Ihr Antrag – Herr Rock hat es eindeutig gesagt, und ich habe mich nicht gescheut, es so zu formulieren –, hat eigentlich nur eine Überschrift: weniger Integration, mehr Stigmatisierung. So lesen sich Ihre Worte.
Sie stellen in Ihrem Antrag einen Laissez-faire-Erziehungsstil und den autoritär-patriarchischen Maßstab im menschlichen Miteinander gegenüber. Sie sprechen von Autoritätsverachtung und bezeichnen Mobbing als Machtinstrument bestimmter kultureller und religiös gebundener Gruppen. Diese Formulierungen bestätigen ein Bild, das ich von Ihnen habe: Das Problem „Mobbing“ reduzieren Sie auf religiös-kulturelle Gruppen.
Sie schreiben aber bedauerlicherweise nichts in Ihren Antrag, was zu einer Lösung des Problems führen könnte.
Die Erfahrungen zeigen, dass das Problem „Mobbing“ sehr komplex ist und nicht so eindimensional, wie Sie es schildern.
Im Antrag wird richtig beschrieben, dass Mobbing jeden treffen kann und von jedem ausgehen kann. Aber gleichzeitig hat der Antrag nur ein Ziel: nämlich bestimmte Gruppen in der Schülerschaft zu stigmatisieren und vorzuverurteilen.
Schon im ersten Absatz verabschieden Sie sich vom Gedanken der Prävention. Offenbar haben Sie kein Interesse daran, Mobbing wirklich von seiner Wurzel her zu verhindern. Sie wollen sanktionieren, und da hilft auch die umfangreiche Problembeschreibung über mehrere Seiten nicht.
Die Länge des Antrags versucht in diesem Fall wahrscheinlich über die letztliche Schwäche hinwegzutäuschen: Sie liefern nicht eine einzige Lösung des Mobbingproblems, nicht eine einzige Silbe. Das ist schwach. Sie missbrauchen ein wichtiges Thema, das für die gesamte Schulfamilie von Bedeutung ist, für eine – sagen wir mal – ideologische Inszenierung.
Mobbing an, in und rund um die Schule ist eine ernste Angelegenheit und wird von keinem akzeptiert oder als kindlicher Streich abgetan – besonders, wenn es sich hierbei um strafrechtlich relevante Tatbestände handelt.
Wir müssen allen möglichen Tätern klarmachen, dass schwere Mobbinghandlungen strafbar sein können. Hier hilft es aber aus meiner Sicht wenig, Karteien anzulegen. Vielmehr müssen wir präventiv aufklären, aufzeigen, anzeigen und vor allem begleiten.
Das, was Sie hingegen in Ihrem Forderungskatalog an die Landesregierung vorschlagen, ist abzulehnen. Wollen Sie im Endeffekt ein Strafregister für Schülerinnen und Schüler aufbauen? Wollen Sie erkennungsdienstliche Behandlung der Kinder und Jugendlichen wie in den USA?
Sie machen keinerlei Vorschläge, wie wir das eigentlich angehen sollen. Kann eine Datenbank „Gewaltmonitoring an Schulen“ wie in Schleswig-Holstein ein Baustein einer Lösung sein? Oder sollten wir von solchen Instrumenten Abstand nehmen? Denn wie leicht – das wissen wir alle – können solche Instrumente missbraucht werden.
Ein System, das selbst auf Angst und Mobbing ausgelegt ist, kann keine Atmosphäre der Sicherheit und eine von Respekt und Achtsamkeit geprägte Haltung nach sich ziehen.
Aufgabe und Selbstverständnis des Staats muss es aber sein, Schülerinnen und Schülern zu helfen und sie im Zweifelsfall auf den richtigen Weg zu führen. Es ist niemandem damit geholfen, wenn sie in irgendeiner Kartei stehen.
Für uns von der SPD ist klar: Die Lösung ist nicht Stigmatisierung, sondern vielmehr die Maxime Handeln und Helfen. Wir brauchen mehr Schulsozialarbeiter und mehr Personal an den Schulen. Wir müssen die Last von den Schultern der Einzelnen nehmen und auf viele Schultern verteilen.
Damit nehmen wir auch sehr viel Druck von den Lehrkräften, die oftmals mit der Situation überfordert sind und sich alleingelassen fühlen. Sie haben in Ihrem Antrag einen Artikel in der „Rheinischen Post“ vor einiger Zeit zitiert. Das ist sicherlich auch zu bestätigen.
Es sind die Handlungsempfehlungen aus SchleswigHolstein, die Sie in Ihrem Antrag aus dem Zusammenhang gezogen zitieren. Als kleine Anmerkung sei hier noch erlaubt, dass in demselben Bericht steht, dass über 60 % aller gemeldeten Taten von Jungen mit deutscher Staatsangehörigkeit verübt wurden und nur rund 17 % von Täterinnen und Tätern mit dem sogenannten DaZ-Status.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Kontextprobleme von Mobbing beseitigen. Wir müssen dabei helfen, Mobbing zu erkennen, den Opfern schnell zu helfen, den Tätern klare Grenzen zu ziehen und gleichzeitig alternative Wege zu weisen.
Der Überweisung in unseren Schulausschuss stimmen wir zu, auch wenn dieser Antrag dem wichtigen Thema „Mobbing“ so von seinem Inhalt her nicht gerecht wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Spanier-Oppermann. – Für die FDPFraktion spricht Frau Kollegin Müller-Rech.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Mobbing“ ist sehr ernst. Beim Mobbing liegt immer ein Angriff auf die psychische Unversehrtheit vor. Es ist unsere Aufgabe, dass wir Mobbing beenden und den Opfern helfen. Doch genau das, die Hilfe für die Opfer, beinhaltet dieser Antrag nicht.
Genau wie die geschätzte Kollegin Spanier-Oppermann gerade herausgearbeitet hat, habe auch ich kein einziges Wort in diesem AfD-Antrag gefunden, das sich den Opfern und der Hilfe für sie zuwendet, meine Damen und Herren.
Das macht mich wirklich wütend. Es geht der AfD hier nicht um eine Lösung des Problems. Denn ansonsten hätte es hier in diesem Antrag Worte zur Hilfe für die Opfer gegeben.
Es geht der AfD nicht um eine Lösung, sondern es geht ihr darum, mal wieder einen vermeintlichen Sündenbock zu finden, und dieser Sündenbock war schnell ausgemacht. Der Antrag widmet sich in viel zu großem Umfang einer bestimmten Gruppe: „muslimische Zuwanderer“, wie Sie sagen, Menschen mit Migrationsgeschichte, die hier wieder einmal stigmatisiert werden.
Es geht der AfD nur darum, eine Zahlenbasis zu erheben für ihre eigene Propaganda. Dabei, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Rech. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rock, ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen in der neuen verantwortungsvollen Position und gratuliere dem zukünftigen Landrat. Es war wirklich ein großzügiges
Angebot, doch ich habe die Befürchtung, dass wir beide das nicht ausdiskutiert bekommen. Das hat hier nicht geklappt, und das wird im Rhein-Erft-Kreis auch nicht klappen. Deswegen bleibe ich hier, wo die Dinge gravierend zu regeln sind. Ihnen wünsche ich, wie gesagt, ein glückliches Händchen zum Wohle des Rhein-Erft-Kreises und, wie ich hoffe, auch einer qualitätsorientierten Bildung. Danke schön.
Ich möchte gern den 18.04.2018 in Erinnerung rufen. Dr. Catarina Katzer vom Institut für Cyberpsychologie & Medienethik hat in der Anhörung zum Thema „Cybermobbing“ wie folgt ausgeführt:
„Wir haben es heute mit einer vollkommen neuen Opfersituation zu tun. … Es gibt eine große Öffentlichkeit, die es vorher nicht gab. Viele Menschen können sehen, was passiert. … Die Täter sind sozusagen 24 Stunden in der Hosentasche dabei. Zudem gibt es eine Endlosviktimisierung. Das heißt, die Dinge, die im Netz sind, werden wir eigentlich nicht mehr los, selbst dann nicht, wenn wir Fakeprofile, Videos und Fotos löschen. Sie können irgendwann wieder auftauchen, weil sie sich auf anderen Festplatten befinden.
Das heißt, die Dramatik für die Opfer nimmt zu. Das lässt sich auch anhand von Zahlen belegen. Auch internationale Forschungen belegen, dass durch die dauerhafte Belastung mehr als 20 % der Cybermobbingopfer unter Depressionen leiden. Unsere deutsche Studie hat gezeigt, dass jedes fünfte jugendliche Cybermobbingopfer suizidgefährdet ist. Die Problematik ist also da.“
Weil diese Problematik da ist und sie so gravierend ist, haben wir sie mit einem Antrag aufgegriffen, der schließlich von den vier demokratischen Fraktionen hier auch getragen und weiterentwickelt worden ist. Deswegen haben wir uns als Landtag sehr ernsthaft mit dieser Problematik auseinandergesetzt, und das Ministerium hat die Dinge, die in dem Antrag niedergeschrieben sind, auch entsprechend konsequent weitergeführt.
„Was ist das Wichtigste, was die Schule tun kann? Da sehe ich das Übernehmen von Verantwortung als zentralen Punkt an.“
Das ist in der Tat so: Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen. Deswegen müssen wir die Menschen in den Schulen stärken, damit diese Verantwortung gelingen kann.
Von dieser ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema ist aber leider in dem vorliegenden Antrag nichts zu finden. Ich würde ihn als unappetitlich charakterisieren, und er ist sogar scheinheilig. Ich kann das nicht anders bezeichnen, wenn gerade Sie
ausführen, dass Gerichte – ich zitiere aus dem Antrag – „sogar sexualisierte Bezeichnungen von Politikerinnen mit Begriffen aus dem Niveau der Gossensprache nicht als Beleidigungen einstufen.“
Abgesehen davon, dass das im Fall Renate Künast in der nächsten Instanz kassiert wurde, stellt sich die Frage, wer hier eigentlich wen beklagt. Wer hat denn in der Sprache der politischen Auseinandersetzung immer wieder mit Grenzüberschreitungen und Tabubrüchen hantiert? Wer sorgt für gruppenbezogene Diffamierungen? Wer hat Hate Speech als Teil seiner politischen Strategie etabliert, manchmal garniert mit einer mehr oder weniger halbgaren Entschuldigung?
Völlig entlarvend ist Ihr Satz auf Seite 5 des Antrags. Da heißt es, und ich zitiere: „… zeigt jede für sich eigenständig getätigte pejorative“ – also abwertende – „Bewertung vieles …“ – Jetzt könnte man denken: Ja, da kommt jetzt viel Negatives hinterher, vieles, was eine enorme Bedrückung auslöst. Aber dieser Satz geht anders weiter, und das ist widerwärtig. Ich sage jetzt den ganzen Satz:
„… zeigt jede für sich eigenständig getätigte pejorative Bewertung vieles über die menschliche Natur des Adressaten.“
Also über die Natur des Mobbingopfers! Der ist nämlich der Adressat. Da wird der Bezug völlig umgedreht. Das ist Mobbing gegenüber den Menschen,
die gruppenbezogen hier niedergemacht werden. Das ist Mobbing gegenüber Migranten und Migrantinnen. Dieser Antrag ist Mobbing, und das wagen Sie tatsächlich hier dem Plenum vorzulegen. Ich finde das widerwärtig und abstoßend.