Protokoll der Sitzung vom 14.09.2012

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, unser Entwurf hat nicht Wunschdenken und auch nicht Geschichtsklitterung als Grundlage, sondern die ganz nüchterne Analyse dessen, was zu tun ist und womit das finanziert oder auch gegenfinanziert werden muss.

Dass wir damit schon im März auf einem guten Weg waren, hat seinerzeit selbst Herr Papke in Interviews und in Gesprächen attestiert. Damals gab es allerdings das Programm „Kurve kriegen“ noch nicht. Das Ergebnis kennen wir: Die FDP hat damals die Kurve nicht gekriegt und das anschließend als Gradlinigkeit verkauft.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da wir davon überzeugt sind, dass es sich bei dem, was in dem ursprünglichen Etatplan stand, um die richtigen Schwerpunkte gehandelt hat, lege ich heute eine aktualisierte Fassung des Entwurfs vom vergangenen Dezember vor. Wir behalten unsere Sparanstrengungen bei, die in dem ursprünglichen Etatplan vorgesehen waren.

Um den entschlossenen Kurs hin zur Schuldenbremse im Jahr 2020 zu halten, müssen allerdings die Ressorts rund 750 Millionen € an globalen Minderausgaben erbringen. Das werden wir schaffen. Bei uns bedeuten globale Minderausgaben auch globale Minderausgaben, und globale Mehreinnah

men bedeuten globale Mehreinnahmen. Ich nenne die nicht „Finanztransaktionsteuer“, ohne zu wissen, ob sie kommt, wenn man nach den sehr „konkreten“ Formulierungen im Bundeshaushalt geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nordrhein-Westfalen ist auf einem guten Weg. Trotz mancherlei Sonderlasten, die unser Land zu bewältigen hat, liegt die Neuverschuldung pro Kopf durchschnittlich unter dem Durchschnitt der anderen Länder. 2011 lag sie mit durchschnittlich 165 € pro Kopf deutlich niedriger als etwa in Niedersachsen mit 310 € oder in Hessen mit 199 €. Wir lagen auch deutlich unter dem Bund mit 212 €. 2012 muss der Bundesfinanzminister 10,3 % seines Haushalts mit Krediten finanzieren. In diesem Entwurf sind es 8,1 %.

Was sind die wesentlichen Veränderungen im Rahmen der vorgenommenen Aktualisierungen?

Wir hatten Anfang des Jahres in den Haushaltsberatungen zur dritten Lesung schon eine Absenkung von 360 Millionen € angekündigt. Damit haben wir nach der ersten Einbringung die Schlüsse aus dem positiven Vollzug des Haushalts 2011 gezogen und vorgeschlagen, die Nettoneuverschuldung von rund 4 Milliarden € auf 3,6 Milliarden € abzusenken. Diese angekündigte Absenkung machen wir mit dem jetzt vorgelegten Entwurf wahr.

Über die 360 Millionen € hinaus ist aber auch die 1 Milliarde € zu berücksichtigen, die wir auf der Grundlage des Gesetzes zur Restrukturierung der WestLB AG erbringen müssen.

Hinzu kommen weitere notwendige Anpassungen, etwa Mindereinnahmen aus der Bundesergänzungszuweisung oder aus dem Länderfinanzausgleich; denn wir haben eine bessere Finanzentwicklung als der Durchschnitt der anderen Länder.

Es kommt allerdings auch die Absenkung der Zinsausgaben hinzu, weil das Zinsniveau weiter gesunken ist.

Es gibt aber auch Mehrausgaben, etwa 107 Millionen € im Zusammenhang mit dem Kinderförderungsgesetz. Das ist die erstmalige Veranschlagung der vom Verfassungsgericht verlangten Erstattung an die Kommunen. In Ihrem Duktus, meine Damen und Herren von der CDU, würde das heißen: „Reparatur eines Verfassungsbruchs, eine schallende Ohrfeige seitens der Verfassungsrichter“ – allerdings verursacht von Schwarz-Gelb.

(Zuruf von der CDU: Sie kennen sich ja gut aus!)

Sie hatten schon vorher lange Erfahrung damit, wie so etwas geht.

Damit hat der Haushaltsentwurf 2012 ein Gesamtvolumen von 58,8 Milliarden €.

In der neuen Legislaturperiode gibt es zudem ein Ministerium mehr. Aus dem ehemaligen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr sind zwei neue Ressorts geworden: das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Das machen wir ohne zusätzliche Belastungen für den Haushalt.

Weil wir an unseren Schwerpunkten festhalten, bleiben auch die Verbesserungen bestehen, wie sie im Ausgangsentwurf enthalten waren: für frühkindliche Bildung und Betreuung insgesamt

214 Millionen € mehr, wegen der Abschaffung der Studiengebühren als Kompensation 124 Millionen € mehr an die Hochschulen.

Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz werden den Kommunen 8,4 Milliarden € zur Verfügung gestellt, 500 Millionen € bzw. 6,3 % mehr als 2011 und die höchste Finanzausgleichsmasse überhaupt. Darüber hinaus kommen weitere 8,1 Milliarden € an Zweckzuweisungen für die Kommunen aus dem Landeshaushalt. Damit ist fast jeder dritte Euro im Landeshaushalt direkt für die Kommunen bestimmt.

In den Zuweisungen sind auch die Ausgaben für das Stärkungspaktgesetz enthalten. Aber zum GFG wird der Kollege Ralf Jäger noch etwas sagen.

Zur Einnahmenseite: Für 2012 rechne ich weiterhin mit 43,1 Milliarden € an Steuereinnahmen. Was war das für eine Empörung, als ich diese Zahl im vergangenen Dezember vorgetragen habe. Nach acht Monaten haben wir nun 28,1 Milliarden € eingenommen, 1,6 Milliarden € mehr als im Vorjahreszeitraum. Wir haben für das Gesamtjahr ein Plus von 4,9 % unterstellt. Nach acht Monaten sind es zurzeit plus 5,9 %.

Ich finde es interessant, dass sogar das RWI, das die Arbeit der Landesregierung ja nicht immer nur mit den schönsten Flötentönen begleitet, feststellt und anerkennt, dass ein großer Teil eben auch in die Reduktion von Verschuldung fließt. Das ist aus unserer Sicht noch einmal eine Bestätigung, dass die Mittel ausgewogen verwendet werden.

Ich bin zuversichtlich, dass wir den Steuereinnahmenansatz, den wir im Haushalt stehen haben, erreichen werden. Dazu trägt auch ein schwieriger Schritt bei, nämlich dass wir die Grunderwerbsteuer von 3,5 % auf 5 % erhöht haben und deshalb in den ersten acht Monaten 250 Millionen € aus dieser Steuer mehr eingenommen haben als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Haushaltsentwurf vor, der ohne die WestLB-Strukturierung mit einer Nettoneuverschuldung von 3,6 Milliarden € auskäme. Mit dieser Strukturierung sind es 4,6 Milliarden €. So oder so sind es aber 500 Millionen € weniger, als die Investitionsgrenze in der Verfassung zulässt.

Zeitgleich mit dem Haushalt 2012 legen wir auch die mittelfristige Finanzplanung vor. Wir setzen alles daran, die Neuverschuldung des Landes schrittweise mit dem Ziel abzusenken, 2020 bei null auszukommen. Die Finanzplanung zeigt: Wir sind auf einem guten Weg. Sie zeigt auch, wie abwegig das Rechenkunststück war, das uns Herr Laumann und Herr Krückel gestern geboten haben, als sie auf eine sehr einfache Rechenart zu einem Zeitraum von 36 Jahren bis zum Erreichen der Schuldenbremse gekommen sind.

Herr Laumann, Herr Krückel, wenn ich Ihrer Logik folgen würde, dann hätte die letzte Finanzplanung der schwarz-gelben Koalition einen Weg von 66 Jahren vorgezeichnet. Sie hatten nämlich anders als wir noch 6,6 Milliarden € neue Schulden geplant und wollten dauerhaft jährlich in der gesamten Finanzplanungsphase 100 Millionen € abbauen. Sie hätten also wenigstens gestern attestieren sollen, dass wir Ihren Zeitplan für den Verschuldungsabbau halbiert haben.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der aktualisierten Finanzplanung sind jetzt übrigens auch Werte für die Altlasten aus der PhoenixGarantie enthalten, entsprechend aktuellen Prognosen 900 Millionen € für 2014 und 605 Millionen € für 2015. Diese Einschläge verzögern natürlich noch einmal den Abwärtstrend, den wir vorgeschlagen haben: 3,46 Milliarden € bis 2014 und 2,65 Milliarden € bis 2015, um 800 Millionen € abgesenkt. Wir wären 2015 ohne Phoenix bei 2 Milliarden €.

Jetzt holt uns ein, was mit der Klage gegen den Nachtragshaushalt 2010 unterbunden wurde. Ich habe schon damals, meine Damen und Herren von der Opposition, gesagt: Sie haben mit Erfolg einen Nachtragshaushalt zerschossen, aber das Problem haben Sie nicht gelöst. Im Gegenteil: Sie haben es wie so vieles verschoben und weniger kalkulierbar gemacht. Und nun schlägt es in den nächsten Jahren ein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ihre Strategie war schon damals durchsichtig. Es war ein Ablenken von dem, was Sie an Altlasten hinterlassen haben und jetzt als mangelnden Sparwillen der neuen Landesregierung darstellen. Das hat nicht nur die Landesregierung Ihnen nicht durchgehen lassen, das haben Ihnen auch die Wähler nicht durchgehen lassen.

Aber trotz der Sondereffekte sinkt die Nettoneuverschuldung, sodass 2020 mit diesen Effekten und mit den Anstrengungen, die wir unternehmen, erreichbar ist.

Bei der notwendigen Konsolidierung auf der Ausgabenseite wird das Effizienzteam die Landesregierung unterstützen und die bereits in der

15. Wahlperiode begonnene Arbeit fortsetzen. Die

Entscheidung zur Zusammenlegung der Oberfinanzdirektionen ist ein Beispiel dafür, wie wir an Strukturen, wie wir an Förderprogrammen, wie wir an aufgabenkritischen Untersuchungen arbeiten und das in den nächsten Monaten auch verstärken werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir stehen mit dem Landeshaushalt vor der großen Herausforderung, die verfassungsrechtlich festgeschriebene Schuldenbremse einzuhalten, ohne die Erfüllung staatlicher Aufgaben zu vernachlässigen. Wer erzählt, dass eine hochentwickelte Industrieregion ohne verheerende Folgen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte allein auf der Ausgabenseite erreichen kann, der streut den Menschen und auch den Unternehmen im Land Sand in die Augen.

Die starke Position Nordrhein-Westfalens ist auch die Folge unserer Infrastruktur, unserer Bildung, unserer Sicherheit, unseres sozialen Zusammenhalts. Die Hauptquelle dafür sind Steuereinnahmen. Um die Schuldenbremse einzuhalten, ist eine Stärkung dieser Einnahmenbasis unerlässlich.

Dazu bereiten wir zusammen mit anderen Ländern Bundesratsinitiativen vor, die wir im Zuge der Haushaltsberatungen der nächsten Jahre mit Sicherheit intensiv beraten können.

Wir haben am 13. Mai den Auftrag erhalten, den begonnenen Weg weiterzugehen und Haushaltskonsolidierung zu betreiben, die ihren Namen verdient hat. Ich habe es gestern schon gesagt: In „Konsolidierung“ steckt das Wort „solide“. Das ist etwas anderes als „Augen zu und durch ohne Sinn und Verstand“. Dies würde nur wieder im Verschieben oder Verstecken der Lasten enden.

Konsolidierung ist die Kunst, mit Augenmaß zu erkennen, was eine hochentwickelte Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft braucht, um im Wettbewerb der Standorte weiter oben dabei zu sein. Es ist nicht nur eine Frage von Wirtschaft und Technik, sondern auch eine politische Herausforderung, die Qualität des Zusammenlebens der Menschen im Land zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Wir werden weiter Kurs halten. Dieser Haushaltsentwurf soll seinen Beitrag dazu leisten. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Bevor ich die Beratung eröffne, möchte ich die Fraktionen darauf hinweisen, dass der Finanzminister die vereinbarte Redezeit um knapp zwei Minuten überzogen hat, die damit selbstverständlich auch den Fraktionen zur Verfügung stehen.

Als erstem Redner für die Fraktionen erteile ich Herrn Kollegen Börschel für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Dramaturgie dieser Sitzungsverläufe hat es an sich, dass ich es eigentlich sehr, sehr kurz machen und sagen kann: Der Finanzminister hat nicht nur das Notwendige gesagt, er hat das Richtige gesagt. Er hat nichts gesagt, was man nicht unterstützen kann. Insofern kann er bei seinen weiteren Etatplanungen auf die volle Unterstützung der regierungstragenden Koalitionsfraktionen setzen.

Nichtsdestotrotz soll das hier natürlich auch ein Auftakt zu einer Debatte werden, die ich insbesondere in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion führen will.

Herr Kollege Optendrenk, es ist normal, dass jeder hier in diesem Haus Vorgänger hat. Manche Schatten der Vorgänger sind länger, manche kürzer. In Ihrem Fall wiegt das vermutlich besonders schwer. Trotzdem werden Sie sich an dem festhalten müssen, was Ihr Vorgänger im Amt des haushalts- und finanzpolitischen Sprechers Ihrer Fraktion, aber auch Ihr Fraktionsvorsitzender Laumann noch vor wenigen Monaten im Landtag Nordrhein-Westfalen zum Haushaltsentwurf 2012 – wir haben gerade gehört, dass der im Wesentlichen in unveränderter Form schon einmal eingebracht und von Ihnen damals abgelehnt wurde – vorgetragen haben. Mit einigen dieser Punkte möchte ich Sie gerne konfrontieren.