Protokoll der Sitzung vom 26.06.2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung hatte sich im Rio+20Prozess verabredet, dass sie die acht Millenniumsziele, die Entwicklungsziele fortschreiben will. Seit Januar 2015 verhandeln 70 Mitgliedsstaaten der UN die Post-Agenda-2015. Diese soll aus vier Teilen bestehen. Die Ziele sollen im September auf der UN-Konferenz verabschiedet werden und die nachhaltige Entwicklung bis 2030 festlegen.

Erfahrungen aus den MDGs sollen berücksichtigt werden. Insgesamt sind 17 Ziele und 169 Unterziele verabredet worden. Die 17 Ziele sollen für alle Länder der Erde gelten. Die Unterziele und die Indikatoren sollen zugleich genügend Flexibilität aufweisen,

um Unterschiede und nationale Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Mit diesen Zielen, meine Damen und Herren, verbindet sich die Hoffnung, dieses Mal alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen mit dem Ziel „leave no one behind“.

Die SDGs sind für die Industrieländer zugleich eine Chance, die vagen Diskussionen um Green Economy, Strukturwandel und Nachhaltigkeitsstrategien zu konkretisieren und zu quantifizieren. Meine Damen und Herren, diese Chance hat auch NordrheinWestfalen schon vor einiger Zeit ergriffen, weil wir uns bewusst sind, dass auch wir zur Nachhaltigkeit verpflichtet sind.

Aufbauend auf einer universell geltenden globalen Strategie braucht es aber auch in besonderer Weise des Engagements auf regionaler und lokaler Ebene. Getreu diesem Leitbild muss das Land NRW seinen Teil dazu beitragen, um ambitioniert notwendige Veränderungen dauerhaft mit herbeizuführen.

Meine Damen und Herren, vor allem die Lebensstile und die Wirtschaftsweisen in den Industriestaaten müssen sich nachhaltig ändern. Es wird uns immer noch vorgegaukelt, dass es nur einen vorgezeichneten Entwicklungskurs des Wohlstandes gibt, nämlich Wachstum, Wachstum, Wachstum. Wer dieser Welt aber eine Chance geben will, muss die Zukunftsaufgaben der gesamten Menschheit in den Blick nehmen. Dazu gehört es, extremen Hunger zu vermeiden, Klimawandel zu bekämpfen und Bildung für alle zu ermöglichen.

Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, werden wir auch das Thema „Flucht“ – wir wissen, dass zurzeit eine riesige Zahl von Menschen auf der Flucht ist, die größte Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg – nicht in den Griff bekommen. Die von uns Menschen verursachten Folgen des Klimawandels sind vor allen Dingen für die ärmsten Länder der Welt eine Katastrophe.

Mit der vom Land und von der GIZ veranstalteten Conference for Global Transformation gibt es zudem in Nordrhein-Westfalen eine Plattform, die weltweit strahlt. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es eben nicht so ist, dass es nur eine Konferenz ist, sondern – darauf wurde am letzten Sonntag in einer Rede in Bonn so schön hingewiesen –: Wenn sich in Paris die Menschen zur Klimakonferenz treffen und das weltweite Wissen zusammengetragen wird, dann haben wir das in Bonn bei jedem Einkauf bei Rewe oder Kaiser’s, weil wir nämlich das ganze Wissen der Welt auch in Bonn bündeln.

Ich finde, Nordrhein-Westfalen könnte auch einmal stolz darauf sein, dass wir diesen Leuchtturm in Nordrhein-Westfalen für Nachhaltigkeit, für Klima- und Entwicklungspolitik haben.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, Einstein wusste schon, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, wodurch sie entstanden sind. Daher müssen wir unsere Wirtschaft und unseren Lebensstil grundlegend verändern. Genauso müssen wir die weniger entwickelten Länder unterstützen und dürfen nicht dieselben Fehler begehen.

Nordrhein-Westfalen ist gut aufgestellt.

Ein Blick auf die CDU: Es gibt einen Entschließungsantrag zu unserem Antrag, der heute vorgelegt worden ist, der im Netz noch nicht zu finden ist, der auf meinem Tisch nicht gelegen hat. Ich habe eben einen flüchtigen Blick in diesen Entschließungsantrag werfen können und festgestellt, dass offensichtlich die CDU das, was sie an anderer Stelle in diesem Parlament nicht umgesetzt hat, jetzt wieder in den Forderungskatalog dieses Entschließungsantrags mit hineinnimmt.

Ich finde das nicht reell, ich finde das nicht fair. Man hätte über solche Dinge miteinander reden müssen. Einem noch nicht einmal die Chance zu geben, diesen Entschließungsantrag zu lesen, ist aus meiner Sicht eine Katastrophe, weil es damit parlamentarisch nicht vernünftig beraten werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen hat die UN-Dekade fortgeschrieben. Wir werden eine BNE-Strategie auf den Weg bringen. Wir wollen das nachhaltige Wirtschaften auf den Weg bringen. Die Eine-Welt-Strategie ist auf den Weg gebracht worden. Das Land ist dabei, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Die Landesregierung unterstützt den fairen Handel. Das Tariftreuegesetz ist auf den Weg gebracht worden und hat mittlerweile Gültigkeit in Nordrhein-Westfalen.

Wir haben gestern an dieser Stelle den Klimaschutzplan diskutiert, der genau in diese Richtung weist, dass wir mit unserer Verantwortung für die Welt auch in Nordrhein-Westfalen ein Zeichen setzen wollen. Dem haben sich die Oppositionsparteien ja verweigert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ernst es ist, hat uns in der letzten Woche der Papst noch einmal deutlich vor Augen geführt.

Achten Sie bitte auf die Zeit.

Ich bin sofort fertig. – Der Papst hat für seine Äußerung, dass die Welt dringend des Schutzes bedarf und dass wir jetzt etwas tun müssen, viel Zustimmung bekommen. Wir müssen jetzt etwas tun. Jeder Einzelne ist gefordert. Es kann nicht sein, dass wir uns den Zielen entziehen, weil wir sonst die Welt dem Untergang preisgeben. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2015 ist ein entscheidendes Jahr für unsere Klimapolitik und für eine globale Gerechtigkeitspolitik. In diesem Jahr muss nämlich die Staatengemeinschaft entscheiden – erstens –, wie sie dem Klimawandel begegnen will und – zweitens –, wie sie der wachsenden Ungleichheit innerhalb und zwischen den Staaten begegnen und diese abbauen will.

Heute senden wir mit diesem Antrag ein Signal nach Berlin und nach New York. Wir bekräftigen: Das Land Nordrhein-Westfalen ist bereit, Verantwortung für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung global und lokal zu übernehmen.

Meine Damen und Herren, zu Recht soll durch die Post-2015-Agenda ein Paradigmenwechsel erfolgen. Die Agenda richtet sich nämlich an alle Staaten, Regionen und auch an die Kommunen, weil in einer globalisierten Welt eine sozialökologische Transformation nur gemeinsam und in Kooperation und durch die Anstrengung aller Ebenen gelingen kann. Wie wir konsumieren, wie wir wirtschaften, welchen Lebensstil wir wählen, hat einen ganz direkten Einfluss auf das Leben der Menschen in anderen Regionen und umgekehrt.

Noch in diesem Jahr werden wir in NordrheinWestfalen eine Nachhaltigkeitsstrategie für NRW erarbeiten. Mit dieser Strategie werden die Weichen für einen sozialökologischen Umbau gestellt. In NRW wollen wir soziale Gerechtigkeit, ökonomische Vernunft und ökologische Verantwortung noch konsequenter zusammendenken. Mit der konsequenten Implementierung der Post-2015-Agenda schaffen wir Kohärenz in unserem politischen Handeln.

Der BMZ-CDU-Staatssekretär Dr. Kitschelt aus dem Bundesministerium hat auf der Bonn-Konferenz im Mai Nordrhein-Westfalen ausdrücklich gelobt. Ich zitiere: Wir im Bund – so sagt er – haben vor einigen Monaten zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung beschlossen, unsere Nachhaltigkeitsstrategie im Lichte der SDGs zu überprüfen und anzupassen. Das könnten Sie in Nordrhein-Westfalen – so sagt er – gleich auch so festlegen und damit Vorreiter für andere Länder sein, denn NRW hat schon viel vorzuweisen.

Soweit der BMZ-Staatssekretär. Genau diese Vorreiterrolle, meine Damen und Herren, wollen wir in Nordrhein-Westfalen einnehmen und sie ausfüllen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Agenda richtet sich nicht nur an alle entwicklungspolitischen Akteure, sondern auch an alle Politikfelder, denn nachhaltige Entwicklung ist Querschnittspolitik. Die Open-Working-Group der UN hat 17 Ziele und 169 Unterziele formuliert. Nachhaltige Entwicklung erreichen wir nur durch die Energiewende, Klimaschutz, nachhaltigen Verkehr und durch eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen mit dem Klimaschutzgesetz und dem Tariftreuevergabegesetz Meilensteine gelegt. Wir sind überzeugt, dass Entwicklung und Umweltagenda verzahnt werden müssen, denn Klimapolitik – das wissen wir – ist eine Schlüsselfrage für die globalen Herausforderungen.

Der Klimawandel hat bereits jetzt viele Anstrengungen, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten zur Verbesserung der Lebenssituation in Entwicklungs- und Schwellenländern unternommen haben, konterkariert.

In Bangladesch bedroht der Anstieg des Meeresspiegels von 1 m – und das ist nur konservativ geschätzt – die Lebensgrundlagen von 35 Millionen Menschen. Die Hungersnot am Horn von Afrika im Jahr 2011 ist ein Beispiel dafür, wie das Zusammentreffen verschiedener Krisen eine humanitäre Katastrophe auslöst und befeuert. Jetzt aktuell sehen wir am Beispiel von Pakistan, dass die Hitzewelle nicht nur 1.000 Tote gefordert hat, nein, sie hat auch große Teile der Ernte und damit die Lebensgrundlage unzähliger Menschen zerstört.

Damit ist es auch höchste Zeit, dass die Bundesregierung einen wirklich ambitionierten Fahrplan vorlegt, wie sie die Nachfolgeagenda unter Beteiligung aller Ressorts und auch unter Beteiligung der NGOs, der Nichtregierungsorganisationen, konkret umsetzen will.

Was wir brauchen, ist Klimaschutz statt Kohleförderung, fairen Handel statt TTIP, Sozialpolitik statt Austeritätspolitik, Kampf gegen den Hunger statt Subventionierung von Lebensmittelexporten und das Ende der Unterstützung von Land Grabbing.

Wir Grüne erwarten, dass Deutschland seine Versprechen einhält, seine ODA-Quote erhöht und damit auch die Finanzierung von Entwicklungspolitik sicherstellt. Die NGOs in Deutschland fordern das schon seit vielen Jahren. Bei der UN-Konferenz im kommenden Juli in Addis Abeba müssen verbindliche Zusagen für die Finanzierung der Post-2015Agenda gemacht werden.

Meine Damen und Herren, die Post-2015-Agenda ist eine Chance für die Zusammenarbeit von Staaten, Regionen und Kommunen für eine gerechte und nachhaltige Welt. Wir beschließen hier und jetzt, diese Chance für NRW zu ergreifen und nicht verstreichen zu lassen.

In diesem Sinne – wir haben den letzten Tagesordnungspunkt vor den Ferien – wünsche ich Ihnen al

len schöne Ferien und im besten Sinne nachhaltige Erholung. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Wir sind übrigens noch nicht beim letzten Tagesordnungspunkt – nicht dass das missverstanden wird und gleich nach Ende der Beratung alle das Plenum verlassen. Das wäre nicht gut. – Frau Kollegin Freifrau von Boeselager spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir leid, dass der Entschließungsantrag erst so spät bei Ihnen eingegangen ist. Woran es liegt, kann ich jetzt nicht sagen. Er lag bei uns schon sehr frühzeitig vor.

Warum haben wir den Antrag gestellt? – Weil der Antrag der Regierungsfraktionen zwar wichtige Zielsetzungen nennt, Ziele die unbestritten und existenziell sind, der Antrag versäumt aber aus unserer Sicht, in der Diskussion die richtigen Schlüsse für Nordrhein-Westfalen zu ziehen. Aber genau darauf kommt es doch an, dass wir hier auch konkret aus unserer Sicht tätig werden und etwas tun. Das fehlt mir.

Frau Hendricks hat mit vielen schönen Worten das alles dargestellt. Frau Asch, Sie haben auf die Bundesregierung gezielt und aufgezählt, was von ihr alles zu tun sei. Aber richtig ist doch, dass nachhaltige Politik zwar eine existenzielle Aufgabe ist, um Zukunft und Wohlfahrt für uns zu sichern, dass es aber auch wichtig ist, dass wir genau sagen, was wir hier in Nordrhein-Westfalen dazu beitragen.

Es darf hier kein Etikettenschwindel stattfinden, denn hier haben Sie ja das Sagen, Sie haben die Verantwortung von den Bürgerinnen und Bürgern übertragen bekommen.

(Beifall von der CDU)

Es ist wichtig, dass Sie dieser Verantwortung gerecht werden und danach den Kompass ausrichten. Aus unserer Sicht sehe ich insofern unter dem Strich nicht viel. Wenn man sich die Partnerschaften mit Ghana und Mpumalanga anschaut, stellt man fest, dass da gar nichts mehr passiert.

Diesbezüglich könnten wir aber doch auch Zielsetzungen angeben. Wir haben uns in einer Anhörung mit dem besseren Ausbau des Gesundheitswesens in Ghana beschäftigt. Alle Experten haben uns deutlich gesagt: Bei diesem für Ghana wichtigen Punkt kann vieles geschehen. Auch in Energiefragen, einem sehr wichtigen Thema in der Entwicklungspolitik, können wir unseren Beitrag leisten.

(Beifall von der CDU)

Aber dann müssen Sie es auch tun, Frau Ministerin. Wir sehen nicht, dass in den letzten Monaten etwas

wirklich Entscheidendes passiert ist. Das ist aus unserer Sicht einfach zu wenig.