Protokoll der Sitzung vom 29.04.2015

Drittens. Die Bundesbehörden scheinen nicht willens oder in der Lage zu sein, dem Eigenleben des Dienstes Herr zu werden. Die Landesregierung und der Landtag müssen daher aus ureigenem Interesse die Bundesregierung auffordern, die Kontrolle über den BND zurückzuerlangen.

Viertens. Wir, die Mitglieder unserer Fraktion, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei und der Landesvorsitzende der Piratenpartei, erstatten beim Generalbundesanwalt Strafanzeige bezüglich § 99 Strafgesetzbuch gegen die Führungsebene des BND und gegen die aufsichtführenden Politiker im Bundeskanzleramt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Stotko.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Kollege Dr. Paul dreht sich so ein bisschen wie ein Hamster im Mühlrad. Mein Kollege Falk Heinrichs hat bereits im Dezember – Sie haben Eikonal angesprochen – darauf hingewiesen, dass solche Anträge oder Aktuellen Stunden wie diese nicht in den nordrhein-westfälischen Landtag gehören, sondern entweder in das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundes, in den aktuell eingesetzten Untersuchungsausschuss, von mir aus in den dortigen Innenausschuss oder ins Parlament selbst.

Sie haben mehrfach in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass es sich um eine Bundesaufgabe bzw. eine Bundeskontrolle handelt. Deshalb frage ich mich natürlich immer: Machen Sie das nur, weil Sie nicht im Bundestag sitzen und das dann in die Länderparlamente ziehen müssen, um das einmal diskutieren zu können?

Ich habe mir Ihre Begründung zur Beantragung der Aktuellen Stunde durchgelesen und Ihnen jetzt gerade aufmerksam zugehört. Sie sprechen über „habe gebeten“, „es ist anzunehmen“, „der Verdacht steht im Raum“ und „es ist höchstwahrscheinlich“. Das ist eine Aneinanderreihung von Konjunktiven. Und dann behaupten Sie am Schluss einfach: NRW-Unternehmen sind betroffen. – Das alles tun Sie nur, um eine Aktuelle Stunde beantragen zu können.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist ein Be- leg für die Untätigkeit hier! Es sind NRW- Unternehmen betroffen. Das wissen Sie auch!)

Ich halte das für keine kluge Idee, denn bis jetzt hat sich dazu noch gar nichts ergeben.

(Daniel Schwerd [PIRATEN]: Das ist doch gelogen!)

Deshalb ist die SPD-Landtagsfraktion auch eher vorsichtig, Presseberichte mit Vorwürfen zu kommentieren oder zu bewerten – insbesondere wenn man sich die aktuelle Berichterstattung anschaut. Sie begann mit „wurden ausspioniert“ und drehte sich dann hin zu „sollten ausspioniert werden“.

Um das hier einmal deutlich zu sagen, damit Sie sich ein bisschen besser fühlen und weniger hineinschreien müssen: Wenn die Vereinigten Staaten ernsthaft den Bundesnachrichtendienst erfolgreich eingespannt hätten, um Wirtschaftsspionage in Deutschland zu betreiben, dann hätte dies eine besondere Qualität; denn gegen staatlich organisierte Wirtschaftsspionage müssen Politik, Behörden und Unternehmen gemeinsam vorgehen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Richtig! Völlig richtig!)

Das muss natürlich schnellstens aufgeklärt werden – wohlgemerkt aber im Bund.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Falsch!)

Es gibt jedoch ausreichend Anhaltspunkte dafür – da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Dr. Paul –, dass der Bundesnachrichtendienst offensichtlich ein Eigenleben führt, das Parlament im Bund mehrfach falsch informiert hat und offensichtlich keiner ordnungsgemäßen Kontrolle unterliegt – einer Kontrolle, die im Übrigen dem Bundeskanzleramt obliegt, welches augenscheinlich kläglich versagt hat. Wie? Das Bundeskanzleramt? – Ja, genau! Eben das Amt der Frau Merkel –, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die sich bitterlich darüber beschwert hat, selber abgehört worden zu sein, und ganz überrascht getan hat, obwohl sie offensichtlich seit Jahren darüber informiert ist, dass die NSA auf jeden Fall beabsichtigt, deutsche Firmen auszuspionieren. Wie sie das überraschen kann, entzieht sich meiner Kenntnis.

(Beifall von der SPD)

Die Kanzlerin muss deshalb persönlich, also nicht der Untersuchungsausschuss im Bund allein, die Öffentlichkeit darüber informieren, welche Kenntnisse sie persönlich ab wann gehabt hat und wie sie als oberste Kontrolleurin des Bundesnachrichtendienstes reagiert hat. Aber auch das, liebe Piratenfraktion, interessiert nicht nur uns in NordrheinWestfalen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik – insbesondere, wenn es jetzt Stück für Stück eine lange Liste von Nichtverantwortlichen gibt.

Von gleichem Interesse ist sicherlich auch – das betone ich auch im Sinne meiner Kolleginnen und Kollegen im Bund –, dass es eine Liste abgelehnter Se

lektoren gibt, die 40.000 Stück umfassen soll. Die sind in einer Ablehnungsdatei erfasst. Man fragt sich in diesem Falle schon, wie viele Tausend akzeptiert worden sind, wenn 40.000 Selektoren abgelehnt wurden. Auch das muss aufgeklärt werden. Deshalb ist diese Selektorenliste umfassend, ausführlich und schnellstens zu veröffentlichen.

Um aber trotz Ihres bundespolitischen Antrags den Blick auf Nordrhein-Westfalen zu werfen: Wir sind beruhigt – das hat sich offensichtlich noch immer nicht geändert; der Innenminister wird etwas dazu sagen –, dass bis zum heutigen Tage keine Erkenntnisse darüber vorliegen, dass sich NordrheinWestfalen an irgendeiner Wirtschaftsspionage beteiligt hat.

Im Gegenteil: Wir in Nordrhein-Westfalen sind mit CERT – dem Computer Emergency Response Team; das ist ein englischer Begriff, ich habe ihn nicht erfunden – gut aufgestellt. Das gibt es bei IT.NRW. Dabei handelt es sich um ein in einem bundesweiten Verbund arbeitendes Netz der Sicherheitsinfrastruktur.

Wir allen kennen aus den Diskussionen hier und im Innenausschuss, dass wir im Landeskriminalamt mit dem Cybercrime-Kompetenzzentrum eine Vorzeigeabteilung für ganz Deutschland haben, die sich um Prävention und Aufklärung von Straftaten im ITBereich kümmert.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Die nichts wis- sen! Die von allem nichts wissen!)

Wir haben hier in verschiedenen Debatten klargemacht, dass NRW im IT-Planungsrat unter anderem eine Sicherheitsleitlinie erarbeitet hat.

Wir unterstützen die kommunale Familie – also Kommunen und Kreise – bei der Umsetzung dieser Sicherheitsleitlinie, haben deren Anwendung aber auch der Privatwirtschaft nahegelegt und erneuern dies täglich durch Sensibilisierungsmaßnahmen für eine ausreichende IT-Sicherheit im Privatbereich.

Denn grundsätzlich – ich will das hier noch einmal klarmachen – ist die Privatwirtschaft gehalten, die Zusammenarbeit von Unternehmen, Kammern und Verbänden mit den zuständigen Organen weiter zu vertiefen und eigene Anstrengungen zu unternehmen, sich erfolgreich gegen Wirtschaftsspionage zu wehren. Dies gilt umso mehr, als das Vertrauen in das Internet als Wirtschaftsmotor nicht gefährdet werden darf.

Bei aller Wertschätzung für alle möglichen Maßnahmen und Forderungen: Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass trotz umfassender Schutzmaßnahmen insbesondere gegen neue und hochkomplexe Spionage- und Schadsoftware kein 100%iger Schutz existiert. Wenn die Beantragung der heutigen Aktuellen Stunde zumindest diese Sensibilisierung bewirkt hätte, wäre sie nicht so

nutzlos, wie es hier den Anschein hat. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stotko. – Für die Fraktion der CDU spricht Herr Dr. Bergmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wir hätten hier heute in der Aktuellen Stunde über das Thema, das derzeit vielen Menschen nicht nur im Rheinischen Revier unter den Nägeln brennt, sprechen können: Bundeswirtschaftsminister Gabriel legt mit seinen Plänen für die Klimaabgabe die Axt an die Energieversorgung im Energieland NRW.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Zum Thema!)

Ver.di und IG BCE fürchten den Verlust von bis zu 100.000 Arbeitsplätzen, viele davon in unserem Land. Gleichzeitig findet die Landesregierung zu keiner einheitlichen Position.

(Beifall von der CDU)

Während SPD-Minister gegen die Pläne Gabriels demonstrieren, demonstrieren grüne Minister dafür.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Was soll das denn? Das ist doch lächerlich!)

Wie gesagt: Wir hätten allen Grund, ausführlich und intensiv eine Debatte darüber zu führen. Tun wir aber leider nicht. Sei’s drum! Sprechen wir also über Wirtschaftsspionage.

Im Februar 2014 hatten wir im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung genau zu dem Thema „Wirtschaftsspionage“ bezogen auf unser Bundesland NRW, sodass uns darüber viele Informationen vorliegen.

(Zuruf von Daniel Schwerd [PIRATEN])

Daher möchte ich auf die damals geschilderten Sachverhalte und Fragenkomplexe sowie die angeregten Maßnahmen eingehen – genau so, wie Sie es, liebe Piraten, in Ihrer Begründung für diese Aktuelle Stunde gewünscht haben. Ich rede über NRW, da hier der Landtag und nicht der Bundestag ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und ich rede so, wie Sie es mit Ihrer Überschrift zu Ihrer Aktuellen Stunde auch getan haben: „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor Wirtschaftsspionage schützen“, zu nichts anderem.

Auch nordrhein-westfälische Unternehmen stehen laut den Sachverständigen im Fokus von Spionagetätigkeiten. Das ist nicht überraschend. Laut dem Leiter des Verfassungsschutzes unseres Landes, Burkhard Freier, erfolgten nur fünf bis zehn der An

griffe mit nachrichtendienstlichen und kriminellen Mitteln. Der Rest erfolgt demnach offen, über das Netz oder über Einzelpersonen.

Der Ursprung der Angriffe ist nicht gänzlich geklärt. Man geht davon aus, dass er mal in befreundeten, mal in nicht befreundeten Staaten liegt. Oft ist das Abgreifen von Know-how unserer Weltmarktführer das Ziel.

Wir sind uns sicher einig, dass wir auf das mitschwingende Lob „Unsere Unternehmen sind so innovativ, dass es sich offensichtlich lohnt, sie auszuspähen“ gut verzichten könnten.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Man muss neben kriminellen Aspekten auch eine von der Wirtschaftsspionage ausgehende Gefahr im Auge behalten: Know-how-Abfluss schädigt den Standort NRW massiv.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Ach! – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Da ist er, der Landesbe- zug!)

Sicher: In erster Linie sind Unternehmen selbst für den Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse, etwa in den FuE-Abteilungen, verantwortlich. Das können vor allem große Konzerne auch selbst leisten. Aber Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Standort der großen Konzerne, sondern ist vor allem ein Land mit starker mittelständischer Struktur. Schließlich sind 94 % unserer Industrieunternehmen mittelständische Betriebe. Unsere Hidden Champions brauchen unsere Hilfe beim Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse.