Für den Haushalt 2016 haben Sie bereits eine umfangreiche Korrekturvorlage eingereicht, die diverse beschlossene Ansätze Ihres Kabinetts von Sommer 2015 wieder revidiert.
Warum ist der Haushalt 2016 so wichtig? – Er ist deshalb so wichtig, weil er der letzte ganzjährig zu vollziehende Haushalt vor der Landtagswahl ist. In den Haushalt, den wir in einem Jahr, Ende 2016, für das Jahr 2017 beschließen, können Sie Fantasiezahlen von vorne bis hinten schreiben. Irgendwie werden Sie in den ersten Monaten des Jahres 2017 damit schon über die Rampe kommen.
Unsere Kernvorwürfe lauten: Erstens, Herr Finanzminister, Sie verschleiern das tatsächliche Ausmaß der Verschuldung.
Zweitens. Sie täuschen die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der sich tatsächlich ergebenden Belastungen.
Zur Ihrer Verschleierungspolitik: Sie zeichnen gern diesen Pfad der fallenden Neuverschuldung. Aber er ist, wenn man hinter die Kulissen schaut und den Vorhang fallen lässt, reinste Trickserei. Denn Sie nehmen periodenfremde Kostenanlastungen vor. Denn auf einmal buchen Sie Darlehen des BLB um, nicht deshalb weil er auf einmal so viel Geld hat, sondern weil er Ihnen 400 Millionen € auf das Konto des Landeshaushalts überweist, um sich anderswo am Kapitalmarkt neu mit weiterer Kreditaufnahme zu finanzieren.
Die Pensionen sind in der heutigen Debatte schon ein Thema gewesen. Was sachlogisch im nächsten Jahr 2016 zu leisten ist – Sie haben sich verpflichtet, 635 Millionen € als Vorsorge für zukünftige Jahre aufzubringen –, buchen Sie mal eben als Haushaltstrick ins Jahr 2015. Dann ergibt sich ein schön fallender Pfad. Noch mal schnell vor der Landtagswahl in 2015 die Verschuldung hochpushen, damit sie in 2016 möglichst nach Ihrer grafischen Darstellung sinkt. Das alles sind Sondereffekte …
Ja, natürlich. Sie hätten 1,3 Milliarden € Nettokreditaufnahme bei einer ehrlichen Rechnung im Jahr 2015. Jetzt buchen Sie noch mal eben 600 Millionen € drauf, damit Sie hier 1,9 Milliarden € vorrechnen können und Ihr Ziel von 1,8 Milliarden € im nächsten Jahr dann als kleines Abfallen aussieht. Natürlich ein Hochpushen.
(Beifall von der FDP und Christian Möbius [CDU] – Widerspruch von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)
Das, Herr Finanzminister, sind aber trickreich herbeigeführte Sondereffekte; das ist keine seriöse Haushaltspolitik.
Zur zweiten Abteilung unserer Kritik: Verschleierung der tatsächlichen Mehrbelastungen der Bevölkerung. Sie haben für Ihr Ziel der angeblich fallenden Schuldenkurve vor einem Jahr an diesem Pult gestanden und gesagt, Sie bräuchten doch noch 400 Millionen €, damit das mit dem Schuldenabbau irgendwie nach außen so aussieht, als könne er tatsächlich hier erfolgen.
Und dann haben Sie veranlasst, dass die Koalitionsfraktionen für Sie eine Grunderwerbsteuererhöhung beschließen. Vor der Erhöhung sind Sie für das Jahr 2015 von einem Steueraufkommen von 1,93 Milliarden € ausgegangen. Wenn Sie 400 Millionen € zusätzlich brauchen, hätten Sie nach Adam Riese den Steuersatz um 20 % erhöhen müssen. Jedenfalls hätten Sie das dann machen müssen, wenn stimmt, was Sie begleitend gesagt haben, dass aufgrund des Existenzbedürfnisses Wohnen nach Ihrer Annahme keine negativen Markteffekte eintreten werden.
Was aber haben Sie tatsächlich gemacht? – Sie haben nicht um 20 %, sondern um 30 % erhöht mit der Folge, dass Sie jetzt das eingestehen müssen, was wir Ihnen von Beginn an gesagt haben, dass Sie nämlich den Effekt der Mehrbelastung der Bevölkerung gegenüber künstlich niedrig gerechnet haben.
Jetzt liegen natürlich die entsprechenden Einnahmen durch die von Ihnen vorgenommene Steuersatzerhöhung vor. Sie haben das bereits in Ihrem Nachtragshaushalt entsprechend korrigieren müssen. Dort haben Sie bereits 127 Millionen € an Mehrbelastung für die Steuerzahler nachweisen müssen. Sie gehen für das nächste Jahr von einer Mehrbelastung von 130 Millionen € aus.
Also all das, was Sie hier vor einem Jahr zu den nicht ganz so wichtigen Auswirkungen vorgetragen haben, ist unehrlich, unredlich und unrichtig gewesen, wie Sie uns jetzt selber durch Ihre nachträglichen Korrekturrechnungen beweisen. Sie, Herr Finanzminister, belasten die Bürger in NordrheinWestfalen stärker, als Sie es öffentlich zugeben wollen.
Jetzt, wo Sie sich das selber, aber auch uns und der Öffentlichkeit gegenüber eingestanden haben, haben wir Sie gefragt: Wie gehen Sie denn mit diesem Effekt um? Dazu gibt es nur zwei Botschaften von Ihnen: Sie denken nicht an einen Belastungsstopp für die Bevölkerung, die ja durch die Niedrigzinsphase und andere Effekte, die noch mit hinzukommen, vielfältig gebeutelt ist.
Da muss man sich ernsthaft Gedanken machen, welche Perspektiven, Herr Kollege Zimkeit, eigentlich die Mitte dieser Gesellschaft noch hat, was Vermögensaufbau angeht. Welche Leistungsanreize entstehen eigentlich noch für diejenigen, die hart arbeiten und sich etwas erarbeiten wollen, was sie dann auch behalten dürfen, Herr Kollege?
Das, was Sie hier gerade zur Belastung von Unternehmen durch die Grunderwerbsteuer vorgetragen haben, war doch unterirdisch. Sie machen doch regelmäßig Share-Deals, damit die überhaupt nicht zahlen müssen. Der Finanzminister macht es ihnen doch vor. Wenn der seine eigenen WestLBImmobilien verkauft, gibt es Share-Deals. Da entsteht kein einziger Cent Grunderwerbsteuer. Das zu Ihrer sozialen Politik, die Sie hier vorgetragen haben!
Ich komme zur zweiten Botschaft, die Sie uns mitgeteilt haben: Sie schließen, nachdem Sie die Grunderwerbsteuer fast verdoppelt haben, weitere Erhöhungsschritte – Herr Finanzminister, das haben Sie uns schriftlich bestätigt – in den nächsten Jahren nicht aus. Das ist nun wirklich eine Kapitulationserklärung. Warum sage ich das? – Weil Sie ein Glücksritter sind, was die von außen vorgegebenen Bestbedingungen angeht, nicht, was eigene Leistung angeht.
Sie haben im Vergleich zum Jahr der Übernahme Ihrer Amtsgeschäfte im Jahr 2010 Mehreinnahmen von 15,7 Milliarden €. Zeitgleich haben Sie in diesem Zeitraum Zinsersparnisse von über 1,5 Milliarden € gehabt. Beides zusammen ergibt – das ist nach Adam Riese ebenfalls einfach zu berechnen – eine Haushaltsverbesserung von über 17 Milliarden €. Bezogen auf das ursprüngliche Volumen der Steuereinnahmen 2010 ist das eine Verbesserung von nahezu 50 % in Bezug auf die Finanzausstattung, die Sie hier zur Verfügung haben. Das alles ist historisch. Keiner Ihrer Amtsvorgänger hat so viele Möglichkeiten bekommen, den Haushalt zu sanieren, wie Sie und so wenig daraus gemacht.
Warum, Herr Finanzminister, machen Sie so wenig daraus? – Weil Sie Stellenaufbau betreiben. Das geschieht auch in Ihrer Amtszeit seit Übernahme
(Zuruf Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wofür denn? – Weitere Zurufe von der SPD sowie von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Das geschah, obwohl Sie, Herr Kollege, 2.322 Stellen in Bezug auf die Vorgriffsstunden geschenkt bekommen haben. Da wurde einfach eine Arbeitszeitgutschrift für Stellen zurückgegeben, die natürlich kw-gestellt waren. Die sind Ihnen auch noch in den Schoß gefallen.
Das sind Stellen für Lehrer, die doch gar keinen Unterricht gegeben haben. Die haben Sie doch nur haushaltstechnisch faktoriert, um Überstunden zurückzugeben. Da geht doch kein Unterricht verloren! Sie müssen sich doch einmal angucken, was auch hinter den „Stellen“ steht, Herr Kollege!
(Beifall von der FDP und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Aber wegen des Streiks, oder nicht? – Zurufe von der SPD)
Die Gesamtbilanz Ihrer aktiven Ausweitung der Staatstätigkeit und des ungenutzten Stellenwegfalls beträgt 9.100 Stellen, Herr Finanzminister. Sie hätten genau das Gegenteil machen müssen. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie hier Bürokratie- und Aufgabenkritik betreiben sowie analysieren, auf welche Kernaufgaben sich der Staat zukünftig konzentrieren sollte, um dann bei besserer Bildung, bei funktionierender Infrastruktur und bei besserer Sicherheit – wo doch die Einbruchszahlen und die Zahlen bezüglich anderer Kriminalitätsdelikte in Nordrhein-Westfalen explodieren – besonders gut zu sein. Das wäre eigentlich die Kernaufgabe dieser Regierung gewesen!
Stattdessen, Herr Kollege Hübner, bauen Sie Bürokratie auf. Ich nenne das Tariftreue- und Vergabegesetz. Da müssen Leute Aktenordner führen, um die Herkunftsnachweise für den Fair-Trade-Kaffee in der Behördenkantine zu belegen. Sie führen flächendeckende Umweltzonen ein, die dann von Polizeibeamten kontrolliert werden sollen. Und Sie führen Blitzmarathonaktionen durch, mit denen Tausende von wertvollen Polizeieinsatzstunden verbrannt werden. Das hat der Innenminister, der leider an dieser Debatte nicht teilnimmt, mittlerweile eingesehen. Er hat diesen Fehler korrigiert. Er hat das mittlerweile revidiert. Das hat aber auch lange gedauert!
Wenn man sich das einmal strukturell anschaut, sieht man: Dieser Nettoeffekt von 9.100 Stellen stellt sich natürlich in den einzelnen Bereichen unterschiedlich dar. Im Haushalt 2016 schaffen Sie eine Planstelle mehr für Straßen.NRW, aber 23 beim LANUV. Wenn man sich die Zeit von 2010 bis 2016 ansieht, dann stellt man eine Veränderung von mi
nus 166 Stellen beim Straßenbau und von plus 110 Stellen beim LANUV fest. Man muss sich auch einmal anschauen, wo Sie strukturell die Schwerpunkte setzen. Wir halten sie für falsch.
Ich komme dann zur nächsten Abteilung Ihrer Unterlassungen in Bezug auf Ihre Verpflichtung im Bereich von Landesbeteiligungen.
Da gibt es zunächst einmal Ihre Zockerei bei WestSpiel. Der Landesrechnungshof hat Ihnen das ja vorgerechnet. Es gibt dort 50 Finanzbeamte, die aus Sicht des Landesrechnungshofes aufgrund des geschäftlichen Niedergangs der Landescasinos gar nicht mehr benötigt werden. Bislang gibt es von Ihnen dazu keine erkennbare Aktivität, diese Finanzbeamte in der Einnahmenverwaltung sinnvoller für andere Zwecke einzusetzen.
Sie sehen an dieser Zahlenentwicklung einmal wieder – wie Sie das schon seit Jahren von der WestLB kennen –: Der Staat ist eben nicht der bessere Unternehmer. Schauen Sie sich den Einbruch bei der Spielbankenabgabe und den Rückgang bei den Bruttospielerträgen an.
Sie haben es in Ihrer Amtszeit geschafft, die Spielbankenabgabe – bezogen auf die Planwerte für das Jahr 2010, die Sie übernommen haben – von 63,9 Millionen € auf zuletzt 28 Millionen € mehr als zu halbieren.
Jetzt haben Sie zwei „überzeugende“ Antworten darauf. Die eine Antwort lautet: Wir senken die Spielbankenabgabe, wenn die Spielbank finanziell nicht mehr auskommt. – Das haben Sie 2012 gemacht.
Ihre zweite Antwort lautet: Wenn der Markt für die auskömmliche Tätigkeit an vier Standorten nicht mehr ausreichend vorhanden ist, dann gründen wir noch einen fünften Standort.