Protokoll der Sitzung vom 04.09.2015

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Bayer. – Nun begründet Herr Rasche für die FDPFraktion die Forderung nach dem neuen Konzept.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP, und das sage ich vorweg, will die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Nordrhein-Westfalen stärken. Die Piraten, das haben wir heute gehört, und die Grünen, das hören wir seit vielen Jahren, wollen definitiv das Gegenteil.

Ein kurzer Blick zurück: In den Jahren 2008 bis 2010 haben an diesem Rednerpult – damals noch in der Oppositionsrolle – permanent die Vertreter von SPD und Grünen gefordert, dass das Luftverkehrskonzept Nordrhein-Westfalen fortgeschrieben werden muss, am massivsten in der Intensität war das damals Horst Becker, seinerzeit verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Dann kam, vielleicht etwas plötzlich, die Regierungsübernahme im Jahre 2010, und es gab ein Problem: Wie können sich diese beiden Partner bei diesem Thema einigen, da sie völlig unterschiedliche Ziele verfolgen?

Das Ergebnis dieses Prozesses war, dass die bisherige Position über den Haufen geworfen wurde. Denn plötzlich war überhaupt kein Luftverkehrskonzept in Nordrhein-Westfalen mehr nötig. So kann man auch mit Problemen umgehen, die NordrheinWestfalen hat.

Um diese Handlungsunfähigkeit zu vertuschen, wurde einfach gesagt: Die Verantwortung muss zunächst Berlin übernehmen, Berlin muss uns ein Konzept vorgeben.

Meine Damen und Herren, nordrhein-westfälische Interessen müssen – egal wer dort sitzt – von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vertreten

werden und nicht aus Berlin. Da haben wir uns schon oft sehr enttäuscht gefühlt, gerade in der Verkehrspolitik, lieber Minister Groschek.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir erleben seit fünf Jahren in der Luftverkehrspolitik hier in NordrheinWestfalen einen völligen Stillstand. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen seit 2000 – da hat der Kollege Bayer recht – wesentlich verändert, aber von der Landesregierung gibt es auf aktuelle Fragen keine Antworten.

Das Einzige, was wir hören und lesen, sind große Widersprüche innerhalb der Koalition, die zudem öffentlich ausgetragen werden. Der Minister will, dass es bei einer dezentralen Luftverkehrskonzepti

on bleibt; es kann ja auch gar nicht anderes funktionieren. Die Grünen wollen das Gegenteil. Die Grünen wollen das Aus der Flughäfen PaderbornLippstadt, Dortmund, Münster Osnabrück und Weeze. Der Minister und übrigens auch wir wollen das Gegenteil.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Bei dieser Luftverkehrspolitik würde sich zudem der Luftverkehr am Flughafen Düsseldorf drastisch erhöhen, aber das wollen die Grünen natürlich auch nicht.

Weiteren Streit gibt es in der Koalition bei der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Düsseldorf und beim Nachtflug in Köln.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen braucht endlich Antworten auf diese aktuellen Fragen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Minister Groschek hat gleich die Gelegenheit, die aktuellen Eckpunkte der nordrhein-westfälischen Luftverkehrspolitik der Landesregierung an diesem Rednerpult darzustellen, und ich bin gespannt, wie der Redner unmittelbar vor ihm, Arndt Klocke von den Grünen, agiert. Hat er hier am Rednerpult den Mut, die klaren Positionen der Grünen zu vertreten? Ich bin gespannt.

Je näher der Landtagswahltermin rückt – er ist im Mai 2017 –, desto engagierter arbeiten die grünen Netzwerke in Nordrhein-Westfalen. Davon gibt es verschiedene; in diesem Fall war es der BUND. Er hat ein Konzept vorgelegt – genau, wie es der Politik der Grünen entspricht, und natürlich ist dieses auch mit den Grünen abgesprochen –, und das steht jetzt zur Diskussion. Auch hier müssen sich der Minister und die SPD-Fraktion

(Zuruf von den GRÜNEN)

äußern: Bleiben Sie bei der Position der SPD oder vertreten Sie die Position der Grünen oder geht es weiter mit Stillstand?

Vor einigen Jahren hat hier am Rednerpult Manfred Hemmer gestanden. Er war viele Jahre Vorsitzender des Verkehrsausschusses in Nordrhein

Westfalen und ein aktiver Verkehrspolitiker der SPD. Bei seiner Abschlussrede formulierte er: 4.000 m Lande- oder Startbahn führen in die weite Welt, 4.000 m Straße oder Radweg führen ins Nichts. Das war eine klare Aussage eines Verkehrspolitikers der SPD; da hat sich die SPD noch klar aufgestellt.

Herr Minister Groschek, Sie können uns gleich zeigen – ich freue mich darauf –: Gibt es bei der SPD eine klare Position zur Industrie-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen, oder radeln auch Sie den Grünen hinterher? – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Rasche. – Nun spricht für die SPD-Fraktion der Kollege Tüttenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese beiden Anträge von der FDP und von den Piraten sind klassische Oppositionsanträge, die zunächst einmal belegen: Ihr Wiedervorlagesystem funktioniert.

(Beifall von der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Ja, Gott sei Dank!)

Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, das Aufgabenfeld „Luftverkehr“, das nach den turbulenten Diskussionen über den Bundesverkehrswegeplan, über die Straßenzustände und über das Investitionsprogramm des Bundes drohte,

(Zuruf von der FDP: Sie müssen Ihre Reden aktualisieren!)

ein wenig ins Hintertreffen zu geraten, jetzt auf diese Weise zu aktualisieren. Damit hört die Gemeinsamkeit dann aber auch schon auf.

Sie haben es selbst angesprochen. Sie haben mehr oder weniger den gleichen Antrag, aber mit völlig verschiedenen Zielsetzungen gestellt. Eigentlich wollen Sie das Gegenteil von dem, was die Piraten erreichen wollen. Insofern haben wir es zunächst nur mit einer Formalität zu tun und nicht mit Inhalten.

Bei der Kausalkette von Entscheidungen sehen wir eine andere Reihenfolge als sinnvoll an. Straße, Schiene und Wasserstraße haben als bodengebundene Verkehrsträger andere Wirkungen als Ländergrenzen weit übergreifende Wirkungen des Luftverkehrs. Vor diesem Hintergrund ist schlicht und ergreifend – das sagen Ihnen auch alle Experten, heute Morgen wurde es auch noch einmal vorgetragen –

(Zuruf von der FDP: Heute Morgen sprachen wir von der Blutgrätsche der Politik!)

ein nationales Luftverkehrskonzept als konzeptionelle Basis zielführender, als zunächst – in Ihrer Logik – 16 Länderluftverkehrskonzepte, in denen lange vorhandene Standortkonkurrenzen dann eher zementiert als aufgelöst würden. Das ist aber das, was wir erreichen müssen.

Ich füge hinzu: Eigentlich bräuchten wir ein zumindest westeuropäisches Luftverkehrskonzept. Die Kunst ist jetzt – sprich: auch die Hausaufgabe des Bundesverkehrsministeriums –, nicht 16 Länderkonzepte puzzleartig wie einen Flickenteppich zusammenzufügen, weil nämlich die Puzzleteile gar nicht passen, sondern er muss die Konflikte identifizieren und die auflösen, für die es keine Ländergrenzen gibt. Wir haben im Ausschuss noch die Gelegenheit, das zu vertiefen.

Dass Sie nun als Opposition daran erinnern und mahnen, kann ich politisch verstehen. Auffällig dabei ist jetzt, dass von der CDU diesbezüglich nichts gekommen ist, obwohl sie auch zur Opposition gehört. Sonst ist zumindest der Fraktionsvorsitzende doch eigentlich ein Themenuniversalist, aber bei diesem Thema ist Fehlanzeige.

Das Bundeskonzept ist auch angekündigt, das heißt, es soll kommen. Richtig ist, es könnte schneller kommen; wir würden uns das wünschen. Da scheint die Konzentration auf die „Murks-Maut“ oder auch Wahlkampf in Sachen Investitionsprogramm für örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete zu viele Kräfte im Ministerium zu binden – an falscher Stelle sage ich allerdings.

Der Bundesverkehrsminister muss jetzt seine luftverkehrspolitischen Hausaufgaben erledigen, bevor 16 Länder sehr viel Aufwand betreiben, zuwiderlaufende Konzepte vorzulegen, und hinterher an vielen Stellen ein Gesichtsverlust droht.

(Beifall von der SPD)

Und noch etwas: Insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der CDU hier im Land müssen klar bekennen, für was die CDU in Nordrhein-Westfalen luftverkehrspolitisch steht. Sie werden sicherlich gleich – ich vermute es zumindest, Herr Kollege Voussem – in gewohnter Weise, wie das auch Ihre Vorgänger getan haben, das hohe Loblied auf die Flughäfen als Jobmaschinen singen, und zum Beispiel insbesondere auch nach dem heutigen parlamentarischen Treffen den Flughafen von Köln/Bonn und dessen Nachtoffenheit verteidigen, die Ihr Verkehrsminister Wittke bis 2030 verlängert hat.

(Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

Die Frage ist aber: Ist das eigentlich auch die Position der CDU Nordrhein-Westfalen? Ich frage Sie das deswegen, weil sich die CDU seit Jahren und Herr Laschet jetzt auch eine stellvertretende Landesvorsitzende leistet, die das Gegenteil sagt und das Gegenteil fordert. Elisabeth WinkelmeierBecker hat die Kernruhezeit für den Flughafen Köln/Bonn gefordert – auch für den Frachtflug. Das bedeutet ein absolutes Nachtflugverbot. Mehrere von der CDU regierte Kommunen im immerhin größten CDU-Kreisverband von Nordrhein-Westfalen klagen gegen die Betriebsgenehmigung für diesen Flughafen, für den Sie sich wahrscheinlich gleich wieder einsetzen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Deswegen ist die Frage erlaubt und auch erforderlich: Für was steht die CDU hier im Land? Oder ist Ihre Position, dem einen dieses und dem anderen jenes zu versprechen?

Herr Laschet verspricht der Wirtschaft und den Gewerkschaften, die Nachtoffenheit des Flughafens zu erhalten, und seine Stellvertreterin verspricht der Lärmschutzgemeinschaft die Kernruhezeit, sprich,

das Nachtflugverbot. Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit.

Sie haben gleich Gelegenheit, das aufzuklären. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit bis zur Ausschusssitzung. Bis dahin erwarten wir von Ihnen allerdings Klartext, und zwar in Richtung Minister Dobrindt, Ihrem Unionskollegen, der das überfällige Bundesluftverkehrskonzept vorzulegen hat, und auch in Richtung Ihres eigenen Landesverbandes. Darauf sind wir sehr gespannt.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Tüttenberg. – Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Die FDP hat eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Kollege Rasche.

Herr Kollege Tüttenberg, Sie haben gerade den Begriff „Klartext“ benutzt. Ich glaube, es gibt kaum einen Punkt, an dem man ihn besser anwenden könnte; denn wenn fünf Jahre lang nichts gemacht wird, ist es richtig, dass man Klartext einfordert.

Sie verweisen in Ihrer Argumentation auf eine Luftverkehrskonzeption, die aus Berlin vorgelegt werden und für das gesamte Land Deutschland gelten soll. Sie vertreten damit auch die Auffassung, dass in dieser Luftverkehrskonzeption des Bundes die Interessen Nordrhein-Westfalens so verankert sein müssen, wie wir das für Nordrhein-Westfalen wollen.

Ich glaube, dass diese Argumentation gefährlich ist; denn diesen Automatismus sehe ich nicht. Die drei großen Player in diesem Bereich – Lufthansa, Flughafen München, Flughafen Frankfurt – bestimmen die Luftverkehrspolitik in Berlin. In all den vergangenen Jahren gingen dabei die Interessen von Nordrhein-Westfalen völlig unter. Ich halte Ihre Vorgehensweise für absolut fahrlässig; denn wenn diese Luftverkehrskonzeption in Berlin einmal besteht, werden wir sie nicht mehr ändern können.