Protokoll der Sitzung vom 14.09.2012

Ich eröffne die Beratung und erteile für die erste der beiden antragstellenden Fraktionen, für die SPDFraktion, Herrn Kollegen Zimkeit das Wort. Bitte schön.

Ich helfe jetzt erst einmal dem Kollegen Mostofizadeh: Nach dem Ergebnis der Prüfung machen sich die Handelnden, wenn es zum Datenkauf kommt, nicht strafbar, und die gekauften Beweismittel sind in Strafverfahren verwertbar. Damit liegen die Voraussetzungen vor, um in den Besitz der Daten zu kommen.

So, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, der NRW-Finanzminister. Er fährt fort: Der Staat ist grundsätzlich verpflichtet, jedem Verdacht auf Steuerhinterziehung nachzugehen. Würde er dies nicht tun, wäre dies Strafvereitelung im Amt.

Dies hat von diesem Platz hier – noch von einem anderen Pult – der Landesfinanzminister Helmut Linssen am 4. Februar 2010 gesagt.

Ich finde, diese Einschätzung war richtig und nachvollziehbar. Ich finde es sehr gut und richtig, dass Norbert Walter-Borjans diese Linie konsequent weiterverfolgt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da nach Medienberichten selbst die Schweiz Steuerdaten aus Liechtenstein kauft, sollten wir doch hinter diese Form der Verfolgung von Straftätern nicht zurückfallen.

SPD und Grüne wollen mit dem heute vorliegenden Antrag noch einmal unterstreichen, dass das Anliegen, Steuerhinterzieher konsequent zu verfolgen und Steuerflucht zu verhindern, nicht nur ein wichtiges Anliegen der Landesregierung ist, sondern dass die Landesregierung dabei die Unterstützung dieses Landtages hat.

Allerdings machen die Diskussionen der letzten Tage und die vorliegenden Entschließungsanträge leider deutlich, dass CDU, FDP und Piraten gemeinsam der Schutz des Steuergeheimnisses in der Schweiz wichtiger ist als die Verfolgung von Steuerflüchtlingen aus Deutschland. Bei der FDP geht dies so weit, dass die Bundesjustizministerin in aller Eile ein Gesetz zum Schutz von Daten von Steuerflüchtlingen auf den Weg bringen will. Allerdings war dies ihrer Partei so peinlich, dass sie diesen Vorschlag schon wieder zurückgezogen hat.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Piratenpartei in diesem Hause diesen Vorschlag jetzt wieder aufgreift und sozusagen versucht, neoliberaler zu sein als die FDP.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich glaube, wir haben hier bei der Sitzordnung in diesem Haus einen Fehler gemacht. Die Piraten sollten vielleicht in ihrer Mehrheit nicht dort sitzen, sondern hier rechts auf dieser Seite.

(Zurufe von den PIRATEN)

Ein Fortschritt ist allerdings, dass die Piratenpartei sich mittlerweile parlamentarisch mit diesem Thema auseinandersetzen will und sich nicht weiter hinter Strafanzeigen versteckt. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, für wie absurd ich es halte, diese politische Auseinandersetzung hier im Hause juristisch zu verfolgen. Ich will noch deutlicher sagen: Ich halte es für unerträglich, zu versuchen, den Finanzminister zu kriminalisieren und damit Kriminelle zu schützen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das war nicht die Partei!)

Entschuldigung, Herr Kollege. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stamp zulassen?

Herr Kollege, könnten Sie uns – weil der Begriff hier immer in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen fällt – kurz skizzieren, was Sie unter dem Begriff „neoliberal“ verstehen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Wie viel Redezeit kann ich dafür in Anspruch nehmen? – Ich mache es einmal platt und verkürzt: Für mich gehört zum Neoliberalen dazu, dass man die Interessen von Vermögenden, die ihre Steuern hinterziehen, höher anrechnet als das Gemeinwohl in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was die CDU in dieser Frage angeht, so wechselt sie – wie in vielen Szenen – ständig ihre Positionen. Was unter Finanzminister Linssen richtig war, ist jetzt plötzlich unter Finanzminister Walter-Borjans falsch. Bei der CDU war hier gestern von einer NullToleranz-Politik die Rede. Bei Finanzangelegenheit scheint diese Null-Toleranz-Politik aber nur gegenüber Hartz-IV-Empfängern zu gelten, die jeden Cent nachweisen müssen, und nicht gegenüber Millionären, die ihr Geld ins Ausland schaffen.

Ich bin der Auffassung, wir müssen das vorliegende Steuerabkommen verhindern. Dieses Abkommen ist ungerecht, weil es Steuerflüchtlinge schützt. Es stellt Steuerflüchtlinge finanziell besser als ehrliche Steuerzahler. Es lässt Steuerbetrüger in der Anonymität, und es erschwert die Arbeit unserer Steuerfahnder. Deswegen muss dieses Steuerabkommen verhindert werden, und es muss ein besseres Steuerabkommen erarbeitet werden.

Die USA haben gezeigt, dass das möglich ist. Manchmal ist es vielleicht auch gut, mit der Kavallerie zu drohen; denn die USA haben den notwendigen Druck entwickelt, ein Steuerabkommen hinzubekommen, das sich an den Interessen der ehrlichen Steuerzahler orientiert. Ich frage mich: Warum war die Bundesregierung dazu nicht in der Lage?

In diesem Zusammenhang will ich noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Es geht nicht nur um die Frage der Steuerhinterziehung. Dies ist in diesem Zusammenhang schlimm genug. Bei dem in der Schweiz lagernden Geld geht es mutmaßlich auch um Schwarzgeld. Wir haben es hier nicht „nur“ – in Anführungsstrichen – mit der Bekämpfung von Steuerflüchtlingen zu tun, sondern auch mit der Bekämpfung von Geldwäsche. Deswegen muss jedes Abkommen verhindert werden, das dazu führt, die Arbeit unserer Steuerfahnder zu erschweren, und das auf dem Rücken der ehrlichen Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen ausgetragen wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich dem Herrn Kollegen Mostofizadeh das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vor etwa einem Jahr schon einmal über dieses Steuerabkommen diskutiert. Damals hatten wir noch eine andere Situation. Das Verfahren war im Gange. Man hatte möglicherweise noch die Hoffnung, dass etwas verändert werden könnte. Jetzt ist es so, dass der Bundesfinanzminister es unterschrieben hat. Es liegt zur Genehmigung im Bundesrat vor. Veränderungen sind aus meiner Sicht in diesem Verfahren so nicht mehr möglich. Deswegen gibt es nur die Frage hopp oder top. Stimmt man diesem

Abkommen zu, oder lehnt man es ab? Genau, wie Herr Zimkeit es vorgetragen hat, können wir für unsere Fraktion nur sagen: Wir können dieses Steuerabkommen nur ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will ganz kurz drei Punkte anführen. Der Finanzminister hat gestern schon auf die Frage der Selbstanzeigen im Rahmen von Datenkauf und Steuer-CDs hingewiesen. 2008 wurde hier im Landtag mit Unterstützung von CDU und FDP die erste Steuer-CD gekauft. Die Begründung hat Herr Zimkeit eben vorgelesen. Es ist schon ziemlich merkwürdig, um es einmal vorsichtig auszudrücken, wie Sie jetzt in Ihrem Antrag versuchen, zu beschreiben, dass ein Mal kein Mal ist. Also entweder gibt es eine vergleichbare Rechtslage – dann gilt sie immer, ist auch nicht austauschbar oder veränderbar –, oder sie gilt nicht. Ihr Rechtsempfinden und Ihre Rechtsauslegung sind in dem Zusammenhang, gelinde gesagt, zumindest merkwürdig.

Aber sehen wir uns das Abkommen an. Was passiert, wenn dieses Abkommen tatsächlich ratifiziert, wenn es Gesetz wird? Man dürfte nur noch 500 Nachprüfungsanträge pro Jahr für ganz

Deutschland stellen. Das ist weniger als ein Fall pro Finanzamt. Wir haben ungefähr 550 Festsetzungsfinanzämter. In der Zeit seit 2008 – als die großen Diskussionen über die Steuerhinterziehung stattfanden – gab es allein 26.000 Selbstanzeigen in Deutschland. Diese Zahl kann der Finanzminister vielleicht noch besser belegen. Sie geht immer dann in die Höhe, wenn es darüber eine öffentliche Diskussion gibt: Ist der Verhandlungsdruck groß, oder ist er klein? Kann man sich über die Zeit retten oder nicht?

Es befinden sich nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft zwischen 100 und 150 Milliarden € unversteuertes Geld in der Schweiz.

Wenn man dafür einen normalen Ertragssatz nimmt, würden wir allein daraus, wenn es ordentlich versteuert würde, mindestens 2 bis 3 Milliarden € pro Jahr an Steuern einnehmen. Die Schweiz garantiert uns einmal für zehn Jahre rückwirkend 1,8 Milliarden €. Es ist nicht einmal ein gutes Geschäft, was da gemacht wird. Was aber, wenn man nach vorne sieht, viel wichtiger ist: Es ist eine Katastrophe für diejenigen, die Steuerfahndung betreiben wollen und die für Steuergerechtigkeit in unserem Land sorgen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht noch einige Bemerkungen zum Antrag von CDU und FDP. Zunächst einmal geht es um die Geschmackslosigkeit, die ich vorhin schon angesprochen habe. Den Finanzminister sozusagen in den Geruch zu bringen, er habe Mitschuld an dem Selbstmord eines inhaftierten Häftlings, finde ich, gelinde gesagt, unerträglich. Dies ist ein unerträgli

cher Unsinn, den Sie in den Antrag hineingeschrieben haben.

Zweitens behaupten Sie, es sei die populistische Emotion einiger Politiker. Nein, meine Damen und Herren, es geht um Steuergerechtigkeit in Deutschland. Es geht nicht darum, hier Populismus auszutreiben. Das ist pure Ideologie, die von Ihrer Seite aus hier betrieben wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie behaupten, es würde ein staatlich garantierter Absatzmarkt für Hehlerei geschaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist denn zuerst da? Die Steuerhinterziehung oder der Absatzmarkt für Daten? Wenn es keine Steuerhinterziehung gäbe, müssten wir nicht auf diesem Wege dafür sorgen, überhaupt an Daten zu kommen.

Eines muss man doch auch einmal zur Versachlichung sagen: Keine dieser Daten, die auf einer CD sind, werden unmittelbar verwendet. Die Steuerbehörden – sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Fahndungsbehörden – machen eigene Anstrengungen und führen eigene Ermittlungsverfahren durch. Sie tragen diese dann vor, um in Gerichtsverfahren oder in anderen Prozessen sozusagen Strafbefehle oder anderes zu erwirken.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, tun doch so, als wenn unmittelbar darauf ermittelt worden wäre. Sie erzeugen ein falsches Bild. Sie missachten die Rechtslage und schmeißen mit Ideologie nur so um sich. Das ist unerträglich und der Sache nicht angemessen.

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz von der Fraktion der Piraten zulassen?

Wenn Sie die Zeit anhalten, ja.

Wie Sie wissen, wird Ihnen die Zeit nicht angerechnet.

Aber die Uhr läuft durch.

Davon sollten Sie sich nicht irritieren lassen, Herr Kollege.

Bitte schön.

Herr Kollege Mostofizadeh, eine kurze Frage zwischendurch: Sie sprachen eben an, dass die Schweiz nur 2 Milliarden zahlt und wir ohne das Abkommen 1,8 Milliarden bekämen.

Egal, welche Steuerforderung von der Schätzung her im Raum steht: Wie wollen Sie bis zum nächsten Datenankauf die Verjährung von Millionen und Abermillionen Steuerschulden unterbrechen?