Protokoll der Sitzung vom 20.05.2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 85. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Besucherinnen und Besuchern auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich die Kolleginnen und Kollegen gerne darauf hinweisen, dass der in der ausgedruckten Tagesordnung ausgewiesene Tagesordnungspunkt 10 – Fragestunde – heute entfällt. Die Gründe sind in den Fraktionen hinreichend erörtert worden. Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte rücken dementsprechend auf.

Die neue Nummerierung der Tagesordnungspunkte sowie die neuen Richtzeiten können Sie aus der im Internetauftritt des Landtags abrufbaren aktuellen Tagesordnung entnehmen. Aber auch das ist eine mittlerweile gute Übung hier im Hause.

Ich möchte gerne auf eine zweite Neuerung hinweisen, die insbesondere diejenigen interessieren wird, die heute als Rednerinnen und Redner das Redepult „erobern" werden – wenn ich das einmal so sagen darf. Wir haben den Wunsch nach einem optischen Signal erfüllen können, das aufleuchtet, wenn Kurzinterventionen angemeldet worden sind.

Nunmehr wird zusätzlich zu der eingeblendeten Redezeit oder dem Redezeitende ein optisches Signal auftauchen.

Wir werden aber vorsichtshalber – falls ein Redner oder eine Rednerin dies nicht bemerken sollte – auch noch einmal deutlich ankündigen, dass eine Kurzintervention angemeldet worden ist.

Sie werden darüber hinaus auch die Redezeit der Kurzintervention – maximal 90 Sekunden – am Redepult an der Uhr verfolgen können.

Ich bitte heute alle Rednerinnen und Redner ganz herzlich um Geduld und Verständnis; denn das ist ja in gewisser Weise für uns alle ein Probelauf. Auch die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Präsidentin, die Vizepräsidenten – also die jeweiligen sitzungsleitenden Präsidiumsmitglieder hier oben – werden sich bemühen, den Probelauf reibungslos hinzubekommen; aber kleine Pannen im Laufe des Tages kann man nicht ausschließen. Deshalb bitte ich jetzt schon einmal um Ihr Verständnis.

Mit diesen Vorbemerkungen treten wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Rund zwei Drittel aller Straßenbrücken mit

Baujahr vor 1985 müssen auf Funktionstüchtigkeit geprüft werden – was plant die Landesregierung?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/8702

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 18. Mai dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der oben erwähnten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herrn Kollegen Voussem das Wort. – Ich bitte darum, dass der Geräuschpegel der Situation angemessen jetzt wieder heruntergefahren wird.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Albert Schweitzer hat einmal gesagt: „Keine Zukunft vermag gutzumachen, was du in der Gegenwart versäumst.“ Über Versäumnisse in der Vergangenheit und in der Gegenwart wollen wir heute einmal sprechen.

Wir haben diese Aktuelle Stunde am vergangenen Montag, dem 18. Mai 2015, beantragt. Folgende Schlagzeilen dominierten die nordrhein-westfälische Presse an diesem Tage:

„Kölnische Rundschau“: „NRW bleibt Schlaglochland.“ – „Neue Rhein Zeitung“: „Handlungsbedarf! Das Desaster der Infrastruktur“ – „Aachener Nachrichten“: „Das Brückenproblem“ – „Bild“-Zeitung: „Wie viele Brücken in NRW sind noch marode?“ – „Westdeutsche Allgemeine“: „Harte Zeiten für Autofahrer“ – „RuhrNachrichten“: Brückenzustand ungewiss. – Und das waren längst noch nicht alle. Die in den Artikeln erwähnten Probleme lasen nur einen Schluss zu: Es muss in Nordrhein-Westfalen Versäumnisse gegeben haben, und zwar ganz gewaltige Versäumnisse.

Frau Ministerpräsidentin Kraft, Sie haben am 30. November 2014 bei Günther Jauch gesagt: Wir sind über Jahre auf Verschleiß gefahren. – Und wer ist für diesen Verschleiß und für die Versäumnisse bei der Reparatur in Nordrhein-Westfalen verantwortlich? Werfen wir einmal einen Blick auf die Landesgeschichte. Die SPD regiert Nordrhein-Westfalen seit 1966, mit lediglich einer Unterbrechung von fünf Jahren.

(Jochen Ott [SPD]: Kaum sind wir mal weg, habt ihr die Brücken kaputt gemacht!)

Das sind 44 SPD-Regierungsjahre. Die Grünen kamen ja erst 1995 dazu. In den fünf Jahren CDUgeführter Landesregierung aber – von 2005 bis 2010 – wurden mehr Bundesfernstraßen geplant und gebaut als jemals zuvor.

(Beifall von der CDU)

Leider wurde der verkehrspolitische Erfolgskurs der schwarz-gelben Landesregierung bereits 2010 gestoppt.

(Lachen von der SPD – Zurufe von der SPD: Huh!)

Die Zeit der Versäumnisse hielt wieder Einzug.

(Beifall von der CDU)

Erster gravierender verkehrspolitischer Fehler der rot-grünen Landesregierung war der Planungsstopp für die Bundesfernstraßen im Herbst 2011, der fatalerweise mit einem massiven Zurückfahren der Ingenieurleistungen für die Bundesfernstraßenplanung verbunden wurde. Dabei war die schwierige Situation der Brücken in unserem Land bereits damals bekannt. Der Bund hatte schon im Jahr 2009 entschieden, die alte Rheinbrücke auf der A1 in Leverkusen durch einen Neubau zu ersetzen.

Bereits seit 2010 arbeitet der Landesbetrieb Straßen.NRW an dem Problemfeld „Brückensanierung“. Es gibt eine Projektgruppe Brückenertüchtigung, die sich der Sache systematisch angenommen hat. Diese Projektgruppe hatte der damalige Verkehrsminister Lutz Lienenkämper Anfang 2010 eingesetzt. Die Projektgruppe Brückenertüchtigung hat seit 2010 Vorarbeiten geleistet, worauf man rechtzeitig hätte aufbauen können. Dies aber wurde wiederum versäumt.

Am 30. November 2012 hat Minister Groschek verkündet, dass die Schäden an der Brücke auf der A1 über den Rhein bei Leverkusen sofortige Einschränkungen erforderlich machen würden. Am 18. Februar 2013 wurde bekannt, dass Brückenschäden am Kreuzungsbauwerk im Autobahnkreuz Leverkusen eine unmittelbare Reparatur und Verkehrseinschränkungen erforderlich machen würden.

Warum wurde mit der Planung für den Neubau der Leverkusener Rheinbrücke erst begonnen, als schon Verkehrseinschränkungen verhängt werden mussten? Warum wurde mehr als zwei Jahre lang nichts getan?

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Frau Ministerpräsidentin Kraft, ebenfalls am 30. November 2014 haben Sie bei Günther Jauch behauptet, der Bund hätte die Leverkusener Brücke längst erneuern müssen. Am 3. Februar 2015 hat Ihr eigener Verkehrsminister Sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn der Bund kann erst mit dem Neubau der Leverkusener Brücke starten, wenn die Landesregierung die Planung dafür rechtskräftig abgeschlossen und vorgelegt hat.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Das wird nach Angabe von Herrn Groschek allerdings frühestens ab 2017 der Fall sein. Bei einer geschätzten Bauzeit von weiteren sechs Jahren wäre die neue Brücke demnach frühestens 2023 befahrbar.

Und es ist ja nicht allein die Leverkusener Brücke. Am 13. Mai 2015 hat Verkehrsminister Groschek auf Nachfrage der FDP bekannt gegeben: Zwei Drittel der insgesamt 10.000 Brücken in NordrheinWestfalen müssen auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden.

Das war nicht die erste Schreckensmeldung über den verheerenden Zustand der Brücken in unserem Land. In den vergangenen Wochen kamen immer wieder neue Details ans Licht. Wieder einmal hat die Landesregierung erst auf vehementes Nachfragen der Opposition häppchenweise Informationen preisgegeben. Lösungsvorschläge wurden hingegen nicht aufgezeigt. Es grenzt an einen Skandal, dass sich die rot-grüne Landesregierung nach fast fünf Jahren noch immer in der Überprüfungsphase befindet.

(Beifall von der CDU)

Wann die Landesregierung von der Überprüfungsphase in eine Entscheidungsphase wechselt, ist noch gar nicht abzusehen. Verkehrspolitisch haben wir fünf verlorene Jahre hinter uns.

(Beifall von der CDU)

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlieren das Vertrauen erstens in diese Landesregierung und zweitens in den Verkehrsminister.

Herr Minister Groschek, am 20. April 2015 betonten Sie: Wir werden im kommenden Jahrzehnt auf den Straßen bauen, bauen, bauen. – Mit welchen Mitteln Sie das machen wollen, bleibt bis heute leider unbeantwortet. Mit Rhetorik allein kann man keine Straßen und Brücken bauen. Unser Land braucht keine Maulhelden, unser Land braucht endlich Lieferhelden!

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Ihre stetigen Forderungen an den Bund nach einer Investitionsoffensive für die Sanierung der Autobahnen gehen ins Leere. Den einzig gangbaren Weg, langfristig mehr Mittel zu generieren – nämlich ÖPPProjekte –, haben Sie bis heute nicht eingeschlagen. Das lehnen Sie aus ideologischen Gründen ab. Sie haben es versäumt, Bundesgelder in dreistelliger Millionenhöhe anzunehmen.

Und was ist eigentlich mit den Autobahnbaustellen? An dieses Problem hat die „Neue Rhein Zeitung“ am vergangenen Montag erinnert. Es wird ein intelligentes Baustellenmanagement gefordert, das

schnelle Ergebnisse bringt und Kosten spart. Vor

einem Jahr haben wir, die CDU-Fraktion, in diesem Landtag ein Konzept hierzu eingebracht. In der Plenardebatte am 14. Mai 2014 wurden wir dafür von den Koalitionsfraktionen ausgelacht.

Die Redezeit.

Es wurde ein Jahr versäumt, und die Menschen, die im Stau stehen, lachen bestimmt nicht mehr, meine Damen und Herren.