Am 16. Januar 2015 informierte der Verkehrsminister den Verkehrsausschuss darüber, dass ein Großteil der vor 1985 errichteten 6.700 Straßenbrücken bereits innerhalb der nächsten 20 Jahre ertüchtigt oder erneuert werden müssten. Das stimmt – aber wenn Sie bei Ihrem bisherigen Zeitplan für die Untersuchungen bleiben, haben wir bis dahin noch nicht einmal die Untersuchung abgeschlossen.
Den Ernst der Lage zu begreifen, ist sehr wichtig. Wir haben den Eindruck, die Landesregierung hat den Ernst der Lage längst noch nicht begriffen. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit NordrheinWestfalens, es geht um den Industriestandort Nordrhein-Westfalen, und es geht um die Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.
Ihre bisherige Strategie ist ungenügend. Sie wurde im Januar dieses Jahres vorgestellt. Am Ende jedoch haben wir zu wenige Kapazitäten. Die Projektgruppe Brückenertüchtigung, die Herr Minister Groschek 2011 wiederbelebt hat, gab es doch 2010 schon unter Schwarz-Gelb. Der Beitritt des Landes zu DEGES ist richtig, aber er kam viel zu spät.
Die Finanzierung der Brückenbauwerke ist bis heute völlig ungeklärt. Herr Minister Groschek rechnet mit Kosten in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden € für die Sanierung der 400 wichtigsten Brücken. Auch das ist eine riesige Summe, und bis heute gibt es weder aus Düsseldorf noch aus Berlin eine Antwort darauf, wie diese gewaltige finanzielle Aufgabe geschultert werden kann.
Der Kollege Jochen Ott sprach eben von den Unterschieden, die es womöglich zwischen der einen Regierung von CDU und FDP und den vielen Regierungen von SPD und Grünen gibt. Eine Aussage, lieber Kollege Ott, bringt den Unterschied auf den Punkt: Bis 2005 gab es unter Rot-Grün so gut wie keinen einzigen Planfeststellungsbeschluss, und Nordrhein-Westfalen konnte die Mittel, die aus Berlin zur Verfügung gestellt wurden, nicht verbauen. Dann gab es einen Regierungswechsel, und plötzlich – unter Schwarz-Gelb – stieg die Anzahl der Planfeststellungsbeschlüsse von 6 auf 11 und dann auf 14. Man kann also Planfeststellungsbeschlüsse herbeiführen, wenn man es denn will, meine Damen und Herren!
Aber wenn man einen Partner hat, der das immer unterbindet, funktioniert das nicht. Das ist in Wahrheit der Unterschied, Kollege Ott, den es zwischen diesen beiden Regierungen gibt.
Sie benutzten hier eben die Formulierung, viel zu oft hätten die Politiker vor Ort versprochen, dass es diese Umgehungsstraße oder jenen Autobahnlückenschluss geben werde. – Das mag sein, aber wenn der Kollege Ott vor Ort verspricht: „Wir bauen die Umgehungsstraße“, und einen Tag später sagt Herr Klocke: „Wir bauen sie nicht“, dann führt das in einer Koalition zum Stillstand.
Es bleibt dabei – und damit komme ich in der ersten Runde zum Schluss –: Wir brauchen ein tragfähiges Sanierungs- und Finanzierungskonzept für die Brückenbauwerke in Nordrhein-Westfalen. Das liegt bisher nicht vor. Damit wiederhole ich unsere Forderung aus dem Jahr 2012 nach einem „Masterplan Brückensanierung Nordrhein-Westfalen“. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es muss eine große Ratlosigkeit bei der CDU herrschen, wenn Anlass für die Beantragung einer Aktuellen Stunde ein Artikel im „Pressespiegel“ über Brücken ist. Schon denkt sie: Dazu könnten wir doch eine Aktuelle Stunde machen. Das wäre vielleicht eine Idee.
Wir haben im Ausschuss sowohl Ende März dieses Jahres als auch Ende Januar dieses Jahres – ich zitiere jetzt nicht, sondern ich zeige es einfach nur – ausführliche Listen vom Ministerium über den Zustand der Straßenbrücken in Nordrhein-Westfalen vorgelegt bekommen – und zwar nicht auf Nachfrage der CDU, sondern als Bericht der Landesregierung. Meine Betonung liegt dabei auf „ausführlichst“, nämlich auf einmal 87 Seiten und einmal 25 Seiten.
Und jetzt, zwei Monate später, kommen Sie auf die Idee, zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde zu beantragen? Da muss man sich doch fragen: Was soll das?
Wenn man Ihre Rede gehört hat, Herr Rasche, weiß man: Das ist die alte FDP-Linie. Im Himmel ist Jahrmarkt. Wir finanzieren alles. Wir sind zwar gegen jegliche Steuererhöhungen, wir wollen auch möglichst viel privatisieren, aber wir finanzieren alles, jeden Straßenbau, jede Umgehungsstraße, jede Planung. Alles ist finanzierbar. – Das ist die alte FDP-Linie, die Sie mit Ihrer Rede gerade erneut zum Ausdruck gebracht haben.
Wir wissen doch längst, dass wir priorisieren müssen, und das hat diese rot-grüne Landesregierung gemacht. Wir haben klar gesagt, was geht und was nicht geht. Wir haben den Etat für Straßensanierung heraufgesetzt – das wurde vorletzte Woche bekannt gegeben –, und zwar auf 100 Millionen € für die Landesstraßensanierung in diesem Jahr.
Die CDU, die nicht einmal 50 Millionen € im Jahr für Straßensanierung ausgegeben hat – eine Ausnahme war das Jahr 2009, wo es einmal etwas mehr war –, geht jetzt an die Presse und sagt zu den 100 Millionen €, die von Rot-Grün jetzt in die Sanierung an Landesstraßen gehen, das sei ein Tropfen auf den heißen Stein und völlig unzureichend!
Der Verkehrsexperte Kuper – ich bin jetzt fünf Jahre im Ausschuss und habe Sie da kein einziges Mal gesehen – geht an die Presse – die Presse schreibt das auch noch, ohne zu recherchieren – und erklärt, 100 Millionen € seien ein Tropfen auf den heißen Stein. Wäre die CDU in Regierungsverantwortung … Wo ist eigentlich Ihr früherer Verkehrsminister Lienenkämper, der das politisch zu verantworten hat? Heute ist er Parlamentarischer Geschäftsführer. Wir haben jetzt eine Aktuelle Stunde. Wo ist er jetzt?
Sie haben in Regierungszeiten nie mehr als 60 Millionen € für die Sanierung ausgegeben und werfen uns vor, wo wir den Etat verdoppelt haben, das sei ein Tropfen auf den heißen Stein! Das ist schon ein ziemlich starkes Stück.
In die gleiche Melodie steigt die IHK jetzt ein. Die IHK NRW veranstaltet Anfang Juni einen großen Verkehrskongress.
Der IHK-Vorsitzende fordert jetzt eine Verdoppelung. Das ist die gleiche IHK, die im Bundestagswahlkampf vor zwei Jahren, als die Grünen vorgeschlagen haben, Steuererhöhungen bei Gutverdienenden vorzusehen und die Einnahmen eins zu eins in die Infrastruktur zu stecken, dagegen Sturm gelaufen ist. Das sei ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort. Die gleiche IHK fordert jetzt eine Verdoppelung bei den Sanierungsausgaben. Da muss man doch fragen, woher das Geld kommen soll. Diese Frage, woher das Geld kommen soll, wird von der CDU – von der FDP sowieso – nie beantwortet. Sie machen reine Polemik!
Das ist Wohlfühlopposition: auf der einen Seite immer mehr zu fordern und auf der anderen Seite immer zu kritisieren, dass die Landesregierung zu viel Geld ausgibt. Das geschieht immer nach dem Motto: Wasch uns den Pelz, aber mach uns bloß nicht nass! Das sieht man in der heutigen Debatte mal wieder an den Beiträgen von Herrn Voussem und Herrn Rasche.
Die Landesregierung hat im Ausschuss klar informiert. Wir hatten transparente Informationen – ich habe das eben gesagt –, allein zweimal in diesem Jahr mit ausführlichen Listen. Es gibt die zentrale Baustellenkoordination. Wir sind DEGES beigetreten. Warum muss eine rot-grüne Koalition DEGES – ein Projekt, was in der schwarz-gelben Regierungszeit im Bund entstanden ist – beitreten? Wir haben das gemacht. Wir haben uns auf Bundesebene für die Fortschreibung der Entflechtungsmittel eingesetzt.
Es ist doch völlig unklar, wie nach 2019 im Bereich des Verkehrs die Finanzierung aussieht. Die CDU regiert in Berlin. Gerade war ein großer Verkehrskongress in Berlin. Der Staatssekretär aus dem Verkehrsministerium sagte dort, 2019 sei noch lange hin. Warum sollen wir uns jetzt damit beschäftigen? – Es ist völlig unklar, wie es mit den Entflechtungsmitteln ausgeht. Wir haben das hier seitens der Landesregierung für Ersatzinvestitionen geöffnet. Die CDU bleibt da jede Antwort schuldig.
Wenn man sich die Straßenschäden ansieht, ist zu fragen, wer die Fraktion ist, die sich massiv dafür einsetzt, dass wir in Nordrhein-Westfalen die Gigaliner erlauben, dass wir diesem Feldversuch beitreten, also noch schwerere Lkws auf den Straßen zuzulassen, die noch mehr Straßenschäden verursachen. Das will doch gerade die CDU freigeben!
Auf der anderen Seite kritisieren Sie hier die massive Zunahme an Straßenschäden. – Von daher ist das ein rein populistischer Popanz, der hier aufgebaut werden soll. Diese Aktuelle Stunde hat überhaupt keinen realen Hintergrund.
An der Kritik ist aber Folgendes richtig: Natürlich haben wir in den 70-er- und 80er-Jahren an diesem Punkt geschlafen. Das rächt sich in dieser Zeit. Das können sich alle Parteien auf die Fahnen schreiben. Da ist keiner ohne jede Schuld. Aber jetzt handelt diese Landesregierung. Wir haben die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Die Bestandsaufnahme läuft, die Sanierungsmaßnahmen laufen.
Ich darf noch eine Bitte an den Minister äußern: Wenn es in den nächsten Wochen und Monaten mal wieder eine Brückenkonferenz gibt, wo darüber diskutiert wird, wie die Rheinbrücken saniert werden, würde ich mich freuen, wenn nicht nur die Re
gierungspräsidenten und -präsidentinnen eingeladen werden, sondern auch die Abgeordneten oder fachpolitischen Sprecher der Fraktionen – gerne aus allen Fraktionen –, sodass wir an den Beratungen teilhaben können. Diesen Wunsch gebe ich dem Minister gerne mit auf den Weg. – Ansonsten bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen im Stream! Herr Minister Groschek, Sie haben sich heute Morgen ja so vehement in die Tarifauseinandersetzung zwischen GDL und der Deutschen Bahn eingemischt, indem Sie fordern, die Tarifvertragsparteien sollten die Brücke der Schlichtung beschreiten. Abgesehen davon, dass man darüber denken kann, wie man will, ob sich die Politik jetzt in die Tarifauseinandersetzung einmischen soll oder es besser lassen sollte, könnte es sein, dass die Brücke der Schlichtung marode ist, bröckelt oder vielleicht sogar schon komplett defekt ist, so wie Tausende von Brücken im Lande NordrheinWestfalen, egal ob auf Bundesfernstraßen oder auf Landesstraßen. Die Zahlen hat der Kollege Rasche eben einmal ins Feld geführt.
Man muss einfach sagen: Die Forderung der FDP nach einem Masterplan können wir Piraten nur vehement unterstützen. Er fehlt nämlich gänzlich. Was hier im Lande Nordrhein-Westfalen, insbesondere von diesem Verkehrsministerium, geleistet wird, ist nichts anderes als Stückwerk.
Wir Piraten in Nordrhein-Westfalen machen uns angesichts der beängstigenden Situation auf Nordrhein-Westfalens Straßen, insbesondere auf den Brücken, ernsthaft Gedanken, ob nicht wegen der mehr oder weniger vorhandenen Untätigkeit – die Diskussionen, Herr Kollege Klocke, die da geführt werden mögen, sind ja schön, aber Taten werden gefordert – dieser Landesregierung in der Verkehrspolitik dem am Ende nur noch mit einem Tempolimit von 60 km/h auf allen Brücken in NordrheinWestfalen abgeholfen werden kann. Vielleicht könnte es helfen, dass den Menschen in diesem Lande endlich einmal vor Augen geführt wird, von welcher miserablen Politik sie im wahrsten Sinne des Wortes ausgebremst werden.
Im Grunde müsste man ein Tempolimit von 60, 70 oder 80 km/h schon jetzt präventiv einführen. Es kommt nämlich aufgrund der fehlenden Landesstrategie über kurz oder lang – wahrscheinlich eher über kurz – sowieso dazu – wie wir schon jetzt an verschiedenen Brückenstellen im Lande Nordrhein
Westfalen erkennen müssen, und dies nicht erst seit gestern, sondern schon seit Jahren, denken wir beispielsweise an die Brücke in Leverkusen.
Westfalen ist, wie auch schon betont worden ist – da wird gern dem einen und dem anderen mal wieder etwas von den schon seit langem in diesem Hause vertretenen Parteien vorgeworfen –, eine Geschichte des jahrzehntelangen Versagens.