Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Diese Hinweise verdeutlichen aber auch, dass es nicht damit getan ist, einfach nur den Etat zu erhöhen und mehr Geld in das System zu werfen. Wir müssen hier auch mehrgleisig fahren, damit wir nachhaltig Erfolge erzielen.

Zunächst müssen wir die Formen des Gemeinsamen Lernens zurückfahren und in den begabungsgerechten Lerngruppen gruppendynamische Prozesse in Gang setzen, in denen gemeinsames Leisten und gemeinsam erarbeiteter Erfolg die Kinder zusammenschweißt und hilft, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Lehrkräften aufzubauen.

(Beifall von der AfD)

Nicht erst die Hattie-Studie hat bewiesen: Auf den Lehrer kommt es an. Und die Heranwachsenden brauchen nicht nur in ihrem familiären Umfeld feste Bezugspersonen, zu denen sie Vertrauen aufbauen können, sondern sie benötigen auch im schulischen Raum Personen, die ihnen Halt und Orientierung geben und ihnen bei der Entfaltung ihrer Begabungen und ihrer Persönlichkeit zur Seite stehen.

So kann die Schulsozialarbeit ihre größte Wirksamkeit in Schulsystemen entfalten, in denen die Kinder, begleitet von fürsorglicher Autorität, im Rahmen einer klaren Ordnung in eine begabungsgerechte Lern- und Leistungsgemeinschaft eingebunden sind.

Schulsozialarbeit kann aber nicht gesellschaftliche Defizite heilen und psychotherapeutische Dienste leisten. Schulsozialarbeit muss letztlich ausgerichtet sein auf Hilfestellungen zum besseren Lernen und zur gelungenen Eingliederung in den Klassen- und Schulverband. So müssen die verschiedenen Stränge der Schulsozialarbeit bei einer Lehrkraft zusammenlaufen, die die unterschiedlichen Beratungsstränge koordiniert und die Arbeit der Beratungslehrer, der Schulsozialarbeit und der Angebote anderer

Träger wie Caritas und Diakonie zusammenführt und in ein Beratungskonzept einbindet. Sonst bleibt es bei Einzellösungen, und jeder Träger werkelt so vor sich hin.

Dafür, sehr geehrte Frau Ministerin – wenn sie denn da wäre, in diesem Falle...

(Nadja Lüders [SPD]: Sie ist gar nicht zustän- dig bei dem Thema! – Zuruf von Minister Karl- Josef Laumann)

Sie sind da, aber ich spreche jetzt Frau Gebauer an. – Dann müssten an den weiterführenden Schulen Beförderungsstellen geschaffen werden, in die die Lehrkräfte aufrücken können, welche diese Koordinationsaufgaben erledigen. Ich kann Ihnen sagen: Ich habe damit hervorragende Erfahrungen gemacht.

Noch ein weiterer Aspekt wäre unabdingbar: Schulsozialarbeit darf keine Fürsorgearbeit bleiben. Sie muss das Ziel haben, die Kinder und jungen Menschen zur Selbstständigkeit zu befähigen.

Dies aber erfordert Modelle, die über das hinausgehen, was normale Schulsozialarbeit leisten kann. Ein zusätzlicher Ansatz muss es sein, Coaching-Modelle wie zum Beispiel das Züricher Ressourcen Modell in den Blick zu nehmen und Lehrkräfte darin auszubilden. Welche segensreiche Wirkung dieses

Coaching-Modell hat, kann man an den Schulen feststellen, die sich dieser Methode bereits bedienen. Sie glauben es gar nicht – da geschehen immer wieder kleine Wunder!

Das Coaching entlässt den Schüler, die Schülerin aus der Fürsorgesituation und weckt die tief in ihm verborgenen Kräfte der Eigenstabilisierung. Ich habe es selbst erfahren. Es führt ihn aus der Rolle des Bedürftigen heraus in die Situation der Selbstbestimmung. Hierfür müssten die Lehrkräfte eine Ausbildung durchlaufen, für die das Schulministerium Fortbildungsgelder zur Verfügung stellen müsste.

Es wäre sehr zu wünschen, wenn Frau Ministerin Gebauer das Ministerium beauftragen würde, solche Modelle in den Blick zu nehmen und dann für die Fortbildung der Lehrkräfte Geld bereitzustellen. Damit wäre die Hoffnung verbunden, dass sich langfristig eine Verbesserung der schulischen sozialen Situation ergeben könnte.

Es geht darum, den einzelnen Menschen in den Blick zu nehmen und nicht nur an den Symptomen einer verfehlten linksideologischen Schul- und Gesellschaftspolitik herumzudoktern.

(Beifall von der AfD)

Nichtsdestotrotz: Das Kind ist schon fast in den Brunnen gefallen. Ich kann mich, wie gerade schon einmal gesagt, den Ausführungen des Kollegen Rock unbedingt anschließen. Wir brauchen dringend das Geld für die Schulsozialarbeit, sonst schlagen den

Kollegen die Probleme über dem Kopf zusammen. Wir können sie damit auf keinen Fall alleine lassen.

Heute überweisen wir den Antrag in den Ausschuss; dem stimmen wir selbstverständlich zu. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass wir – es mag Sie vielleicht wundern – auch den Punkten 1 und 2 des Antrags der SPD zustimmen werden. Das Land kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Den dritten Punkt jedoch, die Schulsozialarbeit als Regelleistung im SGB II zu verankern, sehen wir eher skeptisch. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Das war der Kollege Seifen für die AfD-Fraktion. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Herr Kollege Seifen, ich will Ihnen zu Ihrer Rede nur eines sagen: Solange diese Landesregierung im Amt ist, solange ich im Amt bin, werden wir in NordrheinWestfalen jedes Kind, das in diesem Land lebt – egal aus welchem Grund, egal wo es herkommt –, anständig und mit Achtung behandeln. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Beifall von Markus Wagner [AfD])

Wir müssen auch nach bestem Wissen und Gewissen sicherstellen, dass jedes Kind, egal aus welchen Verhältnissen es von zu Hause her kommt, eine faire Chance hat, durch Fleiß und Bildung in dieser Gesellschaft aufzusteigen. Das ist unabdingbar.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Eine Gesellschaft ist zunächst einmal so, wie sie ist.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Auch die Schülergemeinschaft einer Schule ist erst einmal so, wie sie ist. Wir müssen doch zugeben, dass die Schülergemeinschaften an unseren Schulen in Nordrhein-Westfalen in ihrer Zusammensetzung sehr, sehr unterschiedlich sind. Ich wohne in einem münsterländischen Dorf mit 6.500 Einwohnern. Da ist die Zusammensetzung der Kinder in der Grundschule und auch in der weiterführenden Schule von der sozialen Herkunft und von den Familienstrukturen her völlig anders als in anderen Gebieten, etwa in die Emscher-Lippe-Region. Das ist doch einfach die Wahrheit.

Wenn wir diese Fragen vernünftig beantworten wollen, dann steht doch außer Frage, dass die Stellen

der Schulsozialarbeit – wer sie auch immer finanziert – ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Systems sind.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die 1.800 Stellen, die letztendlich über das Arbeitsministerium gefördert werden, haben eine lange Vorgeschichte. Selbst als die Hartz-IV-Gesetze eingeführt worden sind, haben die Verantwortlichen – das war immerhin eine rot-grüne Regierung – kein Teilhabepaket für die Schüler auf den Weg gebracht. Damals war man nämlich der Meinung, dass in den Regelsätzen für die Kinder selbstverständlich das ganze Geld für die Teilhabe an Schule enthalten war.

In der Zeit, in der ich zum ersten Mal Arbeitsminister war, habe ich zusammen mit unserem Ministerpräsidenten Rüttgers – ich gebe aber zu: auch zusammen mit dem damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz – einen ganz langen Kampf geführt, dieses Teilhabepaket überhaupt durchzusetzen, damit die Hartz-IV-Kinder, wie man damals gesagt hat, an Klassenfahrten und Sportvereinen usw. teilhaben konnten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann haben wir gesehen, dass die Mittel nicht abgerufen worden sind und das Programm nicht ans Laufen kam. Der Bund hat dann gesagt: Wir müssen an den Schulen Leute haben, die sich darum kümmern, die über die Schule hinaus einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und auch das Schicksal der arbeitslosen, Hartz-IV-beziehenden Eltern im Blick haben. Darum sind diese Stellen geschaffen worden.

Der Bund hat gesagt, das werde eine gewisse Zeit lang getan werden, und dann müsse das System implementiert sein. Und die damalige Landesregierung hat dann aus guten Gründen darauf hingewiesen, diese Stellen seien in Nordrhein-Westfalen nicht übrig und man finanziere das erst einmal weiter.

Natürlich werden wir versuchen, die Zuständigkeit der Finanzierung dieser Stellen wieder an den Bund zu übertragen; denn wir halten sie für unverzichtbar. Wenn ich beteiligt sein sollte, wird von uns dieser Punkt natürlich auch in die Koalitionsverhandlungen in Berlin eingebracht werden – dass meine Partei dort mit am Tisch sitzen wird, ist ja wohl ziemlich sicher.

(Nadja Lüders [SPD]: Die Schwesterpartei auch?)

Aber wir müssen uns auch um einen zweiten Punkt kümmern. Hier wird heute gesagt, dass wir die vielen Leute brauchen – ich weiß, dass sie auch andere Arbeit machen –, weil sonst die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nicht abfließen würden.

In Vorbereitung dieser Rede bin ich aber auch dahintergekommen, dass die Bearbeitung dieser Mittel

mittlerweile in den ARGEN in einer Kompliziertheit gehandhabt wird, die – ich sage das mal ganz vorsichtig – nicht mehr nachvollziehbar ist. Und damit habe ich es noch freundlich ausgedrückt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD – Nadja Lüders [SPD]: Ja, das ist so!)

Ich möchte schon gerne, dass diese Leute Zeit haben, mit den Kindern zu reden und bei den Leuten Hausbesuche zu machen. Wir müssen uns also auch die Frage stellen: Wie können wir die Administration im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets pauschaler und einfacher machen?

Ich will ein paar Beispiele nennen.

(Nadja Lüders [SPD]: Gerne!)

Es gibt immer noch die Anrechnung des Eigenanteils in Höhe von einem Euro beim Mittagessen.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ja! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja, sicher!)

Die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß, dass dieses Einziehen des einen Euros die Verwaltung mehr kostet, als es einbringt.

Ein anderer Punkt: Wenn das Kind in der Schule zwei Tage lang krankheitsbedingt fehlt …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Warum macht ihr das denn dann?)