Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass Sie heute hier sind und mit uns zusammen über die europäische Agrarpolitik diskutieren.
Wer ein bisschen länger im Landtag ist, weiß, dass wir in einem Sieben-Jahres-Rhythmus darüber diskutieren, wohin denn die europäischen Agrargelder gehen und wofür wir sie verwenden.
Bei einer Gesamtsumme von 60 Milliarden Euro im Jahr in ganz Europa ist es auch selbstverständlich, dass man sehr gut begründen muss, was man mit diesen Geldern macht, wofür man sie einsetzt und was man damit erreichen will.
Das erste Ziel war immer – es ist nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Eindruck der damaligen Koreakrise und der damaligen Lebensmittelknappheit entstanden –, gute, günstige und stets verfügbare Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel rückt angesichts dessen, dass wir immer alles haben und immer alles da ist, manchmal in den Hintergrund. Aber es ist ein wichtiges Ziel.
Das zweite Ziel war immer geprägt von der Feststellung, dass die europäische Landwirtschaft anders ist als beispielsweise die amerikanische und wir gesagt haben: Wir wollen ihre bäuerliche Struktur mit den doch etwas kleineren Betrieben stabilisieren und Strukturbrüche vermeiden; wir wollen die Struktur relativ stabil erhalten.
Das dritte Ziel ist eines, das eigentlich erst in den letzten zwei Jahrzehnten stärker berücksichtigt wird. Es ist das Ziel, Umweltbeeinträchtigungen und negative Umweltauswirkungen durch eine intensive Landwirtschaft – und wir wissen wohl alle, dass es diese negativen Auswirkungen gibt – mit diesen Geldern ein Stück weit abzufedern.
Wenn man ein Fazit zu der europäischen Agrarpolitik zieht, dann kann man sagen, dass das erste Ziel, nämlich Lebensmittel in Hülle und Fülle zu günstigen Preisen bereitzustellen, erreicht wurde. Die beiden anderen Ziele wurden aber trotz diverser Reformen und Bemühungen nicht erreicht.
Die Strukturbrüche haben wir nicht verhindert. Sie passieren momentan in einem doch ungeahnten Ausmaß. Ich glaube, wir alle haben immer erwartet,
dass Betriebe, die hier in Nordrhein-Westfalen im Vollerwerb mittlerweile mit 60 bis 70 ha wirtschaften und damit hinreichend Arbeit für diejenigen, die dort tätig sind, bereithalten, existenzfähig sein müssten. Derzeit erleben wir das Gegenteil. Wir erleben eine zutiefst vorhandene Verunsicherung in der Landwirtschaft.
Auch das andere Ziel, nämlich negative Umweltauswirkungen auszugleichen, erreichen wir derzeit nicht. Für uns heißt das ganz klar: Die letzte Agrarreform, die mit dem Greening genau diese Abfederung der Negativauswirkungen erreichen wollte, hat ihren Zweck überhaupt nicht erfüllt. Am Ende war das Greening ein Schuss in den Ofen.
Wir müssen es jetzt besser machen. Meiner Meinung nach sollten wir gerade als Nordrhein-Westfalen ein großes Interesse daran haben, einen Schritt voranzukommen, und alles dafür tun, dass die Bundesregierung und Europa sich auf den Weg machen und diese Perspektive der Eco-Schemes wirklich nutzen, damit wir diese endlich mit Leben füllen und schauen, dass wir den Bäuerinnen und Bauern diese Sache schmackhaft machen. Sie sollten nicht immer nur einen Ausgleich dafür erhalten, dass sie weniger Gewinn erzielen, also auf intensive Beackerung verzichten. Vielmehr sollten sie, wenn sie dies tun, mehr haben und wirklich sagen können: Das ist ein kleiner Baustein meines Einkommens; dann bin ich auch gerne bereit, vielleicht auf einen Maximalertrag zu verzichten.
Heute hat das Europäische Parlament sehr ambitionierte Ziele in puncto CO2-Einsparung verabschiedet. Der Antrag, in dem es um minus 60 % bis 2030 geht, ist durchgekommen.
Wenn wir das erfüllen wollen und wenn das Europäische Parlament sich selbst ernst nehmen will, werden wir in dieser Angelegenheit europäischer Agrarpolitik auch entsprechend handeln müssen. Landwirtschaft wird dann in puncto Klimaschutz einen Beitrag leisten müssen. Auch deshalb werden wir diese Eco-Schemes brauchen.
Aktuell steht in einer Fachzeitung der Agrarpresse, es sei schon alles quasi in trockenen Tüchern. Da macht man die Rechnung meines Erachtens ein bisschen ohne das Europäische Parlament. Diese Agrarreform wird nicht mehr allein durch die Kommission bestimmt. Das Europäische Parlament wird entscheidend mitreden und sicher sagen, dass diese Eco-Schemes verbindlich und wirksam sein müssen.
Deshalb glaube ich, dass wir mit unserem Antrag, das so zu betonen, den richtigen Weg vorgeschlagen. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam darüber zu debattieren. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den vorliegenden Antrag gelesen habe, war ich wirklich froh. Mehr noch, lieber Kollege Rüße: Ich war den Grünen fast dankbar, dass ich damit Gelegenheit habe, einmal über die Dinge zu sprechen, die wir als NRW-Koalition in dem Bereich schon angepackt und auf den Weg gebracht haben.
Neben allerhand Beschreibung von Fakten fordern Sie in dem vorliegenden Papier, die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union – kurz GAP – müsse sich „mehr denn je an den zentralen Herausforderungen der Landwirtschaft orientieren“.
Damit bringen Sie genau das zum Ausdruck, was seit Regierungsantritt klarer Anspruch der NRW-Koalition ist und was wir beispielsweise bereits im Mai 2019 in einem Antrag formuliert haben.
Sie haben vorhin drei Ziele benannt. Ich war ganz positiv überrascht, dass Sie ähnliche Ziele wie wir identifiziert haben und diese somit heute von den Grünen tatsächlich einmal benannt worden sind.
Wenn wir auf die Anfänge der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik blicken, die ursprünglich Anfang der 90er-Jahre eingeführt wurde, sehen wir nämlich, dass die Zahlungen der EU in der Tat dafür sorgen sollten, dass weiterhin zu auskömmlichen Preisen Lebensmittel in der EU erzeugt werden konnten.
Die GAP hat sich in ihrer bisherigen Ausgestaltung mit den zwei Säulen weitestgehend bewährt und muss auch in Zukunft finanziell vernünftig ausgestattet sein; denn es ist keine Neuigkeit, dass die Direktzahlungen aus der ersten Säule durchschnittlich mehr als 40 % des Einkommens eines landwirtschaftlichen Betriebes ausmachen und deshalb von entscheidender Bedeutung für die Zukunft sind.
Noch am Montag hat Dr. Berges, der Direktor der Landwirtschaftskammer, auf der Fachtagung unseres Ministeriums auf die zu erwartenden Einbußen in Höhe von bis zu 54 % pro landwirtschaftlichem Betrieb in NRW hingewiesen, wenn die bislang geplanten Regelungen so kommen sollten.
(Beifall von den GRÜNEN und der FDP – Bodo Löttgen [CDU]: Immerhin nach zwei Mi- nuten Redezeit gemerkt!)
Daher sehen aber auch wir einige Aspekte, bei denen nachgebessert werden muss – und damit wieder zurück zum Ernst der Lage.
Ich denke vor allem daran, dass die Direktzahlungen zielgenauer da ankommen müssen, wo sie hingehören. Auch dort liegen wir nicht so weit auseinander, denke ich. Dies zielt nämlich wohl für uns alle auf die familiengeführten verwurzelten Betriebe, auf landwirtschaftliche Bauernhöfe, hier bei uns in NordrheinWestfalen ab. Sie sind es, die oft mit großer Sorge in die Zukunft blicken. Die GAP nach 2020 muss in ihrem Sinne deutlich einfacher und weniger bürokratisch sein.
Des Weiteren geht es darum – das merken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ebenfalls ganz richtig an –, die GAP in vielen Punkten wirksamer für Umwelt- und Tierschutz auszugestalten.
Wollen Landwirte nämlich neue Wege gehen und mehr für das Tierwohl leisten, die Umwelt stärker schützen und Ressourcen besonders schonen, dann muss sich das auch im Einkommen niederschlagen.
Gleiches gilt beispielsweise für gesetzliche Regelungen zu mehr Abstand zu Gewässern oder Schutzgebieten beim Düngen und beim Pflanzenschutz. Deshalb fordern wir: kein Eingriff ohne Ausgleich. Alles andere wäre nämlich eine Enteignung.
Generell muss unser gemeinsames Ziel doch sein, mehr Planungssicherheit für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Nordrhein-Westfalen zu erreichen.
Die NRW-Koalition zeigt mit der Nutztierhaltungsstrategie, dem Stall der Zukunft oder der Binnendifferenzierung für die Gebietskulisse zur Nitratbelastung, die jetzt sogar Vorbild für eine bundesweite Regelung wird, ganz konkret, wie sehr uns an einer verlässlichen Zukunft für unsere Landwirte gelegen ist.
Frau Kollegin, darf ich Sie kurz unterbrechen? Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Kollegin Watermann-Krass.
Das würde ich gerne an das Ende der Rede stellen. Ich mache zunächst weiter. Sehr viel ist es auch nicht mehr.
Ich möchte noch einmal kurz auf die sehr klaren Leitplanken der Agrarpolitik der CDU hinweisen: mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit, weniger Bürokratie, Umweltschutz, Tierwohl und wirtschaftliche Effizienz in einem guten Miteinander, Politik anhand von klaren Fakten und vor allem auch Respekt und Dankbarkeit für die Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte.
Gerade Letzteres vermisse ich – das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen – bei Ihrer Politik, der
Politik der Grünen, die ein bisschen konträr zu dem ist, was ich vorhin Ihrer Rede entnommen habe. Schließlich war es Ihre Partei, die im vergangenen Kommunalwahlkampf den Slogan plakatiert hat – ich zitiere –: „GRÜN IST auch ohne Glyphosat die dicksten Kartoffeln zu haben.“
Ich weiß wohl um Ihre anschließende Relativierung der insgesamt falschen und – das muss ich auch deutlich sagen – wirklich dummen Aussage. Dennoch bleibt der Eindruck, Landwirte würden Böden und Grundwasser verunreinigen. Diesen Eindruck haben Sie für den Berufsstand hinterlassen.
Von solchen Ausfällen einmal abgesehen, fordern Sie in Ihrem vorliegenden Antrag viel von dem, was die NRW-Koalition und unsere Ministerin, unser Geburtstagskind Frau Heinen-Esser, schon längst angepackt haben. Was uns von Ihnen unterscheidet, ist, dass wir nicht nur reden, sondern handeln; ich habe vorhin einige Beispiele genannt. Wir bringen die Interessen von Umwelt und Landwirtschaft zusammen, statt sie auseinanderzubringen.
Zum Schluss noch einige Worte zur gesellschaftlichen Leistung, für die die Gelder der EU zur Verfügung gestellt werden: Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass – wie eingangs erwähnt – der Verbraucher – und damit jeder Einzelne von uns – über den Preis für Lebensmittel von diesen Subventionen profitiert. Auch im Jahr 2020 sollte das in einer Diskussion um eine Agrarreform nie vergessen werden. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Die Zwischenfrage war vorab schon zugesagt. Daher hat nun Frau Watermann-Krass das Wort.
Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Frau Winkelmann. – Sie haben eine Menge ausgeführt. Ich habe von Ihnen aber nichts darüber gehört, wie Sie sich die Umgestaltung, vor allen Dingen bei den Eco-Schemes, vorstellen. Das soll aus der ersten Säule genommen werden? Wie ist Ihre Vorstellung? Wie groß soll der Anteil sein? Und was soll damit gemacht werden?
Die einzelnen Ausgestaltungen werden zurzeit ja noch auf Länderebene festgelegt. Wie ich vorhin in der Rede auch erwähnt habe, wissen wir alle, dass in diese Agrarreform mehr für Tierwohl und auch mehr für Umweltschutz implementiert werden muss. Dafür sind die EcoSchemes nötig.
Allerdings dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, worauf Dr. Berges – Sie waren bei der Veranstaltung am Montag selber dabei – bei der Vorstellung seines Berichts sehr eindringlich hingewiesen hat: Die Auflagen, die durch die GAP möglicherweise auf die Betriebe zukommen, dürfen nicht dafür sorgen, dass die realen Einkommen noch weiter nach unten gehen; denn damit würden wir unsere kleinen landwirtschaftlichen Familienbetriebe, die regionale Nahrungsmittel erzeugen sollen, noch weiter in Richtung Abgrund treiben. Ich meine, das müssen wir auf jeden Fall gemeinsam verhindern. – Danke schön.