Protokoll der Sitzung vom 03.12.2015

Herr Optendrenk, wenn Sie sich hierhinstellen und sagen, das sei alles zu meistern, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen auf die Haushaltspolitik habe, ist das fern von jeder Realität. Selbst Herr Schäuble, den Sie sonst so feiern in Berlin, bereitet die Abkehr von der schwarzen Null schon vor. Insofern bitte ich Sie, hier doch endlich einmal mit den gleichen Maßstäben zu messen.

(Beifall von der SPD)

Dieser Kraftakt, den das Land Nordrhein-Westfalen zu meistern hat, hat vor allen Dingen zwei richtige Schwerpunkte. Zum einen fördert er die Integration. Deswegen ist der eine Schwerpunkt richtig, nämlich eine sehr hohe Anzahl von zusätzlichen Stellen für Lehrerinnen und Lehrern für die Schulen bereitzustellen. Seit 2015 wurden mit diesem Haushalt, wie er jetzt vorliegt, fast 6.000 neue Stellen, um die Situation an den Schulen zu verbessern, geschaffen.

Der zweite Schwerpunkt ist, erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel für die Kommunen bei der Unterstützung der Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen. Dies sind notwendige finanzielle Investitionen, auf die wir nicht verzichten können und auch nicht verzichten wollen.

Wir wollen bei der Integration nicht die Fehler wiederholen, wie wir sie schon in den 70er-Jahren gemacht haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Chancen, die durch Zuwanderung entstehen können, nur nutzen, wenn wir jetzt in Integration investieren. Das ist gut für die betroffenen Menschen, und das ist gut für unser Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Optendrenk, setzen wir auch bewusst die präventive Politik fort. Da geht es nicht um präventive Finanzpolitik, sondern um präventive Gesellschaftspolitik. Wir müssen jetzt vorbeugen, gerade im Bereich der Integration, um später nicht teuer reparieren zu müssen.

Diese Vorbeugung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. An dieser Stelle gilt es mit einem Märchen aufzuräumen, was sich in diesem Land verstärkt breitmacht, nämlich das Märchen von der großzügigen Unterstützung des Bundes in der Flüchtlingspolitik. Der Anteil dieser Bundesmittel an den Flüchtlingskosten sinkt von 22 % im Jahr 2015 auf 19 % im Jahr 2016. Der Bund unterstützt Länder und Kommunen gerade in Nordrhein-Westfalen also nicht mehr, sondern weniger. Der Bund wird damit seiner Verantwortung in diesem Bereich nicht gerecht, und dies muss sich ändern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In dieser Situation der zusätzlichen finanziellen Belastung darf aus unserer Sicht eins nicht passieren: Die Bewältigung der Flüchtlingssituation auch im Haushalt darf nicht dazu führen, dass andere Menschen sich bei uns in der Gesellschaft abgehängt fühlen. Deswegen müssen wir weiterhin in Bildung, in wirtschaftliche Entwicklung und in Wohnungsbau investieren.

Und, Herr Optendrenk, da beziehe ich mich gerne auf Johannes Rau. Ja, wir geben in diesen Bereichen Geld aus. Ja, wir fördern insbesondere die Kommunen, wie wir sie noch nie gefördert haben,

weder in der Höhe der Summe noch im Anteil des Haushalts. Ja, hier nehmen wir Geld in die Hand und geben das aus, und dafür schämen wir uns nicht. Denn das ist wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Die Landesregierung setzt mit ihrem Haushalt aus unserer Sicht die richtigen Schwerpunkte. Da möchte ich zu Ihren einleitenden Äußerungen zur fehlenden Tatkraft und Ähnlichem kommen. Man soll ja nicht zu viel Wert auf Umfragen legen, Herr Optendrenk, aber wenn man als Landespolitik der CDU im Vergleich gerade zu den Umfrageergebnissen auf Bundespolitik so katastrophal abschneidet wie Sie und wie Herr Laschet, der gerade leider nicht da ist, dann sollte man vielleicht etwas...

(Widerspruch von der CDU: Doch!)

Entschuldigung, er hat sich umgesetzt. Ich wusste nicht, dass er den Sitz des Fraktionsvorsitzenden schon geräumt hat.

(Lachen und Beifall von der SPD)

Wenn man solche Umfrageergebnisse hat wie Sie, wäre vielleicht eine etwas selbstkritischere Herangehensweise an die Regierungspolitik und an die Politik etwas angemessener.

(Christian Lindner [FDP]: Er hat als Vorbild die SPD in Berlin!)

Nein, ich war nicht in Berlin. Sie sind ja auch nicht in Berlin, deswegen halten Sie Ihre bundespolitischen Reden ja immer hier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist aber nichts so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Deshalb haben wir als Koalitionsfraktionen zur zweiten Lesung des Haushalts noch zahlreiche Anträge vorgelegt. Unser wichtigstes Ziel ist dabei, die Spaltung der Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen zu verhindern. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen zusammenhält.

Deshalb wollen wir besonders Menschen unterstützen, die sich für die Zusammenarbeit in unserer Gesellschaft engagieren. Wir wollen Menschen unterstützen, die sich dem braunen Mob entgegenstellen und gegen Rassismus und Intoleranz kämpfen. Wir wollen Menschen unterstützen, die in Sportvereinen und Kulturinitiativen aktiv sind. Wir wollen Menschen unterstützen, die sich für benachteiligte Familien einsetzen und für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Wir wollen Menschen unterstützen, die sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen engagieren und die Straffällige bei ihrer Rückkehr in die Gesellschaft unterstützen.

Diese Menschen sind der Kitt in der Gesellschaft, und die wollen wir stärker fördern. Und auch hier, Herr Optendrenk, geben wir sehr bewusst und richtigerweise mehr Geld aus.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Bei dem Stichwort „mehr Geld ausgeben“ möchte ich zur finanzpolitischen Dialektik der Opposition kommen, die wir ja jedes Mal wieder erleben: In den Fachausschüssen mehr Geld fordern, im Finanzausschuss aber sagen, es wird zu viel Geld ausgegeben. Diese finanzpolitische Dialektik geht nicht auf!

Ich will einmal das aufgreifen, was Sie gerne im Haushalts- und Finanzausschuss noch deutlicher als heute unter den Begriffen „strukturelle Änderungen des Haushalts“ und „strukturelle Einsparungen“ immer wieder vortragen. Was ist das denn konkret, was Sie damit in Ihrer Politik verbunden haben?

Der erste Punkt sind pauschale Personalkürzungen. Man konnte dabei noch nicht einmal mehr vom „Rasenmäher“, sondern musste zum Teil vom „Mähdrescher“ sprechen, mit dem sie diese vorgenommen haben.

(Lachen von Armin Laschet [CDU])

Sie haben mit diesen pauschalen Kürzungen unter anderem Straßen.NRW und den BLB in verheerende Situationen gebracht, die das Land nachher mehr Geld als das gekostet haben, was Ihre Kürzungen erbracht haben. Das sind Ihre angeblichen strukturellen Einsparungen.

(Beifall von der SPD)

Sie tarnten Ihre Einsparungen als Bürokratieabbau. Gemeint ist jedoch wirklich, durch die Abschaffung des Tariftreuegesetzes und die Aufgabe des Klimaschutzplanes nicht Bürokratie abzubauen, sondern Arbeitnehmerrechte zu schleifen und gleichzeitig den falschen klimapolitischen Weg zu gehen. Das ist kein Bürokratieabbau, das ist Schaden an zukünftigen Generationen.

Als Gipfel Ihrer haushaltspolitischen Entwicklung ist doch festzuhalten, dass insbesondere FDP und CDU die Gebührenerhöhungsparteien in diesem Land sind. Sie sagen auf der einen Seite, Sie wollten Steuern senken, wollen aber auf der anderen Seite ausgerechnet den Familien in NRW dieses Geld durch die Gebührenerhöhung bei Kindertageseinrichtungen wieder wegnehmen. Das ist familienfeindlich.

(Beifall von Marc Herter [SPD] – Ralf Witzel [FDP]: Was machen Sie denn bei der Grund- erwerbsteuer für junge Familien? – Gegenruf von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Grunderwerbsteuer auch junge Familien belastet. Sie belastet aber auch Unternehmen. Wir holen uns unser Geld zumindest nicht nur von jungen Familien und Studierenden, sondern wir verteilen die Belastungen gerecht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU und von der FDP: Oh! Ui! – Weitere Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Neuverschuldung wird aufgrund der Entwicklungen, die wir gerade beschrieben und sehr ausführlich diskutiert haben, langsamer vorangehen als erwartet. Möglicherweise wird die schwarze Null in NordrheinWestfalen erst 2020 erreicht werden. Dies ist kein Grund zum Feiern, ist aber leider nicht zu vermeiden.

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Ich warne aber davor, die Finanzierung der Flüchtlingskosten durch Einschnitte in die soziale und gesellschaftliche Infrastruktur unseres Landes zu finanzieren und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Nordrhein-Westfalen zu gefährden.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Der heute vorliegende Haushalt stellt sich den besonderen Herausforderungen dieses Jahres. Er investiert in die Zukunft, in Kinder und Bildung. Er unterstützt die Kommunen wie noch nie. Er senkt dabei geringfügig die Neuverschuldung und setzt damit die richtigen Schwerpunkte zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Nordrhein-Westfalen. Wir sollten ihm alle zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, das Haltbarkeitsdatum Ihrer Haushaltsplanungen entspricht dem eines ablaufenden Bechers Joghurt.

Das Haushaltsjahr 2015 ist chaotisch verlaufen. Sie haben Ihren Haushalt immer wieder insgesamt mit der historischen Rekordzahl von vier Nachträgen angepasst.

(Marc Herter [SPD]: Das hätten Sie ganz an- ders gemacht!)

Viele Änderungen, für die man in der Sache Sympathie haben kann, sind vom Fahrplan her völlig unnötig gewesen. Denn dass die Polizei aufgrund der Pensionierungswelle Mehrbedarf hat, haben wir Ihnen schon vor einem Jahr vorgerechnet.

(Nadja Lüders [SPD]: Oh! – Weitere Zurufe)

Dass es infolge der Flüchtlingskrise auch eine Notwendigkeit gibt, Kommunen finanziell stärker zu unterstützen, ist nun wirklich keine Überraschung der letzten Wochen gewesen.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Das haben wir Ihnen alles vor einem Jahr bereits vorgetragen.

(Beifall von der FDP)