Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Und deshalb befürchten viele Beamte zu Recht, dass da ein Vakuum entsteht, wenn diese 385 Beamten aus den Behörden abgezogen werden.

Deshalb – das ist mein letzter Satz – nochmals der Appell an die Landesregierung, an den Innenminister, an den Finanzminister: Ziehen Sie die Reißleine! Erhöhen Sie die Anwärterstellen im nötigen Maß auf 1.800, um auch zukünftig die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen nachhaltig und dauerhaft gewährleisten zu können!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Unter 1.000 haben Sie ausgebildet, und jetzt fordern Sie 1.800!)

Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Abel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Paris, Verviers, Kopenhagen: Die Anschläge der letzten Monate haben uns erschüttert. Sie waren von Menschenverachtung, insbesondere einem menschenverachtenden Antijudaismus, und von Demokratiefeindlichkeit geprägt. Das waren Anschläge auf zentrale Werte unserer demokratischen Gesellschaften.

Der Anschlag von Paris ist auf eine neue Qualität, auf eine andere Systematik der Tatausübung zurückzuführen. Mit wenig planerischem Aufwand bei der Vorbereitung ist es den Tätern dennoch gelungen, viele Menschen zu verletzen und zu töten. Dass dieser Anschlag ein grausames Vorbild für potenzielle Nachahmungstäter sein kann, haben uns dann die Ereignisse in Kopenhagen verdeutlicht.

Schon seit einigen Jahren beobachten wir einen verstärkten Zulauf zur gewaltbereiten salafistischen Szene. Durch die Kriege in Syrien und im Irak hat sich dieser Trend noch einmal verstärkt. Von bundesweit etwa 7.000 Personen im gewaltbereiten Salafismus sind etwa 1.900 Personen in NordrheinWestfalen. Ähnliche Zuläufe zu diesen Gruppierungen gibt es in anderen westeuropäischen Ländern. Das ist kein Phänomen von Nordrhein-Westfalen allein.

Aus NRW sind aber bereits über 150 Personen ausgereist, um sich an grausamen Kampfhandlungen in anderen Ländern zu beteiligen. Von diesen Rückkehrern geht eine besondere Gefahr aus. Sie sind teilweise traumatisiert und verroht nach Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt und haben Erfahrungen im Umgang mit Waffen.

Die Überwachung dieser Personen bindet Ressourcen, und auch die veränderte Durchführung der Ta

ten stellt uns vor neue Herausforderungen. Wir brauchen deshalb eine personelle Stärkung der Sicherheitsbehörden. Wir haben als Grüne immer gesagt: Wir brauchen eine starke Polizei, die in der Lage ist, die bestehenden rechtlichen Instrumente konsequent umzusetzen. Was wir nicht brauchen, ist eine voreilige Verschärfung der Sicherheitsgesetze, die letztlich zulasten der Freiheitsrechte von uns allen geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir stellen uns deshalb mit diesem Nachtragshaushalt den Herausforderungen. Wir werden innerhalb der Polizei Personalstellen umschichten. 110 zusätzliche Ermittlerinnen und Ermittler werden den polizeilichen Staatsschutz verstärken, weitere 150 Spezialistinnen und Spezialisten sind für Fahndung und Observation vorgesehen. Zum Schutz besonders gefährdeter Personen und Objekte werden 100 Polizisten zusätzlich eingesetzt.

Um diese Umschichtungen zu kompensieren, wollen wir mit diesem Nachtragshaushalt in den kommenden drei Jahren insgesamt 360 neue Kommissaranwärterinnen und -anwärter einstellen. Damit kommen wir in diesem Jahr auf eine Anzahl von insgesamt 1.642. Das ist Rekord, und das wird unsere Ausbildungskapazitäten voll auslasten.

Neben der Polizei wird der Verfassungsschutz um weitere 25 Stellen aufgestockt. Mit dem Haushalt 2015 hatten wir bereits 29 zusätzliche Stellen geschaffen. Das ist also ein Plus von insgesamt 54 Stellen in diesem Jahr.

Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt wird zu keiner Veränderung der bislang im Haushalt vorgesehenen Nettoneuverschuldung führen, da die Mehrausgaben vollständig durch die Erhöhung der globalen Minderausgaben sowie durch zusätzliche Einnahmen des Ministeriums für Inneres und Kommunales gedeckt werden.

Wir reagieren nicht allein mit repressiven Maßnahmen durch Polizei und Verfassungsschutz. Wir brauchen den ausgewogenen Mix aus Repression und Prävention, denn der gewaltbereite und verfassungsfeindliche Salafismus als gesellschaftliches Phänomen lässt sich allein mit repressiven Mitteln nicht eindämmen. Deswegen sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die rot-grüne Landesregierung auch in diesen Bereichen der Prävention und Intervention Maßnahmen ergriffen hat. Wir werden morgen an gleicher Stelle darüber debattieren.

Meine Damen und Herren, trotz der Herausforderungen der Haushaltskonsolidierung sollten wir heute als Parlament in diesem wichtigen Feld gemeinsam agieren. Wir sollten das tun, ohne in Panik zu verfallen. Wir sollen keine Angst verbreiten, aber der Bevölkerung klarmachen, dass sie darauf vertrauen kann, dass wir unsere Sicherheitsbehörden unterstützen und so ausstatten, dass wir der Bedro

hungslage sicher entgegenwirken können. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal! Was hier und heute von den regierungstragenden Fraktionen, insbesondere aber auch vom Herrn Finanzminister vorgetragen wird, ist schon – einmal ganz vorsichtig formuliert – erstaunlich.

Was das Verfahren angeht, Herr Finanzminister, muss ich Sie leider korrigieren. Der Konsens, den Sie hier behauptet haben, ist schlicht und ergreifend unzutreffend. Ganz im Gegenteil: Die Piratenfraktion ist, wenn Sie schon alle Fraktionen ansprechen, nicht gefragt worden hinsichtlich eines verkürzten Verfahrens, wie es jetzt bezüglich des Nachtragshaushaltes durchgezogen werden soll. Das will ich einmal ganz klar festhalten.

Man könnte natürlich sagen, die Piratenfraktion spielt an dieser Stelle keine Rolle. Aber wie es aussieht – sieht man einmal von Herrn Kollegen Lürbke ab; allerdings hat der Kollege Optendrenk das auch durchaus moniert –, ist es nicht unbedingt des höchsten Rechts des Parlaments – des Budgetrechts – würdig, hier eine Imagekampagne für den Innenminister, der zugegebenermaßen in den letzten Monaten etwas geschwächt dasteht, durchzuziehen,

(Unruhe von der SPD)

damit er nach außen als Innenminister dasteht: Seht her, wir machen etwas bei der Polizei, wir stocken die Zahl der Polizeikräfte auf, wir erhöhen die Sicherheit. Ich bin der starke Mann.

Das Gegenteil ist auch in diesem Fall, Herr Minister Jäger, zutreffend. Wie der Finanzminister interessanterweise vorhin nämlich sagte, gäbe es zwar eine veränderte Sicherheitslage. Im nächsten Satz sagte er aber, sie habe sich gar nicht aktuell verändert, das sei schon länger so. Die Sicherheitslage hat sich nämlich in der Vergangenheit verändert.

Jetzt muss man sagen: Erst aufgrund der wirklich schändlichen Ereignisse in Paris, Kopenhagen und Verviers ist Ihnen aufgegangen, dass hier langsam etwas getan werden muss. So sieht es doch in Wahrheit aus.

Fakt ist auch: Es werden keine zusätzlichen Stellen geschaffen, über die man ganz akut diese Sicherheitslage in den Griff bekommen könnte,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

sondern es werden, wie hier gesagt worden ist, Umschichtungen vorgenommen. Auch das ist nicht zutreffend. Zutreffend ist, dass aus anderen Dienststellen Spezialkräfte der Polizei abgezogen werden. Herr Kollege Lürbke hat gesagt, dass da ein Vakuum entsteht. In der Tat müsste man sich fragen, was diese Spezialkräfte der Polizei bisher getan haben, wenn sie jetzt an anderer Stelle den nach ihrer Spezialausrichtung wahrscheinlich erforderlichen Tätigkeiten nachgehen. Haben die da nur gesessen? Das doch ganz sicherlich nicht.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie haben keine Ah- nung!)

„Keine Ahnung“, das können Sie natürlich jetzt sagen. Ich fände es großartig, wenn Sie jetzt auf den Tisch steigen würden, denn dann könnten Sie erkennen, was hier tatsächlich stattfindet. Das muss einfach einmal gesagt werden. Wir können doch den Menschen hier nicht verkaufen, dass die Sicherheit im Lande erhöht wird, wobei gar keine neuen Spezialkräfte, die diese Sicherheit gewährleisten können, eingestellt werden. Frühestens ab 1. September dieses Jahres können neue Anwärterinnen und Anwärter eingestellt werden. Diese müssen erst einmal zu Polizistinnen und Polizisten ausgebildet werden,

(Nadja Lüders [SPD]: Ah!)

von mir aus auch zu Spezialkräften, sodass die tatsächliche Personalverstärkung in den hier genannten Bereichen frühestens in drei, mangels Erfahrung wahrscheinlich aber erst in fünf Jahren Platz greifen könnte.

Hier und heute zu verkaufen, dieser Nachtragshaushalt erhöhe die Sicherheit des Landes Nordrhein-Westfalen, ist eine glatte Lüge.

(Beifall von den PIRATEN)

Selbstverständlich – Herr Kollege Stotko hat es angesprochen – sind auch die Piraten keineswegs abgeneigt zu sagen, wir bräuchten – das ist eine unserer wesentlichen Wahlkampfforderungen – deutlich mehr Polizeibeamte. Ob wir allerdings mehr Beamtinnen und Beamten im Staatsschutz oder gar im Verfassungsschutz brauchen, ist angesichts der nicht gerade mit Ruhm ausgezeichneten Vergangenheit dieser Behörden außerordentlich fraglich.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Piraten und der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen – das wird sicherlich auch der NSUUntersuchungsausschuss nicht besonders verändern – werden vermutlich keine Freunde werden.

Wir halten es nicht für klug, einer im Geheimen agierenden und praktisch nicht kontrollierbaren, faktisch so gut wie keiner Gerichtsbarkeit unterstehenden Behörde noch mehr Überwachungspersonal zur Verfügung zu stellen. Da bedarf es dringend der Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle.

Insgesamt lässt sich jedenfalls sagen – abgesehen davon, dass wir dieses verkürzte Verfahren, welches hier nicht mit unserer Zustimmung erfolgt, rügen –, dass wir diesen Nachtragshaushalt ablehnen werden. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerpräsidentin Kraft hat für die Landesregierung um das Wort gebeten. Das erhält sie natürlich. Ich möchte nur, bevor ich sie ans Rednerpult bitte, das Verfahren erläutern.

Normalerweise wird ein Haushalt oder ein Nachtragshaushalt eingebracht. Anschließend gibt es einen Redezeitblock und eine Debattenzeit dazu. In diesem Fall ist, weil es vorher eine Verständigung gegeben hat, ein etwas anders strukturiertes Verfahren gewählt worden. Deshalb ist nur Block I ausgewiesen. Aus diesem Grunde gibt es auf den ausgedruckten Redelisten nicht automatisch noch einmal die Landesregierung mit einer noch zu benennenden Rednerin oder einem noch zu benennenden Redner.

Das heißt faktisch – deshalb meine längeren Erläuterungen –, dass jetzt die Ministerpräsidentin die Redezeit der Landesregierung überzieht. Diese überzogene Redezeit steht dann selbstverständlich auch den Fraktionen zur Verfügung. Das muss ich nur vorher erläutern, damit sich die Fraktionen darauf einstellen können. – Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Jetzt gehört das Redepult Ihnen.

Vielen

Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne hinzufügen, dass diese Vereinbarung gemeinsam mit den Piraten getroffen worden ist.