Protokoll der Sitzung vom 04.12.2015

Jetzt hat sich gezeigt, wer die Chancen unseres Landes realistisch einschätzen und durchsetzen kann, meine Damen und Herren. Jetzt hat sich das gezeigt, Herr Kollege Laschet.

Sie haben noch im Januar dieses Jahres behauptet, dass NRW beim Finanzausgleich lange Zeit Geberland gewesen sei, unter Rot-Grün aber wieder zum Nehmerland geworden sei, könne nicht am Verteilungssystem liegen.

(Armin Laschet [CDU]: So ist es!)

Das haben Sie behauptet. Aber ein halbes Jahr später, Herr Kollege Laschet, haben Sie dann mit Ihrer Fraktion den Haushalts- und Finanzausschuss benutzt, um gerade noch rechtzeitig die Kurve zu kriegen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Sie haben damals gemerkt – das war auch der Grund, warum Sie eingelenkt haben, Herr Kollege Laschet –, dass sich der Wind bei der CDU im Bund, in Berlin, dreht. Dann haben Sie mit uns gemeinsam diesen Beschluss im Haushalts- und Finanzausschuss hinbekommen.

Hätten Sie nicht geahnt, dass Bundesfinanzminister Schäuble kurz darauf öffentlich klarmachen würde, dass die alte Praxis, den Umsatzsteuervorwegabzug bei der Berechnung der Finanzkraft der Länder völlig außen vor zu lassen, nicht mehr haltbar ist, hätten Sie doch nicht die Kurve gekriegt, Herr Kollege Laschet.

Das war es dann aber auch mit Ihrer Unterstützung. Seitdem habe ich von Ihnen zu diesem zentral wichtigen landespolitischen Thema in Berlin nichts mehr gehört. Das spüren doch die Menschen in Nordrhein-Westfalen – im Übrigen auch die Mitglieder Ihrer Partei. Herr Kollege Laschet, bei landespolitisch wichtigen Themen sind Sie nicht erkennbar, nicht sichtbar. Sie tauchen ab; Sie lavieren; Sie drücken sich vor der Verantwortung.

Aber das ist Ihre Sache, Herr Kollege Laschet. Das müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern und auch Ihrer Partei erklären. Ich wende mich lieber wichtigeren Dingen zu.

(Zurufe von der CDU)

Was also wurde erreicht? Erreicht wurde eine grundlegende Reform, die für Nordrhein-Westfalen den ungerechten und benachteiligenden Umsatzsteuervorwegausgleich abschafft. Maßstab der künftigen Verteilung ist die Steuerkraft, die die Einwohner erwirtschaften.

Und das wollen wir. Wir wollen mehr von dem behalten, was in unserem Land erwirtschaftet wird. Die Finanzkraftunterschiede der Gemeinden werden auf Länderebene endlich angemessen berücksichtigt.

Besonders – ich sage das gerade mit Blick auf die CDU-Fraktion – freut mich folgende Feststellung im Beschluss mit der Zustimmung Bayerns: NordrheinWestfalen ist ein starkes und solidarisches Zahlerland. – Ja, meine Damen und Herren, auch das wollen wir feststellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Land wird ab dem Jahr 2020 Jahr für Jahr um 1,5 Milliarden € entlastet. Das ist eine gute Botschaft. Dies wird uns helfen, die Herausforderungen der Zukunft noch besser zu bewältigen und die notwendigen Maßnahmen noch sicherer zu finanzieren.

Die Herausforderungen sind klar. Es geht um noch mehr Investitionen in Bildung, in die Infrastruktur, in die Sozialpolitik und in die Integration der Menschen, die zu uns kommen, denen wir helfen und die wir auch brauchen.

Wichtig ist mir: Das alles haben wir bereits seit unserem Regierungsantritt 2010 auf den Weg gebracht. In allen Bereichen haben wir große Schritte nach vorne gemacht und sie auch sauber durchfinanziert.

Gleichzeitig haben wir den Pfad der Konsolidierung konsequent beschritten. Wir haben die schwarze Null für 2020 nicht nur im Blick, meine Damen und Herren; wir werden sie auch erreichen, ohne unsere Zukunftsaufgaben zu vernachlässigen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Das galt vor der Einigung zum Länderfinanzausgleich und gilt natürlich jetzt erst recht, meine Damen und Herren.

Aus einem zweiten Grund ist die Einigung unter den Ländern ein großer Erfolg. Es wird künftig ein faires und transparentes Verteilungssystem geben. Nordrhein-Westfalen – das wird deutlich werden; darauf hat die Ministerpräsidentin hingewiesen – ist das, was es immer war: Geberland, wirtschaftsstark, steuerstark und innerhalb der föderalen Gemeinschaft solidarisch.

Es ist das Land, das in den vergangenen Jahrzehnten Bayern mit Milliarden auf seinem Weg von einem Agrarstaat zu einem modernen Wirtschaftsstandort solidarisch unterstützt hat. Es ist das Land, das das jetzt mit den ostdeutschen Bundesländern weitermacht, meine Damen und Herren. Da brauchen wir keinen Nachhilfeunterricht. Die Ministerpräsidentin hat das vorhin noch einmal deutlich herausgestellt.

Mir ist wichtig, an diesem Tag zu sagen: Unser Land ist stark. Die Menschen in unserem Land sind leistungsstark und selbstbewusst. Wir sind solidarisch. Ja, meine Damen und Herren, NordrheinWestfalen ist ein starkes Stück Deutschland. – Glück auf für unser Land!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben jetzt seit einigen Jahren von der Landesregierung und insbesondere von Ihnen, Frau Ministerpräsidentin, Klagen über den gegenwärtigen Länderfinanzausgleich und unsere bundesstaatliche Finanzverfassung gehört. Sie haben regelmäßig gefordert, dass das Sys

tem einfacher, transparenter und fairer werden müsse und sich auch die Position NordrheinWestfalens in diesem System verändern müsse.

In diesem Haus herrschte Einigkeit: In der Tat, der Länderfinanzausgleich, wie wir ihn seit zehn Jahren, seit dem Jahr 2005, praktizieren, ist dringend korrekturbedürftig. Dieses System ist seinerzeit von Bundesfinanzminister Hans Eichel und dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück konzipiert worden. Insofern war die Klage nachvollziehbar, dass dieses System dringend anpassungsbedürftig sei.

Jetzt haben Sie hier Ergebnisse präsentiert, Frau Ministerpräsidentin, und zwar dahin gehend, dass Sie einen Durchbruch erzielt hätten, wie eben gesagt worden ist.

Schauen wir uns das einmal an: Ihre Klage am Länderfinanzausgleich hatte insbesondere zum Ziel, deutlich zu machen, dass Sie nach einer Korrektur Ihren Haushalt unter Kontrolle bekommen und dass Sie für zukünftige Aufgaben, für Zukunftsinvestitionen neue Spielräume gewinnen können. Das haben wir bei allen möglichen Debatten gehört: Wenn Sie so könnten, wie Sie wollten, dann … Aber leider können Sie ja nicht – wegen des Bundes und weil Sie zu viel in den Topf des Länderfinanzausgleichs einzahlen. Seit Jahr und Tag hören wir das, schon in Ihrer Regierungserklärung.

Jetzt kommen Sie, nachdem Sie dieses zentrale Anliegen der Reform unseres Föderalismus umgesetzt haben, mit 1,5 Milliarden € in diesen Landtag zurück. Frau Ministerpräsidentin, wegen 1,5 Milliarden € haben wir uns dieses Lamento seit Jahren angehört!

Schauen wir uns einmal die Nettokreditaufnahme an, stellen wir fest: In diesem Jahr betrug sie 1,9 Milliarden €, im nächsten Jahr werden es 1,8 Milliarden € sein. Selbst mit dieser Einigung beim Länderfinanzausgleich wäre der Landeshaushalt Nordrhein-Westfalens nicht ausgeglichen.

Das zeigt vor allem eines: Sie haben kein Problem mit den Einnahmen, Sie haben nach wie vor ein Problem mit den Ausgaben aufgrund Ihrer Politik, Frau Ministerpräsidentin. Dabei hilft auch diese Einigung nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir erinnern uns an Norbert Walter-Borjans Interviewäußerungen, er wolle jetzt mal so richtig „södern“. Das haben Sie gesagt, Herr Finanzminister. Jetzt wollten Sie so richtig „södern“ und der CSU und den Bayern beim Finanzausgleich einmal zeigen, was eine Harke ist. Das ist ein Wortlautzitat von Ihnen, nicht wahr?

Schauen wir uns jetzt einmal an, was das Ergebnis dieses „Söderns“ unserer Landesregierung ist: 1,5 Milliarden € von der jetzt in Rede stehenden Gesamtsumme. Das ist wiederum weniger als die

Summe, die uns nach dem Königsteiner Schlüssel bezogen auf unsere Bevölkerung zusteht. Das beklagen Sie hier doch immer regelmäßig in der Verkehrspolitik. Das kann jeder nachlesen. Sie sagen, Nordrhein-Westfalen sei in der Verkehrspolitik ungerechtfertigt benachteiligt, weil wir weniger hätten als nach dem Königsteiner Schlüssel. Jetzt, mit Ihrer großen Einigung, mit der Sie zu dieser Unterrichtung kommen, sind wir wieder schlechter gestellt als nach dem Königsteiner Schlüssel.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Marc Herter [SPD])

Moment, es kommt noch besser: Der Bundesschnitt an Einnahmeverbesserung pro Einwohner beträgt 109 €.

(Marc Herter [SPD]: Viel Glück!)

Das heißt, der durchschnittliche zusätzliche Selbstbehalt der Länder im neuen System des Länderfinanzausgleichs wird 109 € pro Einwohner betragen. Bayern behält zusätzlich 105 € mehr, NordrheinWestfalen nur 87 € zusätzlich. Das heißt wiederum, Herr Finanzminister: Die Bayern haben gezeigt, dass sie besser „södern“ können als Sie. Ihr Ergebnis entspricht eben nicht den Interessen NordrheinWestfalens!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es auch eine sehr klare und transparente Erklärung. Sie haben sich nämlich, Frau Ministerpräsidentin, Herr Finanzminister, seit Jahr und Tag an einem technischen Detail festgeklammert, und zwar daran, den Umsatzsteuervorwegausgleich abzuschaffen. Das neue System können Sie gern einmal auf dem Marktplatz erklären, und dann wird sich zeigen, ob das so einfach, transparent und fair ist, wie Sie behaupten.

Herr Römer hat hier eben hervorgehoben, die Kommunen würden endlich angemessen in die Berechnung der Finanzkraft der Länder einbezogen. Vorher waren es 64 %, jetzt fließt die kommunale Finanzkraft zu 75 % ein. Dann erklären Sie doch einmal auf dem Marktplatz, Herr Finanzminister, welche Gründe in der Sache für die elf Prozentpunkte mehr gesprochen haben. – Es gibt keine, weil es ein Verschiebebahnhof ist, wie es bei den bundesstaatlichen Finanzbeziehungen immer der Fall gewesen ist.

Aber jetzt kommen wir auf Ihr technisches Detail des Umsatzsteuervorwegausgleichs zu sprechen. Herr Römer, die Umsatzsteuerverteilung war übrigens eine sozialdemokratische Idee. Dem Umsatzsteuervorwegausgleich ging die Idee voraus, dass man bei der Umsatzsteuer zuerst einen einheitlichen Verteilmaßstab hat, nämlich die gleiche Finanzkraft pro Einwohner. Das war die ursprüngliche sozialdemokratische Verteilungsidee.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das ist ja auch nicht der Vorwegausgleich!)

Doch, das ist genau der Vorwegausgleich, Frau Kraft. – Die Umverteilung hat Ihnen, Herr Römer, aber nicht gefallen, weil Sie dadurch danach im System des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne auf die Seite der Empfängerländer gekommen sind. Jetzt haben Sie Ihre ganze Verhandlungsführung darauf konzentriert, diesen Umsatzsteuervorwegausgleich aus dem System herauszuholen und zu einem einheitlichen System zu kommen.

Jetzt passen Sie auf, Frau Kraft, was aufmerksame Beobachter dazu schreiben. Die „Süddeutsche Zeitung“ vom heutigen Tag schreibt zum Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs – darum geht es; Zitat –:

„Mit diesem Trick ist vor allem Nordrhein-Westfalen gedient, das so nach langen Jahren wieder zum Zahlerland werden würde und sich nicht mehr von Bayern anhören müsste, auf seine Kosten zu leben.“

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Hört, hört!)

Frau Kraft, diesen technischen „Trick“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt, haben Sie teuer erkauft und damit dem Land Nordrhein-Westfalen einen Bärendienst erwiesen.