Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Dann steht im Koalitionsvertrag, dass wir die Bemühungen um den Schwerpunkt Kraft-Wärme

Kopplung intensivieren und die alten Nah- und Fernwärmenetze ausbauen wollen. Angefangen hat man damit 1981: Fernwärmeschiene Ruhr, Fernwärmeschiene Niederrhein. Das ist ganz hervorragend. Wir haben uns darauf verständigt, 250 Millionen € in die KWK-Infrastruktur zu investieren, weil sie eine sinnvolle Ergänzung ist. Das ist das Ziel von Sozialdemokraten und Grünen. Daran arbeiten wir, und zwar im Konsens.

Wir haben das Ziel, die Windkraft auf 15 % auszubauen, sofern uns nicht Herr Brüderle und die FDP mit ihren Ankündigungen alle Investitionen kaputtmachen. Wir wissen schließlich, dass für diese Anlagen drei bis vier Jahre Vorlauf in der Planung notwendig sind.

Wenn Sie fragen, wovon in Nordrhein-Westfalen nicht genug gemacht worden ist, kann ich Ihnen nur empfehlen, das legendäre Interview mit Oliver Wittke in der „Zeit“ zu lesen. Daran sieht man nämlich, warum wir in Nordrhein-Westfalen nicht weitergekommen sind. Eine seiner ersten Tätigkeiten als zuständiger Minister war nämlich, während einer Autofahrt zu sagen: Windkraft – das ist das Erste, was wir kaputtmachen werden. – Ich will gar nicht alles dazu vorlesen.

Wie reagieren Investoren auf so etwas? Indem sie sich an der Stelle zurückhalten und nicht mehr tätig werden. Und genau das ist passiert. Diesen Rückstand müssen wir aufholen.

Unsere Zusammenarbeit wird von den Medien und von der Opposition – das haben wir gerade erlebt – immer wieder kritisch begleitet. Die Energiewende sei auf einmal „Chefinnen-Sache“, das sei eine Entmachtung von Herrn Remmel. Es gebe eine Klima-Expo 2020, die bei der Staatskanzlei federführend angesiedelt sei. Auch das sei eine Entmachtung des Grünen. Jetzt gibt es auch noch einen Energieminister – wobei man denjenigen, die das meinen, sagen muss: Leute, guckt in die alten Organigramme, den gab es immer, nur sind jetzt in seinem Namen explizit noch die Bereiche Industrie und Handwerk enthalten.

Dann versteht keiner – weil der Vertrag nicht richtig gelesen wird und man nicht kapiert, dass wir vernünftig arbeiten –, wie wir das tatsächlich machen. Wir brauchen, um die Klimawende und den Klimaschutz wirklich hinzukriegen, alle Ressorts. Ohne den Bauminister, Michael Groschek, können wir keine vernünftige Energiewende machen, weil der Löwenanteil der Energie, die wir brauchen, in Gebäuden verbraucht wird. Ohne den Verkehrsminister – um seine andere Schulter anzusprechen – können wir es auch nicht machen; denn wir können da nicht tätig werden, ohne dass die Mobilität weniger emissionsträchtig wird. Auch ohne die Wissenschaftsministerin mit all den Forschungsbereichen können wir keine Energiewende machen. Wir brauchen den Wirtschafts-, Industrie- und Handwerksminister, wir brauchen den Klimaschutzminister. Alle werden das zusammen machen müssen; das ist keine One-Man- oder One-Woman-Show.

Und wir werden das nur hinbekommen, wenn Kabinett und Fraktionen das mittragen. Ich persönlich bin stolz darauf, dass der Kollege Remmel die Zuständigkeiten für KWK, Nah- und Fernwärme und auch für die erneuerbaren Energien hat.

Da, Herr Hovenjürgen, Sie sind eingeladen, im Wettbewerb dafür zu sorgen, dass wir vorankommen, dass der alte Blockadekurs von Oliver Wittke wirklich erledigt ist, dass Anlagen aufgestellt werden. 300 Windkraftanlagen pro Jahr bedeuten 1,5 Milliarden € Investitionen pro Jahr, die wir hinkriegen müssen. Wir können das – solange Brüderle uns das nicht kaputtmacht – nur schaffen, wenn

wir da tatsächlich vorwärtsgehen. Deswegen brauchen wir da Unterstützung.

Was sollte ich dagegen haben, dass die Energiewende Chefinnen-Sache ist? Ich müsste ja verrückt sein. Es ist vernünftig, wenn fünf oder sechs Kabinettsmitglieder daran arbeiten müssen und sich die Ministerpräsidentin darum kümmert; denn die Energiewende wird in Berlin wirklich dilettantisch gemacht.

Wir brauchen das ganze Land. Wir wollen eine Klima-Expo 2020 machen. Die machen wir in ganz Nordrhein-Westfalen. Zentral ist das Ruhrgebiet mit Veranstaltungen dabei. Und das ist richtig; denn es ist das Kernstück Nordrhein-Westfalens. Aber wir brauchen die Beispiele im ganzen Land. Wir brauchen Lemgo mit seinen 73 % KWK. Wir brauchen die Trianel-Stadtwerke in Aachen. Wir brauchen Kommunen wie Saerbeck, wir brauchen Miele in Gütersloh.

Herr Kollege Laschet, Sie haben darüber sinniert, dass die CDU, was die Wirtschaftskompetenz betrifft, nicht mehr so hoch angesehen ist. Ich war am Freitag letzter Woche bei TRILUX in Arnsberg. Das ist – ich wusste es vorher auch nicht – einer der Weltmarktführer für Leuchtmittel: 5.000 Beschäftigte weltweit, davon 1.500 allein in Arnsberg. Wenn Sie mit denen diskutieren, dann merken Sie richtig, was die für einen Spaß daran haben, ihre neuen Leuchtmittel als LED-Leuchten in einer hervorragenden Technik weiterzuentwickeln. Die sind schon klasse, aber sie sollen noch weiter entwickelt werden. Da muss nicht erst Herr Brockes mit seinem Gedröhne über den Mittelstand hin oder irgendjemand anders, der die alte Litanei erzählt.

(Zurufe)

Ich habe Sie nicht verstanden. – Gut. Entschuldigung, Herr Hovenjürgen.

Die sind technologisch so nach vorne unterwegs, dass die das, was wir energiepolitisch machen, als Unterstützung und CDU und FDP im Bund eher als Bedrohung empfinden. Wenn Sie mit denen über das Glühbirnenverbot der EU reden, dann antworten die Ihnen, das sei ein hervorragender Benchmark gewesen, um Innovation in Gang zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Garrelt Duin hat recht, wenn er genau diese Benchmarks fordert.

Mir macht das Spaß. Wir könnten jeden Tag zu solchen Firmen fahren. Es gibt so viele hervorragende Mittelständler. Ich habe auch gefragt, wie es kommt, dass rund um Arnsberg eine solche Kompetenz für Leuchtmittel existiert. – Das gehe zurück auf die alten technischen Anforderungen aus dem Bergbau, wurde mir gesagt. Die zuliefernden Mittelständler hätten sich darauf konzentriert, diese Anforderungen zu erfüllen, und hätten sich dann im Weltmarkt immer weiter entwickelt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Genau diese Innovationsfähigkeit gilt es, einzubinden und zu gewinnen.

Ich habe die Kollegen aus der Geschäftsführung von TRILUX gefragt, ob sie Interesse hätten, als Partner der Klima-Expo 2020 mitzuwirken. Darüber haben die sich richtig gefreut und gesagt, das wäre genau etwas, an dem sie sich gerne beteiligen würden. Wenn dann irgendwann die Ministerpräsidentin oder der Klimaschutzminister kommt und diese Firma in unser Projekt mit einsteigt, ist das ein Beispiel für das, was wir im Land nach vorn bewegen wollen.

Dass das Chefinnensache ist, dass die Staatskanzlei das organisiert, dazu sage ich: Ja, sofort und schnell. Es wird eines unserer Leitprojekte sein, und wir haben sehr viele Bündnispartner. Sie werden lange arbeiten müssen, um bei denen industriepolitische Kompetenz herzustellen. Ich glaube, da sind wir viel schneller.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Frage ist, wo in der Energiepolitik die Opposition steht. Es ist ein unglaublicher Schlingerkurs. Ich habe im Bund noch nie eine derartig dilettantische Regierung erlebt.

Im Oktober 2010 gab es die Laufzeitverlängerung. Dann kam es zur Katastrophe von Fukushima. Es war die richtige Konsequenz, zu entscheiden: Diese Technik ist in der Zivilgesellschaft nicht mehr vermittelbar, lasst uns geordnet aussteigen. – Bis dahin völlig d’accord.

Dem folgte die Energiewende.

Dann aber wurde das, was mit dem Ausstiegsgesetz noch konsensual beschlossen worden ist, nicht fortgesetzt, indem man hinterfragt hat, was es denn heißt, die unglaubliche technische Herausforderung zu meistern, die Erneuerbaren auszubauen, die Kraft-Wärme-Kopplung auszubauen und alles in ein Gerüst hineinzubringen. Ich habe den Leitungsausbau schon angesprochen. Seitdem gibt es in Berlin nur noch ein Dilettieren.

Ich stimme ja den von Frau Merkel gesetzten und von dem früheren Landesvorsitzenden Röttgen vertretenen Zielen zu. Man muss diese aber auch umsetzen. Man muss gar nicht 10 % grün draufsetzen, aber man muss diese Ziele umsetzen.

Ich erlebe, was die FDP an Destruktivität in die Berliner Regierung hineinbringt; und die CDU vermittelt mir auch nicht mehr den Eindruck, als stände sie hinter der Bundeskanzlerin. Das gilt gerade für Sie, Herr Kollege Laschet, mit Ihrer Aussage „etwas weniger Umwelt, mehr Wirtschaft“, die nur so verstanden werden kann, dass Sie von diesem Kurs abrücken wollen. Bei den Mittelständlern – TRILUX war ein Beispiel; ich könnte Ihnen reihenweise Unter

nehmen aufzählen – gewinnen Sie mit dem Kurs nicht.

Die wissen ganz genau, dass es nicht nur die Erneuerbaren betrifft, sondern die gesamte Effizienzkette durch die chemische Industrie, durch alles hindurch, was daran hängt, durch die Kraftfahrzeugindustrie und so weiter. Kollege Duin hat recht, wenn er die Elektromobilität als die Chance bezeichnet. Daran hängt ganz Südwestfalen. Das ist alles nicht alte Politik, sondern das ist moderne Industrie- und Umweltpolitik.

Wenn Horst Köhler, der vorvorige Bundespräsident gesagt hat, die industriell-ökologische Revolution stehe an, dann hat er das nicht als Grüner gesagt, aber er nennt damit genau die Herausforderung für unser Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich habe Zutrauen, dass wir das zusammen schaffen. Ich weiß, dass wir immer Auseinandersetzungen hatten. Wir sind zwei Parteien und zwei Fraktionen, aber das, was wir als gemeinsames Ziel vereinbart haben – beim Ausbau der Kraft-WärmeKopplung, beim Ausbau der Fernwärme, beim Ausbau der ganzen modernen Kraftwerke und beim Ausbau der Erneuerbaren –, ist verbunden mit einer sehr, sehr langen Arbeitsstrecke, auf der es sehr viel für viele Mitglieder der Regierung zu tun gibt. Sich an diese Aufgabe zu begeben, ist vernünftig und im Interesse der Beschäftigten.

Bei der Frage, ob TRIMET als Aluminiumbetrieb in Nordrhein-Westfalen bleiben muss, weil an der Produktion die ganzen Zulieferer in Südwestfalen hängen, die so Produkte mit hoher Qualität bekommen, haben wir keinen Dissens. Ich muss Herrn Remmel da eher bremsen, dass der in der Fraktion nicht nur mahnt: Energieintensiv, energieintensiv. – Das gilt für uns, und nicht das Gegenteil, um das ganz klar zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das heißt: Es gibt genug Baustellen, genug lohnende Aufgaben und ausreichend Gemeinsamkeiten, vernünftig voranzuschreiten und damit anders zu agieren, als es CDU und FDP mit ihrem konfusen Handeln tun.

Meine Damen und Herren, noch einige wenige Worte zur Schulpolitik: Frau Löhrmann, es war – ich habe schon eine Reihe von Schulministerinnen erlebt – eine Titanenleistung von Ihnen. Ich empfinde das alles als sehr wohltuend – bis auf den eben wieder von Herrn Lindner unternommenen Versuch, den alten Stellungskrieg ums Gymnasium in die Debatte zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dieses Thema ist tot. Es war wirklich wohltuend, dass dieser uralte Stellungskrieg – 1918 wiederholt

sich ja in wenigen Jahren – Gymnasium gegen Gesamtschule vom Tisch ist, wir nicht mehr darüber streiten, sondern einfach feststellen: Es gibt eine Strukturreform, und dann ist Ruhe. Es war gut, Herr Kollege Laschet, dass wir das und wie wir das zusammen gemacht haben. Das Ergebnis muss jetzt umgesetzt werden; das ist völlig richtig. Frau Löhrmann ist da eine zuverlässige und vertragstreue Partnerin.

Die Ministerpräsidentin hat gestern auch gesagt, dass das Ausgehandelte Lehrerressourcen kostet. Deswegen die Vereinbarung, das Personal im System zu belassen, weil die Schulen ausreichend mit Lehrern versorgt werden müssen. Wir sind vertragstreu.

Ich habe es als sehr negativ empfunden, dass Herr Lindner wieder versucht, einen Keil hineinzutreiben. Das kann er machen. Ich glaube aber, dass das nicht verfangen wird, weil keinerlei Absichten in dieser Hinsicht existieren. Die Kinder von vielen von uns haben Gymnasien besucht oder besuchen sie. Es wäre absurd, da wieder einen Konflikt anzufangen. Wir stehen jedenfalls zu dem, was zusammen mit der CDU beschlossen worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Noch eine kurze Anmerkung: Ich finde es auch sehr gut, dass wir einen islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen einführen, einen richtigen Religionsunterricht, um diejenigen, die im muslimischen Glauben eine Religionsunterweisung haben wollen, aus den Hinterhofschulen herauszuholen. Dass das im Konsens mit der evangelischen und katholischen Kirche geschieht und ein Stück weit ein Angebot ist, das der Lebensrealität von mehr als einer Million Menschen muslimischen Glaubens entspricht, die bei uns leben, ist einfach nur vernünftig. Hamburg hat etwas Ähnliches getan. Vielleicht haben wir zu wenig Reklame dafür gemacht. Aber es war richtig, und es war ein guter sowie gemeinsamer Weg, den wir konzentriert weiterverfolgen sollten. Da ist noch viel zu tun.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Und es gibt eine neue große Aufgabe – das hat der Kollege Laumann angesprochen –: die Inklusion, und zwar nicht nur bezogen auf die Schule, sondern auch auf viele andere Bereiche.

Ich habe mir zur Vorbereitung noch einmal Herrn Laumanns Rede zur letzten Regierungserklärung durchgelesen. Das fand ich schon bemerkenswert.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Ja!)