Es ist richtig und notwendig, über Gefahren für unsere persönliche Gesundheit, die Überlastung des Gesundheitssystems oder Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu reden und zu berichten. Aber lassen Sie uns auch mehr über Chancen reden, über den notwendigen Mut, diese Chancen zu nutzen, und über Menschen, die Mut und Vertrauen besitzen, diese Krise zu meistern.
Wir sehen und hören Berichte von Menschen, die gegen Coronamaßnahmen protestieren, von Menschen und Unternehmen, die in enorm schwierigen persönlichen und unternehmerischen Situationen bisher kein staatliches Angebot hilfreich gefunden haben.
Lassen Sie uns das doch zum Anlass nehmen, mehr zu erklären, warum wir Politiker wie entscheiden, manchmal entscheiden müssen, weil der Schutz von Grundrechten und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit das gebieten. Wenn wir dann in Zukunft auch noch den einen oder anderen Bericht in den Medien hören, der Menschen zu Wort kommen lässt, die diese Entscheidungen gut finden, dann wäre das vielleicht schon ein Gewinn.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mit dem Satz der Pessimisten: „Das Schlimmste steht uns noch bevor“ nichts anfangen. Ich kann etwas anfangen mit diesem Haushalt, der Chancen ermöglicht und Perspektiven bietet.
Vielleicht ist es gerade jetzt notwendig, sich in dieser Situation daran zu erinnern, dass jahrzehntelang Bergleute in einen Schacht eingefahren sind, ohne die Gewissheit zu haben, dass ihre Arbeit überhaupt
zu einem Lohn führen wird. Sie hatten den Mut, genau das zu tun, und begrüßten sich daher mit dem Satz: „Ich wünsche dir Glück, tu einen neuen Gang auf“, kurz: Glück auf!
Ich wünsche uns gute und zielführende Beratungen zu diesem Haushalt. – Glück auf Nordrhein-Westfalen!
Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über den Landeshaushalt 2021 und den entsprechenden Entwurf dazu. Herr Kollege Löttgen hat gleich zu Beginn seiner Rede großes Feuer aufgefahren, indem er erklärte, was dieser Haushalt für die Kommunen angeblich bedeuten solle.
Lieber Herr Finanzminister, es ist schon ein einmaliger Vorgang, den wir hier beobachten müssen. Sie entnehmen über 9,7 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm, weitere 2 Milliarden Euro aus der Allgemeinen Rücklage, veruntreuen somit fast 12 Milliarden Euro und geben keinen Cent davon den Kommunen ab. Anstatt in die Zukunft zu investieren und die Kommunen zu schützen, lassen Sie die Menschen und die Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Regen stehen. Das ist die Wahrheit über diesen Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Weil der Kollege Löttgen damit so fulminant angefangen hat, will ich jetzt zumindest auf drei, vier Punkte, was die Kommunen angeht, eingehen.
Wir haben im Haushalt 2020 noch eine Zuführung zum Stärkungspaktfonds in Höhe von 350 Millionen Euro. Früher waren es 440 Millionen Euro. Dieses Geld sparen Sie dauerhaft zulasten der Kommunen ein. Von einem Altschuldenfonds ist nichts zu sehen.
Von einem Konzept ist nichts zu sehen. Der Ministerpräsident hat dies noch im Jahr 2019 als die wichtigste Aufgabe für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen postuliert. Sie sind an der Stelle völlig gescheitert.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Fami- lie, Flüchtlinge und Integration)
Herr Minister Stamp, Sie sprechen gerade so freundlich in meine Richtung. Deshalb ein zweiter Punkt: Das Flüchtlingsaufnahmegesetz wartet seit drei Jahren auf eine Reform. Sie haben seit zwei
Jahren ein Gutachten vorliegen. Ich habe in den Haushalt geschaut und mit Freuden festgestellt, dass Sie zumindest eine Summe hineingeschrieben haben. Die ist mit rund 110 Millionen Euro größer als im letzten Jahr. Das ist ungefähr das, was man braucht, um das Lenk-Gutachten für ein Jahr umzusetzen.
Ein Flüchtlingsaufnahmegesetz liegt dem Parlament nicht vor. Es liegt dem Parlament auch nicht vor, wie Sie mit den Geduldeten umgehen wollen. Es liegt dem Parlament nicht vor, wie Sie mit den Jahren 2017 bis 2020 umgehen wollen.
Nur zum Vergleich: In den Jahren 2016, 2018 und 2019 hat das Land 2 Milliarden Euro weniger für die Unterbringung von Geflüchteten ausgegeben. Hier sparen Sie erneut Milliarden zulasten der Kommunen ein. Das ist die Wahrheit, die man hier verkünden muss.
Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist, dass Herr Löttgen für sich reklamiert, die 1 Milliarde Euro KdUEntlastung sei quasi das Werk der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Erstens hat der Ministerpräsident einen anderen Vorschlag gemacht. Zweitens ist das samt und sonders Bundesgeld. Ich finde es schon ein Stück unverschämt, sich das so auf die Fahnen zu schreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Aber schauen wir uns an, was dieser Haushalt ansonsten bringt, Herr Kollege Rasche. Er müsste eigentlich Investitionen in die Zukunft bringen. Das, was die Kollegin Düker hier vorgetragen hat und was zitiert worden ist, halten wir für völlig richtig. Dieser Haushalt muss nämlich mit zwei Krisen umgehen, einerseits mit der Coronakrise, mit der Gesundheitskrise, und andererseits muss er den Kampf gegen die Klimakrise, die fortwährend besteht, berücksichtigen. Das kann man nur mit zielgerichteten Investitionen, und dazu bietet der Haushalt nur Ansatzpunkte.
Deswegen erlaube ich mir auch einen Blick auf das Krisenmanagement der Landesregierung in diesem Jahr. Die Krise hat nämlich die Menschen nicht alle gleich getroffen. Die Menschen sind unterschiedlich betroffen.
Wie schützt man denn Kinder, die man nicht sehen kann? Wie schützt man Menschen, die kein Home haben? Wohin sollen sie sich denn zurückziehen? Denken wir an die vielen Familien, die ihre Bekannten, Freunde, Mütter, Kinder in den Pflegeeinrichtungen, in den Behinderteneinrichtungen wochenlang nicht besuchen können. Familien sind verzweifelt aufgrund dieser Situation.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass eine solche Situation so nicht wieder auftritt. Dafür müssen wir alles
tun. Wir müssen das Bestmögliche für die Menschen in diesem Land organisieren, damit wir sie einerseits schützen, für Gesundheitsschutz sorgen und andererseits dafür sorgen, dass sie zusammenleben können, sich begegnen können, dass die Wirtschaft funktioniert, dass die Schule funktioniert. Das ist unsere Aufgabe und kein parteipolitisches Gezänk, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen haben wir von Beginn an gesagt, dass wir daran konstruktiv mitarbeiten. Wir haben uns sehr genau mit dem auseinandergesetzt, was die Landesregierung vorgelegt hat. Auch wir sind im lernenden Prozess, sind nicht die Besserwisser oder Besserredner.
Deswegen haben wir sofort, als das Pandemiegesetz der Landesregierung vorgelegt wurde, gesagt: Nein, ein solches Gesetz, das mit Zwangsrekrutierung, mit der Beschlagnahmung von medizinischen Apparaten arbeitet, geht mit uns nicht. Wir haben aber nicht einfach nur „Halali“ gerufen, sondern wir sind auf die Regierung zugegangen und haben erklärt: Wir machen ein besseres Gesetz. – Wir haben in intensiven Verhandlungen dafür gesorgt, dass die schlimmen Passagen herausgenommen wurden, dass ein Freiwilligenregister vorliegen muss.
Herr Gesundheitsminister, nutzen Sie es doch! Bauen Sie doch jetzt die Strukturen in den Gesundheitsämtern auf! Stärken Sie die Kommunen! Das Geld ist da. Sorgen Sie für Personal und für starke Strukturen vor Ort in Nordrhein-Westfalen!
Aber dann, kurz danach, musste der Ministerpräsident offensichtlich die Chance nutzen, und er hat die sogenannte Heinsberg-Studie vorgelegt. Ich habe überhaupt nichts gegen Studien, ganz im Gegenteil. Eigentlich müssten wir mehr Forschung betreiben, mehr wissenschaftliche Dokumentationen machen.
Aber es ging um etwas anderes. Es ging darum, einen PR-Gag zu landen. Es ging darum, die These der Landesregierung: „Wir müssen jetzt planlos öffnen“ zu unterstreichen. Dabei bot diese Studie überhaupt keinen Anlass dafür. Die sogenannte verantwortungsvolle Normalität, die Herr Laschet ausgerufen hat, wurde nicht hier in Nordrhein-Westfalen geklärt, sondern mit einer vernünftigen Struktur durch die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten Ende April dieses Jahres – eine klare Niederlage für den Landeschef Armin Laschet.
Ich frage mich auch, warum diese Landesregierung ihren Krisenstab nicht aktiviert hat. Jede staatliche und kommunale Ebene in Nordrhein-Westfalen – von der Bezirksregierung bis zu den Kommunen – hat einen Krisenstab aktiviert. Warum machen sie das? – Weil sie dafür sind, dass die Maßnahmen und die
Lieber Herr Ministerpräsident, stattdessen haben Sie eine Ersatzkommunikation in der Staatskanzlei angelegt. Das ist nicht sachgerecht, das ist keine gute Krisenstrategie.
Wir loben ausdrücklich den Umgang mit dem Expertenrat. Wir halten es für klug, so etwas zu machen. Besser fänden wir es allerdings, viel mehr im Parlament zu diskutieren, den Austausch zu suchen. Wieso haben wir denn Angst vor den Menschen in Nordrhein-Westfalen? Warum laden wir die Expertinnen denn nicht in die Runden ein? Wir haben 18 Millionen kluge Menschen. Die können doch mit uns diskutieren.
Wir können hier Beschlüsse fassen, und wir dürfen auch Fehler machen. Aber Herr Kollege Löttgen hat seine Rede ja selbst mit den Worten beendet: Wir müssen viel mehr erklären, was wir hier entscheiden. – Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, vermissen wir gerade bei der Landesregierung an vielen Stellen sehr intensiv.
Ein Beispiel für das Krisenmanagement ist die Schulpolitik. – Liebe Frau Gebauer, Sie rühmen sich heute in einer Pressemitteilung, wie super das alles laufe und wie früh Sie dran gewesen seien. Aber zusammenfassend muss ich sagen: Die Kommunikation stößt bei den Menschen, bei den Lehrerverbänden, bei den Schülerverbänden nicht nur auf Irritationen, sondern sie sind geradezu sauer. Sie sind nicht damit einverstanden, dass sie nachmittags Mails bekommen, die am nächsten Tag umgesetzt werden sollen, dass es einmal hü und einmal hott geht, dass der Ministerpräsident Ansagen von ihnen einsammelt.
Der DigitalPakt Schule wird hier seit zwei Jahren diskutiert. Es wird seit zwei Jahren über die Digitalisierung der Schulen diskutiert, und Sie schaffen es nicht, das umzusetzen. Das ist doch wahrlich kein Ruhmesblatt für die Landesregierung von NordrheinWestfalen.
Wir machen Vorschläge für einen Plan B. Wir machen Vorschläge für andere Raumkonzepte, für eine Beschulung, wo es möglich ist …