Protokoll der Sitzung vom 30.01.2015

Vielen Dank, Herr Minister. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache zu dieser Aktuellen Stunde. Ich schließe die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

3 Bürger wirksam schützen statt überwachen –

Sicherheit braucht personalstarke Sicher

heitsbehörden statt anlasslose Vorratsdatenspeicherung

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/7775

In Verbindung mit:

Nordrhein-Westfalen fordert eine verfas

sungskonforme Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7772

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/7849

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die FDPFraktion dem Herrn Kollegen Dr. Orth das Wort. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dies zumindest in dieser Wahlperiode – man weiß ja nie, was die Zukunft bringt – die letzte Rede des Kollegen Orth ist, zu der ich ihm jetzt das Wort erteile.

(Beifall von allen Fraktionen)

Lieber Herr Präsident, herzlichen Dank für die freundlichen Worte zu Beginn. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am letzten Mittwoch in diesem Landtag als politische und gesellschaftliche Reaktion auf diese schlimmen Anschläge über alle Fraktionen hinweg das klare Signal gesetzt, dass wir in Nordrhein-Westfalen fest entschlossen sind, den Geist und die Geltung der Menschen- und Bürgerrechte mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates gegen Feinde der offenen Gesellschaft zu verteidigen.

Unsere schärfste Waffe ist nun mal die gelebte Freiheit. Sie beginnt mit der Freiheit des Wortes. Wir stehen ein für Demokratie und Vielfalt. Es ist daher unseriös und populistisch, nach solchen terroristischen Untaten reflexartig immer wieder verschärfte Gesetze einzufordern.

(Beifall von der FDP, der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wir Liberale lehnen klar jede Instrumentalisierung des Terrors von Paris ab.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wie aber reagieren die Innenminister? – Der Bundesinnenminister und leider auch unser Landesinnenminister sagen, die Überwachung aller Vorratsdaten sei rechtens, wir bräuchten sie.

Was sagen dagegen der Bundesjustizminister und der Landesjustizminister? – Sie sagen, eine solche Speicherung verstoße gegen die Grundrechte. Anstatt die Telefondaten aller Bundesbürger zu speichern, sollten wir uns viel mehr um die Verdächtigen kümmern.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir Liberale stellen uns klar an die Seite der Justizminister.

(Beifall von der FDP)

Wir sind dafür, die Bürger wirksam zu schützen. Wir brauchen gut ausgerüstete Sicherheitsbehörden statt anlasslose Totalüberwachung.

Die ganz überwiegende Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen ist sicherheitspolitisch betrachtet vollkommen harmlos. Sie haben nichts vor. Sie schreiben Mails, sie kommunizieren. Das ist auch gut so. Nur weil das jetzt elektronisch erfolgt, müssen wir doch nicht dem Wahn verfallen, dies alles aufzeichnen zu wollen.

Stellen Sie sich vor, Sie gingen durch eine Tür, über der eine Kamera angebracht wäre, und man sagte, alle Leute würden erst mal gefilmt, denn man wisse ja nie, ob man nicht später mal wissen wolle, wer hinein- und wer hinausgegangen sei.

Denken Sie auch an die Mautdaten. Diese Debatte ist neu hochgekommen.

Das alles ist in meinen Augen gruselig. Wir sind dafür, solche Fehler nicht zu machen.

Herr Laschet, Sie haben bei „Hart aber fair“ gesagt, man komme schließlich auch mit richterlichem Beschluss in eine Wohnung. – Dazu kann ich nur sagen: Ja, da ist ein Verdacht vorhanden. Dem geht man nach. Und das ist auch gut so. Das kann man aber auch heute schon.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Wir sind aber dagegen, anlasslos jeden unter Pauschalverdacht zu stellen.

Wenn ich im nächsten Monat einer ehemaligen Referentin von uns eine Mail schreibe, dann hat das eigentlich niemanden was anzugehen. Es wird wahrscheinlich auch niemanden mehr was angehen. Wenn aber der Herr Innenminister einer ehemaligen Referentin eine Mail schreibt, könnte das irgendwann eine Staatskrise auslösen, weil nämlich alle Daten, die wir irgendwo erheben, auch ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Ich möchte aber nicht, dass der Innenminister oder jemand von uns oder jemand draußen überhaupt jemals in die Lage kommt, sich rechtfertigen zu müssen, warum er mit wem spricht und warum er an welcher Stelle war. Das sind Dinge, die wir in einem Rechtsstaat nicht wollen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Ich bin der Ansicht, wir müssen auch bei der Vorratsdatenspeicherung unseren Kompass bewahren. In dem Sinne möchte ich Folgendes kurz Revue passieren lassen – das ist heute meine letzte Rede –:

Ich habe immer versucht, bei diesen Themen einen gewissen Kompass walten zu lassen. Ich habe den Maßstab in den Debatten in der eigenen Fraktion angelegt. Sie ist mir dabei auch fast immer gefolgt. Dafür möchte ich mich heute sehr herzlich bei meiner Fraktion bedanken.

Mit diesem Kompass werde ich das Geschehen hier auch zukünftig von zu Hause aus mit meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern, verfolgen. Dank der Piraten können wir das Ganze jetzt ja auch live im Stream verfolgen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das konnten Sie vorher schon! Ehre, wem Ehre gebührt! – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hoffe allerdings, dass das irgendwann auch mit unterdrückter IP-Adresse möglich ist.

Als wir mit dem Rechtsausschuss in Israel waren, waren wir alle – egal ob SPD, CDU, Grüne, Piraten, FDP – Bürger Nordrhein-Westfalens. Auch das sollte ein Kompass für unser Handeln sein. Ich wünsche mir, dass Sie in dem Sinne demnächst auch fraktionsübergreifend im Interesse von NordrheinWestfalen Erfolg haben.

Meine Rolle hier ist jetzt erst mal beendet. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit in einigen Hundert Sitzungen, bei einigen Hundert Reden. Ich habe immer versucht, die Menschen zu überzeugen. Vielleicht habe ich auch zum Nachdenken angeregt. Vielleicht habe ich auch mal Meinungen geändert. Bei denen, die ich vielleicht mal verletzt habe, möchte ich mich ausdrücklich dafür entschuldigen.

Ich sage jetzt einfach: Tschüs! Bis bald, wo auch immer. – Herzlichen Dank.

(Langanhaltender lebhafter Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Lieber Dr. Orth, auch ich möchte mich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen bei Ihnen sehr herzlich für Ihre parlamentarische Arbeit bedanken. Sie waren seit dem Jahre 2000 Mitglied des Landtags NordrheinWestfalen, also 15 Jahre. Unter anderem waren Sie stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion und Vorsitzender des Rechtsausschusses. Sie haben unsere Debatten insbesondere in Fragen der Rechtspolitik und der Innenpolitik nachhaltig bereichert und die Landtagsdebatten mitgeprägt. Dafür möchte ich mich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich bei Ihnen bedanken.

Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute. Sie sind ja Düsseldorfer. Das heißt, Sie arbeiten und leben im Schatten des Landtags. Dann vergisst man auch die Arbeit des Landtags nicht, insbesondere dann nicht, wenn man diesem Parlament 15 Jahre angehört hat.

Vielen Dank für diese 15 Jahre im nordrhein-westfälischen Landtag. Alles Gute für Ihre private und berufliche Zukunft!

(Anhaltender Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort Herr Kollege Golland.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Richterbund hat in seiner Pressemitteilung vom 15. Januar dieses Jahres erklärt, eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in

Deutschland sei – ich zitiere – „verfassungs- und europarechtskonform umsetzbar“.

Zur Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung heißt es in der Pressemitteilung wörtlich:

„Die Ermittlungsbehörden brauchen dieses Instrument. In nahezu allen Bereichen schwerer Kriminalität sind Telefon- und Internetverbindungsdaten ein wesentlicher, oft der einzige Ansatz für Ermittlungen.“

Dass der sonst eher zurückhaltende Richterbund derart eindeutig Stellung zu einer Frage der inneren Sicherheit bezieht, ist außergewöhnlich und macht vor allem eines deutlich: Die Behauptung, Vorratsdatenspeicherung sei ein verbotener Grundrechtseingriff, ist schlichtweg Unsinn. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof haben unmissverständlich klargestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung ein legitimes Mittel ist, um schwere Kriminalität zu bekämpfen. Da beide Gerichte in ihren Urteilen zudem beschrieben haben, unter welchen Bedingungen Vorratsdatenspeicherung betrieben werden darf, liegt die Blaupause für eine verfassungskonforme Neuregelung bereits auf dem Tisch.