Sicher: In erster Linie sind Unternehmen selbst für den Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse, etwa in den FuE-Abteilungen, verantwortlich. Das können vor allem große Konzerne auch selbst leisten. Aber Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Standort der großen Konzerne, sondern ist vor allem ein Land mit starker mittelständischer Struktur. Schließlich sind 94 % unserer Industrieunternehmen mittelständische Betriebe. Unsere Hidden Champions brauchen unsere Hilfe beim Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse.
Sicher ist: Die zunehmende Digitalisierung unseres Wirtschaftens ist eine große Chance für den Standort NRW. Eine gemeinschaftliche Studie des Branchenverbands BITKOM mit dem Fraunhofer-Institut geht von einem jährlichen Wachstumspotenzial von bis zu 1,7 % durch die Digitalisierung wirtschaftlicher Prozesse bzw. durch die Umsetzung von Industrie 4.0 aus.
Sicher ist aber auch: Durch die Digitalisierung werden auch das Ausspähen von Betriebsgeheimnissen und das Verwischen des wahren Angriffsursprungs immer einfacher.
Das Fazit muss also lauten: Wenn Industrie 4.0 eine Erfolgsgeschichte werden soll, müssen wir den Unternehmen helfen, ihre Betriebsgeheimnisse, ihre Daten und damit ihr Know-how besser zu schützen.
Glücklicherweise hat Nordrhein-Westfalen eine exzellente Forschungslandschaft. Derzeit laufen an vielen Hochschulen genau dazu Projekte, nämlich zur Verbesserung der Datensicherheit. Das ist gut.
Die Ministerpräsidentin hat angekündigt, solche Projekte in Zukunft verstärkt fördern zu wollen. Das ist richtig. Wir werden in Zukunft die Landesregierung an dieser Ankündigung messen. Das ist notwendig.
Forschung und Entwicklung alleine reichen jedoch leider nicht aus. Wir müssen vielmehr den Mittelstand stärker für einen ausreichenden Schutz von Betriebsgeheimnissen sensibilisieren. Da hakt es nämlich noch. Ich zitiere dazu aus der Anhörung:
„Leider sind viele Vertreter von kleinen und mittelständischen Unternehmen immer noch nicht ausreichend sensibilisiert und beschäftigen sich erst dann mit dem Thema, wenn ein Schadensfall eingetreten ist, nach dem Motto „Jetzt ist mir etwas passiert, und jetzt muss ich etwas dagegen tun“. Das ist dann aber leider zu spät.“
So sagte bei der Anhörung hier im Landtag in diesem Raum Hubert Martens von networker NRW aus Essen.
Wirtschaftsspionage. Die beiden machen einen guten Job, bereisen das Land, um Unternehmen zu sensibilisieren und zu betreuen. Sie können in unserem großen Flächenland aber nicht überall sein. Diese Präsenz reicht also offensichtlich nicht aus.
Hier muss das Land eine aktive Rolle übernehmen. Die in der Anhörung vom Leiter des NRW-Verfassungsschutzes erwähnte Sicherheitspartnerschaft von Innenministerium, Polizei, Verfassungsschutz, Wirtschaftsministerium, IHK und Verband für Sicherheit in der Wirtschaft bildet dafür eine gute Grundlage.
Der NRW-Verfassungsschutz arbeitet mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz – mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz! – und nicht mit dem BND auf der Ebene der Inlandsnachrichtendienste zusammen. Das ist sein Auftrag, und den erfüllt der auch.
Neben der mangelnden Sensibilisierung der Unternehmen, die sich vertrauensvoll an die Akteure der erwähnten Sicherheitspartnerschaft wenden sollten, haben die Experten in der Anhörung die fehlende Nachsorge kritisiert: Was passiert, wenn tatsächlich ein Schaden entstanden ist? Wie bringen wir ein Unternehmen dazu, in einem solchen Schadensfall schnell zu reagieren und die richtigen Ansprechpartner zu finden? Dafür muss man ein noch stärkeres Vertrauensverhältnis schaffen, ohne Unternehmen in einer Meldepflicht öffentlich an den Pranger zu stellen.
Wichtig in diesem Zusammenhang waren auch Schilderungen der Experten, dass zumeist der Vertrauensverlust zwischen den Geschäftspartnern im Falle von Wirtschaftsspionage weitaus gravierender ist als der eigentliche finanzielle Schaden.
Großer Klärungsbedarf besteht in solchen Fällen bei den Betroffenen demnach in den Fragenbereichen: Wie kann ich mein Unternehmen so aufstellen, dass es im Fall eines Spionageschadens wieder schnell handlungsfähig wird? Und wie kann das Unterneh
men den Schaden lokalisieren und die Informationen sichern, damit es schnell zum operativen Geschäft zurückkehren kann?
Hier fehlt es bis dato aus unserer Sicht an ausreichend bekannten Konzepten. Hier erwarten wir von der Landesregierung, dass sie die Wirtschaft noch mehr unterstützt, Lösungen zu finden, Maßnahmen möglichst standardisiert und somit einfach zu implementieren und etwa Best-Practice-Pools zu installieren. Wirkliche Aktivitäten des Landes haben wir seit der Anhörung jedoch leider nicht wahrnehmen können. Das muss aus Sicht der CDULandtagsfraktion besser werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Woche hat gezeigt: Der Bundesnachrichtendienst ist offensichtlich ein Nachrichtendienst außer Rand und Band. Wenn offenbar wird, dass die demokratische Einhegung eines Nachrichtendienstes nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, dann wird es Zeit für eine Zäsur, dann wird es Zeit für Konsequenzen.
Die heutige Aktuelle Stunde behandelt ein Thema, das eindeutig außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Landesregierung und des Landtags liegt. Wir sind hier nicht das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages.
Aber diese Erkenntnisse zeigen eines sehr deutlich: Es war gut, dass der Deutsche Bundestag einen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre, zum Geheimdienstskandal eingesetzt hat. Es war gut, dass insbesondere die Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag sich durchgesetzt haben, dass dieser Untersuchungsausschuss sich nicht allein mit den Überwachungsaktivitäten ausländischer Dienste befasst, sondern explizit auch mit den Aktivitäten deutscher Nachrichtendienste.
Der PUA in Berlin ist weit davon entfernt, seine Arbeit zu beenden. Immer neue Erkenntnisse kommen ans Licht. Was als NSA-Affäre gestartet ist, hat sich zu einem internationalen Geheimdienstskandal ausgewachsen. Dieser Skandal ist zudem ein Ausweis von Tatenlosigkeit mindestens zweier Bundesregierungen. Die von CDU und FDP getragene Bundesregierung wollte ihn einfach unter den Teppich kehren und für beendet erklären. Die jetzige Regierung hat diese Vorgehensweise in bester Merkel-Manier weitergesponnen.
Meine Damen und Herren, der Bundesnachrichtendienst hat der NSA in zahllosen Fällen – laut derzeitiger Berichterstattung und Erkenntnislage – bei der
Ausspähung deutscher und westeuropäischer Ziele geholfen; das legen die aktuellen Erkenntnisse jedenfalls nahe. Ob aus Versehen oder aus Absicht, was er davon wusste oder was er vielleicht auch nicht wusste – das muss Ergebnis der lückenlosen Aufklärung sein, die zwar angekündigt ist, die jetzt aber auch tatsächlich erfolgen muss.
Spätestens seit 2008 sind diese Vorgänge bekannt. Bis 2013 schaute man diesem Treiben beim BND tatenlos zu. Notwendig ist, dass die Bundesregierung nun endlich reinen Tisch macht. Dafür gehören die Listen mit den Selektoren der NSA auf den Tisch. Mittlerweile wird nicht nur von 2.000, sondern von bis zu 40.000 verdächtigen illegalen Suchparametern gesprochen, mit denen die NSA systematisch gegen deutsche Interessen verstoßen hat. Der BND hat bei dieser Kooperation an einigen Stellen offenbar auch deutsche Gesetze verletzt.
Deswegen muss die Bundesregierung jetzt klarmachen, in wie vielen und in welchen Fällen und vor allem mit welchen dahinterstehenden Interessen der BND deutsche Gesetze verletzt hat. Das betrifft insbesondere die zuständigen Ministerinnen und Minister der früheren Bundesregierungen. Thomas de Maizière, Peter Altmaier, Ronald Pofalla und auch die Kanzlerin müssen jetzt endlich klar Stellung beziehen und reinen Tisch machen. Denn es sieht doch sehr stark danach aus, als hätte es in den vergangenen Jahren ein gestörtes Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der parlamentarischen Kontrolle gegeben.
Die Bundesregierung täte jetzt gut daran, die Kompetenzen des BND kritisch zu überprüfen, mindestens aber klarer zu fassen oder einzuschränken. Wir brauchen mehr Kontrolle, weniger Befugnisse und mehr Transparenz. Die Pläne der Bundesregierung fallen derzeit jedoch genau umgekehrt aus: mehr Befugnisse und weniger Kontrolle. Das kann so nicht gut gehen.
Wir haben es – Sie werden sich erinnern – in Nordrhein-Westfalen vor gut zwei Jahren besser gemacht. Wir haben unseren nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz transparenter aufgestellt und seine Befugnisse klarer gefasst. Gerade auch durch die öffentlichen PKG-Sitzungen haben wir mehr Kontrolle und mehr Transparenz geschaffen.
Es soll in dieser Aktuellen Stunde nicht allein um Strukturreformen und die internationale Kooperation von Nachrichtendiensten gehen, sondern auch um die Abwehr von Wirtschaftsspionage. Wir wollen am Standort Nordrhein-Westfalen – das haben wir in den letzten Monaten intensiv debattiert; ich erinnere nur an die Aussprache zur Regierungserklärung – ein höchstes Maß an Sicherheit erreichen.
Der Verfassungsschutz – das ist sein gesetzlicher Auftrag – sensibilisiert schon heute Unternehmen und Unternehmensverbände in Nordrhein-Westfa
len für die Gefahren der staatlich gelenkten Wirtschaftsspionage und berät sie. Zahlreiche Hochschulen in unserem Land forschen im Bereich „Sichere IT“. Das wird unser Markenkern. Wir haben über die Leitmarktwettbewerbe bereits Initiativen für mehr Sicherheit angestoßen.
Ein hundertprozentiger Schutz – das ist eine Binsenweisheit – ist nicht möglich. Aber gerade weil das so ist, gibt es natürlich immer noch Möglichkeiten, über weitere Schutzmaßnahmen zu diskutieren. Herr Dr. Paul, ich fand die Vorschläge, die Sie gemacht haben, eher übersichtlich; da habe ich wenig Konkretes von Ihnen gehört.
Wie können wir Unternehmen Anreize bieten, sich sicherer aufzustellen? Der Kollege Dr. Bergmann hat eben darauf abgestellt, dass die Problematik insbesondere im Mittelstand besteht, der für uns die zwar die tragende Säule der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen darstellt, zugleich aber noch an vielen Stellen das geringste Schutzniveau aufweist, während er häufigstes Opfer von Angriffen wird. Wie schaffen wir es, dass sich Unternehmen sicherer aufstellen und welche Anreize können wir dafür bieten? Über diese Fragen befinden sich nicht nur die Grünen – das gestehe ich gern zu – in regelmäßigem Austausch mit der Wirtschaft.
Wir brauchen in diesem Zusammenhang auch einen handlungsfähigen Datenschutz. Es kann nicht länger angehen, dass die Bundesregierung die europäische Datenschutzreform aushebelt, mit der wir endlich einen verbindlichen und hohen Schutzrahmen für alle Europäerinnen und Europäer vorhalten.
Meine Damen und Herren, die aktuellen Erkenntnisse zeigen: Wir brauchen endlich eine vollständige und proaktive Aufklärung durch die Bundesregierung. Die deutschen Dienste müssen endlich ihre Karten auf den Tisch legen, wann sie mit wem warum zusammengearbeitet haben, welche Daten dabei ausgetauscht wurden und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschah.
Dann müssen wir Konsequenzen ziehen. Wir müssen die Dienste demokratisch einhegen und die Rechtsstaatlichkeit stärken. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.– Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Fest steht: Der am vergangenen Donnerstag bekannt gewordene Skandal bedarf dringend der Aufklärung. Anders als bei der ursprünglichen NSASpähaffäre von 2013 sitzen die Verantwortlichen dieses Mal in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Kanzleramt darf sich daher nicht hinter vermeintlichen Staatswohlaspekten verschanzen und die Aufklärung behindern; denn schließlich steht es selbst im Verdacht, das Staatswohl auf eklatante Art und Weise gefährdet zu haben, mutmaßlich sogar in einer Weise, die fast schon Zweifel an der Eigenstaatlichkeit unserer Republik aufkommen lässt.
Weiterhin steht fest: Die deutschen Geheimdienste verheddern sich in Widersprüchen. Auf der einen Seite berät das Landesamt für Verfassungsschutz Unternehmen, wie sie sich vor digitaler Spionage schützen können, und auf der anderen Seite versucht der BND, im Auftrag der amerikanischen NSA genau diese Vorkehrungen auszuhebeln und den USA Daten über die betroffenen Unternehmen und ihre Geschäftsgeheimnisse zu liefern. Das erscheint schon fast schizophren.
Aber wenn die vorliegenden Medieninformationen zutreffen, haben wir in der Tat einen handfesten Skandal im Gefolge der Snowden-Enthüllungen. Bekannt war schon einiges: die nahezu lückenlose Erfassung des deutschen und europäischen Internetverkehrs – mindestens der Metadaten –, das berühmte Kanzlerinnen-Handy und nicht zuletzt die Angriffe der NSA und des britischen GCHQ auf Telekommunikationsanbieter wie Belgacom oder die Telekom.
Wie meine Fraktion hier im Hohen Hause an diesem Pult bereits im Jahr 2013 betont hat, stand schon seinerzeit der Verdacht einer Mitwirkung oder zumindest einer Duldung jener Aktivitäten durch deutsche Beteiligte im Raum. Im Prinzip kann man sich die zögerliche Aufklärung der Spähaffäre kaum anders erklären. Schließlich sind mittlerweile schon zwei Jahre ins Land gegangen.
Die neuerliche Nachrichtenlage lässt die Dinge jetzt jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Augenscheinlich gilt das für den früheren Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der die Spähaffäre im August 2013 schon für beendet erklärt hatte; es gilt aber auch mit Blick auf den heutigen Innenminister de Maizière, der 2008 die Geschicke im Kanzleramt leitete.
Das trifft insbesondere dann zu, wenn der BND das Kanzleramt offenbar schon damals unterrichtet hat, als aufmerksamen Mitarbeitern Zweifel an den von der NSA abgefragten Selektoren kamen, und wenn dann 2010 eine weitere Unterrichtung erfolgt ist, als Pofalla Kanzleramtschef war. Es ist schon merkwürdig, wenn gerade derjenige, der offenbar über die NSA-Interessen informiert war, rasch ein Ende des Skandals ausruft. Ohne unken zu wollen, drängen sich insofern doch eine ganze Reihe von Fragen auf.
Was nützen uns da strenge, effektive und präzise Rechtsvorschriften zum Schutz von Persönlichkeitsrechten oder Unternehmensdaten, wenn diese Vor
schriften gleichsam im Handstreich durch Geheimdienste oder potenzielle Helfer an anderer Stelle unterlaufen werden können?