten Welt?

Ich denke, auch das müssen wir ernst nehmen, auch das müssen wir thematisieren. Und das gelingt uns nicht, indem wir ein Menschenrecht auf Unerreichbarkeit erfinden,

(Beifall von der CDU)

sondern indem wir uns mit diesen Berufen beschäftigen.