Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir müssen alle Talente entdecken und fördern, die wir haben. Wir werden darum bis zum Jahr 2020 rund 40 Talentscouts an unseren Hochschulen ausbilden. Circa 22 Millionen € werden wir in die Talentförderung im Hochschulbereich investieren.

Es geht nicht nur um Hochschulbildung. Es geht nicht nur um schulische Bildung. Wir wissen auch um die Stärke der dualen Ausbildung in diesem Land. Damit die auch in Zukunft ihre treibende Kraft entfalten kann, werden wir im Rahmen des Ausbildungskonsenses in diesem Jahr eine große Kampagne „Duale Ausbildung“ starten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn wir wollen, dass diese Ausbildungssysteme auf Dauer auch in die neue Zeit mit überführt werden.

Meine Damen und Herren, das größte Risiko für unsere Wirtschaft besteht darin, die Chancen zu verpassen und nicht die Rolle als Treiber der Digitalisierung in Deutschland und in der Welt zu übernehmen.

Klar ist aber auch, neue Geschäftsmodelle, neue Produkte, der schnelle Takt der digitalen Entwicklung stellt die Wirtschaft vor noch einmal erhöhte Anforderungen an Flexibilität und Innovationskraft. Niemand sollte glauben, es gäbe zahlreiche Ni

schen, die vom digitalen Wandel vergessen werden. Es sind mehr betroffen, als sich viele heute schon ausmalen.

Wenn wir die Möglichkeiten nutzen, dann kann „Industrie 4.0“ zum großen Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft werden, insbesondere hier in Nordrhein-Westfalen. Dann können – so Prognos im Rahmen der Studie – bis 2025 in den Kernbranchen des Landes rund 15,6 Milliarden € an zusätzlicher Wertschöpfung und Chancen für zusätzliches Wachstum entstehen. Wir wollen dazu beitragen, dass dieses Wachstum auch stattfindet, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dazu müssen eine Menge Dinge gerade in den Unternehmen vorbereitet werden, neue Geschäftsmodelle, die Überarbeitung von Strategien, Strukturen und Abläufen, das Verhältnis zum Kunden, der Ablauf der Produktion, Wartungen. Wie wird das eigentlich in Zukunft organisiert? Alles das wird auf den Prüfstand zu stellen sein und wird überarbeitet werden müssen.

Es stellen sich Fragen wie: Wer ist künftig noch Hersteller von was? Wer ist Zulieferer? Das werden Themen sein, die ich mit den Unternehmen dieses Landes, mit Industrie, Handel, Dienstleistung und Handwerk, aber auch mit Gewerkschaften und Wissenschaft im Rahmen einer Gesprächsreihe „Digitaler Aufbruch“ diskutieren werde, die im März dieses Jahres beginnen wird.

(Christian Lindner [FDP]: Runder Tisch!)

Dass noch nicht alle Unternehmen die Herausforderungen annehmen, bestätigen die Studienergebnisse der DZ BANK. Das Institut geht davon aus, dass aktuell 70 % der kleinen und mittleren …

(Christian Lindner [FDP]: Wir wollen auch noch einen runden Tisch!)

Ich weiß, Sie sind in der digitalen Welt schon so zu Hause. Sie wissen das alles, Herr Lindner. Aber es wäre nett, wenn Sie uns doch einmal einen Moment Ruhe gönnen könnten. Das wäre nett von Ihnen. Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Also: Die DZ BANK hat Studienergebnisse vorgestellt. Die müssen uns Sorgen machen. Die DZ– BANK-Studie besagt, dass 70 % der kleinen und mittleren Unternehmen der Digitalisierung noch keine ausreichende Relevanz beimessen. Hier werden wir gegensteuern. Hierzu werden wir Gespräche führen. Wir werden aktiv für die Chancen des digitalen Wandels werben.

Um diesen Prozess voranzutreiben, hat der Wirtschaftsminister Garrelt Duin im März 2014 Prof. Dr. Kollmann zum Beauftragten für die Digitale Wirtschaft ernannt. Er ist der direkte Ansprechpartner und entwickelt konkrete Ideen zur Unterstützung

der Branche in Nordrhein-Westfalen. Er koordiniert die Arbeit des Beirats Digitale Wirtschaft.

Was „Industrie 4.0“ in der Praxis heißt, davon kann man sich schon heute in der SmartFactory am CENTRUM INDUSTRIAL IT in Lemgo ein Bild machen. Hier forschen die Hochschule OstwestfalenLippe und die Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam mit Partnern aus der Industrie an innovativen Steuerungs- und Produktionstechnologien.

Ostwestfalen ist übrigens insgesamt stark in Sachen „Industrie 4.0“. Das Spitzencluster „it’s OWL“ ist deutschlandweit das größte Industriecluster dieser Art mit 174 Unternehmen, Hochschulen, Forschungszentren und wirtschaftsnahen Organisationen. Das ist Bündelung von Kompetenz, so wie es in NRW eingeübt ist. Das ist das, was unser Land stark macht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das reicht noch nicht aus. Dafür braucht es auch weiter Unterstützung. Als Land werden wir insgesamt 640 Millionen € in innovative Zukunftsprojekte unserer Wirtschaft mit Schwerpunkt Digitalisierung investieren, und zwar in Projekte, die sich in unseren Leitmarktwettbewerben durchsetzen. Dabei geht es nicht nur um SmartFactory. Dabei geht es um Energiesicherheit, Energieeffizienz durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien, um Logistik, um Medizintechnologie, um die Schlüsselbranchen Fahrzeugbau einschließlich der Zulieferung, Cloud Computing, um leistungsfähige Netze und es geht darum, dass diese hoch vernetzte Welt sicher sein muss.

Im Bereich Medien ist die Bedeutung der Digitalisierung früher und stärker deutlich geworden als in anderen Bereichen. Nordrhein-Westfalen hat sich dieser Entwicklung mit großem Erfolg gestellt. Das Land hat sich weiterentwickelt zum führenden Medien- und Kreativstandort in Deutschland und zu einem der stärksten in Europa.

Aber wir müssen weiter Innovationen und Vielfalt fördern. Die Film- und Medienstiftung NRW hat 2014 darum zum Beispiel das europaweit erste Förderprogramm für Webvideo-Macher unterstützt. Wir fördern auch das UFA LAB in Köln, einen Ort für kreative Innovationen im Webvideobereich.

Aus Mitteln des Landes wird so eine Vielzahl kleiner engagierter Vorhaben der Kreativwirtschaft unterstützt, für die Musikwirtschaft mit einem Designerkongress. Es gilt, die heterogene und kleinteilige Branche besser miteinander zu vernetzen und eine größere Sichtbarkeit zu gewährleisten. Das ist Voraussetzung für Erfolge am Markt, regional, national und international.

Daneben sorgt der Leitmarktwettbewerb CreateMedia.NRW für einen Innovationsschub in der Medien- und Kreativwirtschaft. 40 Millionen € stehen bis 2020 für solche innovativen Projekte zur Verfügung.

Nehmen wir auch den Bereich Gaming – Spielen. Es gehört vor allem für jüngere Menschen zum Alltag dazu. Aber die Grundlagen werden jetzt zunehmend auf andere Felder übertragen: zum Beispiel Schulung für die Chemieindustrie, Prozesse im Automobilbau. Köln ist ein wichtiges Zentrum für die Entwicklung von Health Games, wie es so schön heißt, also für die Gesundheit, für kranke Kinder, oder von Apps in diesem Bereich etwa für Menschen, die an Depressionen leiden.

Die Landesregierung unterstützt diese kreativen Ansätze gezielt bei der Erschließung von Märkten zum Beispiel mit Kongressen und Workshops in Kooperation mit Wirtschafts- und Gesundheitsministerium. Frau Steffens kann heute leider nicht hier sein; aber hier wird eine hervorragende Arbeit geleistet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie breit dieses Feld ist, zeigt sich daran, dass wir digitale Herausforderungen auch im Bereich Energie haben. Digitale Technologie hilft uns, eine der größten Herausforderungen der Energiewende zu bestehen, die Erzeugung erneuerbarer Energien mit der Energienutzung zu harmonisieren. Wenn viele Tausend dezentrale Energieerzeuger einspeisen – Solaranlagen, Windparks und andere –, kann dies zu erheblichen Netzschwankungen führen und damit Industrieanlagen potenziell empfindlich beschädigen.

An der Universität Wuppertal wurde zusammen mit einem Industriepartner das Gerät iNES – intelligente Ortsnetzstation – entwickelt. Das ist Smart-GridTechnologie. Es wird in einigen Ortsnetzen bereits eingesetzt. Stromsensoren alarmieren iNES, wenn plötzlich die Netzspannung auf gefährliche Werte steigt. Das Netz reagiert dann sofort und regelt beispielsweise Solaranlagen herunter. Das ist ein Element, das bereits jetzt funktioniert und den HERMES AWARD 2014 gewonnen hat.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Durch eine intelligente Vernetzung von vielen dezentralen Energieerzeugern und Verbrauchern kann und muss das schwankende Angebot von Sonnen- und Windstrom optimiert werden.

Erneuerbare Energien effizient zu nutzen, bedeutet auch, die Möglichkeiten eines virtuellen Kraftwerks auszuloten. Ein Pilotvorhaben zum virtuellen Kraftwerk wollen wir nach Nordrhein-Westfalen holen. Wir arbeiten intensiv an der Bewerbung mit Unternehmen der Stromerzeugung, der Stromverteilung und der energieintensiven Industrie hier im Lande. Denn nur durch eine intelligente Verbindung erneuerbarer Energien mit gesicherter Leistung schaffen wir die Energiewende und erhalten die Versorgungssicherheit. Das ist ein wichtiger Faktor für die weitere Zukunft unseres Landes.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren, wichtig sind die Grundlagen. Nordrhein-Westfalen ist beim schnellen Internet im Vergleich zu anderen Flächenländern vorne.

(Zurufe von der CDU)

Ich empfehle Ihnen, heute einfach mal die Tageszeitung oder die Presseschau zu lesen. Dort haben Sie die Daten, die ich jetzt noch mal vortrage.

Mitte 2014 waren 70,7 % der Haushalte mit Übertragungsraten von 50 Mbit/s oder mehr ausgestattet. Damit liegen wir knapp vor Baden-Württemberg und deutlich vor Bayern. – Da darf man auch mal klatschen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von den PIRATEN: Oh!)

Aber damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Dafür haben diese Netze eine zu große Bedeutung im digitalen Wandel. Wir müssen die noch bestehenden weißen Flecken erschließen, und deshalb haben wir bereits vor einem Jahr den „Runden Tisch Breitband“ gegründet und Maßnahmen zum beschleunigten Netzausbau beschlossen. Denn unsere Zusage steht: Wir werden dafür sorgen, dass bis 2018 die noch fehlenden Kommunen im ländlichen Raum an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dabei sind intelligente Lösungen gefragt. Es geht nicht nur darum, Milliarden in den Raum zu stellen, es geht darum, jeweils vor Ort kostengünstige und intelligente Lösungen zu finden. Das ist der Weg, den wir gehen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir setzen auf die Zusammenarbeit der Partner vor Ort, um diese intelligenten Lösungen schnell, gezielt und kostengünstig für alle Beteiligten umzusetzen.

Ich möchte dazu zwei Beispiele nennen:

Das erste ist Wettringen im Kreis Steinfurt. Der Bürgermeister persönlich sorgte 2013 zusammen mit seinem Wirtschaftsförderer durch direkte persönliche Ansprache der Anwohner und der ansässigen Betriebe und Kooperation mit Stadtwerken und Netzbetreibern dafür, dass im Ortskern und dem angrenzenden Gewerbegebiet Glasfaserkabel verlegt wurden. Das ist eine intelligente Initiative: Marktmacht herstellen, indem man sich zusammentut.

(Zuruf von der CDU)

Das Gleiche ist übrigens in Hamminkeln passiert. Dort war es ein bürgerschaftliches Engagement, in das dann auch die Wirtschaft eingestiegen ist. Das sind intelligente Konzepte.