Protokoll der Sitzung vom 03.09.2015

Das könnte auf den ersten Blick natürlich bedeuten, dass wir im Hinblick auf die Sprache auch vorne sein müssten. Dem ist aber nicht so. Denn wenn man sich das Ganze weltweit anschaut, dann kommen wir bei Englisch auf 1,5 Milliarden Menschen, bei Französisch auf 230 Millionen und bei Deutsch auf 185 Millionen.

Hätte sich Ende des 18. Jahrhunderts in den USA Deutsch als Amtssprache durchgesetzt, wäre alles anders gekommen. Sie wissen, das ist nicht so gekommen. De facto gibt es dort die Amtssprache Englisch, wenn auch nicht de jure. Ich darf jedoch an die Muhlenberg-Legende erinnern, nach der bei einer knappen Abstimmung Deutsch als Sprache unterlegen hat. Letztendlich hat sich Deutsch damals nicht durchgesetzt.

Schauen wir uns den Buchmarkt an: Da liegen die Engländer mit 28 % vor Deutschland mit 12 % und Frankreich mit 11 %. Im Internet sind die Engländer mit 58 %, wir mit 7,7 % und die Franzosen mit 5,6 % vertreten. Also, wir haben durchaus Bedeutung; das ist gar keine Frage.

Allerdings muss man in Europa schauen: Geht es um Amtssprache oder Arbeitssprache? Das geht in Ihrem Antrag ein bisschen durcheinander. Bei der Amtssprache haben wir kein Problem, weil in alle 24 Amtssprachen übersetzt wird. Bei der Arbeitssprache sollten England, Frankreich und Deutschland gleichberechtigt berücksichtigt werden. Da ist Ihnen in der Tat zuzugestehen, dass da eine Unterrepräsentation des Deutschen besteht, vielleicht auch eine etwas zu starke Gewichtung des Französischen. Das ist natürlich ärgerlich. Insofern kann man Ihren Ansatz vom Grundsatz her verstehen.

Allerdings muss man mit Blick auf eine weitere Entwicklung fragen, ob nicht am Ende auch eine einzige Arbeitssprache – vielleicht auch mal irgendwann eine einzige Amtssprache – stehen wird. Denn die anderen Sprachen, die als Amtssprachen anerkannt sind, sind als Arbeitssprachen ja auch nicht anerkannt.

Wir werden möglicherweise auf lange Sicht dazu kommen, dass es dann nur noch eine Arbeits- und vielleicht auch eine Amtssprache gibt. Das wäre un

ter Kostengesichtspunkten sicherlich durchaus akzeptabel. Wir reden von 1,4 Milliarden € Übersetzungs- und Dolmetscherkosten. Das macht 1 % des gesamten EU-Haushalts aus.

Allerdings will ich Ihnen recht geben: Solange noch nicht so entschieden ist, müssen wir durchaus auf eine Gleichberechtigung der deutschen Sprache achten, insbesondere mit Blick auf die Franzosen. Denn dass Englisch als Lingua franca vorne sein wird, steht wohl außer Zweifel.

Der zweite Punkt ist, glaube ich, sachgerecht debattiert worden. Es gibt den Wunsch danach, Deutsch als Fremdsprache in Frankreich zu stärken. Man muss zugeben: Auch bei uns sind die Werte mit 25 % nicht mehr gut. Das liegt unterhalb des Durchschnitts von 33 % in der EU. Also, ein bisschen müssen wir auch in die eigene Richtung schauen. Natürlich ist die rapide Entwicklung des Rückgangs von Deutsch als Fremdsprache in Frankreich schon beachtlich. 1953 waren es noch 53 %, heute sind es nur noch 15 %. Also, wir sollten darum werben.

Andererseits kann man auch die Wahlfreiheit der Schüler letztendlich nicht in Zweifel ziehen. Heute wird häufig das Spanische anstatt des Französischen gewählt. Wir werden hier dafür kämpfen müssen, dass unsere Nachbarsprachen Französisch und Deutsch – jeweils aus der Sicht des einen und des anderen Landes – nicht unter die Räder geraten. Aber das ist natürlich ein nur Werben. Das kann man nicht dekretieren; da stimme ich Ihnen durchaus zu. Darum muss man werben.

Insgesamt möchte ich, solange es eben noch nicht eine Amtssprache und eine Arbeitssprache gibt, Ihrem Antrag insofern durchaus zugestehen, dass es vernünftig ist, für die Gleichberechtigung von Deutsch zu kämpfen, insbesondere wenn die drei Arbeitssprachen Deutsch, Englisch und Französisch gleichberechtigt nebeneinander stehen sollen. Insofern werden wir Ihrem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Kern.

Vielen Dank. – Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer im Saal und vor allem zu Hause am Stream! Die Christdemokraten wollen also die deutsche Sprache in Brüssel und in den europäischen Institutionen stärken. Okay, zur Kenntnis genommen. Das kann man so sehen, aber man kann das auch anders sehen, und das tue ich.

Die Kollegen haben bereits gute Argumente vorgetragen. In meinen Augen geht es erstens darum: In Ihrem Antrag sagen Sie selbst, dass Deutsch be

reits eine der drei Arbeitssprachen ist und damit eine privilegierte Stellung genießt. Angesichts der hohen Anzahl deutscher Europaparlamentarier und auch Kommissionsangestellter ist das in Ordnung. Richtig sind allerdings auch die Anmerkungen des Herrn Kollegen Dr. Wolf, die das ein wenig relativieren. Ich frage mich an der Stelle aber, was da eigentlich rechtlich noch verbessert und geändert werden soll.

Zweitens – und das ist ein wesentlicher Punkt –: Sprache ist ein Kulturgut. Sie ändert sich, verändert sich, passt sich an. Der Gebrauch kann in meinen Augen nicht verordnet werden.

Drittens. Ich kann nicht glauben, dass es für ein exportorientiertes NRW ein unüberwindbares Problem darstellt, sich auf Englisch zu verständigen oder englische Ausschreibungstexte zu verstehen.

Viertens und Letztens. Die Forderung nach einer Sonderstellung für die deutsche Sprache insbesondere gegenüber dem Französischen ist nicht nur unangemessen, sondern auch kontraproduktiv. Wenn die Franzosen irgendwann vom steuergeldverschwendenden Zweitsitz des Europäischen Parlaments in Straßburg abrücken sollen, dann macht es sicherlich keinen Sinn, ihnen mit der „Deutschkeule“ vor den Kopf zu stoßen.

Ich meine – und da bin ich bei dem Kollegen Volker Münchow –, dass wir im Moment auch über andere Probleme in Europa sprechen müssen. Wir brauchen keine gesetzlich verordnete Mindestge

brauchsquote für die deutsche Sprache, sondern ein modernes Bildungssystem, das junge Menschen weltoffen und fremdsprachengewandt auf das Leben vorbereitet; hier bin ich bei dem Kollegen Engstfeld.

Insofern komme ich zum Schluss und sage: Thank you for travelling with Deutsche Bahn.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! United in diversity – Unie dans la diversité – In Vielfalt geeint: Das ist die Idee und das zentrale Element der europäischen Identität sowie Ausdruck des kulturellen und sprachlichen Reichtums in der Europäischen Union. Das hat sich auch von Anfang an in der Sprachenpolitik der Institutionen niedergeschlagen; und zwar schon im Jahr 1958 in der entsprechenden Regelung für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.

Die Kolleginnen und Kollegen haben bereits den Unterschied zwischen den Amtssprachen und den

Arbeitssprachen dargelegt. Wir müssen auch feststellen, dass seit der Gründung der Europäischen Union aus den vier Amtssprachen inzwischen 24 Sprachen geworden sind, und das Vollsprachenregime tatsächlich zu Schwierigkeiten geführt hat. Die pragmatische Regelung, die die Europäische Union und die Institutionen gefunden haben, ist dann das sogenannte Marktmodell geworden. Das heißt, die jeweiligen Mitgliedstaaten müssen die Kosten übernehmen, wenn die Dokumente in den einzelnen Institutionen und Gremien übersetzt werden müssen.

An dieser Stelle müsste man sich daher auch überlegen, ob das weiter der richtige Weg sein kann oder ob wir nicht neben der privilegierten Position, die die deutsche Sprache als Amts- und Arbeitssprache nach wie vor hat, dazu beitragen müssen, dass die Mehrsprachigkeit in Deutschland zunimmt und in unser Bildungssystem investieren.

Das böte – darauf wurde hingewiesen – echte Chancen zur Verständigung in Europa sowie weltweit. Auch Unternehmen erkennen, dass fremdsprachengebildete Mitarbeiter ihnen weitaus mehr helfen, erfolgreich zu agieren, als eine vollständige und ressourcenerschöpfende Übersetzung jedweden Textes.

Das Erlernen von Fremdsprachen und die Förderung der Mehrsprachigkeit sind deshalb essenziell, weil die Kommunikation optimal funktioniert, wenn wir andere Sprachen verstehen, und daher die Kultur und das Konzept, in dem gedacht wird, nachvollzogen werden kann. Deswegen ist es wichtig, dass wir gerade für die Zusammenarbeit in der Europäischen Union, für die Kompromissfindung, zu der wir immer wieder verpflichtet sind, auf fremdsprachenkenntnisreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bürgerinnen und Bürger zurückgreifen können.

Diese Beobachtung gilt natürlich auch für unsere Nachbarn, für Frankreich. Die Landesregierung hat deswegen auch in mehreren Ansätzen den Vertreterinnen und Vertretern der französischen Politik unsere Sorge übermittelt, dass das Deutsche in Frankreich hier unter Druck geraten könnte.

Die Frau Ministerpräsidentin hat in ihrer Funktion als Vorsitzende der Deutsch-Französischen Freundschaftsgruppe des Bundesrates diesen Befürchtungen in einem Brief vom 12. Juni 2015 an den französischen Senat sowie an Herrn Premierminister Manuel Valls und Frau Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem Ausdruck verliehen. Bei ihrem Besuch in Lille am 17. Juni hat sie diese Sorge auch gegenüber dem Präsidenten des Regionalrates der Partnerregion Nord-Pasde Calais, Herrn Percheron, sowie den Abgeordneten zum Ausdruck gebracht.

Meine Kollegin, die Ministerin für Schule und Weiterbildung Frau Löhrmann hat ebenfalls in einem Schreiben an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Frau Ministerin Brunhild Kurth, mitgeteilt,

dass sie die eingeleiteten Maßnahmen an den Collèges mit großer Sorge zur Kenntnis genommen hat und die Kultusministerkonferenz bittet, sich entsprechend gegenüber der französischen Regierung einzusetzen.

Über diese Maßnahmen habe ich Sie, Frau von Boeselager, und die CDU-Fraktion am 26. Juni dieses Jahres bereits schriftlich unterrichtet. Insofern ist eine gesonderte Aufforderung in Form Ihres Antrages gar nicht vonnöten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird weiterhin dafür eintreten, dass sich die sprachliche Vielfalt Europas in den EU-Institutionen widerspiegelt, dass die Mehrsprachigkeit gestärkt wird und Deutsch als Unterrichtsfach an den französischen Schulen ebenso wie Fremdsprachenunterricht an deutschen Schulen einen hohen Stellenwert behalten. Denn auch dies bedeutet Förderung von Mehrsprachigkeit. Und diese wird beispielsweise in Nordrhein-Westfalen mit seinen wegweisenden Europaschulen tagtäglich umgesetzt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Wenn Sie noch einen Moment hierbleiben. Es liegt eine Kurzintervention von Herrn Dr. Paul vor, dem ich nun das Wort gebe. Bitte schön, Herr Dr. Paul!

Verehrte Frau Ministerin! Es liegt mir fern, irgendjemanden – vor allen Dingen nicht Sie – in Verlegenheit bringen zu wollen. Mir kam gerade nur eine Idee. Ich würde gerne noch etwas ergänzen, was das Deutsche als Sprache betrifft.

Auf der einen Seite hat das Deutsche den mit Abstand größten Übersetzungstextkorpus, und zwar in beide Richtungen. In keine andere Sprache wurden so viele Werke aus fremden Sprachen übersetzt wie ins Deutsche und umgekehrt. Das ist auch eine Tatsache, auf die man stolz sein kann.

Auf der anderen Seite ist Deutsch immer eine Räubersprache gewesen – lokalisiert in der Mitte Europas –, und zwar durch die Begegnung mit anderen Sprachen. Aber es mag manchmal auch sinnvoll sein, sich sprachlich auf neutralem Boden zu begegnen. Das meine ich ganz ernst: Vielleicht macht es Sinn, in Europa so etwas wie eine EsperantoInitiative zu starten.

Frau Ministerin.

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. Vermutlich wird das mit dem Esperanto nicht mehr klappen, weil inzwischen das

Englische diese Funktion eingenommen hat. Was ich zunächst auch nicht wusste: Englisch ist tatsächlich die vokabelreichste Sprache, zumindest im Vergleich mit den beiden anderen Arbeitssprachen. Insofern gibt es dort eine große Vielfalt, sich auszudrücken.

Noch einmal der Appell: Sorgen Sie dafür, dass unsere Kinder und Jugendlichen Fremdsprachen lernen! Dann werden wir uns insgesamt besser verständigen können in Europa. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der CDU hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/9515. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der Piraten gegen die Stimmen der Fraktion der CDU und der der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Netzneutralität ist zum Abschuss freigege

ben: Pläne von EU-Kommissar Oettinger lassen das freie und offene Internet sterben