Protokoll der Sitzung vom 05.11.2015

Herr Vogt, Sie haben ja noch einmal darum gebeten, dass ich etwas zu Bayern sage. Ich tue das

gerne. Natürlich ist ein Land wie NordrheinWestfalen, das mit seinen starken Ballungsregionen hinter den Stadtstaaten liegt, stärker aufgestellt als Länder mit größeren ländlichen Regionen. Das ist eine ziemlich banale Erkenntnis. Schauen Sie sich aber einmal die Ausbaudynamik der letzten Jahre an. In Bayern werden fünf Mal so viele neue Haushalte angeschlossen wie in Nordrhein-Westfalen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie werden den von Ihnen gerühmten Platz Nummer vier in Nordrhein-Westfalen sehr bald verlieren. Dann können Sie von hier aus hinterherschauen und sich überlegen, wie Sie es besser hätten machen können. Dann ist die Chance aber vertan.

MICUS hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass wir in Nordrhein-Westfalen einen Finanzbedarf von 3,2 Milliarden € haben, um die Lücken zu schließen. 3,2 Milliarden €! Richtig; 500 Millionen € wären schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Sie haben beim Zitieren der „Rheinischen Post“ aber nur die Hälfte zitiert. Die „Rheinische Post“ ist von Ihrem Zahlenmikado so nervös geworden, dass sie „1,2 Milliarden €“ geschrieben hat. Das wäre noch schöner gewesen, wäre aber noch weniger an der Realität zu messen gewesen.

Herr Duin, Sie haben – das ist eine schöne Geschichte, die ein bisschen entlarvt, wie Sie das Ende der Woche zu inszenieren versucht haben – vor dem „Runden Tisch Breitband“ die Presse über 157 Millionen € an EU-Mitteln informiert, die zur Verfügung stehen. Dann haben Sie den runden Tisch begrüßt und ihm das zur Bearbeitung überlassen. Dort hat Herr Staatssekretär Becker von den Grünen erklärt, mit den 157 Millionen € sei es nicht so weit her; der ELER-Anteil könne so nicht mehr dargestellt werden.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Herr Becker, Sie können hier ja gerne gleich das Gegenteil behaupten oder von anderen behaupten lassen. Mir wurde es so berichtet, dass Sie erzählt haben, das alles sei mit ELER so nicht mehr zu machen. Da war die Pressemitteilung aber schon heraus. Warum Sie das an einem teilöffentlichen runden Tisch erzählen und es nicht vorher einmal mit Ihren Ministerien abstimmen, mag an Themen wie „Garzweiler“, „LEP“ oder „newPark“ liegen. Aber tragen Sie es doch bitte nicht auf Kosten eines solchen Themas aus.

Die Fraktionen müssen es heute ausbügeln. Im Antrag der Fraktionen ist von den 157 Millionen € nicht mehr die Rede. Man versucht jetzt, das hintenherum ehrlich zu machen. Sie schreiben jetzt, es seien 70 Millionen €. So sind von 157 Millionen € nur noch 70 Millionen € übrig geblieben – und das, obwohl nur ein Wochenende dazwischen lag.

Die nächste große Summe sind 350 Millionen €. Das ist eine gigantische Zahl. Herr Minister, ich

muss gestehen: Sie hatten mich für einen kurzen Moment erwischt. Da habe ich gedacht: Verdammte Axt, der Duin hat doch dem Walter-Borjans in die Schatulle gegriffen. Respekt! – Da hätte ich Sie jetzt echt gelobt. Das wäre ein peinlicher Moment für mich gewesen. Ich hätte Sie gelobt; ich hätte es gemacht.

Aber auch da kam irgendwann die Vernunft wieder. Dann habe ich mich gefragt: Woher kommen die 350 Millionen € eigentlich? Das Ergebnis war: Man hat angenommen, dass aus dem Bundesprogramm nach dem Königsteiner Schlüssel Geld nach Nordrhein-Westfalen fließt. Die 350 Millionen € wären dann die entsprechende Kofinanzierung gewesen. Weil das aber natürlich alles nicht so sicher ist, weiß man nicht genau, ob die Zahl irgendwie gegriffen ist.

Jeder von uns weiß, dass der Königsteiner Schlüssel hier gar nicht angewendet wird, sondern nach einem Punktesystem vorgegangen wird. Dieses Punktesystem kann man kritisieren. Man könnte auch fragen: Was haben Sie gemacht, damit es anders läuft? Sei es drum! Aber mit dem Geld vom Bund werden in erster Linie die Länder unterstützt, in denen die ländlichen Regionen noch dominanter sind und man noch mehr Ausbaubedarf hat.

Alle Experten sagen uns, dass 20 % nach dem Königsteiner Schlüssel nicht realistisch sind. Wenn wir 10 % der Bundesmittel kriegen, dann ist es gut gelaufen. Dann brauchen Sie aber auch nicht 350 Millionen € zur Kofinanzierung. Damit ist diese Zahl auch schon wieder geschmälert. In Wahrheit ist das eine Luftbuchung. Wenn es etwas anderes wäre, könnten Sie das ja in den Haushalt einstellen. Aber dann sagen Sie: Wir gucken mal, wie der Bedarf so läuft; dann machen wir zur Not einen Nachtragshaushalt.

Das ist alles ziemlich dünnes Eis, auf dem Sie da marschieren; allerdings mit Pauken und Trompeten. Ich glaube, dass diese Inszenierung nicht verfangen hat. Das sehen Sie auch daran, dass die wenigsten Journalisten darüber berichten wollten.

Wie schon beim Verkehrswegebau haben Sie es auch hier unterlassen, Planungen vorzubereiten. Andere Länder sind längst weiter mit ihrer Planung. Sie wollen jetzt anfangen, ganz aktiv mit den Kommunen Anträge zu schreiben und diese bei der Antragstellung gegenüber dem Bund zu unterstützen.

Aber auch da ist es, wenn man wieder ins Detail guckt, folgendermaßen: Anträge, die bis 2018 herausgehen, werden privilegiert. Bauvorhaben, die bis 2018 abgeschlossen sind, werden sogar noch einmal gefördert. Ja, was wollen wir denn bis 2018 jetzt noch fertigkriegen? Ich bin sehr gespannt, wie Sie das alles in der Kürze der Zeit hinbekommen wollen.

Wenn von den 350 Millionen € nachher 200 Millionen € oder auch nur 150 Millionen € kommen, ist es gut gelaufen.

Die Redezeit.

Diese Zahlen sind nur für diesen Moment erfunden worden, um den großen Bluff vorzuführen bzw. um mit großen Zahlen das Thema totzukriegen und es dann von der Agenda zu ziehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Kann Herr Becker noch etwas sagen?

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Priggen. – Die Frage, die Herr Wüst gerade gestellt hat, bezog sich auf Zwischenfragen. Zwischenfragen sind in Aktuellen Stunden ja nicht zulässig.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Wüst! Es ist schon spannend. Ich habe eben noch einmal nachgesehen, um sicher zu sein. Sie sind 2005 in den Landtag gekommen und haben die fünf Jahre Regierungszeit von Herrn Rüttgers mitgemacht – genau diese analoge Zeit, als Sie 1 Million € im Jahr 2008 für den digitalen Ausbau im ländlichen Raum zur Verfügung gestellt haben,

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

und zwar bei einer Obergrenze der Förderung von 2 MBit. Das ist damals so gewesen.

Ich habe hier auch noch eine Quelle – eine Zeitung, die Sie auch mögen –, nämlich die „Financial Times“. Diese hat am Mittwoch, dem 1. Juni 2011 geschrieben, dass NRW damals kaum weiße Flecken gemeldet habe.

Sie wollten die Wahrheit nicht wahrhaben und schreiben jetzt das Gegenteil in Ihren Antrag:

„ … in Nordrhein-Westfalen, wo noch viele ‚weiße Flecken‘ in der Breitbandversorgung zu konstatieren sind, …“

So muss man es machen, wenn man aus der analogen Zeit kommt.

(Zuruf von Hendrik Wüst [CDU])

Lieber Herr Wüst, das trägt nicht.

Wenn Sie nur ein bisschen nüchtern darangehen würden, dann könnte man die Abläufe – wir sind ja nicht in der Bundesregierung; da sind Sie zusammen mit der SPD – ganz einfach konstatieren. Am 21. Oktober 2015 hat die Bundesregierung die Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“ beschlossen. In der nächsten Kabinettssitzung hat die Landesregierung gehandelt und ihre Förderrichtlinie beschlossen.

Diese Vorgehensweise ist sehr vernünftig. Mit dem Bund hat es lange Diskussionen gegeben. Man kann auch über viele Details streiten. Aber dann hat die Landesregierung reagiert und hat ihre Parameter festgesetzt. Jetzt geht es darum, dass man das alles umsetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit der Förderrichtlinie des Bundes – um es klar zu sagen – sind Finanzmittel in einer Größenordnung von 2 Milliarden € angekündigt. Im Regelfall können 50 % der anfallenden Kosten in den Kommunen finanziert werden; für Gebiete mit geringer Wirtschaftskraft kann die Förderung sogar auf 60 bis 70 % erhöht werden. Das sind die Parameter des Bundes.

Eine Kofinanzierung durch andere Programme ist möglich und vom Bund auch ausdrücklich erwünscht. Warum Sie daraus immer wieder einen Vorwurf machen, erschließt sich mir nicht. Es hilft den Kommunen nicht. Der Bund räumt auch ein, dass der Eigenanteil der Kommunen von 10 %, der eigentlich gewährleistet sein muss, von den Ländern übernommen werden kann, wenn die Kommunen in Haushaltssicherung oder in kommunalen Notlagen sind. Auch das ist eine Vorgabe des Bundes.

Die Kommunen müssen ihre Förderanträge bei der Bewilligungsbehörde des Bundes stellen. Dann setzt der Bund das Land über die dort eingegangenen Förderanträge in Kenntnis. Das ist der Mechanismus. Deswegen ist es auch richtig, dass das Land reagiert hat. Das Land wusste, dass das kommt, war vorbereitet und hat es pünktlich gemacht.

Die Richtlinie des Bundes will für alle Haushalte im Erschließungsgebiet 50 MBit/s im Download gewährleisten. Das ist ein Punkt, bei dem Sie, wenn Sie nüchtern herangehen, mithelfen sollten. Sie sollten mit dem Bund darüber reden, dass dies eine Maßnahme ist, die das Ganze unglaublich verteuert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir kennen diese Diskussion. Wenn Sie als Kommune ausschreiben, einen Förderantrag stellen und ein Unternehmen gewinnen, wird es sehr teuer, wenn Sie 100 % aller Gebäude in der Gebietskörperschaft anschließen müssen. Deswegen muss man vernünftigerweise mit dem Bund darüber reden, ob nicht auch 98 % oder 95 % ausreichend sind, um das abzudecken, und ob wirklich jedes einzelne Haus angeschlossen werden muss, wenn die Maßnahme dann für die Kommune zu teuer wird.

Die Bundesregierung hat nach langer Diskussion mit den Ländern die Richtlinie auf den Weg gebracht. Die Landesregierung hat unverzüglich in der nächsten Kabinettssitzung reagiert. Das Land – das

ist die Kernaussage; Sie brauchen gar nicht darum herumzureden – hat Mittel zugesagt. Das Land sagt eindeutig: Das, was an Kofinanzierung für die Anträge der Kommunen notwendig ist, stellen wir zur Verfügung.

Dass wir die Höhe jetzt nicht ganz exakt beziffern können, liegt daran, dass die Anträge erst gestellt werden müssen und dass der Bund die Regularien, wie das dann bewilligt wird, festlegen muss. Aber die Grundaussage „Das, was bewilligt wird, wird vom Land kofinanziert“ steht. Diese Grundaussage tragen die Fraktionen mit. Insofern ist diese Zusage tatsächlich eine Garantie für die Kommunen. Sie können sich auf den Weg machen, ihre Planungen vorantreiben und dann darauf vertrauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben in den Jahren immer die Zusage eingehalten, dass das Land die Kofinanzierung zur Verfügung stellt.

Das Land hat auch gesagt: Für die Kommunen, die im Nothaushalt sind, stellen wir die 10 % zur Verfügung, weil diese Kommunen eben nicht abgeschnitten werden sollen, sondern teilhaben sollen. Insofern ist die entsprechende Forderung aus Ihrem Antrag auch erfüllt.

Das Land hat zusätzlich gesagt: Die 135 Millionen € Landesanteil aus der Digitalen Dividende werden zur Verfügung gestellt. Sie werden nicht auf den Förderanteil des Landes angerechnet, sondern für eine Reihe einzelner wichtiger Maßnahmen zur Verfügung gestellt.

Zum einen sind das 50 Millionen € für Glasfaseranschlüsse von Gewerbegebieten. Wir wissen nämlich, dass die Gewerbegebiete eine Priorität haben und schnell mit schnellen Datenleitungen angeschlossen werden müssen, weil es für die Existenz mancher Unternehmen wichtig ist. Dafür gibt es 50 Millionen €.

65 Millionen € stellen wir für Haushalte im ländlichen Raum zur Verfügung. Wir kennen ja die Klagen über die schlechte Versorgung in Teilen des ländlichen Raums. Der Anschluss des ländlichen Raums ist für manche Unternehmen nicht so lukrativ. Dafür gibt es 65 Millionen €.

10 Millionen € stellen wir für die Verlegung von Leerrohren beim Bau von Landesstraßen zur Verfügung. Das ist immer wieder gefordert worden. Die Landesregierung sagt es jetzt zu. Der Bau- und Verkehrsminister wird dafür sorgen, dass es auch umgesetzt wird.