Ich glaube, dass diese Argumentation gefährlich ist; denn diesen Automatismus sehe ich nicht. Die drei großen Player in diesem Bereich – Lufthansa, Flughafen München, Flughafen Frankfurt – bestimmen die Luftverkehrspolitik in Berlin. In all den vergangenen Jahren gingen dabei die Interessen von Nordrhein-Westfalen völlig unter. Ich halte Ihre Vorgehensweise für absolut fahrlässig; denn wenn diese Luftverkehrskonzeption in Berlin einmal besteht, werden wir sie nicht mehr ändern können.
Viel besser ist es, die Ziele von Nordrhein-Westfalen jetzt klipp und klar zu artikulieren, damit es Berlin schwerfällt, die Interessen von NordrheinWestfalen zu übergehen. Tun wir das nicht, fallen wir auch in diesem Bereich hinten herunter.
Herr Rasche! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip ist der Verdacht meines Kollegen Rasche natürlich berechtigt, dass insbesondere das Bundesverkehrsministerium nordrhein-westfälische Interessen sehr gerne vernachlässigt, sodass man deswegen sehr auf der Hut sein muss.
Wenn es so wäre, dass man nicht den Eindruck hätte, in den nächsten Jahren würde ein solches Konzept als Diskussions- und Konzeptgrundlage vorgelegt, dann könnte man sich gegebenenfalls überlegen, sich Ihrer Position anzuschließen. Das ist aber nicht der Fall. Die Vorlage einer solchen Konzeptgrundlage innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraumes ist angekündigt worden. Im Vorfeld eines solch kurzen Zeitraumes mit einem eigenen Konzept aufzutrumpfen, hielte ich nicht für sachgerecht.
Ich weiß, dass die Vorlage des Bundeskonzeptes durch eine fachliche Kommission vorbereitet wird, in der die Interessen von Nordrhein-Westfalen geradezu in hervorragender Weise vertreten sind, nämlich dadurch, dass der zuständige Minister des Kabinetts dort mitarbeitet und somit an der Erstellung dieser Vorlage beteiligt ist. Insofern teile ich Ihre Sorge nicht, dass es fahrlässig wäre, eine solche Konzeptgrundlage abzuwarten.
Sobald diese Vorlage vorliegt, werden wir die nordrhein-westfälischen Interessen natürlich sehr intensiv vertreten. Dabei werden wir nicht nur die Belange nordrhein-westfälischer Gesellschaften berücksichtigen – die natürlich auch –, sondern wir haben hier auch einen sehr sorgsamen Abwägungsprozess zwischen den Belangen der Standortlogistik, der Arbeitsplatzsicherheit, dem Arbeitsplatzausbau, aber auch den Belangen der Anwohner in Anflugbereichen – Stichwort: Lärmbelästigung – und den Belangen des Klimaschutzes vorzunehmen.
Das ist eine sehr große Gemengelage, und der werden wir uns sorgfältig stellen, sobald das Konzept vorliegt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Tüttenberg, mein Eindruck von dem Gespräch mit den Experten heute Morgen – daran sehen Sie einmal, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können – war eher, dass dort die Einstellung herrscht: besser kein Luftverkehrskonzept als ein grün-rotes. – Aber das ist vielleicht nur eine andere Wahrnehmung.
Sie erinnern mich ein bisschen an Sir Peter Ustinov. Das war ein begnadeter Schauspieler. Darüber hinaus hat Ustinov ein paar sehr kluge Dinge gesagt, zum Beispiel:
„Die Menschen, die etwas von heute auf morgen verschieben, sind dieselben, die es bereits von gestern auf heute verschoben haben.“
Auf das Luftverkehrskonzept der rot-grünen Landesregierung bezogen heißt das: Die rot-grüne Landesregierung, die das Luftverkehrskonzept auf die nächste Wahlperiode verschiebt, ist dieselbe, die sie bereits von der letzten auf die jetzige verschoben hat. – Damit stellt sich in der Tat die berechtigte Frage: Wie viele Wahlperioden braucht die rot-grüne Landesregierung eigentlich noch, bis sie hier die Initiative ergreift?
Das letzte Luftverkehrskonzept stammt aus dem Jahr 2001 und ist 2010 ausgelaufen. Mit Blick auf die deutlichen Steigerungen im Luftverkehr ist dies ein unhaltbarer Zustand; denn unsere Flughäfen benötigen verlässliche Rahmenbedingungen.
Die rot-grüne Landesregierung hat bis heute kein Luftverkehrskonzept für NRW vorgelegt. Sie hat ihre Weigerung im Übrigen sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das ist eine Ausrede für die gesamte Wahlperiode, hier nichts zu unternehmen.
Der Luftverkehr hat sich seit 2001 rasant verändert; das hat die FDP in ihrem Antrag betont. Die rotgrüne Landesregierung hat diese Veränderungen um sie herum entweder nicht mitbekommen oder ignoriert. Es stellt sich die Frage, was schlimmer ist: Ignoranz oder die Unfähigkeit, Probleme zu erfassen?
Ohnehin gibt es beim Thema „Luftfahrt“ gar keine rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Es gibt den roten Regierungsteil mit teilweise vernünftigen Ansichten. Dem steht jedoch der grüne Regierungsteil mit Ansichten gegenüber, deren Umsetzung Nordrhein-Westfalen langfristig vom internationalen Luftverkehr abkoppeln würde. Die Folgen für unseren Wirtschaftsstandort NordrheinWestfalen wären fatal.
Nordrhein-Westfalen hätte mit einem neuen Luftverkehrskonzept die Chance zur Weichenstellung. Dabei ist ein klares Bekenntnis für die Zukunftsfähigkeit der Luftverkehrsinfrastruktur erforderlich. Dieses Bekenntnis brauchen wir von der gesamten Landesregierung und nicht nur von einem Teil. – Herr Rasche, insoweit bin ich ebenso wie Sie sehr interessiert daran, was uns Herr Groschek gleich hier berichten wird.
Hier wäre – das wäre noch viel besser – ein Machtwort der Ministerpräsidentin gefragt. Erst in der letzten Woche hat Frau Kraft im Sommerinterview auf eine Nachfrage gesagt, dass sie ab und zu einmal mit der Faust auf den Tisch hauen muss. Das wäre hier wieder einmal erforderlich – am besten, auf den Kabinettstisch.
Das fehlende Luftverkehrskonzept schadet nicht nur den großen Drehkreuzen wie Köln und Düsseldorf, dieses Versäumnis schadet auch unseren Regionalflughäfen. Würde ein aktuelles Luftverkehrskonzept vorliegen, so wüssten wir heute, wie sich die internationalen und die regionalen Flughäfen in unserem Land entwickelt haben. Würde ein Luftverkehrskonzept vorliegen, so hätten wir auch verlässliche Daten zur künftigen Entwicklung der Regionalflughäfen.
Wir sind der Ansicht, dass Bund und Länder vor dem Hintergrund des weiter zunehmenden Luftverkehrs gemeinsam ein tragfähiges Konzept erarbeiten müssen. Dieses Konzept muss das Verhältnis der Interkontinentalflughäfen zu den Regionalflughäfen regeln. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Regionalflughäfen wichtige Zubringerfunktionen und Entlastungsfunktionen für die Luftverkehrsknotenpunkte übernehmen können.
Die Beibehaltung des dezentralen Luftverkehrsstandortes in Nordrhein-Westfalen ist wichtig für uns. Allerdings steht das System langfristig unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Hier sind wir wieder beim Thema: Es wurde eben nicht im Rahmen eines Luftverkehrskonzeptes geprüft, welche Flughäfen rentabel sind, wie sie erhalten und langfristig weiter gestärkt werden können.
Zu den beiden Anträgen ist noch kurz anzumerken: Der FDP-Antrag bringt das Problem auf den Punkt. Die FDP beschreibt die Lage auf gut einer Seite und hat zwei Forderungen. Diese sind wichtig, diese Forderungen teilen wir.
Der Piratenantrag hingegen ist ein wildes Sammelsurium von Feststellungen und Forderungen. Darunter sind Forderungen, die zum Teil schon umgesetzt sind und zum Teil gar nicht umsetzbar sind. Damit werden wir uns im Ausschuss ausführlich auseinandersetzen.
Schließen möchte ich mit einem Zitat unseres früheren Bundespräsidenten Horst Köhler aus dem Jahr 2010 – es war das Jahr, in dem das alte Luftverkehrskonzept auslief –: Flugpionier Otto Lilienthal und Luftschiffkonstrukteur Ferdinand Graf von Zeppelin „haben uns ungeahnte Möglichkeiten beschert – und ungeahnte Probleme,...“ Wir müssen diese Möglichkeiten optimal nutzen, und wir müssen die Probleme bestmöglich bewältigen. Dazu brauchen wir schnell ein Luftverkehrskonzept. Weiteres Aussitzen bedeutet weitere verlorene Jahre für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
Wenn man schon so angekündigt wird, dann hat man Spannung erzeugt, auch wenn die Reihen ein bisschen leerer sind. Das freut mich natürlich.
Ich hätte es, ehrlich gesagt, gern ein bisschen konkreter gehabt, und zwar sowohl vonseiten der CDU als auch der FDP. Was soll denn Inhalt des Konzeptes sein? Ich habe gestern noch einmal das Konzept von 2000 durchgeguckt, nicht jede Seite gelesen, aber breit quergelesen. Das ist eher eine Zustandsbeschreibung der Situation als eine Festlegung der Landesregierung auf konkrete Projekte.
Gut, darin steht, der Flughafen Mönchengladbach – das ist jetzt überholt – soll Ausweichflughafen für den Flughafen Düsseldorf werden.
Darin ist eine Aussage zur Startbahnverlängerung Münster, die mittlerweile genehmigt, aber noch nicht umgesetzt worden ist.
Aber konkrete Festlegungen des Landes? Was soll das denn sein, Kollege Rasche? Reden wir über Subventionen? Reden wir bei den Regionalflughäfen über eine konkrete Subventionierung? Das hätte ich dann gern ein bisschen konkreter.
Jetzt bin ich erst mal dran. – Das, was Sie eben gesagt haben, dass wir Grüne Regionalflughäfen schließen wollten, ist absoluter Quatsch. Regionalflughäfen sind keine Landesflughäfen. Ob ein Flughafen geschlossen wird, ist eine Entscheidung der Anteilseigner; das sind im Wesentlichen die Städte, die Kreise und Unternehmen. Jeder Regionalflughafen in Nordrhein-Westfalen ist anders konstruiert.
Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir keine Steuergelder, keine Subventionen aus dem Landeshaushalt in Regionalflughäfen stecken wollen.
Das heißt, die Entscheidung, ob ein Flughafen wie Münster Osnabrück – die Debatte läuft ja gerade in den Kreistagen, in den Stadträten im Münsterland, Sie kennen die Artikel alle; es gibt eine ganze Reihe von CDU- und FDP-Politikern, die sehr kritisch sind, was die Zukunft des Flughafens angeht; im Kreistag Steinfurt ist jetzt eine neue Marge festgelegt worden, es gibt noch einmal einen Kredit über 10 Millionen € – letztlich zukunftsfähig ist, wird doch nicht über das Landesflughafenkonzept getroffen. Es sei denn, die FDP oder die CDU würden fordern, dass das Land diesen defizitären Regionalflughafen mit Bürgschaften oder Subventionen unterstützt.
Es ist natürlich Aufgabe der Opposition, zu gucken: Was ist in dieser Legislaturperiode noch umzuset
zen? Welche Dinge hat die Landesregierung noch nicht angepackt? Deswegen kann man so einen Antrag stellen. Das ist gut für die Mailverteiler, das ist gut für eine Pressemitteilung etc. – d’accord! Das hat der Kollege Tüttenberg eben auch gesagt.
Aber lassen Sie uns doch konkret in der Debatte darüber reden: Was sind die Forderungen der Opposition, was in ein solches Landesluftverkehrskonzept hinein soll? Das hätte mich interessiert.