Protokoll der Sitzung vom 14.09.2012

Damit das nicht Wirklichkeit wird, müssen wir heute darauf hinweisen und, ohne moralisierend aufmerksam zu machen, einfach sagen: Das geht so nicht.

Liebe Frau Kraft, wenn Sie hier schon die parteipolitischen Überlegungen in den Vordergrund stellen, möchte ich Ihnen als Christdemokrat ein Angebot machen, weil Sie in Westfalen vielleicht nicht so zu Hause sind. Wir als Christdemokraten können Ihnen

genügend fachkundige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sowie Bündnisgrüne aus Westfalen nennen, die in diesem Gremium erfolgreichst arbeiten können. Wenn Sie da Nachhilfe brauchen, nennen wir Ihnen gerne entsprechende Personen. Denn uns ist es nicht wichtig, das parteipolitisch aufzurüsten. Uns ist wichtig, dass Westfalen nicht benachteiligt wird. Deshalb unser Appell: Führen Sie diesen Irrtum schnell zurück! Sorgen Sie dafür, dass Ihre Entscheidung korrigiert wird! Das duldet keinen weiteren Aufschub.

(Beifall von der CDU)

Frau Kraft, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie mit dieser Entscheidung zum Aufreger jeder Generalversammlung aller westfälischen Heimat- und Kulturvereine werden wollen. Diesen Fehler umgehend zu korrigieren, würde Größe zeigen, Frau Kraft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion nimmt Kollege Töns zu dieser Frage Stellung.

(Zuruf von der CDU: Geben Sie sich zu er- kennen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaiser, Sie haben gerade vom Politikstil gesprochen. Ich glaube, Sie haben dem Parlament 2005 bis 2010 auch angehört und können sich sicherlich noch an den Politikstil Ihres Ministerpräsidenten und Ihrer Landesregierung erinnern. Da wurde ein ganz anderes Bild abgegeben. Wir sind heute deutlich offener, transparenter und in der Politik klarer, als Sie das in fünf Jahren je waren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber, Herr Kaiser und Herr Laumann, das ist so eine Sache mit den Identitäten. Sie haben mir eben zugerufen: Geben Sie sich zu erkennen! – Ich gebe mich zu erkennen; ich bin ein Westfale. Aber ich bin auch ein Ruhrgebietler.

(Zurufe von der CDU)

Wo bin ich denn jetzt verortet, im Ruhrgebiet oder in Westfalen?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nur westfälisch!)

Nur westfälisch. Natürlich ist das Ruhrgebiet nicht nur westfälisch. Ich will Ihnen mal erzählen – das ist ganz interessant –, in meinem Wahlkreis gibt es eine Besonderheit. Es gibt einen Stadtteil Rotthausen, der bis zur neuen Grenzziehung im Rheinland lag. Durch meinen Wahlkreis – das ist wohl der einzige in Nordrhein-Westfalen, ich wüsste nicht, dass es noch einen gibt – zieht sich also interessanterweise die westfälisch-rheinische Grenze. Mittlerweise zählt

Rotthausen auch zu Westfalen. Dass die schon Karneval gefeiert haben, als wir im Rest der Stadt noch nicht so viel damit anfangen konnten, ist vielleicht eine Besonderheit. Aber das muss man so sehen.

Was ist denn mit der Identität? Was sagen den Siegerländer, Sauerländer oder Emsländer dazu? Oder fragen Sie doch mal einen Kölner, ob er sich tatsächlich gemeinsam mit einem Düsseldorfer als Rheinländer identifiziert. Wo bleibt das Ruhrgebiet? Ich habe das eben schon gefragt. Müssten wir jetzt eigentlich einen Sitz für das Ruhrgebiet fordern? Welch eine Frage ist das denn? Aber wir im Ruhrgebiet, auch im westfälischen Teil des Ruhrgebiets, haben vollstes Vertrauen in den Stiftungsvorstand.

Der Antrag der CDU hat leider einen ernsten Hintergrund. Anscheinend ist an Ihnen die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen 30 Jahren spurlos vorübergegangen.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Dass NRW weitaus mehr ist als die Summe seiner Landesteile, ist in der CDU wohl nicht angekommen. Sie erinnern sich sicherlich, ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, das „Wir in Nordrhein-Westfalen“ von Johannes Rau haben Sie wohl komplett vergessen oder nie wahrgenommen, zumindest wenn man die künstliche Aufregung über das Präsidium der NRW-Stiftung betrachtet. Es ist schon erstaunlich, wenn eine Partei, die noch nicht einmal eine verbindliche Frauenquote hinbekommt, plötzlich so eine Art Westfalenquote fordert.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Aber vielleicht sind das die traumatischen Erfahrungen, die Sie als Westfale gemacht haben, Herr Laumann. Die traumatischen Erfahrungen, die Sie haben machen müssen, stammen wahrscheinlich aus der Zeit des Zusammenschlusses der beiden Landesverbände der CDU. Jetzt stehen auch noch zwei Rheinländer an der Spitze Ihres Landesverbandes. Das ist ein Skandal. Ich habe nicht gehört, dass Sie da aufgeschrien haben; aber es ist doch ein Skandal, wenn man das so betrachtet.

(Beifall von der SPD)

Das haben Sie noch nicht überwunden, Herr Laumann. Das ist traumatisch; das ist bitter; das kann ich verstehen. Aber übertragen Sie diese Erfahrung doch bitte nicht auf ganz NordrheinWestfalen! Das passt nun wirklich nicht. Aber wenn wir uns schon auf dieses Niveau begeben, nun gut.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Sie begeben sich auf dieses Niveau!)

Schauen wir uns also an, wie viele Westfalen denn in der NRW-Stiftung noch tätig sind! Von 31 Mitgliedern des Stiftungsrates kommen 12 aus Westfalen. Von 48 Mitgliedern des Kuratoriums des Förderver

eins kommen 18 aus Westfalen, darunter der Regierungspräsident aus Arnsberg und der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Auch im Förderverein sind vier Westfalen vertreten. Dazu kommt noch die Geschäftsführung: auch westfälisch. Der Ehrenvorsitzende Kniola ist ebenfalls Westfale und außerdem Dortmunder. Da müsste ich als Gelsenkirchener schon wieder aufschreien. Das tue ich aber nicht, weil ich glaube, dass er gute Arbeit leistet. Auch Sie selbst, Herr Kollege Laumann, sind Mitglied des Kuratoriums.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wollen Sie uns hier ernsthaft erzählen, ausgerechnet Sie könnten die Interessen der Westfalen nicht vertreten? Trauen Sie den Mitgliedern des Vorstandes nicht? Trauen Sie den Mitgliedern des Stiftungsrates nicht? Trauen Sie dem Kuratorium nicht? Am Ende trauen Sie sich wahrscheinlich selbst nicht. Dafür hätte ich an mancher Stelle Verständnis. Aber das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus, Herr Laumann.

Wenn wir schon dabei sind, wo bleibt eigentlich der Aufschrei der Rheinländer? In der Stiftung Wohlfahrtspflege stehen mit den Kollegen Garbrecht und Laumann nun zwei Westfalen an der Spitze, die westfälischer nicht sein können.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

Ist nun zu befürchten, dass von den 25 Millionen, die die Stiftung Wohlfahrtspflege zur Verfügung hat, kein Cent mehr ins Rheinland fließt? Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass Kollege Garbrecht aus Bielefeld kommt. Da wir alle die Bielefeld-Verschwörung kennen, nehme ich mal an, dass ein Rheinländer dahintersteckt, der vermutet, dass Bielefeld gar nicht existiert.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Also: Meine Fraktion hat vollstes Vertrauen in die beiden Kollegen, und ich bin mir sicher, dass sie verantwortungsvoll und umsichtig die wichtige Aufgabe der Förderung der nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen in ganz NordrheinWestfalen wahrnehmen.

Wir teilen also Ihre Besorgnis nicht, meine Damen und Herren. Vielmehr bin ich etwas irritiert, dass wir uns in Zeiten, in denen es wahrlich genug Stoff für politische Debatten hier im Hause gibt, eine komplette Aktuelle Stunde über vermeintliche landsmannschaftliche Rivalitäten unterhalten müssen. Das ist schon kleines Karo, Herr Laumann. Sie sind ja Westfale. Das ist nicht ein Sturm im Wasserglas, das ist ein Sturm im Pinnchen, um es deutlich zu sagen.

Lassen Sie mich deshalb mit einem versöhnlichen Wort des – zugegeben – Rheinländers Jürgen Becker enden. Er hat gesagt: Völker dieser Welt, schaut auf Nordrhein-Westfalen. Hier leben Rhein

länder und Westfalen zusammen. Es ist zwar furchtbar, aber es geht doch. – In diesem Sinne: Glück auf!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Abruszat.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen aufpassen, dass das Ganze nicht in eine gewisse Lächerlichkeit abgleitet.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich habe großes Verständnis dafür – auch und gerade als Ostwestfale, der sich ohnehin immer benachteiligt fühlt, weil er ganz weit weg wohnt –,

(Zurufe: Oh! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Ich nicht!)

sage aber noch einmal mit allem Ernst: Es gibt in der Tat wichtigere Probleme.

(Beifall von der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Eines ist aber auch klar, Frau Ministerpräsidentin: Johannes Rau wäre das nicht passiert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin fern davon, Ihnen zu unterstellen, dass Sie bei der Personalauswahl bestimmte landsmannschaftliche Dinge bewusst nicht berücksichtigt haben. Das glaube ich nicht. Dennoch ist der von Ihnen kreierte Personalvorschlag unsensibel.

Eigentlich könnten wir die Aktuelle Stunde jetzt beenden, wenn Sie erklären würden: Das war ein Versehen, ich habe mich an der Stelle vielleicht nicht richtig um die Sensibilität bemüht. – Auch eine Landesregierung macht mal etwas falsch. Als Oppositionspolitiker weiß ich, dass das mal vorkommen kann, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Lutz Lienen- kämper [CDU] – Hans-Willi Körfges [SPD]: Während der eigenen Regierungszeit!)

Deswegen wäre es ein Gebot der Klugheit, zu erwägen, die satzungsmäßigen Regeln der NRWStiftung noch einmal zu diskutieren – nicht hier, sondern in den dafür vorgesehenen Gremien.