Protokoll der Sitzung vom 03.12.2015

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Denn diese Landesregierung hat eine klare Handschrift. Sie gibt Geld aus: je mehr, desto besser – und das seit Juli 2010. Irgendwie ist immer mehr

Geld erforderlich. Das Haushaltsvolumen ist in dieser Zeit allein um 35 % gestiegen. In fünf Jahren ist das, Herr Minister, auch wenn Sie jetzt lachen, schon eine stattliche Summe. 35 % in fünf Jahren – das ist eine tolle Inflationsrate Ihrer Ausgaben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Bei Ihnen persönlich überrascht das nicht. Sie folgen dabei der alten Linie von Johannes Rau. Er hat in den 90er-Jahren mal bei einer Einweihung einer großen Fabrik am Niederrhein sinngemäß gesagt: Sie als Unternehmer wissen am besten, wie man Geld verdient, und das ist gut so. Und wir Sozialdemokraten wissen, wie man Geld ausgibt. – Das ist wohl wahr.

(Beifall von der CDU)

Das war damals richtig; das ist heute richtig. Sozialdemokraten wissen immer noch, wie man das Geld anderer Leute am besten ausgibt. Besichtigen kann man das in der aktuellen Haushaltpolitik dieser Regierung und auch im aktuellen Haushaltsentwurf 2016.

(Zurufe von der SPD)

Vor einem Jahr haben wir hier über die Frage diskutiert: Wie schafft es der Finanzminister, die fallende Linie der Nettoneuverschuldung mit Mühe und Not gerade noch hinzubekommen? Damals haben Sie auf der letzten Rille eine drastische Erhöhung der Grunderwerbsteuer vorgenommen. Das war Ihre einzige Möglichkeit, Ihre Kommunikationslinie, eine fallende Linie, entsprechend hinzubekommen. Ansonsten wäre die rote Linie nämlich schön nach oben gegangen.

In diesem Jahr – nach vier Nachtragshaushalten und mit einer 193 Seiten starken Ergänzungsvorlage – sind wir heute wieder am gleichen Punkt angekommen. Nur durch Haushaltstricks schafft es RotGrün, schafft es diese Regierung, dass die Neuverschuldung nicht wieder steigt.

Auch für 2016 erwarten wir zum Glück sprudelnde Steuereinnahmen. Der Minister erwartet noch ein bisschen mehr als alle anderen. Denn das ist ja wichtig: Man muss mehr erwarten, damit man weniger sparen, weniger Prioritäten setzen muss und einfach so weitermachen kann, dass die kommunikative Linie bis nach Weihnachten stimmt, und dann kommt überraschend schnell der erste Nachtragshaushalt.

Herr Minister, bisher haben Sie es nicht geschafft – dazu haben Sie vielleicht gleich Gelegenheit –, den Zusammenhang der kommunizierenden Röhren zwischen überdurchschnittlichen Steuereinnahmen und Einnahmen und Ausgaben im Länderfinanzausgleich darzustellen. Das ist eines der spannendsten Dinge, die Sie hier noch erklären können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Früher hat man uns mal erklärt: Wenn Sie eine 100%ige Steuerkraft im Durchschnitt der Länder haben, sind Sie in der neutralen Zone; dann bekommen Sie nichts und geben auch nichts. Haben Sie mehr, müssen Sie etwas geben. Haben Sie deutlich weniger, bekommen Sie erst von den anderen etwas, und wenn ein bestimmter Prozentsatz unterschritten wird, bekommen Sie auch Bundesergänzungszuweisungen.

Sie nehmen in der mittelfristigen Finanzplanung und für den Haushalt 2016 eine Steuerkraft von 97 % an. Damit begründen Sie, dass Sie ca. 1,5 Milliarden von den anderen Ländern und vom Bund bekommen – etwa wie in den Vorjahren.

Selbst wenn man die überjährigen Abrechnungssystematiken mit einbezieht, dass man also die Abrechnung von 2014 erst 2015, von 2015 erst 2016 hat, haben Sie auch in diesem zweiten Halbjahr extrem gute Steuereinnahmen gehabt.

Sie werden, wenn Sie in diesem Halbjahr über den Einnahmen der Steuerschätzung und der anderen Länder liegen, nächstes Jahr nicht diese Summe bekommen – es sei denn, Sie sacken richtig in der Steuerkraft ab. Sacken Sie aber richtig in der Steuerkraft ab, dann ist Ihr Haushaltsansatz um eine Milliarde zu hoch, dann haben Sie ein Loch.

Um das kommunikativ zuzukleistern, haben Sie einfach gesagt: Die Opposition und die Medien werden es wohl nicht merken, die Bürger erst recht nicht, und deshalb machen wir beides. Wir setzen den Steuereinnahmeansatz so hoch, als wären wir bei 103 % der Steuerkraft der Länder, aber den Länderfinanzausgleich berechnen wir so, als wenn wir bei 97 % wären. Das ist klassische sozialdemokratische Rechenkunst. Dafür gebührt Ihnen ein großes Kompliment. – Das war übrigens Ironie.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Michael Hübner [SPD]: Immer gut, wenn man das dazusagt!)

Nur durch die Konstruktion Ihres vierten Nachtrags, in dem Sie dann auch noch 635 Millionen Ausgaben des nächsten Jahres vorgezogen haben – nach 2015 –, schaffen Sie es dann, dass Sie nicht schon ohne all diese Effekte wieder bei 2,5 Milliarden sind. Rechnen wir die anderen Effekte drauf, sind Sie eher bei 3,5 Milliarden.

Dann machen Sie noch eine schöne Konstruktion, damit Sie auf Dauer die Zukunftsvorsorge möglichst kappen können, damit Sie lieber in der Gegenwart, jedenfalls bis Mai 2017, schön konsumieren und kommunizieren können und hoffen können, dass Sie sich damit durchmogeln. Sie kürzen die Zuführungen für die Zukunftsvorsorge der Beamtinnen und Beamten demnächst auf 200 Millionen € pro Jahr, obwohl Sie wissen, dass eine Milliardensumme erforderlich wäre.

Man kann schon überrascht sein – das richte ich ausdrücklich an die Koalitionsfraktionen –, dass der Konsens, den wir unter Ihrer Regierungszeit in 2004/2005 gefunden haben – damals hat der Sprecher Michael Groschek noch als Abgeordneter dieses Hauses und nicht als Minister an diesem Rednerpult begründet, dass man bis 2040 mit Zukunftslasten von über 100 Milliarden € rechnet, die man jetzt abfedern müsse, und zwar durch kontinuierliche Zuführungen in den Haushalt, in eine Rücklage, an die keiner herangeht –, heute nicht mehr gilt, Herr Minister. Sie haben sich eines anderen besonnen. Sie haben den Kabinettbeschluss mit gefasst. Sie wollen das kappen und nicht mehr machen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben dem doch gar nicht zugestimmt!)

Deshalb bekommen Sie aber von Ihrer Regierung, seien Sie ganz sicher, bestimmt nicht mehr Geld für den Straßenbau. Sie bekommen auch kein Projekt mehr bewilligt. Es geht einfach nur ums Kaschieren der Nettoneuverschuldung des Finanzministers.

(Beifall von der CDU)

Sie sind hier einmal als Regierung Kraft angetreten mit der Aussage, Sie wollten präventive Finanzpolitik machen. Tatsächlich konsumieren Sie auf Kosten der jungen Menschen und auf Kosten der Zukunft des Landes.

(Beifall von der CDU)

Viele strukturelle Aufgaben haben Sie in den Jahren seit 2010 nicht angepackt. Als Vorbild haben Sie eine OFD-Fusion übers Knie gebrochen, Herr Minister. Alle anderen sollten Verwaltungsreformen so nachmachen. Damit waren Sie aber nicht besonders erfolgreich. Die Verwaltung fängt jetzt die Folgen auf, damit Sie möglichst gut dastehen und weil die Beschäftigten auch arbeiten wollen. Aber der Rest der Verwaltung dieses Landes hat einfach nicht mitgemacht. Ihre Ressortkollegen haben Sie wunderbar im Stich gelassen; die machen einfach weiter so.

Das nennt man ausgabenbezogene Politik. Dazu brauchen Sie immer mehr Einnahmen. Wenn die Einnahmen nicht da sind, stehen sie wenigstens im Plan, und man lässt sich dann im Haushaltsvollzug überraschen. Auch das haben wir schon gehabt; das war das System Schleußer.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Sonst würde man nicht eine Kappung der Zukunftsvorsorge vorschlagen, sonst würde man nicht Milliardenlasten in die Zukunft verschieben – frei nach dem Motto: Nach mir die Sintflut!

Vom Weltklimagipfel in Paris erhoffen wir alle, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ in ökologischer Hinsicht auch weltweit zum Durchbruch kommt. Die Nachhaltigkeit hat ja eigentlich drei Dimensionen: eine ökologische, eine soziale und eine finanzielle.

Aber die Regierung Kraft verdrängt seit 2010 mit großer Entschlossenheit die dritte Dimension der Nachhaltigkeit, nämlich die finanzpolitische. Schulden sind Ihnen egal, Schattenverschuldung erst recht; denn am Ende wird schon einer bezahlen. Das ist dann der Bürger über Steuererhöhungen. Der Griff in die Tasche des Bürgers wird nur zeitlich nach hinten verschoben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Eins der beiden kann nur stimmen!)

Sie sollten noch die mahnenden Worte im Ohr haben, die in der Anhörung gefallen sind; das richte ich ausdrücklich an die Regierungskoalition. Der Landesrechnungshof beispielsweise hat geschrieben – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Die hohen Steuereinnahmen tragen maßgeblich zur Ausgabenkompensation bei. Eine moderatere Steuerentwicklung würde nicht unbedeutende Finanzierungslücken im Landeshaushalt entstehen lassen.“

Ich übersetze das mal in Einfach: Sie haben sich da einen so hohen Steuereinnahmeansatz hineingeschrieben, dass es gerade noch passte. Wenn Sie einen realistischen genommen hätten, hätten Sie ein Riesenloch.

In der Stellungnahme des Instituts der deutschen Wirtschaft heißt es:

„Die deutliche Zunahme der geplanten Nettokreditaufnahme um rund 20 Prozent … auf mehr als 1,8 Milliarden Euro wirft das Land NordrheinWestfalen auch vor dem Hintergrund der ab 2020 geltenden Schuldenbremse zurück. Die Erhöhung der Neuverschuldung stellt die gesamte Mittelfristige Finanzplanung und damit auch den für 2019 geplanten ausgeglichenen Haushalt infrage …“

Das kann man auch so übersetzen: Sie haben sich in der Mittelfristigen Finanzplanung Linien dahin gemalt, und damit es nicht auffällt, aktualisieren Sie sie auch nicht mehr.

Aber Rot-Grün steht auch in der aktuellen Krisensituation, die wir alle hier mehrfach diskutiert haben, nicht auf dem Standpunkt, dass man parallel etwas grundlegend anderes machen müsste. Stattdessen benutzt man die aktuellen Herausforderungen zur Rechtfertigung der eigenen nicht nachhaltigen Finanzpolitik.

Anders macht es das grün-rot regierte Baden-Württemberg. Da gibt es eine Null trotz Flüchtlingskrise und erheblicher Mehrausgaben. Kann es vielleicht sein, Herr Minister, dass selbst Grüne und Sozialdemokraten in anderen Bundesländern sparsamer sind als wir?

(Marc Herter [SPD]: Da ist Landtagswahl- kampf!)

Kann es vielleicht sein, dass es an den handelnden Personen und deren Wollen oder Nichtwollen liegt, also am Kabinett Kraft und ihrem Finanzminister? Denn selbst da, wo wir als Opposition mit der Regierung eigentlich einen Konsens haben, im Bereich der Finanzverwaltung, verstoßen Sie mutwillig gegen die einfachsten Gepflogenheiten des Umgangs mit dem Parlament.

Es ist schon erstaunlich, dass Sie es bis heute nicht für nötig empfinden, dem Parlament Ihren Kommissionsbericht zur Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen, den Sie letzte Woche Donnerstag erhalten und dann offensichtlich auch in der Verwaltung bekannt gemacht haben, wo doch diese Kommission nur deshalb gegründet wurde, weil die CDU einen entsprechenden Antrag zur Zukunft der Finanzverwaltung in die parlamentarischen Beratungen eingebracht hat und wir uns mit den anderen Fraktionen darauf verständigt haben, zu versuchen, ein gemeinsames Fundament für diese Fachverwaltung hinzubekommen.

Ich finde das ausgesprochen bedauerlich, Herr Minister. Ich hoffe, dass Sie das möglichst schnell korrigieren. Ich bin aber gespannt, wie Sie sich gleich zu Ihren Luftlöchern rechtfertigen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Zimkeit.

Ich davon überzeugt, liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies in diesem Jahr keine gewöhnlichen Haushaltsberatungen sind. Die große Zahl der hilfesuchenden Menschen, die zu uns fliehen, hat große Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und selbstverständlich auch große Auswirkungen auf unseren Haushalt – wahrscheinlich die größten externen Auswirkungen auf unsere Haushaltsberatungen seit der Finanzkrise 2008.

Die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen ist eine große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Die Landesregierung stellt sich mit ihrem Haushaltsentwurf dieser Verantwortung. Allein die Verdoppelung der Mittel in diesem Bereich von 2 auf 4 Milliarden € macht dies deutlich. Dies ist ein riesiger Kraftakt für dieses Land.

Herr Optendrenk, wenn Sie sich hierhinstellen und sagen, das sei alles zu meistern, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen auf die Haushaltspolitik habe, ist das fern von jeder Realität. Selbst Herr Schäuble, den Sie sonst so feiern in Berlin, bereitet die Abkehr von der schwarzen Null schon vor. Insofern bitte ich Sie, hier doch endlich einmal mit den gleichen Maßstäben zu messen.