Protokoll der Sitzung vom 05.11.2015

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das Jahr ist doch völlig egal; Hauptsache, machen!)

Wenn Sie bei dem stehen bleiben, was Sie jetzt offensichtlich als letzten Punkt der Debatte setzen wollen, werden Sie scheitern. Dann gilt der alte plattdeutsche Satz – Sie haben eben auch plattdeutsch geendet –, den ich von meinem Vater geerbt habe: Wenn ne kleine Määse groot pupen will, geiht dat en de Bux.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf: Was heißt das?)

Das übersetzen wir natürlich nicht.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Wüst. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde, die ich hiermit schließe.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung des Antrags der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 16/10071. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend –, den Ausschuss für Kultur und Medien sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung stattfinden, wie wir es sonst auch tun, wenn wir so entscheiden. Wer entscheidet so? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

2 20 Jahre UN-Stadt Bonn: Bundestadt Bonn

als zweites bundespolitisches Zentrum sichern und als Sitz der Vereinten Nationen fortentwickeln

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/10068

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion Frau Kollegin Freifrau von Boeselager das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Bonn und die Region sind über die ständige Diskussion, ob die Bundesstadt Bonn mit ihren Ministerien weiter Bestand hat, sehr beunruhigt. Wir sind, ehrlich gesagt, empört, dass es immer wieder zu dieser Diskussion kommt.

Ich denke, wir stehen gesellschaftlich und politisch im Augenblick vor ganz anderen Herausforderungen, als immer weiter diese Diskussion zu führen.

(Beifall von der CDU)

Wir haben eine Aufgabenteilung, die sich bewährt hat. In diesem Jahr feiern wir 20 Jahre Bonn als UN-Stadt. Das sind die Konsequenz und der Erfolg dieser Aufgabenteilung und eine Entwicklung, auf die wir wirklich stolz sein können. Der damalige UNGeneralsekretär Kofi Annan hat Bonn als lohnenswertesten und attraktivsten UN-Standort weltweit bezeichnet.

Trotzdem hat die Diskussion um einen möglichen Komplettumzug der Ministerien von Bonn nach Ber

lin durch Äußerungen der Bundesministerin Hendricks jetzt wieder Fahrt aufgenommen. Dass sie aus Nordrhein-Westfalen kommt, ist in diesem Zusammenhang besonders ärgerlich. Aber auch unser Minister de Maizière ist hier nicht wirklich eine rühmliche Größe, die man hervorheben müsste.

Dabei wird besonders die Bindungswirkung der Bundesministerien außer Acht gelassen. Der Abzug aller Ministerien nach Berlin hätte gerade auch unter diesem Aspekt fatale Folgen für die Region. Als Beispiel möchte ich hier zwei Ministerien benennen:

1. das Bundesministerium für Bildung und For

schung, das für die Ansiedlung der Wissenschaftsorganisationen eine zentrale Größe ist – Frau Ministerin, das wissen Sie –, angefangen mit der Alexander-von-Humboldt-Stiftung bis hin zur Hochschulrektorenkonferenz

2. das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau

und Reaktorsicherheit zusammen mit 150 Nichtregierungsorganisationen – NGOs – und anderen internationalen Einrichtungen, die umweltorientiert agieren. Sie wollen möglichst im ständigen Austausch mit den Ministerien zusammenarbeiten und richten ihre Standortpolitik danach aus.

Was bedeutet das nun? Das bedeutet: Würde der Bonner Standort der Ministerien aufgegeben, wären davon nicht nur die Mitarbeiter vor Ort betroffen, sondern dann käme es zu einem Dominoeffekt. Das würde nämlich auch den Ausbau des UN-Standortes erheblich erschweren. Es wäre dann wohl nicht einmal mehr möglich, die bisherige Infrastruktur überhaupt aufrechtzuerhalten.

Eine solche Entwicklung richtet sich eindeutig gegen die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute darüber diskutieren. Den Charakter Bonns als bundespolitisches und internationales Zentrum zu sichern bzw. weiterzuentwickeln – diese Aufgabe muss Bestand haben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ohne Not käme sonst ein gesamtes Umfeld ins Rutschen.

Unter dem Strich würde ein Umzug 27.000 Arbeitsplätze bei uns vernichten; denn bei der Standortfrage geht es nicht alleine um die Ministerien, sondern auch um die Effekte auf die Interessenvertretungen und die assoziierten Verbände.

In Bonn würden rund 470.000 m² Fläche brachliegen. Das ist mehr als das Fünffache der Gewerbeflächen, die jährlich überhaupt zur Vermietung anstehen können. Das bedeutet drastische Wertverluste und Leerstände.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher war klar, dass wir uns über die Parteigrenzen hinweg dafür eingesetzt haben, dass die gegebene Zusage für

die bewährte Aufgabenteilung eingehalten wird. Was macht es für einen Sinn, jetzt diesen Umzug zu forcieren, der wahrscheinlich mindestens 5 Milliarden € kosten soll? Wo soll das ganze Geld überhaupt herkommen, das ständig nur verpulvert wird?

Niemand kann ernsthaft glauben, dass die UN-Stadt Bonn auch nur annähernd den bisherigen Erfolg fortsetzt, wenn die Bundesstadt Bonn unterminiert wird. Wir erwarten deshalb, dass sich die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen weiterhin klar zum Berlin/Bonn-Gesetz bekennt. Das ist ganz wichtig. Darum bitten wir Sie an dieser Stelle.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Kollegin Freifrau von Boeselager. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hendricks.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat sich in den letzten Jahren immer wieder mit der Frage der Einhaltung des Berlin/Bonn-Gesetzes beschäftigt, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg.

Wir haben den Schulterschluss, der in der Region vorhanden war, auch im Landtag vollzogen. Auf den letzten Beschluss, der aus dem Jahre 2013 stammt, hat das Präsidium des Landtags bei seinem Besuch in Bonn noch einmal eindeutig hingewiesen und deutlich gemacht, dass der Landtag zu diesem Beschluss steht.

Anlass zu allen parlamentarischen Initiativen der letzten Jahre waren Verstöße gegen das Berlin/Bonn-Gesetz. Frau von Boeselager, Sie haben bereits darauf hingewiesen: Thomas de Maizière hat ganze Abteilungen von Bonn nach Berlin verlegt und damit offen das Gesetz gebrochen. Gedeckt wurde – und wird – dies vom Bundeskanzleramt, das sich zwar verbal zum Berlin/Bonn-Gesetz bekennt, aber nichts dafür unternimmt, dass die Einhaltung tatsächlich auch vollzogen wird.

Anders ist es bei der Landesregierung, die immer wieder deutlich gemacht hat, dass sie sich zum Geist des Berlin/Bonn-Gesetzes bekennt.

(Armin Laschet [CDU]: Na, na! Ein bisschen leiser!)

Auch in jüngster Zeit ist Thomas de Maizière wieder dabei, Teile des Innenministeriums von Bonn nach Berlin zu verlegen. Und obwohl CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag der Großen Koalition eine klare Aussage zum Berlin/Bonn-Gesetz getroffen haben, sind in den letzten Jahren weiterhin Arbeitsplätze von Bonn nach Berlin verlegt worden.

Die ursprüngliche Arbeitsteilung – mehr Arbeitsplätze in Bonn statt in Berlin – hat sich mittlerweile reziprok umgekehrt: Es gibt deutlich mehr Arbeitsplät

ze in Berlin, nämlich 11.000, und nur noch 6.000 in den Bundesbehörden in Bonn.

Deshalb braucht es dringend eine Strategie zur nachhaltigen Sicherung der Interessen der Region. Dabei reicht es nicht aus, Frau von Boeselager, scheinheilig lediglich die Weiterentwicklung des UNStandortes zu fordern. Vielmehr ist es erforderlich, dass wir den bisher in der Region immer vollzogenen Schulterschluss auch zukünftig über parteipolitische Grenzen hinweg praktizieren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Einigkeit war immer wichtig, da die Zahl der Menschen – nicht zuletzt in der Ministerialbürokratie –, die die Bonner Geschichte kennen und sich ihr verpflichtet fühlen, immer weiter abnimmt. Deshalb müssen wir gemeinsam die Zukunft der Region sichern.

Herr Papke, wir nehmen gerne Ihren Hinweis auf, uns in einer parlamentarischen Initiative noch einmal gemeinsam dafür zu verwenden, damit auch deutlich wird, dass es sich um die Meinung aller hier im Parlament vertretenen Parteien handelt.

Die Schwäche des Berlin/Bonn-Gesetzes besteht darin, dass es auf dem Papier besteht – und wir alle wissen, dass man Gesetze ändern kann. Es ist aber ein Unterpfand für alle Verhandlungen, die wir mit Berlin führen müssen. Verträge haben einen anderen Status. Wir werden sehen, was sich da in der Zukunft noch ergibt.

Die Bundesstadt Bonn erfüllt für diese Republik eine wichtige Aufgabe. Deutschland profitiert insgesamt von Bonn als internationalem Zentrum für nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Wissenschaft. Daher muss der UN-Standort Bonn international wettbewerbsfähig ausgebaut werden.

Dafür müssen zum einen die wichtigen Ankerministerien in Bonn bleiben. Aber auch die UN-Basis muss weiter ausgebaut werden. Zum anderen müssen die Bedingungen für internationale Organisationen verbessert werden. Dazu gehört vor allem auch ein Gaststatusgesetz.

Das Land Nordrhein-Westfalen steht zum Standort Bonn. Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat mir gerade wieder schriftlich zugesichert, dass sie den Wissenschaftsstandort unter Berücksichtigung der internationalen Funktion weiter unterstützen wird. Auch Barbara Hendricks hat nicht einen politischen Umzug gefordert, sondern sie hat gesagt, dass Bonn dauerhaft das zweite bundespolitische Zentrum bleiben soll.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)