Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herter. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lienenkämper.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In aller Sachlichkeit: Es liegt uns ein Bericht des Innenministers vor, der jedenfalls in einem Teil die gesetzliche Verpflichtung des Innenministers erfüllt, nämlich dem Landtag von Nordrhein-Westfalen über die Einwohnerentwicklung in den Landtagswahlkreisen Bericht zu erstatten. Der liegt ein paar Monate später vor, als das Gesetz das vorsieht. Aber inhaltlich verlangt das Gesetz diesen Bericht.

Darüber, ob das Gesetz jetzt wirklich auch konkrete Vorschläge verlangt oder nicht, kann man sich lange streiten. Es hat in der Vergangenheit auch schon Berichte mit konkreten Vorschlägen gegeben. Lassen wir das mal dahinstehen.

Ich hätte mich darüber gefreut, und es war sehr einfach gewesen, Unsicherheiten, die aufgetreten sind, mit diesem Bericht zu vermeiden. Der lag dann irgendwann als Drucksache bei uns auf dem Tisch. Wie das immer so ist: Bei einer unbesprochenen und undiskutierten Vorlage ergeben sich daraus Unsicherheiten, Verunsicherungen und auch Verärgerungen. Das ist passiert. Ich glaube, das hätte man vermeiden können. Aber das ist jetzt der Fall. Die heutige Debatte ist das Ergebnis genau dieser Verunsicherungen und Verärgerungen.

Ich glaube, dass einige der unterbreiteten Vorschläge dem Ziel des Kollegen Herter, zu gemeinsamen Lösungen zu finden, widersprechen. Ich meine, dass es da andere Lösungen geben kann und geben sollte. Ich bin sicher, dass wir da auch zu anderen Lösungen kommen.

Ich vertraue darauf, erwarte aber auch in aller Ernsthaftigkeit, dass die Zusage der Mehrheitsfraktionen, die wir eben wiederholt gehört haben, be

lastbar ist, dass wir jetzt als gesamtes Parlament in eine ergebnisoffene, sachliche Diskussion über notwendige und mögliche Änderungen eintreten mit dem Ziel, zu einer am Ende gemeinsam getragenen oder jedenfalls breit getragenen Lösung zu gelangen.

So war das übrigens auch 2005 bis 2010 in der 14. Legislaturperiode. Da hatte am Ende das, was damals übrigens als gemeinsamer Antrag der Fraktionen eingebracht worden ist, nur in Teilen etwas mit dem ursprünglichen Vorschlag aus dem Innenministerium zu tun.

(Minister Ralf Jäger: In der Tat!)

Das erwarte ich auch jetzt. Ich bin offen gestanden ausgesprochen froh, dass es die Fraktionen sind, die diesen Antrag machen werden. Denn dem Innenminister traue ich da wenig zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An zwei Stellen bin ich etwas erstaunt. Ich sage das jetzt dem Kollegen Lienenkämper, der so tut, als müsse man hier jetzt erst etwas herstellen. Denn wir haben in der Tat in der Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer/in längst das Verfahren genauso vereinbart, wie der Kollege Herter das beschrieben hat.

Dann stelle ich zum Zweiten fest, dass hinsichtlich des Informationsflusses innerhalb der FDP-Fraktion offensichtlich Optimierungsbedarf besteht. Denn sonst brauchte dieser Antrag hier heute gar nicht zu liegen,

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

weil das Verfahren bereits vereinbart war.

Herr Witzel ist ja auch lange genug im Amt und hat das 2007 wenigstens einmal mitgemacht. Er weiß, dass damals eine Vorlage im gleichen Verfahren erschienen ist – das heißt: auch ohne vorherige Befassung der Fraktionen – und dass es dann den gleichen Prozess gegeben hat. Das war hier also ein bisschen künstliches Aufblasen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Herr Witzel, ich weiß, Sie scheinen unterbeschäftigt zu sein. Schreiben Sie mal vernünftige Anträge! Dann können wir auch vernünftig darüber reden.

Deshalb gehen wir jetzt genau in diesen Prozess hinein, der bereits verabredet ist. Wir hätten diesen Antrag hier nicht gebraucht. Das Ganze ist schon längst im Prozess. Deswegen machen wir jetzt das,

was wir bereits verabredet haben, und lassen diesen Antrag mal beiseite.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Marsching.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Der Kollege Abruszat hat mir leider die Idee geklaut. Ich wollte ja eigentlich auch den Wikipedia-Artikel zum Thema „Gerrymandering“ vorlesen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Jetzt muss ich es doch vorlesen. Es tut mir leid, Herr Kollege Witzel. Das ist benannt nach dem Gouverneur von Massachusetts, Elbridge Gerry, im frühen 19. Jahrhundert. Später war er Vizepräsident der USA. Sein Wahlbezirk glich nach einem Neuzuschnitt einem Salamander. Daher auch „Gerry“ und „Mander“ wie Salamander.

Obwohl Gerrys Name mit einem harten „G“ ausgesprochen wird, ist es heute üblich, das Wort „Gerrymandering“ so auszusprechen, wie es beim Wort „Dschungel“ üblich ist. Herr Witzel: Wikipedia! Es tut mir leid!

Beim Gerrymandering sind verschiedene Strategien zu unterscheiden. Die FDP hat – ich lese nur einen Teil vor – Angst vor der Strategie der Verdünnung. Dabei ist der Wahlkreiszuschnitt so, dass die Opposition ihn nicht mehr gewinnen kann, wobei die oppositionellen Stimmen verfallen.

Das Gerrymandering ist übrigens die absichtliche, dem Stimmengewinn dienende Manipulation der Grenzen von Wahlkreisen bei einem Mehrheitswahlsystem.

Jetzt haben wir hier in Deutschland gar kein Mehrheitswahlsystem, sondern eine Mischung aus einem Mehrheitswahlsystem und einem Verhältniswahlrecht. Für die Direktkandidaten gilt das eine, für die Listenkandidaten das andere.

Nun ist es, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, so: Wenn es irgendwelche Zweifel für uns an der Vorlage gäbe – wenn wir sehen würden, dass an Wahlkreisen konkret etwas geändert werden sollte, wo etwas irgendwo anrüchig klingt –, wären wir Piraten sofort dabei.

Wenn aber die Wahlkreiseinteilung und der Vorschlag, der jetzt unterbreitet wurde, verfassungsgemäß durchgeführt würden – der Vorschlag ist nicht verfassungsgemäß –, wäre das ein rein technischer Vorgang. Das können wir gerne im Hauptausschuss diskutieren. Dafür ist der Hauptausschuss sehr gut geeignet. Für eine Plenarrunde aber gibt die Vorlage meines Erachtens einfach viel

zu wenig her. Ich empfehle natürlich die Überweisung. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Dem Haus ist der Bericht aus dem Innenministerium bekannt. Ich will nicht auf die Inhalte eingehen, allenfalls auf die bewusst herbeigeführten Missverständnisse sowie auch auf das bewusste Herbeiführen falscher Eindrücke. Insbesondere will ich dem Eindruck der Willkür entgegentreten. Das weise ich ausdrücklich zurück.

Im Landeswahlgesetz gibt es einen Grundgedanken, dass nämlich der Gleichheit der Wahl Rechnung zu tragen ist. Es gibt in diesem Landeswahlgesetz klare Regeln, Herr Abruszat. Unter anderem sind räumliche Bezüge zu beachten. Über allem aber steht die in etwa oder annähernd gleich große Einwohnerzahl von Wahlkreisen. Aus diesem Landeswahlgesetz ergibt sich die Pflicht des Innenministeriums, dem Parlament einen Bericht vorzulegen, ob und in welchem Umfang es Abweichungen zu den Kriterien bzw. Regeln des Landeswahlkreisgesetzes gibt. Und es ergibt sich aus ihm die Pflicht, gebotene Änderungsvorschläge vorzutragen.

Um es deutlich zu sagen: Das nimmt die Entscheidung des Parlamentes nicht vorweg. Das kann es gar nicht, sondern es handelt sich, Herr Lienenkämper, ausschließlich um einen Bericht. Dieser Bericht ist Grundlage dafür, in einem anschließenden Gesetzgebungsverfahren zu bestmöglichen Lösungen zu kommen. Deshalb tragen Ihre Vorwürfe und Ihre Unterstellung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, überhaupt nicht.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Diese Neueinteilungen, die dort vorgeschlagen werden, gehen ausschließlich auf Prognosen der Bevölkerungsentwicklung von IT.NRW zurück. Diese Prognosen unterliegen wissenschaftlich anerkannten Methoden. Wir haben dabei alle Wahlkreise in den Blick genommen, die eine Abweichung von mehr als 18 % plus oder minus haben. Es gibt die Pflicht zur Neuzuschneidung von Wahlkreisen ab der Grenze von 20 %.

Klar ist auch, meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit – also des gleichen Erfolgswertes von Wählerstimmen – hat Verfassungsrang. Räumliche Bezüge stehen, wenn es erforderlich ist, nachrangig hinter diesem Verfassungsrang.

Meine Damen und Herren, wir haben – so wie es in der Vergangenheit immer üblich war – Vorschläge unterbreitet. Die Fraktionen sind jetzt aufgerufen, untereinander zu diskutieren. Ich war an einem dieser Prozesse selbst beteiligt. Ich habe gerade erfahren, dass die Geschäftsführer schon miteinander vereinbart haben, darüber zu sprechen, ob und inwieweit solche Vorschläge noch optimiert werden können. Dazu will das Innenministerium, wenn es erforderlich ist, auch gerne Hilfestellung geben. Diesen Vorwurf der Willkür aber weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/8135 an den Hauptausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt:

19 Heimische Bio-Landwirtschaft braucht Si

cherheit – keine Totalrevision der EU-ÖkoVerordnung

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/8104 – zweiter Neudruck

Ich erteile für die SPD-Fraktion der Frau Kollegin Blask das Wort.