Protokoll der Sitzung vom 14.09.2012

Herr Abruszat, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich habe jetzt natürlich an Sie die Frage, wie Sie das letztendlich finanzieren wollen – wie Sie mich das gestern auch gefragt haben. Anscheinend bemängeln Sie ja, dass zu wenig Geld vorhanden ist. Wo sind da konkret Ihre Lösungsansätze?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie mir Gelegenheit geben, Ihnen das zu erklären, weil es mir auch Gelegenheit gibt, meine Redezeit etwas auszuweiten.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Kollege Stein, wir haben darüber ja auch schon mal im Kommunalausschuss diskutiert. Es geht vor allen Dingen um die Frage einer gerechten Systematik. Wenn ich eine gerechte Systematik haben will, brauche ich Mut zu einer GFG-Novelle, zu einer GFG-Reform, die diesen Namen verdient. Deswegen muss ich natürlich bei der Fragestellung, wie ich das Geld gerecht und ausgewogen verteile, neue Parameter finden.

Anders als Ihre Fraktion hat die FDP-Fraktion einen Antrag eingebracht, der ja im Kommunalausschuss behandelt werden wird, wenn Sie der Überweisung zustimmen. Dann unterhalten wir uns über gestaffelte, fiktive Hebesätze, über neue Stellschrauben in diesem GFG. Insofern freue ich mich, wenn wir diese Debatte im kommunalen Ausschuss fortsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen noch etwas zu unserem Antrag sagen. Herr Minister Jäger, es hat mich gefreut – das meine ich wirklich mit allem Ernst –, dass Sie unseren Antrag eben in Ihrer Einbringungsrede zum GFG zumindest als Aufschlag zu einer Debatte angesehen und als Beitrag zu einer solchen Diskussion qualifiziert haben. So ist der Antrag auch gemeint: Wir wollen konkret Beiträge leisten, das Gemeindefinanzierungssystem insgesamt transparenter und auch gerechter zu machen.

(Beifall von Christof Rasche [FDP])

Es würde bei der Steuerkraftermittlung ausreichen, verschiedene fiktive Hebesätze zugrunde zu legen, die nach Gemeindegrößen gestaffelt sind und das tatsächliche Steuereinnahmepotenzial der Kommunen abbilden. Das ist realitätsnah. Dann würden auch die vielen Verwerfungen, die wir in den grenznahen Gebieten von Nordrhein-Westfalen haben – zum Beispiel zu Rheinland-Pfalz oder auch zu Niedersachsen – nicht mehr auftreten. Verwerfungen haben wir nämlich, weil es im nordrhein

westfälischen Grenzgebiet Städte gibt, die wegen der fiktiven Hebesätze bei der Gewerbesteuer bei weit über 400 Punkten liegen, während die Gewerbesteuer im niedersächsischen Grenzgebiet bei 300 Punkten liegt. Das macht kommunale Wirtschaftsförderung natürlich auch sehr schwer.

Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Antrag der FDP-Fraktion ein, glaube ich, wichtiger Beitrag, dieses Thema insgesamt anzugehen. Ich freue mich auf die Beratungen und die Anhörung im Ausschuss sowie die weiteren Debatten hier im Haus. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Nun spricht für die Fraktion der Piraten Herr Kollege Stein.

Werter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer, Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne! Liebe 499 Menschen im Stream! Ich möchte zunächst auf die Ausführungen von Herrn Abruszat zu meiner Frage eingehen. Mir kommt es ein bisschen so vor, als würden wir fragen: Wie viel hast Du? – Minus zehn! Und Du? – Minus 110. – Prima! Geben wir beiden minus 60. – Das aber kann nicht dauerhaft die Lösung sein.

Deswegen brauchen wir natürlich den Ansatz der Konnexität. Eine faktische Möglichkeit wäre, darüber zu reden – hier im Land können wir allerdings nicht viel anstoßen –, in der Tat im Bund moderate Steuererhöhungen zu fordern. Denn wir müssen im Sinne unserer Kommunen und Gemeinden eine nachhaltige, strukturelle Entlastung schaffen.

Gestern haben wir hier im Plenum über das Verfahren zur Kreisumlage gesprochen. Unsere Meinung dazu haben Sie zur Kenntnis genommen.

Heute sprechen wir über das Gemeindefinanzierungsgesetz 2012. Und wie ich bereits gestern kritisch ausgeführt habe – ich wiederhole das –, betrachten wir die finanzielle Lage der Kommunen mit großer Sorge.

Die in Teil 2 § 2 beschriebene Höhe des Verbundsatzes ist aus unserer Sicht zu niedrig angesetzt. Historisch betrachtet entwickelt sich diese Quote immer weiter nach unten.

Zur Stärkung der kommunalen Finanzausstattung ist es aus unserer Sicht notwendig, über eine generelle Anhebung dieses Satzes nachzudenken. Klar, die finanziellen Mittel sind klamm; ich verweise hier wieder auf die Forderung in Richtung Bund. Die könnten wir hier auch gerne mal gemeinsam stellen. Wir könnten ja mal geschlossen auftreten. Wir müssen uns ja nicht in Altparteiendidaktik üben und uns immer nur gegenseitig Sachen vorwerfen. Wir sollten auch mal nach vorne blicken.

(Beifall von den PIRATEN)

Natürlich begründen Sie die Festsetzung der Quote mit dem Verhältnis der finanziellen Situation des Landes und der Gemeinden. Diese lässt bei rein oberflächlicher Betrachtung auch den Schluss zu, dass die Quote nicht weiter geändert werden muss. Jedoch sind viele Kommunen kaum noch in der Lage, ihre Einnahmeseite zu steigern; ich habe das gerade ausgeführt. Die Möglichkeiten sind größtenteils ausgeschöpft. Trotzdem mussten 177 Kommunen zum Stichtag 31. Dezember 2011 ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, Herr Jäger. Laut Ihren Erläuterungen können davon aktuell sogar nur 33 genehmigt werden. Das ist zumindest Ihre Aussage dazu, werte Landesregierung.

Und das ist auch die Situation hier im Land: Auch die Kassenkredite steigen im Vergleich zu den Vorjahren an. Sachinvestitionen werden in NRW hingegen pro Kopf zu wenig aufgewendet wie sonst nirgendwo in der Bundesrepublik im Jahre 2011. Das sage übrigens nicht ich, sondern das sind die Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein weiterer Punkt, den ich in diesem Zusammenhang auch sehr erwähnenswert finde, ist die Höhe der Schul- und Bildungspauschalen in § 17. Viele Zahlen wurden angepasst. Die meisten Zahlungen wurden sogar erhöht – aber gerade dieser wichtige Posten nicht. Stutzig werde ich genau deswegen, weil ich der Regierungserklärung entnehmen konnte – Frau Kraft ist jetzt leider nicht da –, dass Bildung natürlich an erster Stelle des Regierungshandelns steht. Die Zahlen sagen aber etwas ganz anderes aus! Der Ausbau der Kitas gerät nämlich ins

Stocken! Die Quote der unter Dreijährigen in Kitas liegt hier im Land bei 15,9 %! Im Bundesvergleich ist das angesichts der Quote von 25,9 % nichts!

(Beifall von den PIRATEN)

Auch die Inklusion – jetzt wird es ganz spannend – wird die Schulen weiterhin finanziell fordern. Zusätzliche Baumaßnahmen werden in diesem Zuge fällig. Ich bezweifle sehr, dass die angesetzten Mittel insgesamt dafür ausreichen werden. Und einfach zu sagen und zu suggerieren, Paralympics seien Inklusion, das reicht wirklich nicht aus, Frau Kraft!

(Beifall von den PIRATEN)

Paralympics in der heutigen Form sind das krasse Gegenteil von Inklusion! Ein gemischter Wettstreit wäre Inklusion! Dieser Altparteien-Fail hätte bei uns zu einem Shitstorm ungeahnten Ausmaßes geführt, hätte das jemand von uns gesagt!

(Beifall von den PIRATEN)

Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Sie weisen in der Begründung des allgemeinen Teils in Punkt 2.1 darauf hin, dass die Umstellung vom kameralen auf das doppische Rechnungswesen seit dem 1. Januar 2009 abgeschlossen ist. Leider kann ich dann nicht nachvollziehen, warum bisher keinerlei Zahlenwerk für die Ergebnisrechnung und die Bilanzen vorliegen. Wir hatten das schon geklärt. Ein adäquateres Bild der finanziellen Situation aller Kommunen kann man mit Sicherheit erreichen, wenn diese Zahlen transparent veröffentlicht werden.

Wir als Oppositionspartei haben hier übrigens schon geliefert. Gestern haben wir die Visualisierung des Landeshaushalts veröffentlicht. Wie lange haben wir für diese Aufgabe gebraucht? – Eine Woche. Wie lange haben die Parteien hier im Landtag schon Zeit gehabt, diese einfache Aufgabe zu erledigen? – Mehrere Jahre.

(Beifall von den PIRATEN)

Unsere Meinungen und Wünsche zu der Veröffentlichung der Zahlen habe ich schon gestern in meinem Statement zum NKF geäußert. Ich wollte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen: NKF, Transparenz, Piraten! – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Stein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss es noch einmal sagen: Wir haben gerade wieder festgestellt, dass es im Plenarsaal lauter ist als in der Vergangenheit. Wissen Sie auch, warum? Ich erkläre es Ihnen schnell. Vorher hatten wir mehr Holz und mehr Polster im Raum. Beides ist nicht mehr da, und deshalb ist der gesamte Geräuschpegel wesentlich höher als vorher. Das ist eine Feststellung,

die wir hier oben seit vorgestern machen. Ich darf Sie daher bitten, Ihre Gespräche leiser oder möglichst gar nicht hier im Raum zu führen. Es ist für den Redner bzw. für die Rednerin und für das Präsidium wirklich schwierig, der Debatte zu folgen. Es wird Ihnen im Saal möglicherweise auch so ergehen. Insofern bitte ich nochmals um Ihr Verständnis. Das hat sich durch die baulichen Veränderungen einfach neu ergeben.

Als nächster Redner spricht für die Landesregierung Herr Minister Jäger. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bedauerlicherweise kann ich in den Reihen der CDU Herrn Kuper jetzt nicht sehen. – Ach, da ist er. Ich würde nämlich gerne auf einiges eingehen, was Sie dargestellt haben.

Ich bedaure Sie in Ihrer Rolle insofern, als Sie nun neuer kommunalpolitischer Sprecher der CDUFraktion sind, diesem Parlament neu angehören und Ihre Kolleginnen und Kollegen Sie offensichtlich nicht darüber unterrichtet haben, was für eine Kommunalpolitik diese Fraktion zwischen 2005 und 2010 betrieben hat.

(Beifall von der SPD)

Damit wir auch in Zukunft auf einem guten Niveau miteinander diskutieren können, müssen Sie sich das jetzt noch mal anhören, Herr Kuper.

In den Jahren 2005 bis 2010 – also in nur fünf Jahren – haben sich die Liquiditätskredite der nordrhein-westfälischen Kommunen mehr als verdoppelt, nämlich von 10 Milliarden auf über 20 Milliarden €. In diesen fünf Jahren hat die alte Landesregierung den kommunalen Kassen 3 Milliarden € zur eigenen Konsolidierung entzogen und – und das ist das Schlimmste – mangels Mutlosigkeit zu einer Ungerechtigkeit im GFG beigetragen, die ohnegleichen gewesen ist.

Die alte Landesregierung hat im Rahmen des GFG die kompletten Schlüsselmassen nach Datensätzen des Jahres 1999 verteilt. 1999 gab es SGB II bzw. Hartz IV übrigens noch gar nicht. Das heißt, das Geld ist nicht nach den tatsächlichen Belastungen der jeweiligen Kommune verteilt worden, sondern, weil der Mut fehlte, diese Datenanpassung vorzunehmen, nach Datensätzen, die zu Ungerechtigkeiten und Verwerfungen geführt haben.

Herr Kuper, diese Landesregierung lässt es sich nicht gefallen, dass die Mutlosigkeit der alten Landesregierung, die zu völligen Verwerfungen in der kommunalen Familie geführt hat, die wir jetzt aufgelöst und aufgebrochen haben, jetzt Anlass für Sie ist, wir würden zwischen den Gemeindearten unterscheiden.

Um es deutlich zu sagen: Diese Landesregierung kennt die Probleme der Kommunen, seien es klei

ne, seien es große, seien es mittelgroße oder seien es die Kreise. Das unterscheidet uns von der Vorgängerregierung. Wir nehmen diese Probleme nämlich ernst, und wir reden mit den Kommunen darüber.

(Beifall von der SPD)

Ich bin Herrn Abruszat sehr dankbar, dass er noch einmal die Frage aufgeworfen hat, ob es einer grundsätzlichen Reform bedarf. Ich will darauf hinweisen, dass ein Vorgängerparlament im Jahre 2007 einmütig das Wirtschaftsinstitut ifo beauftragt hat, das Gemeindefinanzierungsgesetz in Nordrhein-Westfalen einer erneuten Begutachtung zu unterziehen. Dieses ifo-Gutachten lag im Jahre 2008 vor. Es ist dann aus der Mitte des Parlaments eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet worden. Darin war Ihre FDP-Fraktion genauso vertreten wie unsere SPD-Fraktion, die sich damals übrigens in der Opposition befand.

Wir sind die Vorschläge des ifo-Gutachters durchgegangen und haben gesagt: Das, was in dem Gutachten an Modernisierungsveränderungen vorgeschlagen worden ist, das tragen wir gemeinsam. Das Ergebnis ist, dass die Soziallasten zwischen den 396 Kommunen gerecht verteilt werden müssen – so, wie wir es heute tun.

Herr Abruszat, ich sage Ihnen ganz deutlich: Diese Leistung war eine Leistung des gesamten Parlaments. Sie sollten das nicht damit infrage stellen oder diskreditieren, dass es da einen Reformbedarf gebe, der sich über Jahre angestaut habe. Das Gegenteil ist der Fall.