Protokoll der Sitzung vom 20.05.2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz nebenbei muss die Landwirtschaft seit einigen Jahren auch noch zur Energieerzeugung beitragen. Das haben vor allem die Grünen so gewollt.

Umso erstaunlicher ist es, dass Sie in Ihrem Entschließungsantrag beklagen, dass der Maisanbau gerade in meinem Heimatkreis Borken sich fast verdoppelt hat, Sie aber mit keinem Wort darauf eingehen, dass die Produktion von Biogas dabei die wesentliche Rolle spielt. Es ist kein Wunder, dass sich die Landwirtschaft von Rot-Grün im Stich gelassen fühlt, wenn man so oberflächlich und selbstgefällig argumentiert.

Die Landwirtschaft ist und bleibt ein zentraler Bestandteil des ländlichen Raumes. Sie garantiert die Bereitstellung hochqualitativer Lebensmittel und nachwachsender Rohstoffe, sie sorgt für eine gepflegte Kultur- und Erholungslandschaft und sichert Arbeitsplätze. Sie trägt damit wesentlich zur Erhaltung der Strukturen in den ländlichen Räumen und natürlich zur Versorgung der Menschen mit qualitativ und ökologisch hochwertigen und gesunden Nahrungsmitteln bei.

Trotzdem geht die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Nordrhein-Westfalen immer weiter zurück. Wie sieht es mit der Entwicklung der Betriebe aus? Wie kann unsere heimische Landwirtschaft bei steigender Weltbevölkerung auch morgen noch einen Beitrag zur Welternährung leisten? – Diese Fragen stellen Sie überhaupt nicht.

Es mangelt in unserem Land an einem gründerfreundlichen Klima, gerade in der Landwirtschaft. Heute kam die aktuelle Zahl über den Ticker, dass mittlerweile 14.000 Höfe wieder aufgegeben haben. Trotzdem wird vonseiten der Grünen mit keinem anderen Berufsstand in der Öffentlichkeit so unfair und negativ wie mit den Landwirten umgegangen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da wird von Agrarindustrie geredet, von Massentierhaltung und davon, dass man es satt hat. Natürlich fühlen sich junge Leute durch solche Angriffe demotiviert. Dabei haben wir in Nordrhein-Westfalen

keine Agrarindustrie, bei uns ist ein Landwirt kein Industriekapitän. In der modernen westfälischen Landwirtschaft sind die Bauern fest verwurzelt mit ihren familiengeführten mittelständischen Betrieben. Die leistungsbereiten Landwirte und die Landwirtschaft sind das Rückgrat des ländlichen Raumes. Diese Landwirte brauchen keine Verbote, kein Misstrauen und keine Kontrolle durch überzogene Politik. Sie brauchen Freiheit, um eigenverantwortlich handeln zu können.

(Beifall von der FDP)

Die vorliegende Große Anfrage ist lediglich ein weiteres Instrument der Grünen, um unsere Landwirte an den Pranger zu stellen. Selbstverständlich muss man sich auch mit den Umweltauswirkungen der Landwirtschaft beschäftigen, aber bitte in der Gesamtschau und mit dem klaren Bekenntnis dazu, dass ohne eine moderne Landwirtschaft auch keine moderne Gesellschaft möglich wäre.

Aber für die Grünen ist jeder Viehhalter ein Umweltverbrecher, potenzieller Tierquäler, und die SPD lässt sich vor diesen Karren spannen. Das ist völlig unnötig, denn zu den Themen, die die Politik beschäftigen, wurden bereits im Jahr 2014 im Nährstoffbericht Aussagen getätigt.

Wir haben natürlich regional mit dem Grundwasser ein Problem. Das liegt natürlich auch an der Düngung mit Gülle. Aber für uns, für die FDP, ist klar: Der Schutz des Grundwassers hat die oberste Priorität; Grundwasser ist Lebensmittel Nummer eins. Darum können wir uns auch nicht zurücklegen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das tun Sie aber!)

Darum muss auch die Düngeverordnung zügig neu gefasst werden – aber zusammen mit den Landwirten und nicht gegen die Landwirte.

Die Redezeit.

Und auch Bio ist kein Allheilmittel. Die Berechnung der Stickstoffbilanz ab dem Hoftor, die Einrechnung der ausgebrachten Gärreste aus den Biogasanlagen und die Anrechnung auf den Wirtschaftsdünger sind zum Schutz unseres Wassers dringend notwendig. Wichtig ist, dass wir praxisgerechte Nährstoffbilanzen erhalten, ohne die Landwirte mit den neuen bürokratischen Vorhaben zu überhäufen.

Ihre Redezeit!

Leider geht Ihr Entschließungsantrag nicht in diese Richtung. Sie wollen die Landwirte weiterhin gängeln. Sie argumentieren nicht im Dialog und nicht auf Augenhöhe, und Sie wollen auch nicht nach gemeinsamen Lösungen suchen.

Daher werden wir diesen Antrag ablehnen. – Danke.

(Beifall von der FDP und Werner Jostmeier [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Busen. – Für die Piratenfraktion spricht Frau Kollegin Brand.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich würde jetzt gern die Zuschauer im ländlichen Raum grüßen, aber ich fürchte, dafür reicht deren Bandbreite nicht ganz. Doch das ist ein anderes Thema.

(Beifall von den PIRATEN)

In einer Großen Anfrage haben die SPD-Fraktion und die Fraktion der Grünen ihre eigene Landesregierung nach den Auswirkungen der Landwirtschaft auf die natürlichen Ressourcen in NRW gefragt. Bösartig könnte man an dieser Stelle natürlich fragen, warum die Herrschaften nicht direkt miteinander reden, und ihnen einen gewissen Willen zur Show unterstellen.

(Frank Sundermann [SPD]: Wir sind Parla- mentarier und nicht die Landesregierung!)

Da wir aber nicht bösartig sind, gibt uns diese Große Anfrage hier die Gelegenheit, einmal generell über das zu reden, was in unserer Landwirtschaft so alles schiefläuft, zuallererst, was die moderne Landwirtschaft mit unserer Gesundheit anstellt.

Unsere Krankenhäuser und Pflegeheime haben mit immer mehr multiresistenten Keimen zu kämpfen. Diese Keime entstehen zu großen Teilen in den Ställen unserer Großbauern. Untersuchungen haben ergeben, dass eine deutliche Verringerung der Besatzdichte direkten Einfluss auf die Menge der benötigten Antibiotika hat. Weniger Antibiotika heißt weniger Resistenzen, und damit kommt es uns allen zugute.

Eine Landwirtschaft, in der es ohne Medikamente kaum möglich ist, Tiere überleben zu lassen, hat doch ein systematisches Problem. Die Lösung, um den neuen Keimen Herr zu werden, können in diesem Fall nicht Reserveantibiotika sein. Wir müssen schlicht und ergreifend am System etwas ändern, und das kann nur heißen: Mehr Platz pro Tier.

(Beifall von den PIRATEN)

Als Nächstes ist die ständig steigende Stickstoffbelastung von Gewässern und Böden. Durch die räumlich konzentrierte Haltung von immer mehr Tieren wird in diesen Gebieten auch immer mehr Gülle produziert. Das wurde hier schon erwähnt. Diese starke stickstoffhaltige Gülle verschwindet nicht einfach; nein, sie wird auf die Felder ausgebracht, und da reichert sich der Stickstoff aus der Gülle immer weiter an. Wir haben jetzt schon eine signifikante

Veränderung im Stickstoffklima unserer Böden. Nachhaltiger Umgang sieht anders aus.

(Zuruf von Christina Schulze Föcking [CDU])

Massentierhaltung schadet also auch da.

Durch die zunehmende Automatisierung in der Landwirtschaft sind immer größere Monokulturfelder notwendig geworden. In diesen Monokulturen wird jede Art von Biodiversität aktiv bekämpft, weil sie der Produktivität im Weg steht.

(Zuruf von der CDU)

Dadurch kommt es zu einer sehr einseitigen Belastung der Böden und zum Aussterben natürlich vorkommender Arten. Norwich Rüße hat es gerade schon erwähnt: Es gibt den aktuellen ArtenschutzReport. Hier betont Professorin Beate Jessel, dass eine wichtige Ursache für den Verlust der biologischen Vielfalt die intensive Landwirtschaft ist.

Durch die Monokulturen kommt es natürlich auch zu einer größeren Anfälligkeit durch Schädlinge. Um das zu bekämpfen, werden immer mehr Pestizide eingesetzt.

(Zuruf von der CDU)

Angepasstes Saatgut und perfekt darauf abgestimmte Pestizide und Herbizide – ich nenne hier einmal Monsanto mit seinem Wundermais und dem dazu passenden Roundup – sorgen für eine stärkere Belastung des Grundwassers und der Böden. Landwirtschaft hat kaum noch etwas mit Bauern zu tun, und Bauern haben kaum noch etwas mit Landwirtschaft zu tun.

(Christina Schulze Föcking [CDU]: Was?)

Bäuerliche Landwirtschaft wird durch die Agrarindustrie verdrängt, und die Auswirkungen dieser Entwicklung sieht man nicht zuletzt immer wieder in unseren Krankenhäusern.

Also schaffen Sie bitte den politischen Rahmen, in dem sich gesunde Landwirtschaft entwickeln kann. Damit haben Sie genug zu tun und brauchen keine Großen Anfragen an die eigene Regierung zu richten.

(Zuruf von der CDU)

Ihrem Entschließungsantrag entnehme ich, dass Sie die Probleme erkannt haben und etwas ändern wollen. Dementsprechend finden wir den Entschließungsantrag auch gut und können ihm auch zustimmen.

Wenn ich mir allerdings die letzte Forderung ansehe, im Bereich der Tierhaltung durch Bundesratsinitiativen umwelt- und tierschutzgerechte Haltungsformen rechtlich zu verankern, kann ich nicht nachvollziehen, dass so etwas nicht schon vor 30, 40 Jahren gemacht worden ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brand. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich bei den Koalitionsfraktionen ganz herzlich für die gestellten Fragen, für die vielen Hinweise, die in den Fragen enthalten sind, und für die Gelegenheit, heute eine Debatte über die Situation der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu führen, bedanken.

Das gibt mir die Gelegenheit, mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen – das wäre schon einmal etwas Positives und etwas, was wir gemeinsam haben –, dass wir in der Darstellung von Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck bringen, dass wir mit der Hälfte der Landesfläche, die landwirtschaftlich bewirtschaftet ist, ein Agrarland an der Spitze der Bundesrepublik sind. Wir sind mit 400.000 Beschäftigten das drittgrößte Agrarland in der Ernährungs- und Landwirtschaft insgesamt, und es ist ein bedeutender ökonomischer Faktor.

Es ist auch klar, Landwirtschaft funktioniert nicht ohne Bäuerinnen und Bauern, ohne Landwirte. Da ist es an dieser Stelle genau richtig, sich Gedanken darüber zu machen, was wir tun müssen, wenn wir unser schönes Bundesland, unsere vielfältigen Kulturlandschaften und unsere Naturlandschaften – denn Landwirtschaft hat etwas mit Land und mit Umwelt zu tun – in die Zukunft tradieren und eine Zukunft auch im ländlichen Raum, in der Landwirtschaft haben wollen. Da etwas zu tun, sich Gedanken darüber zu machen, was eigentlich in zehn, 15, 20 Jahren passiert, das ist Aufgabe der Politik, des Parlaments. Was ist dann mit jungen Familien? Können sie im ländlichen Raum noch ihre Familie ernähren, können sie noch Geld verdienen? Welche Zukunft gibt es für diese Familien und für diesen ländlichen Raum?

Da macht es keinen Sinn, die Augen vor realen Problemlagen zu verschließen, die nun einmal vorhanden sind.