Wir sind nur für Fairness, wenn es um diese Schulformen geht. Sie haben es bislang eben noch nicht vermocht, allen Wünschen, die etwa die Gymnasien nach dem Ganztag haben, zu entsprechen, weil Sie immer nur eine ganze Schule in den Ganztag überführen wollen. Praktiker sagen Ihnen: Erlaubt uns, dass wir auch einzelne Klassenzüge in den Ganztag überführen! – Das wäre Bedarfsgerechtigkeit.
Wenn Sie in Ihrer Regierungserklärung vielleicht noch ein paar Sätze zu der Realschule und zum Gymnasium sagen würden, könnte ich diesen Schulkonsens ernst nehmen.
Meine dritte Bemerkung mache ich zum Thema „Energie“. Herr Priggen, Sie haben zum Thema „Energiepolitik“ gesprochen, und zwar durchaus auch mit Bezug zum Bund. Wir müssen aber schon sehen, dass in diesem Herbst die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz steigt. Wir haben die Situation, dass durch die Anlage des EEG der Preis an der Strombörse sinkt – damit werden auch fossile Energieträger weniger rentabel sein –, aber die Stromkosten für die Bürgerinnen und Bürger durch die Umlage beim EEG steigen. Hier brauchen wir Veränderungen. Es kann nicht sein, dass politisch entschieden wird, welcher Energieträger für 20 Jahre garantierte Renditen bekommt. Wir brauchen vielmehr einen Effizienzwettbewerb, welcher Energieträger der beste ist, der kostengünstigste ist. Das ist in Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit nicht die Fotovoltaik, es sind eher Wasser und Wind.
Darum geht es, Herr Priggen, in diesem sogenannten Geheimpapier, auf das Sie hingewiesen haben und das seit drei Wochen auf unserer Website zu finden ist. Es geht darum, die Energiewende effizient zu gestalten. Wir wissen: Sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie muss aber nicht so teuer sein, wie sie es wäre, wenn wir an den roten und grünen Instrumenten festhalten würden.
Vierter Punkt! Mit Blick auf die Steuer-CDs hat Gerhart Rudolf Baum, Frau Löhrmann, den Sie eigentlich auch schätzen, dieser Tage in einem Beitrag etwas sehr Kluges gesagt. Gerhart Baum hat sich natürlich gegen Steuerhinterziehung als Anschlag auf das Gemeinwohl gewandt. Aber als Bürgerrechtler, der sogar als Experte von der grünen Bundestagsfraktion zu diesen Fragen eingeladen wird, hat er einen wichtigen Satz gesagt. Er hat gesagt: Auch der beste Zweck heiligt beim Rechtsstaat nicht die unappetitlichen Mittel. – Da hat Gerhart Rudolf Baum recht. Es ist kein Decken von Steuerhinterziehung, sondern es ist die Verteidigung der Würde des Rechtsstaates, wenn er nicht alles macht, was er kann. Es gehört sich nicht, dass der Rechtsstaat sich in die Nähe von Dieben und
Datenhändlern begibt. Er muss mit rechtsstaatlichen Mitteln dafür sorgen, dass Steuerhinterziehung aufgeklärt wird, und darf nicht in die Halbwelt abgleiten.
Damit komme ich zu dem letzten Punkt, den ich mit Blick auf die Haushaltsentwicklung unter der alten, schwarz-gelben Landesregierung ansprechen will. Sie wissen, im Jahre 2010/2011 wäre ein ausgeglichener Landeshaushalt möglich gewesen, hätten wir nicht einen massiven Konjunktureinbruch erlebt. Sie sind nicht in der Lage, in einer Boomsituation den Haushalt auch nur annähernd auszugleichen, Frau Kraft. Der Bundeshaushalt sinkt seit Jahren im Volumen. Gestern ist einer vorgelegt worden, der im Volumen kleiner ist. In Ihrer Finanzplanung steigt das Volumen des Landeshaushaltes jedes Jahr. Deshalb setzen Sie auch auf mehr Einnahmen: weil Sie das Volumen des Staates, die Tätigkeit des Staates ausdehnen wollen. Das ist das politischkulturelle Problem, das wir haben und wo wir ein neues Denken brauchen. Nicht die Einnahmesituation des Staates ist zu niedrig. Die Erwartungen an den Staat sind zu hoch. Wenn sich das nicht ändert, werden Sie niemals ausgeglichene Haushalte bekommen.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Walter-Borjans gemeldet. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, es mag ja für die Zuhörer schön sein, wenn Sie ohne Manuskript reden; das kommt immer gut. Wenn Sie dabei allerdings jede Form des wirklichen Zitierens vergessen, dann weiß man nicht genau, ob das daran liegt, dass Sie sich besser einen Zettel mitgenommen hätten, oder ob das daran liegt, dass Sie falsch zitieren wollen.
Ich will das noch mal an einem Punkt festmachen, den Frau Löhrmann schon angesprochen hat. Was Herr Witzel noch hinzugefügt hat, erhellt das, was Sie offenbar für Ihre Klientel halten.
Es gibt bei der Erbschaftsteuer und bei der Vermögensteuer die Neigung, das, was zu Recht bei der Substanz der Unternehmen gesichert und geschützt werden soll, zu missbrauchen, indem man privates Kapitel verschiebt und eine Scheinfirma, eine Cash GmbH, einrichtet. Sie möchten mich belehren, dass das Eigenkapital ist. Herr Witzel setzt noch einen darauf und sagt: Das ist Investition.
(Christian Lindner [FDP]: Ob Sie von Erb- schaftsteuer oder Vermögensteuer gespro- chen haben, das geht nicht daraus hervor!)
Jetzt gibt es noch diese Spielereien mit der Vergrößerung des Volumens des Haushaltes und mit dem, was das Land vom Bund bekommen hat.
Ich finde die Entscheidung der Bundesregierung, die Mittel für die Grundsicherung im Alter dem Land zur Verfügung zu stellen, um sie von dort an die Kommunen weiterzuleiten, richtig. Aber das erhöht erstens das Volumen. Und zweitens – darüber habe ich auch mit Wolfgang Schäuble schon gesprochen – ist es schön und gut, wenn sich der Bund dafür feiern lässt, aber er nimmt aus der Bundesagentur für Arbeit ein halbes Mehrwertsteuerprozent, um das zu finanzieren. Wo geht die Mehrwertsteuer denn hin? Die geht halbe-halbe an Bund und Länder. Da wird also eine Finanzierung gewählt, die am Ende zur Hälfte von den Ländern mitgetragen wird.
Dass man bei einem Bundeshaushalt mit Militärausgaben, mit wesentlich geringeren Personalausgaben und mit der Möglichkeit, auch mal in die Kasse der Sozialversicherungen zu greifen, ein Volumen verkleinern oder seine Finanzierung verbessern kann, das ist doch kein Wunder.
Überdenken wir doch mal, was wir gerade in den letzten Wochen gehört haben. Der Bundesfinanzminister sagt, er hätte im ersten Halbjahr zum ersten Mal entschuldet. Bitte schön, das haben wir auch. Nordrhein-Westfalen hat zum Ende des ersten Halbjahres netto getilgt. Damit könnte ich eine Presseerklärung machen und sagen: Guckt mal, was wir tun! – Ich weiß allerdings genauso wie der Bundesfinanzminister, dass die eigentlichen Kredite erst zum Jahresende oder vielleicht sogar erst am Anfang des nächsten Jahres aufgenommen werden und dann den Haushaltsplan füllen. Und da stellt man sich mit einer schönen Pressemitteilung in die Öffentlichkeit und lässt sich in der Mitte der Strecke mit einer Falschdarstellung feiern – da kann man auch nicht sagen, das sei vielleicht übersehen worden –, die letztendlich nur dadurch zustande kommt, dass man sich, obwohl man 28 Milliarden € neue Schulden im Haushalt stehen hat, mit dem Plus der Sozialversicherungen und mit den nicht eingerechneten Kassenkrediten auf allen Ebenen den Haushalt schönrechnet.
Jetzt noch mal zum ewig andauernden Thema der Steuer-CDs. Ich stimme Ihnen sofort zu, dass nicht jeder Zweck alle Mittel heiligt. Das ist überhaupt keine Frage. Aber was Sie „unappetitlich“ nennen, das haben Sie in diesem Landtag zusammen mit der CDU mitgetragen, als Helmut Linssen das gemacht hat. Es gibt einen Brief aus dieser Zeit, vom 29. Juni 2010, 16 Tage vor meinem Amtsantritt, in
dem das Bundesfinanzministerium es nicht nur für rechtens erklärt, CDs zu kaufen, sondern in dem es das Land anweist,
Ich habe noch nie ein Interview oder eine Rede nicht dazu genutzt, zu sagen, dass das, was wir jetzt machen, nicht der Idealzustand ist, dass wir eine Regelung brauchen.
Nur, die Regelung, die auf dem Tisch liegt, hat sich Wolfgang Schäuble oder wer auch immer im Bundesfinanzministerium offenbar gar nicht angeguckt.
Ob Sie sie sich angeguckt haben, weiß ich nicht. Ich höre ja heute, wie sensibel ein Herr Lindner ist, dass er, wenn er mal kritisiert wird, sofort hier an den Tisch springt.
Und, Herr Laumann, ich kriege mit, dass Sie einen Beschwerdebrief an meine Chefin schreiben, weil ich Ihnen sage: Ich erkläre Ihnen gern noch mal, was in dem Abkommen steht.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie das Abkommen kennen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn dieses Abkommen durchkommt, dann werden Sie am Ende wieder Beruhigung für die geschaffen haben, die jedenfalls in ihrer Wahlneigung offenbar nicht gerade bei Grün oder Rot, sondern eher anderswo zu verorten sind. Die haben dann ihre Ruhe zurück, und der Finanzsektor in der Schweiz ist in Sicherheit, dass er wieder an billiges Kapital kommt.
Wenn Sie von „Hehlerei“ reden, sage ich Ihnen: Hehlerei ist nicht der Ankauf von Daten zum Zweck der Beendigung von Kriminalität, sondern das ist der Ankauf, um die Kriminalitätskette weiterzuführen.
Das machen Schweizer Banken, weil das Geld der Zufluchtsuchenden – aus welchen Gründen auch immer – schon jahrzehntelang billiges Geld ist. Die stehen unter Druck. Sie müssen ihr Geld zu schlechten Konditionen abgeben. Das tun sie. Und mit diesem Geld wird dann wieder Geld verdient. Dann kann man natürlich auch konservative Anlagestrategien fahren. Da muss man nicht ins große Risiko gehen. Da kommt man an billiges Geld. Und das wollen wir beenden.
Dieses Abkommen beendet das aber nicht. Warum glauben Sie denn, dass die Zahl der Selbstanzeigen völlig eingebrochen ist, als die Leute noch geglaubt
haben, sie müssten nur den 1. Januar 2013 erreichen, um in Sicherheit zu sein? Dann kommt ein Finanzminister, sagt: „Wir haben wieder Zugriff auf Daten und werden auch dafür sorgen, dass dieses Abkommen so nicht durchkommt.“, und plötzlich erhöht sich die Zahl der Selbstanzeigen wieder auf Tausende.
Diese Menschen haben den 1. Januar 2013 nicht mit Furcht erwartet, sondern sie haben Hoffnung damit verbunden. Die ist ihnen jetzt zerschlagen worden. Das zeigt, was in diesem Abkommen steht.
Dass die Schweizer Wirtschaftskommission gestern noch mal erklärt hat, dass sie nicht bereit ist, auch rückwirkend Gruppenanfragen zuzulassen, wohin in diesem Jahr das Geld geht, zeigt doch, was wirklich gewollt ist. Es geht mit diesem Abkommen darum, wieder Ruhe zu schaffen und das Geschäft, das über Jahrzehnte betrieben worden ist, weiterzumachen. Und das werden wir verhindern.
Damit können Sie sich nicht abfinden. Deswegen gehen Sie hin und nennen Betrüger, die ScheinGmbHs gründen, „Investoren“. Und das, was sie da reinstecken, nennen Sie „Eigenkapital“. Das ist nicht die Sicht, die wir dazu haben. – Herzlichen Dank.