Protokoll der Sitzung vom 14.09.2012

Herr Kollege Optendrenk, es ist normal, dass jeder hier in diesem Haus Vorgänger hat. Manche Schatten der Vorgänger sind länger, manche kürzer. In Ihrem Fall wiegt das vermutlich besonders schwer. Trotzdem werden Sie sich an dem festhalten müssen, was Ihr Vorgänger im Amt des haushalts- und finanzpolitischen Sprechers Ihrer Fraktion, aber auch Ihr Fraktionsvorsitzender Laumann noch vor wenigen Monaten im Landtag Nordrhein-Westfalen zum Haushaltsentwurf 2012 – wir haben gerade gehört, dass der im Wesentlichen in unveränderter Form schon einmal eingebracht und von Ihnen damals abgelehnt wurde – vorgetragen haben. Mit einigen dieser Punkte möchte ich Sie gerne konfrontieren.

Sie haben damals nämlich – und zwar noch in einem Eckpunktepapier; das war im März dieses Jahres – der Regierung zum Beispiel vorgeworfen, sie habe die Einnahmen vorsätzlich zu hoch geschätzt, und zwar um etwa 1 Milliarde €. Die Regierung hatte 43,1 Milliarden € als Steuereinnahmen angesetzt. Sie waren der Auffassung, 42,1 Milliarden € seien der korrektere Wert.

Mittlerweile wissen wir, dass sich die Steuereinnahmen in den ersten acht Monaten dieses Jahres sogar noch deutlich besser entwickelt haben, als die Regierung zugrunde gelegt hatte. Wir liegen um einen Prozentpunkt über den Steigerungen, die veranschlagt worden sind, nämlich bei insgesamt 5,9 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insofern gehe ich davon aus, dass Sie Ihre Äußerung heute nicht aufrechterhalten werden, dass die Regierung die Steuereinnahmen vorsätzlich zu hoch angesetzt habe. Im Gegenteil: Es ist vollkommen im Plan, wenn nicht noch mehr.

Zweiter Punkt. Sie haben den Länderfinanzausgleich angesprochen und kritisiert, dass die Einnahmen um 250 Millionen € zu hoch geschätzt seien. Das korrespondierte damals allerdings nicht mit Ihren Überlegungen zu den Steuereinnahmen.

Denn der Effekt ist eindeutig: Je mehr Steuern man einnimmt und je stärker die Finanzkraft eines Bundeslandes ist, umso weniger bekommt man aus dem Länderfinanzausgleich oder aus den Bundesergänzungszuweisungen. Oder man muss gar zahlen. Das ist völlig klar.

Es ist jetzt also logisch: Da sich die Steuerkraft Nordrhein-Westfalens so positiv entwickelt hat, wie sich das in den ersten acht Monaten dieses Jahres gezeigt hat, dann haben Sie im Nachhinein mit Ihrer damals unlogischen Behauptung recht, der Länderfinanzausgleich sei zu hoch angesetzt. Diese 250 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich sind jetzt abgesetzt worden. Auch dieser Punkt hat sich also schlicht und einfach erledigt.

Sie haben damals kritisiert – das haben Sie wirklich sehr groß aufgebauscht –, 1 Milliarde € Kosten für die Rettung der WestLB seien im Haushaltsentwurf nicht enthalten. Es bleibt dabei, dass es vollkommen richtig war – alleine schon, um unsere Verhandlungsposition nicht zu verschlechtern –, zum damaligen Zeitpunkt wegen mangelnder Etatreife die 1 Milliarde € für die WestLB nicht einzustellen. So oder so, jetzt ist sie drin. Das Restrukturierungsgesetz ist beschlossen. Insofern gibt es jetzt keine vernünftige Alternative. Auch dieser Punkt – das, was Sie damals kritisiert haben – hat sich also in ein laues Lüftchen aufgelöst.

Dann erinnere ich daran, dass Sie einige Einsparvorschläge gemacht haben. 716 Millionen € waren von Ihnen genannt worden. In der Addition kam das zwar nie hin; aber ich übernehme einmal Ihre Diktion. Diese 716 Millionen € bestanden aus drei großen Komponenten.

Zum einen wollten Sie die Studiengebühren wieder einführen. Das heißt, Sie wollten aus dem Haushaltsentwurf 249 Millionen € Kompensationsmittel an die Hochschulen streichen. Puff, weg! Ihr damaliger Spitzenkandidat Röttgen hat das im Landtagswahlkampf zurückgenommen. Sie halten diesen Einsparvorschlag nicht mehr aufrecht. Insofern ist auch dieser aus Ihrer Sicht vorgebrachte Kritikpunkt mittlerweile erledigt.

Dann haben Sie kritisiert, in diesem Haushaltsentwurf seien 142 Millionen € für ein beitragsfreies Kindergartenjahr enthalten. Auch das ist weg, hat sich in Luft aufgelöst. Auch diesen Einsparvorschlag haben Sie schon im Landtagswahlkampf – der Ihnen ja „so viel gebracht hat“ – nicht mehr aufrechterhalten. Das heißt, auch diesen Kritikpunkt können Sie gegenüber dem jetzigen Haushaltsplanentwurf nicht mehr vortragen.

Letzter Punkt. Auch vom Sozialticket habe ich nie wieder etwas gehört. 30 Millionen € zum Einstieg in ein landesweites Sozialticket sind im Haushaltsentwurf enthalten. Auch dazu gab es von Ihnen nie wieder Kritik. Auch das hat Ihr damaliger Landesvorsitzender und Spitzenkandidat Röttgen einkas

siert. Auch das können und werden Sie hier nicht mehr aufrechterhalten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn ich das jetzt noch summa summarum – das ist der langen Rede kurzer Sinn – mit dem zusammennehme, was Ihr Fraktionsvorsitzender Laumann noch gestern in der Debatte zur Regierungserklärung vorgetragen hat – er hat nämlich groß angekündigt, dass die CDU-Fraktion selbstverständlich Einsparvorschläge machen werde, Vorschläge für die Haushaltskonsolidierung machen werde, aber eben erst für den Haushalt 2013; kein Wort über den Haushalt 2012 –, dann haben Sie endgültig jedes Recht verwirkt, jetzt hier noch in alter und reinen Ritualen folgender Manier den Haushaltsentwurf der Regierung zu bekritteln. Alle Ihre Punkte haben sich in Luft aufgelöst, nichts davon ist geblieben. Deswegen bleibt Ihnen eigentlich – wenn Sie nur einigermaßen logisch agieren würden – nichts anderes übrig, als diesem Haushaltsentwurf zuzustimmen. Ich bin sehr gespannt, wie Sie das sehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Haushaltsentwurf – damit kann ich, was die erste Runde angeht, schließen; ich bin natürlich auf die Widerwortdebatte sehr gespannt – setzt die richtigen Schwerpunkte: frühkindliche Bildung; Einstieg und weitere nachhaltige Schritte in die beitragsfreie Bildungskette; Rekordzuweisungen an die Kommunen in nie dagewesener Weise; Hilfspakete für die Kommunen, für die Ärmsten unter den Städten und Gemeinden. Es ist also alles, was wichtig ist und was die die Regierung tragenden Koalitionsfraktionen für richtig halten, in diesem Haushaltsentwurf drin. Und alles, was Sie vorgebracht haben, ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus.

Der einzige Unterschied, der vielleicht noch bliebe, wenn ich mir Ihr Eckpunktepapier vom 8. März 2012 ansehe, ist tatsächlich das Steuerabkommen mit der Schweiz. Sie haben vorgeschlagen, 200 Millionen bis 300 Millionen € als Einnahmen aus diesem Steuerabkommen einzuplanen. Dazu kann ich Ihnen sagen: Das kann nicht tatsächlich der einzige tragende Grund sein, jetzt am Ende ritualisiert noch gegen den Haushaltsentwurf 2012 zu Felde zu ziehen.

Ein Steuerabkommen, das längst totgeritten ist, das Ihr Koalitionspartner im Bund, die FDP, schon längst mit zu Grabe getragen hat – wir werden gleich noch darüber debattieren –, das trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen, die man da schaffen will, immer noch scheunentorgroße Ausnahmetatbestände für Steuerhinterzieher auf dem Rücken und zulasten der ehrlichen Steuerzahler schafft, das wird Ihnen nicht gut bekommen. Das wird die CDU auf Dauer nicht halten. Insofern bin ich sehr, sehr gespannt, wie Sie die Kurve da noch kriegen wollen. – Einstweilen vielen Dank und bis zu einer zweiten Runde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Optendrenk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute, am 14. September 2012, in erster Lesung einen Landeshaushalt 2012. Dieses Datum alleine schon zeigt, dass die Landesregierung nach den Landtagswahlen nicht daran interessiert war und offensichtlich auch weiterhin nicht daran interessiert ist, diesen Haushalt mit einer ernsthaften Beratung des Landtags zu versehen oder eine solche zu ermöglichen.

(Beifall von der CDU)

Herr Minister, sonst hätten Sie einen bis auf kleine Veränderungen, die Sie eben geschildert haben, unveränderten Entwurf direkt nach der Regierungsbildung einbringen können, noch vor der Sommerpause.

(Beifall von der CDU)

Das Haushaltsjahr 2012 ist bereits zu zwei Dritteln vorbei. Damit haben die Beratungen heute nur noch historischen Charakter. Das beantwortet auch die Frage, warum unserer Fraktionsvorsitzender angekündigt hat, dass wir unsere Vorschläge zur strukturellen Haushaltsveränderung erstmals zum Haushalt 2013 und nicht zu einem zu bereits zwei Dritteln vollzogenen und im November schon fast abgelaufenen Haushaltsentwurf einbringen werden.

(Beifall von der CDU)

Das Budgetrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Oder anders ausgedrückt: Die Verfassung geht davon aus, dass sich der Landtag eine Landesregierung zur Ausführung des politischen Programms leistet und nicht umgekehrt. Wenn aber ein Haushalt erst so spät verabschiedet wird, dann ist die politische Steuerungsfunktion des Haushalts null.

(Beifall von der CDU)

Schon beim ersten Blick auf diesen Haushaltsentwurf fällt auf, dass diese Landesregierung mit Geld nicht umgehen kann.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Aber ihr!)

Sie ist – wenn man es überspitzt sagen wollte – ein typischer Fall für die Schuldnerberatung.

(Beifall von der CDU)

Sie beschäftigen sich am liebsten – Fachleute nennen das Vermeidungsstrategie oder Verdrängung – auch eine ganze Sommerpause lang gar nicht mit Ihrem Haushalt. Das war im letzten Jahr schon so. Damals haben Sie vermieden, möglichst zeitnah ei

nen Haushalt 2012 ins Parlament einzubringen. Herr Minister. Sie haben es eben noch einmal gesagt: Sie haben im Dezember 2011 einen Entwurf für 2012 eingebracht, aber nicht vor dem 30.09., was normalerweise notwendig ist, damit ein Haushalt in Kraft treten kann, bevor das Haushaltsjahr beginnt.

(Beifall von der CDU)

Angeblich musste erst die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über Ihren Nachtragshaushalt 2010 abgewartet und eingehend geprüft werden. Ich erinnere daran: Damals haben Sie in Münster eine historische Niederlage eingesteckt. Erstmals in der Geschichte des Landes hat das Gericht in den Haushaltsvollzug eingegriffen.

Wenn Sie sich bereits mit dem Haushalt 2010 an Recht und Gesetz gehalten hätten, hätten Sie sicher auch den Haushalt 2011 zeitnah einbringen und man hätte ihn 2011 verabschieden können. Dann gäbe es übrigens das Verfassungsgerichtsverfahren der Linken zur verspäteten Einbringung des Haushalts aus dem letzten Jahr auch nicht. Wir haben noch manche offene Fragen.

Wenn wir fragen, warum Sie sich ständig wegducken, so lautet die Wahrheit: Im Vergleich zum Ergebnis des Haushalts 2011 – das ist die einzig seriöse Vergleichszahl – steigt Ihre Nettoneuverschuldung im Haushaltsentwurf 2012, wie er uns heute vorliegt, um mehr als 50 %.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

In Zeiten, in denen solide wirtschaftende Länder Jahresüberschüsse vermelden, geht es in NRW weiter, ja, verstärkt in die falsche Richtung. Nordrhein-Westfalen macht mehr Schulden statt weniger, und das obwohl sich die Steuereinnahmen 2012 – Sie hatten es geschildert – auf Rekordkurs befinden.

Rechnen wir dazu, was das Land seit Übertragung der Kfz-Steuer auf den Bund als Kompensation noch dazubekommt, die aber nicht mehr als Steuereinnahme erscheint, sind es sogar fast 45 Milliarden €, die bis zum Jahresende als Steuern oder steuerähnliche Einnahmen in den Landeshaushalt fließen. Das sind gewaltige Summen mehr. Das sind 3 – oder wenn Sie so wollen – 5 Milliarden € mehr als 2008, als am Jahresende die Ausgaben unter den Einnahmen lagen, und zwar zugegebenermaßen in einem sehr guten konjunkturellen Jahr, aber eben auch, weil man sich eben nicht verweigert hat, strukturelle Änderungen vorzunehmen.

(Beifall von der CDU)

Die Gründe dafür, warum es nicht vorangeht, kann man seit dem 13. Mai wieder wie unter einem Brennglas vergrößert betrachten: Sie kümmern sich auf rund 200 Seiten in Ihrem Koalitionsvertrag um alle möglichen Themen,

(Martin Börschel [SPD]: Nur kein Neid!)

nur nicht um das Kernproblem, die desaströse finanzielle Lage des Landes.

Hinweise dazu finden sich nur unter ferner liefen. Das erinnert doch an manchen Schuldenmacher, der sich mit der eigenen Situation am liebsten nicht beschäftigt, die Realitäten ausblendet und über anderes redet.

(Beifall von der CDU)

Die Ministerpräsidentin hat wieder wortreich Begründungen dafür geliefert, warum es angeblich nicht nur schlechte, sondern auch gute Schulden gibt, so etwas wie präventive Schulden. Echte Prävention, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss die Probleme in den Griff bekommen, ohne auf Kosten der Zukunft und auf Kosten der nächsten Generation zu wirtschaften, die diese Schulden anschließend irgendwann bezahlen muss. Echte Prävention muss aus den laufenden Einnahmen ohne Neuverschuldung bezahlt werden. Und das ist auch möglich.

Dazu müssen Zukunftsinvestitionen gestärkt und eben der Gegenwartskonsum reduziert werden. Zu solchen Entscheidungen ist die Landesregierung aber weder fähig noch offensichtlich vor der Bundestagswahl willig.

(Beifall von der CDU – Martin Börschel [SPD]: Werden Sie doch einmal konkret!)

Sie versuchen, solche Entscheidungen ganz offensichtlich bis Herbst 2013 um fast jeden Preis zu vermeiden. Aber dabei vergessen Sie etwas: Das sind nämlich nicht Ihre Schulden, sondern das sind die Schulden, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes aufladen. Mit den Haushalten 2010, 2011 und 2012 wird jeder nordrhein-westfälische Bürger zusätzlich Schulden von rund 700 € haben und damit 7.400 € Ende des Jahres. Wenn man das in Relation zum Bund stellt, dann muss man vielleicht auch sagen, dass Bund und Land schlecht miteinander vergleichbar sind. Denn der Bund hatte die Hauptlasten der Deutschen Einheit zu tragen, und das hat viel Geld gekostet.